Martin Schulz und die Feinde der Demokratie (2)

Der Politologe David Van Reybrouck findet Wahlen undemokratisch und schlägt daher vor, die Bürger stärker einzubinden. Die Bürger sollen sich in offenen Diskussionen Expertenwissen aneignen, Vorschläge machen und dann darüber abstimmen. Wahlen brächten eine Oligarchie hervor, eine Kaste von Karrieristen und eine Herrschaft des Mittelmaßes, krisiert er.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

War­um das wich­tig ist: Die reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie befin­det sich in Euro­pa spä­tes­tens seit dem Brexit-Refe­ren­dum in Groß­bri­tan­ni­en in einer erns­ten Glaub­wür­dig­keits­kri­se und braucht neue Ideen.

Ich will auf die­se Arti­kel nicht näher ein­ge­hen, es genügt anzu­mer­ken, daß sich bei­de im Anschluß an The­sen des Poli­to­lo­gen David Van Reyb­rouck um die Fra­ge dre­hen, was man mit dem zuneh­mend uner­wünsch­ten Wahl­ver­hal­ten des Stimm­viehs in der west­li­chen Welt anfan­gen soll. Dabei wer­den die “Popu­lis­ten” im Arti­kel der Zeit Online mal wie­der ohne wei­te­re Begrün­dung in die Rol­le der “Anti­de­mo­kra­ten” gedrängt (Trump wird nament­lich genannt), wäh­rend das Estab­lish­ment und sei­ne Par­tei­en eben­so ohne Begrün­dung als “die Demo­kra­tie” iden­ti­fi­ziert wer­den. Genau­er gesagt: als die “reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie”, die durch die popu­lis­ti­sche Her­aus­for­de­rung bedroht sei. In Wahr­heit ist damit gemeint, daß die der­zei­ti­gen Reprä­sen­tan­ten des Vol­kes von erheb­li­chen Tei­len des Vol­kes nicht mehr als reprä­sen­ta­tiv erach­tet wer­den, und das offen­bar aus guten Grün­den, wie die Autoren der Zeit Online mehr oder weni­ger ein­räu­men. Das gäl­te nach ihrer Ansicht sogar, wenn es dem Sys­tem gelän­ge, die “Popu­lis­ten” ‑hier also: die AfD – zu absor­bie­ren, ein­zu­bin­den und zu entradikalisieren:

Denn das Reprä­sen­ta­ti­ons­pro­blem, das in Wahr­heit ein Klas­sen­pro­blem ist, auch in Frank­reich, in den USA, in Groß­bri­tan­ni­en, es wür­de ja blei­ben. Ein neu­es Streit­the­ma, ein neu­er poli­ti­scher Groß­kon­flikt könn­te dazu füh­ren, dass wei­te Tei­le des Vol­kes wie­der an der Demo­kra­tie zu zwei­feln beginnen.

Der Vor­schlag, den sie am Ende des Arti­kels machen, ist indes gar nicht mal schlecht:

War­um also nicht eine deut­sche Bür­ger­ver­samm­lung ein­be­ru­fen? Ein­tau­send Men­schen, Jun­ge und Alte, Sach­sen und West­fa­len, Hips­ter und Wut­bür­ger, ein Spie­gel der Gesell­schaft. Ein gro­ßer Saal in Ber­lin, oder nein: irgend­wo auf dem Land. Ein The­ma, sagen wir: die Flücht­lings­kri­se. Genug Zeit, um vie­le Exper­ten zu hören und aus­führ­lich zu debat­tie­ren. Und der Auf­trag: Wie soll die deut­sche Flücht­lings­po­li­tik der Zukunft aussehen?

Ja, war­um eigent­lich nicht?

Im ers­ten Teil die­ses Bei­trags ver­wies ich auf den von den Feuil­le­tons abge­fei­er­ten Essay Was ist Popu­lis­mus? des Poli­to­lo­gen Jan-Wer­ner Mül­ler, des­sen Kern­the­se fol­gen­der­ma­ßen lautet:

Popu­lis­ten behaup­ten “Wir sind das Volk!” Sie mei­nen jedoch – und dies ist eine mora­li­sche, kei­ne empi­ri­sche Aus­sa­ge (und dabei gleich­zei­tig eine poli­ti­sche Kampf­an­sa­ge): “Wir – und nur wir – reprä­sen­tie­ren das Volk.” Damit wer­den alle, die anders den­ken, ob nun Gegen­de­mons­tran­ten auf der Stra­ße oder Abge­ord­ne­te im Bun­des­tag als ille­gi­tim abge­stem­pelt, ganz unab­hän­gig davon, mit wie viel Pro­zent der Stim­men ein offi­zi­el­ler Volks­ver­tre­ter ins Hohe Haus gewählt wurde.“

Dar­aus folgt, daß „Popu­lis­ten zwangs­läu­fig anti­plu­ra­lis­tisch sind“ sind:

Wer sich ihnen ent­ge­gen­stellt und ihren mora­li­schen Allein­ver­tre­tungs­an­spruch bestrei­tet, gehört auto­ma­tisch nicht zum Volk.

