Da es hierzulande keine amtliche Statistik gibt, wurde wie üblich auf diverse Standesamt- und Krankenhausdaten zurückgegriffen. 196.000 Neugeborenennamen hat man dabei erfaßt. Also ein gutes Viertel der letztjährig in Deutschland geborenen Kinder.
Sehr ulkig (und jedes Jahr staunenswert): Der allerexotischste Jungenname unter den „Top 50“ lautet „Mats“, bei den Mädels ist es wohl „Isabella“. Es wirkt, als seien unsere ausländischen Mitbürger entweder extrem gebärmüde oder sämtlich so integriert, daß der dunkelhäutigere Nachwuchs, der früher Mohamad, Yussuf oder Büsra geheißen wurde, plötzlich Leon, Maximilian oder Maria benannt wird. Machen viele neudeutsche Asiaten ja schon lange in der Tat so.
Oder muß man von einem großen Zufall reden? Und alle Alis und Rachidas befinden sich ausschließlich unter den Namensdaten, die eben nicht erfaßt werden konnten? Sprich: Lüge, Lücke oder Wunder?
Die Österreicher handhaben das nun anders, dort gibt es eine Bundesanstalt, die sich um Vornamenstatistik kümmert. Und sehr geschmeidig! Der deutsche Vornamenforscher Knut Bielefeld (der seit vielen Jahren die deutsche Hotlist ermittelt) lobt das smarte Vorgehen unseres Nachbarlandes.
Erstmals wurden auch etymologisch gleiche Vornamen zusammengefasst, dazu hat Statistik Austria zusammen mit dem Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eine umfangreiche Liste der Vornamenvarianten erstellt.
Heißt: Beispielsweise unter dem in Österreich drittbeliebtesten Mädchenvornamen „Maria“ werden nun auch irgendwie „verwandte Namen“ subsummiert: „Maariyah“, „Meriyem“, „Moira“, Marijam“. Unter dem drittbeliebtesten männlichen Vornamen „Jakob“ finden wir auch „Jacub“, „Giacomo“, „Yacoub“, „Jakow“ usw.
Zum Favoriten „Alexander“ zählen ebenfalls „Alastair“, „Aleksandru“, „Eskandar“, „Iskender“ und andere. Younes und Yunus, typische Arabernamen, gehen als „Jonas“ durch.
Was soll man sagen? Schall und Rauch? Oder Omen?
12.1.2017 – Stolperte bei der ZEIT-Lektüre zufällig über eine Kinowerbung; Die Blumen von gestern. Regisseur: Chris Kraus. Oh! Kraus ist nicht nur Großneffe der von mir verehrten Dichterin Oda Schaefer (die wiederum die Frau von Horst Lange, Kubitscheks und mein Herzensschriftsteller war), sondern auch Regisseur eines meiner absoluten Lieblingsfilme, Poll von 2010. Ein Meisterwerk! Vielfach gesehen!
Ich sah mir daraufhin kurz den Trailer des neuen Films von Kraus an. Na klar, ein Muß!
Es wurde der bislang schrägste Abend des Jahres. Wie ist ein solcher Film – bereits vielfach preisgekrönt auf Festivals und von der Kritik (ein paar Ausnahmen: Spiegel und Tagesspiegel) bejubelt – eigentlich möglich? Und: mögbar? Immerhin wurde dieser Film auch von der offiziösen Bewertungsstelle mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet, und er wurde aus den üblichen Förderungstöpfen finanziert.
Ich weiß es nicht. Chris Kraus, dieser genialische Regisseur, kann mir diese Frage auch nicht wirklich lösen. Ich lese im papiernen Werbemittel zum neuen Film seine Aussage: „Wir leben in einer Zeit, in der man dem rechten Wahnsinn mit allen Mitteln die Stirn bieten muss, warum also nicht mit anarchischer Fröhlichkeit?“
Anarchie also!, im Zeichen des Holocaust – na hoppla!
Es geht um Totila Blumen. Der Vierzigjährige ist ein renommierter Holocaustforscher. Extrem populärer Autor zum Thema. Er arbeitet in der sogenannten „Zentralstelle“ und darf den ganz großen Auschwitzkongreß mitorganisieren.
Totila ist ein Fanatiker. Er erlaubt nicht, daß in der „Zentralstelle“, deren Tagungsraum ein gigantisches Auschwitzposter schmückt, irgendwas „geknabbert“ wird. Da wird er zum Tier, denn: Respektlosigkeit gegenüber den Opfern!
