Ich werte das nicht, um es mal modern auszudrücken. Es gibt hundertelei Gründe, es so oder so zu handhaben. Als ich klein war, gab es in meiner Familie kein Doppelsprech. Ich wußte, was Mama und Papa wählen, wieviel sie verdienen, und darüber hinaus gab es „Meinung/Haltung“ pur, und zwar zu allen nur erdenklichen Themen. Das kann einen vielleicht manipulieren, das kann einen auch zu einem besonders kritischen/bockigen Kind machen.
Bei uns nun im Hause jedenfalls wäre „politisch neutrales“ Doppelsprech extrem unpraktikabel. Ich wüßte kaum, wie das ginge. Eine Zeitlang haben wir uns bei Tisch zu diversen Fragestellungen auf englisch ausgetauscht, aber das ist schon lange passé. Die Kleinen müssen also durch (fast) alle politische Alltagssorgen mit durch. Manche Tochter schaltet da auf Durchzug. Andere drehen voll auf. Gut, wenn jedes Argument, jedes Sentiment und Ressentiment damit doppelt und dreifach auf den Prüfstand muß!
Belausche heute einen philosophischen Disput zwischen der neugierigen, wirklich alleswissenwollenden Fastsechsjährigen und ihrem großen Bruder: „Ist eigentlich links und klug besser als rechts und dumm?“
Bruder: „Dumm ist immer blöd.“
„Also sind links und dumm und rechts und dumm gleich schlimm?“
„Kann man so doch nicht sagen. Dumme Leute wissen ja oft gar nicht, was sie sind. Außerdem sind die Menschen ja nicht hauptsächlich entweder links oder rechts. Man kann ja noch nicht mal genau sagen, was klug ist. Oder dumm.“
„Aber manche sagen doch, ich bin links. Oder rechts. Nur sagt keiner von sich: Ich bin dumm, oder?“
„Hm. Glaub nicht.“
„Und daß er böse ist, sagt das einer von sich selbst?“
Bruder (logisch verwirrt oder genervt, manchmal weiß man ja auch das nicht): „Das ist mir zu kompliziert. Merk dir einfach, was die Mama immer sagt: Dumm ist nicht schlimm. Dumm und bös zusammen ist schlimm. Und ob einer böse ist, daß merkt man ja.“
„Hm. [Längere Stille ]. Aber was ist jetzt mit schlau und böse. Dann merkt man es vielleicht nicht.“
„Ja!!! Mann! Du weißt doch im Ernst gar nicht wirklich, was links ist! Oder rechts! Und jetzt laß mich lesen!“
„Gut ist aber dumm, wenn du das so sagst. Ich frage mich ja noch, ob es Linke gibt, die denken, sie wären gut, aber…“
Soll ich verraten, was diesen komplexen Disput im Ernst beendete? Diese Aussage: „Moment – meine Zahnspange riecht irgendwie so komisch.“ Folgte: Seife, kochendes Wasser, die übliche Prozedur. Es gibt schon in frühem Alter „Sachzwänge“.
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26.1.2017 – Habe leider versäumt, eine Reihe mit dem Titel „Dumme Anmerkungen/Fragen an meine Kinder“ ordentlich zu sammeln und zu numerieren. Es kommt doch recht viel zusammen. Steige hiermit ein bei ca. Nr. 245.
Lehrerin zum Kind: „Sag mal, glaubst du ernsthaft an Gott?“ – „Ja.“ – „An all das Zeug also?“ – „Zeug? Naja. Wär ein längeres Thema. Ich sag mal: ja.“ – Lehrerin: „Aber du solltest wissen, daß du mit 14 Jahren selbst entscheiden darfst.“ – „Aha, wirklich? Na, dann überleg ich mir’s mal. Haha. Dann läuft es am Ende auf Islamist hinaus.“ [„Wirklich, Mama, das ist mir so rausgerutscht. Ich wollte ‘Moslem´ sagen!! Ehrlich! Das heißt: natürlich nicht ehrlich, ich werde ja kein Moslem!“ ]
Lehrerin: „Na, überleg dir das gut.“
Nr. 246 (dazu muß man sagen, daß unser hiesiges und vergleichsweise dumpfes Provinzblatt erst seit relativ kurzer Zeit das Thema „Kubitschek“ auf dem Bildschirm hat, dafür um so häufiger.) Nun also der Klassenkamerad zum Sohn: „Ey, Alter. Mußt du eigentlich blond und blauäugig sein? Ist das ein Befehl deiner Eltern und würden die dich sonst ausrotten?“
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27.1.2017 – Hier waren zwei „Offizielle“, die uns freundliche Ratschläge gaben, wie wir uns aufgrund der Gefahrenlage (Morddrohungen etc.) schützen könnten. Wenig, was man nicht schon wüßte oder sich denken könnte: Immer schön Augen aufhalten! Nicht dauernd twittern, wo man gerade ist! Videotechnik rund ums Haus! Usw.