Demo­kra­tie aber sei „ohne Plu­ra­li­tät nicht zu haben“, wofür Mül­ler als Kron­zeu­gen Jür­gen Haber­mas aufruft:

Das Volk “tritt nur im Plu­ral auf”. Und Demo­kra­tie kennt am Ende nur Zah­len: Die Stimm­an­tei­le ent­schei­den dar­über, wer die Bür­ger reprä­sen­tiert (in den Wor­ten Clau­de Leforts: Mit der Demo­kra­tie tritt die Zahl an die Stel­le der Substanz.)

Popu­lis­ten behaup­ten also bloß, „den Wil­len des Vol­kes zu reprä­sen­tie­ren“, wäh­rend sie in Wirk­lich­keit „eine sym­bo­li­sche Reprä­sen­ta­ti­on des angeb­lich ‘wah­ren Vol­kes’ instru­men­ta­li­sie­ren, um demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen, die dum­mer­wei­se nicht von Popu­lis­ten domi­niert wer­den, zu dis­kre­di­tie­ren.“ Des­halb sei­en Popu­lis­ten „zumin­dest der Ten­denz nach antidemokratisch.“

Ich habe bereits im ers­ten Teil ange­merkt, daß sich Mül­lers The­sen zum Teil recht ein­fach umkeh­ren lassen:

Wenn die Popu­lis­ten sagen: „Wir sind das Volk!“, ant­wor­ten die herr­schen­den Eli­ten heu­te ana­log: „Wir – und nur wir – sind die Demo­kra­tie! Dar­um sei ihr Fein­de der Demo­kra­tie!“  Doch eigent­lich war die Rei­hen­fol­ge umge­kehrt. Die­ser sich immer arro­gan­ter und auto­ri­tä­rer äußern­de „mora­li­sche Allein­ver­tre­tungs­an­spruch“ der Eli­ten war es erst, der das „Wir sind das Volk“ von Pegi­da oder auch der AfD her­vor­ge­bracht hat, in deren Rei­hen die­se Paro­le bewußt benutzt wird, um eine Ana­lo­gie zur Situa­ti­on des Jah­res 1989 in der DDR herzustellen.

Folgt dar­aus, dass die poli­tisch-media­len Eli­ten durch ihren Allein­ver­tre­tungs­an­spruch „zwangs­läu­fig anti­plu­ra­lis­tisch“ sind? Wenn es nach Mül­lers Kri­te­ri­en geht, dann ja. Mit sei­nen eige­nen Wor­ten könn­te man sagen: „Wer sich ihnen ent­ge­gen­stellt und ihren mora­li­schen Allein­ver­tre­tungs­an­spruch bestrei­tet, gehört auto­ma­tisch nicht zur Demo­kra­tie.“ Die der­zeit ein­zi­ge ech­te Oppo­si­ti­ons­par­tei trägt schließ­lich nicht umsonst die „Alter­na­ti­ve“ im Namen.

Sehen wir uns die Sache näher an.

Mül­lers Basis, um den Popu­lis­mus als „anti­de­mo­kra­tisch“ zu äch­ten, sind zwei Prä­mis­sen: Demo­kra­tie sei ers­tens die Herr­schaft der Zahl und nichts wei­ter, und sie sei zwei­tens not­wen­di­ger­wei­se „plu­ra­lis­tisch“, wes­halb nie­mand für sich bean­spru­chen kann, als Teil für das Gan­ze zu spre­chen oder eben für den mehr oder weni­ger fik­ti­ven Sou­ve­rän namens „Volk“. Daß er sich dabei auf den fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen Clau­de Lefort beruft, ist inso­fern inter­es­sant, als Lefort den Tota­li­ta­ris­mus als eine Ten­denz der Demo­kra­tie selbst, und nicht als ihren Gegen­satz betrachtete.

Dies ergibt sich aus dem Pro­blem der Defi­ni­ti­on des Gan­zen und sei­ner uni­ver­sa­len Reprä­sen­ta­ti­on, ohne die am Ende kei­ne Gesell­schaft gänz­lich aus­kommt, wenn sie nicht zen­tri­fu­gal zer­fal­len will. Wo einst der Mon­arch als rea­ler, von der Zivil­ge­sell­schaft unter­schie­de­ner Reprä­sen­tant der Ganz­heit saß, ist in der Demo­kra­tie nur mehr eine sym­bo­li­sche, vir­tu­el­le Leer­stel­le zu fin­den, eine „Qua­si-Reprä­sen­ta­ti­on“. Der demo­kra­tisch Regie­ren­de, gleich­zei­tig Bür­ger und Herr­scher, Reprä­sen­tant und Teil der Zivil­ge­sell­schaft herrscht also nur „als ob“. Der Ver­such, die­se Lücke zu schlie­ßen, füh­re zum Totalitarismus.