Er faßt es nicht, daß jemand sich erlaubt, privat deutsche Lyrik zu lesen. Denn: Deutsche Gedichte nach Auschwitz! No-go.
Er hat Verständnis dafür, daß seine neue Assistentin es begrüßenswert fände, wenn alle Deutschen Schäferhunde eliminiert würden.
Holocaustexperte Totila hat aber einen ganz grundsätzlichen Knall; nein, mehrere. Er ist ein unzurechnungsfähiger Gewalttäter, ein brutaler Schläger. Er ist psychisch schwer krank, darüber hinaus impotent.
Er erlaubt seiner Frau, sich mehrere Liebhaber zu halten, er sucht sie gelegentlich gemeinsam mit ihr aus. Die beiden haben eine schwarze Tochter (wörtlich: „Ersatzkind“). Totilas geliebter Großvater war ein prominenter Nazi und Judenmörder. Geheim hält Totila, daß er, der Holocauststarautor, selbst eine Vergangenheit als Neonazi hat.
Nun wird ihm diese französische Assistentin Zazie auf’s Auge gedrückt, Enkelin eines Holocaustopfers. Auch Zazie ist offensichtlich nicht ganz dicht. Sie flippt aus, als sie mit Totila in einen Mercedes steigen soll. In einem Mercedes sei ihre Großmutter vergast worden! (Totila, genervt: Ausgerechnet Mercedes hat keine Vergasungswagen hergestellt.)
Sie flippt ebenfalls aus, als Totila unsensibel „polnische Putzfrauen“ lobt! Und auch, als der Starhistoriker ihre „körperlichen Vorstellungen“ nicht erwidern will.
Es sei doch, so Zazie, ganz natürlich, daß traumatisierte Opferenkel mit Täterenkeln intime Beziehungen eingehen wollen. Ein Barbar, der solche Wünsche zurückweise! Tolle, im Doppelsinne, Dialoge: „Du bist immer so negativ!!!“ – „Ich bin Holocaustforscher! Ich muß negativ sein! Dafür werde ich bezahlt!“
Hier haben sie alle nicht mehr alle. Die Zentralstellen-Historiker sind schlimme Zyniker oder Kaffeetanten, der Sponsor des Auschwitz-Kongresses (Daimler-Benz) würde sein Fördersümmchen durchaus erhöhen, falls die prominente Überlebendenrednerin sich bereiterklärte, sich einen Mercedesstern anzustecken.
Sogar diese Shoa-Überlebende, Frau Rubinstein, hat ganz offensichtlich einen Dachschaden: Sie möchte lieber über Sex und Schönheitsoperationen reden und fährt jedem über den Mund, der das nicht hören will. Denn: Wer habe schon gelitten wie sie?
Nö, eine „klare Haltung“ (auf der Filmwerbung abgedrucktes Kritikeretikett) hat diese Vergangenheitsbewältigungskomödie auf gar keinen Fall. Die Blumen von gestern ist ein Film über Deutschland. Totila Blumen, dieser kranke, durcheinandere, labile, impotente antifaschistische Erbnazi verkörpert sein Land. Zumindest einen Teil davon. Andere Aspekte werden von den Nebendarsteller personifiziert. Alle: haltlos, heillos. Wie sollte man da ausgerechnet von „Haltung“ reden?
Selten solch einen verrückten Film gesehen.
13.1.2017 – Die allgemein (und von mir persönlich auch) hochgeschätzte Literaturkritikerin Ursula März hat in der ZEIT einen Großartikel verfaßt: über Mutterschaft als Akt der antikapitalistischen Rebellion. Achtung, Frauenthema!
Sie hat zusammengerechnet, daß sie als Mutter 1900 Stunden ihres Lebens mit „Herumhocken“ verbrachte. 30mal war sie in der Kinderbibliothek, 1200mal hat sie abends vorgelesen usw. Frau März vermutet, daß sie durch diese ihre mütterliche Lebenspraxis quer zu der „von forcierten Effizienznormen geprägten Lebenskultur“ stand. Wie sympathisch!
Ursula März ärgert sich über ihre ebenfalls kindhabenden Kolleginnen, die sich mit Ekel abwenden, wenn sie endlich durch einen tollen Schreib- und Business-Auftrag „vom Anblick glotzäugiger Frauen erlöst waren, die auf Spielplätzen Bananenbrei von den Fingern schlecken“.