Ebenfalls heute kam ein Päckchen einer klugen (nebenbei intellektuell äußerst scharfen) Freundin an. Darin dutzende kleiner, geweihter Marienmedaillons. Zu vergraben entlang der Grundstücksgrenzen. K., zweifelnd: „Na, ob das wirklich was bringt?!“ – „Bitte! Was denn sonst!“
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28.1.2017 – Halbjahresanruf von einem Freund der Familie, der nicht wirklich als „politisch positioniert“ einzuschätzen ist. Als „Rechter“ würde er sich bestimmt nicht sehen wollen. Er kommt auf die Höcke-Rede zu sprechen. „Ach, was heißt schon ungeschickt? Die sollen sich bloß nicht so haben mit ihrer Schicklichkeit. Der Kerl ist ein Romantiker, Punkt. Der hat die Kategorien verwechselt, dieser Gestus der Bierzeltrede, das können die Medien nicht ertragen. Der Inhalt war ja viel zu komplex dafür, das weiß der Höcke nun bestimmt selbst. Daß in keinem Land der Welt ein ‚Denkmal der Schande´ im Herzen der Hauptstadt plaziert würde, was ist denn falsch an der Aussage? Das, also genau diese Plazierung, ist doch das Verrückte. Das fügt sich ein in den Wilhelm-II.-Schlachtruf: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen! Das ist doch die Überspannung! Ich finde, der Höcke ist eigentlich ein Normalisierer. Kriegstreiber sind die Leute, die ihn nun so absichtlich mißverstehen und dämonisieren. Du weißt, ich bin AfD-skeptisch. Aber falls ich die doch wähle, dann genau wegen solcher Hexenjagd.“
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30.1.2017 – Nochmal zur Neugeborenen-Hitliste: Mitte Januar hatte ich an dieser Stelle ungläubig den Kopf darüber geschüttelt, weshalb die „klassischen“ Neubürgernamen (Ali etc.) nicht unter den Top 50 auftauchen. Mitleser und ‑kommentator „Marodeur“ fand dieses Phänomen hingegen „relativ leicht zu erklären. Dazu braucht es keine Verschwörungstheorien. Laut offizieller Statistik hatte 2015 jedes 5. Neugeborene keine deutsche Staatsbürgerschaft. Das sind ca. 180.000 der 740.000 Geburten. Davon stellen die Türken die größte Gruppe mit ca. 21.500. Geht man jetzt davon aus, dass die einzelnen Ethnien eine gewisse Bandbreite und unterschiedliche Vorlieben für der Wahl der Lieblingsnamen haben, dann ist sehr schnell klar, warum Aische und Murat (noch) keine Chance auf die Top-50 haben“.
Was ich aus zweierlei Gründen nicht überzeugend fand: Erstens, weil unter den 80% Neugeboren mit deutscher Staatsbürgerschaft sich bekanntlich eine beachtliche Menge „Neudeutscher“ befinden, deren Eltern traditionsgemäß kaum „Hans“ oder „Sofie“ wählen würden. Zweitens, weil (Stichwort: „gewisse Bandbreite“) fast alle Länder dieser Welt stärker aus einem herkömmlichen Namensfundus schöpfen als die Deutschen. (Was übrigens eine Erscheinung der letzten vierzig Jahre ist – in meiner kleinen Grundschulklasse befanden sich noch vier Michaels!)
So, nun hat mir gerade mein Papa am Telephon die Vornamenshitliste 2016, männliche Neugeborene, Offenbach durchgegeben, ist wohl noch nicht online. Platz 1, 3 und 4: Ali, Mehmet, Mohamed.
Soviel zur Bandbreite und zu „jedem fünften Kind“! Offenbach als Einzelfalle…
Theobald
Kindermund tut Weisheit kund :-) Ich freue mich schon auf ein Sammelband von "Das war´s" in Buchform. Ich glaube, ich bin da nicht der Einzige.
Ich bin als Protestant ehrlich: Ich glaube nicht an den Schutz von Marienmedaillons. Habe aber ein so weites Herz mich über die Geste und Motivation der Schenkenden zu freuen. Aber an den Schutz des Sohnes der Maria :-) - an den glaube ich. Und den wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie von Herzen.