Viel­leicht läßt sich das gut mit der berühm­ten For­mel von Rudolf Hess vom Nürn­ber­ger Par­tei­tag 1934 anschau­lich machen: “Die Par­tei ist Hit­ler, Hit­ler aber ist Deutsch­land, wie Deutsch­land Hit­ler ist”.  Der Natio­nal­so­zia­lis­mus hat­te unzwei­fel­haft “popu­lis­ti­sche” und “demo­kra­ti­sche” Ele­men­te (das läßt sich etwa an dem Pro­pa­gan­da­film Kol­berg ver­blüf­fend gut stu­die­ren). Der “Füh­rer” (ein Mann aus dem Volk) und die Par­tei (eine klas­sen­über­grei­fen­de Volks­par­tei) reprä­sen­tie­ren die Ganz­heit der Nati­on und den Volks­wil­len, und sind sie ein­mal an der Macht, bedarf es kei­ner wei­te­ren Wah­len mehr, da ein für alle mal ent­schie­den ist, wer den wah­ren Volks­wil­len reprä­sen­tiert – ähn­lich legi­ti­mier­te sich auch das Regime der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik, wobei der “Volks­wil­le” mit dem Sozia­lis­mus iden­ti­fi­ziert wur­de. Die berüch­tig­ten Sze­nen, die man aus unzäh­li­gen Pro­pa­gan­da­fil­men des 3. Reichs kennt, in denen sich der “Füh­rer” von den Volks­mas­sen durch “Heil!”-Zurufe fei­ern läßt, kann man durch­aus als eine Form der ritua­li­sier­ten “demo­kra­ti­schen” Akkla­ma­ti­on sehen. 

Um wei­ter an Lefort anzu­schlie­ßen: In der Tat läßt sich die Schmitt­sche „Homo­ge­ni­tät eines bestimm­ten Gebie­tes“ tota­li­tär aus­deh­nen, indem alle oder mög­lichst vie­le Gebie­te einer Gesell­schaft einem Homo­ge­ni­sie­rungs- und Aus­schei­dungs­pro­zess unter­wor­fen wer­den, übri­gens mit einem ähn­li­chen End­ziel wie der mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­sche Glo­ba­lis­mus, der ledig­lich sei­ten­ver­kehrt vor­geht: der Erschaf­fung einer rund­um befrie­de­ten, kon­flikt­frei­en, gleich­ge­schal­te­ten Gesell­schaft. Die „Viel­falt“ soll nach Frans Tim­mer­mans als Schick­sal der gan­zen „Mensch­heit“ noch „auf den ent­fern­tes­ten Orten die­ses Pla­ne­ten“ ver­brei­tet wer­den. Ihr lang­fris­ti­ges Ziel ist das Gegen­teil des­sen, was sie vor­gibt zu wol­len: die Abschaf­fung sämt­li­cher kul­tu­rel­ler, reli­giö­ser, eth­ni­scher, ras­si­scher, geschlecht­li­cher Unter­schie­de, die „Mensch­heits­de­mo­kra­tie“, in der alle das Volk sind, was dar­auf hin­aus­läuft, daß kei­ner mehr Volk ist und kei­ne Grup­pe mehr sagen kann: „Wir sind das Volk“, die dar­um von einer glo­ba­len Mana­ger-Eli­te gelenkt wer­den muß, die qua­si im Namen der Mensch­heit und der Mensch­heits­sou­ve­rä­ni­tät herrscht.

Man kommt an die­ser Stel­le nicht dar­an vor­bei, mit Carl Schmitt an den “Gegen­satz zwi­schen Par­la­men­ta­ris­mus und moder­ner Mas­sen­de­mo­kra­tie” zu erin­nern, eine Unter­schei­dung, die letzt­lich auch Mül­lers Ansatz zugrun­de liegt. Wie so oft bei Schmitt haben sich Heer­scha­ren an Kom­men­ta­to­ren den Schä­del an Sät­zen ein­ge­rannt, die schlicht­weg nicht zu wider­le­gen sind:

Jede wirk­li­che Demo­kra­tie beruht dar­auf, daß nicht nur Glei­ches gleich, son­dern, mit unver­meid­li­cher Kon­se­quenz, das Nicht­glei­che nicht gleich behan­delt wird. Zur Demo­kra­tie gehört also not­wen­dig ers­tens Homo­ge­ni­tät und zwei­tens – nöti­gen­falls – die Aus­schei­dung oder Ver­nich­tung des Heterogenen. 

Natür­lich: selbst eine exzes­siv “plu­ra­lis­ti­sche” oder „inklu­si­ve“ Demo­kra­tie kommt nicht umhin, zu ent­schei­den, wer zu ihrem Volk gehört und wer aus­ge­schlos­sen wer­den muß, und sei­en es die berüch­tig­ten „Extre­mis­ten“ oder „Popu­lis­ten“. Schmitt weiter: 

Die poli­ti­sche Kraft einer Demo­kra­tie zeigt sich dar­in, daß sie das Frem­de und Unglei­che, die Homo­ge­ni­tät Bedro­hen­de zu besei­ti­gen oder fern­zu­hal­ten weiß. Bei der Fra­ge um Gleich­heit han­delt es sich näm­lich nicht um abs­trak­te, logisch-arith­me­ti­sche Spie­le­rei­en, son­dern um die Sub­stanz der Gleichheit. 