Die kluge Frau März berichtet, wie sie solche Attitüden gekränkt haben. Zumal sie selbst gelegentlich Bananenbrei von genau jenen Fingern schleckte, mit denen sie hernach vielgelesene Literaturkritiken über Nobelpreisträger geschrieben habe! Frau März ruft den am Sandkasten herumsitzenden Müttern zu: „Elternschaft hat in einer Kultur wie unserer was Revolutionäres! Sie ist der Sand im Getriebe!“
Ist sie das? Na, um so besser. Ich selbst hielt mein eigenes Tun bislang für normal, notwendig und für gar kein revolutionäres Wagnis. Netter & keineswegs entlegener Gedanke, es so zu drehen.
Aber Frau März schreibt von hohem Roß. Ihr antikapitalistisches Mamatum ist ja – und sie betont es – gerechtfertigt von ihrer ungeheuren publizistischen Aktivität. Die typische Mutter, die sich dem kapitalistischen Erwerbszwang widersetzt (oder einfach nur ohne solche komplizierten Hintergedanken für ihre Kinder da sein will), ist normalerweise nicht nebenbei renommierte Literarturkritikerin. Sie ist im Normalfall auch nicht nebenbei Professorin, Ministerin oder Künstlerin.
Nö, sie ist im Normalfall pausierende Schuhverkäuferin, Grundschullehrerin oder Krankenkassenangestellte. Sie widmet Jahre ihres Lebens dem Nachdenken über Sandkastenkonflikte und den Mini-Sorgen der eingemachten Brut. Ein Hoch auf diese verkannten Unzeitgemäßen!
Märzens „Kampfschrift“ ist hingegen ein Artikel einer intellektuellen/akademischen Mutter für intellektuelle/akademische Mütter und keinesfalls ein Entschuldigungstableau für die Normalmutter, die ihren (sicher: „gefühlten“) Erziehungsauftrag ernstnimmt.
Im Gegenteil, die bei ihren Kindern rumhockende, kochende und Hausaufgaben betreuende Normalmutter wird sich nach der ZEIT-Lektüre fragen, ob sie es nicht übertreibt mit ihrem drögem Gluckentum ohne selbstgeschriebene Artikel über Nobelpreisträger.
Frau März ist Jahrgang 1957. Ihr Einzelkind ist gerade volljährig.
Ich sollte ihre gigantisch wirkenden Punk- und Aussteigermutter-Zahlen mal für mich selbst hochrechnen. Dann wirkt der März-Artikel so, als würde einer, der einmal ein fleischloses Gericht bestellt hat, gleich den kämpferischen Supervegetarier mimen!
Bei Märzens aufgezählten 30 H&M‑Besuchen, vier Staffeln “Germany’s Next Topmodel” und drei Tokio-Hotel-Konzertbesuchen kann ich trotz einer Vielzahl von Töchtern nicht mithalten. Ich schreibe bewußt nicht: leider.
Ich finde auf meiner Liste hingegen ein Dutzend Elternabende, ein paar hundert Vorlesestunden, ein paar hundert gekochte Mahlzeiten etc. mehr.
Wenn Frau März sich nun auf der Kippe zum nichtsnutzigen Vertrödlertum sieht: Ich selbst hab diese Grenze zwischen antikapitalistischem Streik und borniertem Mutterberuf (trotz gelegentlicher nichthausfräulicher Tätigkeit) vermutlich längst überschritten. Mit rund 20.000 sogenannten Rumhockstunden undsoweiter.
Wenn eine renommierte Intellektuelle wortreich ihre Einkindteilzeitmutterschaft verteidigen muß (wiewohl ihr das, kein Wunder, gutgelaunt gelingt), dann sind wir schon „weit“ gekommen, scheint mir! Ich bin ja selbst noch mittendrin in der antikapitalistischen Superrevolution. (Bananenbrei gab´s bei mir nie.) Immerhin: Gut zu wissen, daß man Teil eines revolutionären Aktes ist. It‘ s so easy.
Großstadtpauker
Hat Daimler auch Gaswagen im Programm ? Darf der Daimler das ? Daß der das darf .
https://www.faz.net/aktuell/technik-motor/auto-verkehr/mercedes-e-200-ngd-mit-erdgas-bequem-abschalten-13417226.html