Sie kann in bestimm­ten phy­si­schen und mora­li­schen Qua­li­tä­ten gefun­den wer­den” oder “sich auf die Über­ein­stim­mung reli­giö­ser Über­zeu­gun­gen” grün­den: “Seit dem 19. Jahr­hun­dert besteht sie vor allem in der Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimm­ten Nati­on, in der natio­na­len Homogenität.”

 Das all­ge­mei­ne Wahl- und Stimm­recht ist ver­nünf­ti­ger­wei­se nur die Fol­ge einer sub­stan­ti­el­len Gleich­heit inner­halb des Krei­ses der Glei­chen und geht nicht wei­ter als die­se Gleich­heit. Ein sol­ches glei­ches Recht hat einen guten Sinn, wo Homo­ge­ni­tät besteht. Die­se Art All­ge­mein­heit des Wahl­rechts aber, die der ‘welt­läu­fi­ge Sprach­ge­brauch’ meint, bedeu­tet etwas ande­res: Jeder erwach­se­ne Mensch, bloß als Mensch, soll eo ipso jedem ande­ren Men­schen poli­tisch gleich­be­rech­tigt sein. Das ist ein libe­ra­ler, kein demo­kra­ti­scher Gedan­ke; er setzt eine Mensch­heits­de­mo­kra­tie an die Stel­le der bis­her bestehen­den, auf der Vor­stel­lung sub­stan­ti­el­ler Gleich­heit und Homo­ge­ni­tät beru­hen­den Demokratie. […]

Bis­her hat es noch kei­ne Demo­kra­tie gege­ben, die den Begriff des Frem­den nicht gekannt und die Gleich­heit aller Men­schen ver­wirk­licht hät­te. Woll­te man aber mit einer Mensch­heits­de­mo­kra­tie Ernst machen und wirk­lich jeden Men­schen jedem ande­ren Men­schen poli­tisch gleich­stel­len, so wäre das eine Gleich­heit, an der jeder Mensch kraft Geburt oder Lebens­al­ters ohne wei­te­res teil­näh­me. Dadurch hät­te man die Gleich­heit ihres Wer­tes und ihrer Sub­stanz beraubt, weil man ihr den spe­zi­fi­schen Sinn genom­men hät­te, den sie als poli­ti­sche Gleich­heit, öko­no­mi­sche Gleich­heit usw., kurz als Gleich­heit eines bestimm­ten Gebie­tes hat. 

Das glo­ba­lis­ti­sche Eli­ten­pro­jekt sieht nun lang­fris­tig nichts Gerin­ge­res als eben die­se Erschaf­fung einer sol­chen “Mensch­heits­de­mo­kra­tie” vor, wobei die Auf­lö­sung der Natio­nal­staa­ten eine Zwi­schen­etap­pe zum End­ziel ist. Sie setzt weni­ger beim Staats­ap­pa­rat, der par­la­men­ta­ri­schen Ord­nung oder der Ver­fas­sung an, die viel­mehr zu unan­tast­ba­ren hei­li­gen Kühen erklärt wer­den (wie etwa das feti­schi­sier­te, in den Rang der zehn Gebo­te erho­be­ne und teil­wei­se mit den all­ge­mei­nen Men­schen­rech­ten gleich­ge­setz­te Grund­ge­setz), son­dern direkt an der Wur­zel, der Neu­tra­li­sie­rung der Staats­bür­ger­schaft, der “Sub­stanz der Gleich­heit”, der Iden­ti­tät des Staat­vol­kes. Deutsch­land soll zur “Mensch­heits­de­mo­kra­tie” im Klei­nen umfunk­tio­niert wer­den: Jeder kann Deut­scher wer­den, jeder soll Deut­scher wer­den, jeder Nicht­deut­sche soll jedem Deut­schen prin­zi­pi­ell poli­tisch gleich­ge­stellt wer­den, sogar, wenn er noch nicht Staats­bür­ger ist. Jeder Mensch soll an der deut­schen Demo­kra­tie oder der Demo­kra­tie in Deutsch­land und inzwi­schen auch am deut­schen Sozi­al- und Wohl­fahrts­staat teil­neh­men dürfen. 

Damit hät­te man die deut­sche Staats­bür­ger­schaft wie die Volk­zu­ge­hö­rig­keit ihrer his­to­ri­schen Sub­stanz beraubt, ihr jeden spe­zi­fi­schen Sinn genom­men. Eine Demo­kra­tie, in der alles und jeder zum “Demos” wird, führt sich jedoch selbst ad absur­dum. Wo alle “das Volk” sind, ist es kei­ner mehr und herrscht dar­um im demo­kra­ti­schen Sin­ne auch kei­ner mehr. Die Exis­tenz einer sol­chen “Sub­stanz der Gleich­heit”, ins­be­son­de­re einer eth­no-kul­tu­rel­len Sub­stanz, wird bekannt­lich von den Ver­fech­tern der abs­trak­ten Gleich­heit und der Mensch­heits­de­mo­kra­tie vehe­ment geleug­net und lächer­lich gemacht: wer kön­ne etwa schon sagen, wer oder was “echt” deutsch oder fran­zö­sisch sei und was nicht? Und wie kön­ne man dann jeman­den aus­gren­zen, und ihm sagen: Du kannst aus die­sem oder jenem Grund kein Deut­scher oder Fran­zo­se sein? 

Der­lei Iden­ti­tä­ten sei­en doch nichts als ver­än­der­li­che Kon­struk­te, und regel­recht tabu ist jeder Hin­weis auf so alt­her­ge­brach­te, einst selbst­ver­ständ­li­che Grund­la­gen der Staats­bür­ger­schaft oder Volks­zu­ge­hö­rig­keit wie das “ius san­gui­nis”, da man sich hier doch sofort in “ras­sen­bio­lo­gi­sche” und ähn­li­che unfei­ne Gebil­de begä­be. Das in NS-Zei­ten gebräuch­li­che Wort “völ­kisch” wird heu­te als Tot­schlag­be­griff benutzt, weil der Begriff des “Vol­kes” selbst, ver­stan­den als Abstam­mungs- und Schick­sal­ge­mein­schaft mit einem gemein­sa­men his­to­ri­schen Nar­ra­tiv, anrü­chig gewor­den ist. Aber zu Beginn der moder­nen Natio­nal­staa­ten waren alle Demo­kra­tien in die­sem Sin­ne “völ­kisch”. Als Repor­ter der Welt am Sonn­tag Frau­ke Petry aufs Glatt­eis füh­ren woll­ten, indem sie ihr den Begriff “völ­kisch” zuspiel­ten, hat­te sie die rich­ti­ge Intui­ti­on: Es sei pro­ble­ma­tisch, dass “es bei der Äch­tung des Begrif­fes ‚völ­kisch’ nicht bleibt, son­dern der nega­ti­ve Bei­geschmack auf das Wort ‚Volk’ aus­ge­dehnt wird“. Der Begriff „völ­kisch“ sei letzt­lich nichts ande­res „ein zuge­hö­ri­ges Attri­but“ zum Wort „Volk.“

Wir befin­den uns hier mit­ten in einer Debat­te, die zu einem wesent­li­chen Schlacht­feld des natio­na­len Auf­lö­sungs­pro­zes­ses gewor­den ist. Man muß an die­ser Stel­le in der Regel gegen gan­ze Armeen von kurz­ge­schlos­se­nen Stroh­män­nern ankämp­fen, eben­so, wenn man den Begriff der “Homo­ge­ni­tät” ins Spiel bringt, der dann reflex­haft mit “Ras­ser­ein­heit” und ähn­li­chen Begrif­fen aus der NS-Ter­mi­no­lo­gie in Ver­bin­dung gebracht und gleich­ge­setzt wird. “Homo­ge­ni­tät” bedeu­tet in die­sem Kon­text nichts wei­ter, als die “Homo­ge­ni­tät eines bestimm­ten Gebie­tes”, ein eini­gen­des Dach, unter dem ein erheb­li­ches Aus­maß an Hete­ro­ge­ni­tät Platz haben kann. Eine “eth­nisch homo­ge­ne” Gemein­schaft kann zur glei­chen Zeit aus äußerst hete­ro­ge­nen Ele­men­ten bestehen, was etwa Klassen‑, Standes‑, Bildungs‑, Reli­gi­ons- und Ein­kom­mens­un­ter­schie­de oder auch gene­ti­sche und phy­sio­gno­mi­sche Typen betrifft.

Deutsch­land war im Lau­fe sei­ner Geschich­te stets ein außer­or­dent­lich “viel­fäl­ti­ges”, häu­fig gespal­te­nes oder gar zer­ris­se­nes Land. Eine “eth­nisch und kul­tu­rell homo­ge­ne” Gesell­schaft ist auch kei­nes­wegs zwangs­läu­fig eine „unter­kom­ple­xe“ oder weni­ger kom­ple­xe Gesell­schaft, wie man­che mei­nen, die sich beson­ders viel ein­bil­den auf ihre Fähig­keit zur Kom­ple­xi­täts­be­wäl­ti­gung (ja, ich den­ke hier an Armin Nas­sehi). Japan ist bei­spiel­wei­se ein Land, des­sen Bevöl­ke­rung gene­tisch und kul­tu­rell äußerst “homo­gen” ist, jedoch käme wohl nie­mand auf die Idee, zu behaup­ten, es hand­le sich dabei um ein unter­kom­ple­xes, unmo­der­nes Land oder ein Land ohne “Kom­ple­xi­täts­pro­ble­me”.

Und schließ­lich ist da die Tat­sa­che, daß die Gren­zen sämt­li­cher euro­päi­scher Natio­nal­staa­ten mehr oder weni­ger nach dem Prin­zip der „eth­ni­schen” bzw. “natio­na­len Homo­ge­ni­tät“ gezo­gen wur­den. Wo man sie nicht ein­deu­tig zie­hen konn­te, kam es im 20. Jahr­hun­dert mit­un­ter zu blu­ti­gen Kon­flik­ten und gewalt­sa­men Bevöl­ke­rungs­trans­fers – man den­ke etwa an die Tsche­cho­slo­wa­kei, Polen, Grie­chen­land und Jugo­sla­wi­en. Die Kom­bi­na­ti­on aus Ius san­gui­nis und Ius soli als Grund­la­ge der natio­na­len Staats­bür­ger­schaft war bis vor kur­zem noch eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, um zu defi­nie­ren, wer einem Volk oder einer Nati­on ange­hört und wer nicht.

All dies ist nach wie vor die his­to­ri­sche Basis der west­eu­ro­päi­schen natio­nal­staat­li­chen Demo­kra­tien, die sich in einem – durch­aus gewoll­ten – eth­no­kul­tu­rel­len Auf­lö­sungs­pro­zess befin­den, was auch dazu führt, daß Begrif­fe wie „Volk“ und „Demo­kra­tie“ ihres ursprüng­li­chen Sin­nes beraubt wer­den. “Demo­kra­tie” wird zum Schlag­wort, zum Buz­zword, das eine Mys­tik des Ega­li­tä­ren evo­ziert, das Frei­heit, Par­ti­zi­pa­ti­on und Eman­zi­pa­ti­on, Wohl­stand und Gerech­tig­keit für größt­mög­li­che Zah­len verspricht.

Es schmei­chelt dem Ego des Indi­vi­du­ums, ins­be­son­de­re jener, die kei­nen Rang und kei­ne Auto­ri­tät über sich ertra­gen kön­nen. Am Tag der Wahl gel­ten alle Stim­men gleich, die der Rei­chen und Armen, der Pri­vi­le­gier­ten und der Under­dogs, der Klu­gen und der Dum­men, der Infor­mier­ten wie der Ahnungs­lo­sen. Der ein­zel­ne Wäh­ler muß nur genü­gend Rei­che und Arme, Pri­vi­le­gier­te und Under­dogs, Infor­mier­te und Ahnungs­lo­se auf sei­ner Sei­te haben, um zumin­dest mit­tel­bar am poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zeß par­ti­zi­pie­ren und sei­nen Bis­sen Sou­ve­rä­ni­tät nut­zen zu kön­nen. Die­ser quan­ti­ta­ti­ve Aspekt der Demo­kra­tie wur­de oft kri­ti­siert, in Zei­ten, als man es sich noch leis­ten konn­te, Demo­kra­tie­kri­ti­ker zu sein, ohne dem Scher­ben­ge­richt zu verfallen.

Heut­zu­ta­ge wagt es nie­mand mehr, den Wert der Demo­kra­tie in Fra­ge zu stel­len, und damit die Gleich­heit aller Men­schen zu bestrei­ten oder gar dik­ta­to­ri­schen, „eli­tä­ren“ oder auto­ri­tä­ren Herr­schafts­for­men das Wort zu reden. Wider die Demo­kra­tie zu spre­chen oder sie auch nur nen­nens­wert zu kri­ti­sie­ren, käme einer Got­tes­läs­te­rung im Mit­tel­al­ter gleich. Auf einer kryp­to­theo­lo­gi­schen Ebe­ne ist sie Chif­fre für ein bestimm­tes ega­li­tä­res Men­schen­bild, das zum wesent­li­chen Glau­bens­ar­ti­kel unse­rer Zeit gewor­den ist. Auf der prak­ti­schen Ebe­ne scheint es indes so, als ob die sakra­le, unan­tast­ba­re Aura des Wor­tes „Demo­kra­tie“ para­do­xer­wei­se gezielt dafür benutzt wird, die rea­le demo­kra­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on des Vol­kes zu mini­mie­ren und einer zuneh­mend post-demo­kra­ti­schen Ord­nung Legi­ti­mi­tät zu ver­lei­hen. Der Kern des Pro­blems ist wohl die zuneh­men­de Ent­kop­pe­lung des libe­ra­len bzw. reprä­sen­ta­ti­ven Teils des mas­sen­de­mo­kra­ti­schen Sys­tems von sei­nen ple­bis­zi­tä­ren Ele­men­ten, was die logi­sche Fol­ge ist, wenn man eine natio­nal­staat­li­che Demo­kra­tie in eine Ver­suchs­an­stalt für die kom­men­de Mensch­heits­de­mo­kra­tie umwan­deln will.

Fort­set­zung folgt.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (25)

Stefanie

6. Februar 2017 10:57

"Heutzutage wagt es niemand mehr, den Wert der Demokratie in Frage zu stellen, und damit die Gleichheit aller Menschen zu bestreiten.... Auf einer kryptotheologischen Ebene ist sie Chiffre für ein bestimmtes egalitäres Menschenbild, das zum wesentlichen Glaubensartikel unserer Zeit geworden ist."

Die Demokratie ist zweifellos äußerst nützlich - gerade für die Mächtigen. Sie dient ihnen als Entscheidungshilfe, als Rückkopplungselement zur Stimmung im Volk. Wenn das Volk einer Politik zustimmt, so ist das meist eine, die das Volk prosperieren läßt und ein prosperierendes Volk, ein Volk mit einem wachsenden Wohlstand, der die Basis aller politischen Macht ist: Steuern, eine gesunde, stabile bis leicht wachsende Bevölkerungszahl, zunehmende Bildung, Erfindungenen, Akkumulation von Produktivkapital und Infrastruktur - das wünscht sich das Volk  - und das ist auch die Basis für eine starke Stellung eines Volkes unter anderen Völkern. Doch aus der Kakaophonie der verschiedenen Interessenlagen im Volk eine konsistente Politik entwickeln, aus der "Schwarmintellegenz" (oder "Schwarmdummheit") der Massen zu Versuchen eine Linie herauszukristalisieren, wie die Entwicklung voranzutreiben ist, erscheint mir ziemlich aussichtslos. (auch wenn es sicher solche eher evolutionären Entwicklungen in der Gesellschaft gibt und gerade der Wettbewerb zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen wahrscheinlich die wirklich bedeutenden Entwicklungen anschiebt). Die Linien der Politik müssen die Herrschenden in der Lage sein selbst zu entwerfen, sonst taugen sie nichts für diesen Beruf. Doch wenn sie klug sind, dann hören sie auf den Pöbel, ob er sich nun in Form von Wahlen artikuliert oder auf der Strasse, beides ist demokratische Ausdrucksform. Die Demokratie ist ein Werkzeug, das gerade die Mächtigsten zu gebrauchen verstehen sollten, ein Mittel zum Zweck - wie eine Bohrmaschine oder ein Pflug. Man kann über Sinn und Zweck des Werkzeugs streiten und ständig neue Methoden entwickeln.

Nehmen sie z.B. den Pflug: seit einigen Jahrzehnten gilt er als "out", stört angeblich das Bodenleben und fördert die Erosion - pflugloses Wirtschaften ist angesagt und wird auch staatlicherseits gefördert. Doch wenn sie diese Verfahren anwenden wollen (Mulchsaat, Stripdrill), werden sie auf einen massiven Einsatz von Herbiziden nicht verzichten können (RoundUp kennt jeder).  Wenn ich also auf das eine Werkzeug verzichten will, werde ich ein anderes einsetzen müssen, was ebenfalls seine Nebenwirkungen haben wird.  

Bauern streiten über das Für und Wider des Pfluges, Philosophen über das Für und Wider der Demokratie. Man streitet sich über Dinge, die einen persönlich betreffen, die einen emotional berühren und wer wütend oder enthusiastisch ist, ist meist nicht besonders objektiv. Doch ist es deshalb besser die Bauern über die Demokratie abstimmen zu lassen und die Philosophen über den Pflug (oder die Kernkraft)?  Deshalb lassen sich zuspitzender (populistischer) Debattenton und wirkliche Informiertheit und Betroffenheit wahrscheinlich nicht voneinander trennen. Wenn es wirklich um etwas wichtiges geht, ist ein Argumenteaustauschen in einer gesitteten Volksversammlung ohne "Hatespeech" wahrscheinlich gar nicht menschlich möglich. Wer jeden aus der Debatte ausschließen will, der sich mal im Ton vergreift, handelt in dem Sinne nicht redlich, denn er schließt damit gerade diejenigen aus, die am intensivsten in dem Thema drinstecken, die am stärksten betroffen sind oder sich betroffen fühlen. Jedoch schreibe isch hier ausdrücklich von dem Ton, in dem eine Debatte geführt wird, wenn das ganze in Taten und Aktionen umschlägt, ist die Form nicht mehr "Populistisch" sondern radikal oder aktionistisch und damit auf dem Weg zur Politik mit anderen Mitteln. (Bei den Trumpgegenern und der Antifa kann man recht gut beobachten, wie man sich allmählich in einen Lynchmob hineinsteigert, aber ich will nicht ausschließen, das nicht auch unsere Seite einmal Gefahr läuft, diese Grenze zu überschreiten.)

Definitiv würde ich die "Demokratie" jedoch als ein Werkzeug betrachten, ein Mittel zum Zweck, daß man danach beurteilen sollte, wie gut sich der Zweck mit ihm erreichen läßt. Die utilitarisctische Betrachtungsweise hält einen auch davon ab in der Debatte allzu emotional zu werden. Wer würde schon für seine Bohrmaschine oder seinen Pflug kämpfen oder sterben wollen? (und für die würde es sich oft eher lohnen, als für die Demokratie).

Der_Jürgen

6. Februar 2017 11:24

Zunächst einmal ein Komplliment für das verbesserte Schriftbild; Zitate sind nun auf Anhieb als solche erkennbar.

Die Beweisführung ist, wie bei Lichtmesz üblich, einwandfrei. Wenn er aber schreibt, heute wage es niemand mehr, "den Wert der Demokratie in Frage zu stellen oder ... elitären oder autoritären Herrschaftsformen das Wort zu reden", würde ich korrigierend ergänzen: "Niemand, der im Rahmen dieses Systems politische Verantwortung anstrebt, wagt dies." Es gibt hier ja eine erhebliche Anzahl von Foristen, die kein Hehl daraus machen, dass sie der Demokratie zumindest skeptisch gegenüberstehen, aber die schreiben - sei es freiwillig, sei es auf Geheiss der Bademeister - unter Pseudonymen und können sich den Luxus der freien Meinungsäusserung deshalb leisten.

Gesetzt, der eine oder andere Sezession-Autor sympathisiere ebenfalls mit nichtdemokratischen Regierungsformen, dürfte er sich nicht erlauben, dies offen zu bekunden, denn damit würde er der demokratischen Gedankenpolizei einen willkommenen Vorwand liefern, um gegen diesen Blog einzuschreiten.

Wie @Raskolnikow hier kürzlich zu Recht festhielt, ist das "demokratische Mehrparteiensystem" der BRD de facto ein kaschiertes Einparteiensystem, weil Parteien, welche die heiligen Kühe des Systems antasten, grundsätzlich nicht an der Macht beteiligt werden. Sie werden bestenfalls ignoriert (als die NPD noch in einigen ostdeutschen Landtagen sass, wurden ausnahmslos alle von ihren Vertretern eingereichten Anträge von den anderen Parteien geschlossen abgelehnt, auch wenn es um Kinderschutz oder Tierschutz ging) und schlimmstenfalls verboten (wie Otto Ernst Remers Sozialistische Reichspartei, die bei Wahlen immerhin bis zu 11% der Stimmen erhalten hatte, sowie die KPD in den fünfziger Jahren). So leicht machten es sich die Demokraten.

Felix Treumund

6. Februar 2017 11:30

Ihre (brillanten) Gedankengänge folgen einer Logik, welche auf eine ganz andere Art und Weise dann doch wieder eine gewisse Verwandtschaft mit den Denkstrukturen der Welterretter haben.
Diese Gedanken sind, wenn man so will, systemimmanent, sie entspringen trotz radikaler Gegenrethorik dem abendländischen Denken des weissen Mannes.
Wie Sie im letzten Satz treffend bemerkten, leben wir in einer Art Versuchsanstalt der kommenden Menschheitsdemokratie. Das ist aber auch nur der Entwurf des weissen Mannes, d.h. in diesem Falle sogar mehrheitlich die ideologische Grundlage der gutbürgerlichen, „weltoffenen“ weissen Frau.
Was aber passiert, wenn in absehbarer Zeit die Weissen im abendländischen Raum zur Minderheit werden? Was passiert, wenn die neu entstandene Mehrheit sich in keinem kulturellen Winkel Europas mehr wiedererkennt? Die Bilder im Louvre, in der Pinakothek, die Musik Beethovens wurzelt zutiefst in unserem Seelengrund. Der Schwarzafrikaner wird sicherlich nicht vor der Monalisa stehen und sagen können, „das bin ich“.
Das alles wird dann mit untergehen, aber auch unsere Philosophie, unsere Art zu denken wird keinen Bestand haben, folglich kann es gar nicht so kommen, wie der westl. Mensch die Zukunft denkt.
Andere werden das Zepter in die Hand nehmen, auch ein Szenario des absoluten Rückschritts ist denkbar.
Man sollte das immer im Kopf haben: alles, was an feuchten Träumen zur Zukunft der Menschheit im Umlauf ist, von der Gender-Toilette über die Abschaffung von Geschlecht bis hin zur Einheitsrasse ist ausschliesslich in den Köpfen von Weissen angedacht.

Gustav Grambauer

6. Februar 2017 12:07

"Ähnlich legitimierte sich auch das Regime der Deutschen Demokratischen Republik, wobei der "Volkswille" mit dem Sozialismus identifiziert wurde."

Das ist BRD-Sozialkunde-Brainwash. Der Sozialismus war für einen recht maßgeblichen Flügel der Akteure, selbst und gerade im ZK der SED, nur der ideologische Kitt für den Staat.

M.L.: Na, ich rede ja von der offiziellen Legitimierung nach außen!

Die DDR war in ihrer Staatlichkeit eine Garantie gegen die Palästinensierung und völlige Ausplünderung Mitteldeutschlands wie sie 1990 ja kam und vom Volk klaglos hingenommen und sogar begrüßt wurde. Insofern sahen sich die Wissenden in einer Sondersituation, vergleichbar mit der Intifada, nur daß sie den Fehler der Palästinenser, 1948 keinen eigenen Staat gegründet zu haben, dabei vermieden haben. (Die Gründung der DDR mußte Stalin abgetrotzt werden.)

Aus diesem de-facto-Kriegszustand heraus griff die Führung auf das clausewitzsche Staatsverständnis aus den Befreiungskriegen zurück: auf die Einheit der berühmten "Triade" Volk - Regierung - Militär. Diese Triade macht nach Clausewitz die Verteidigungskraft eines Landes aus, während die Disharmonie zwischen diesen drei Elementen zur Niederlage führt.

Diese Sondersituation könnte man nach herkömmlichen demokratischen Maßstäben legitimieren, z. B. mit einem Ausnahmezustand, der lediglich niemals förmlich ausgerufen wurde. Die Volkskammer wäre dabei nicht als Kaschierung sondern als eine Art Kriegsparlament mit folgerichtig eingeschränkten Rechten anzusehen gewesen. Insgeheim hat jedes Mitglied des Politbüros (-> Quasi-Kriegskabinettes) dies so gesehen. Zur Legitimierung könnte man auch die Analogie des "Besonderen Gewaltverhältnisses" aus dem Staatsrecht der BRD heranziehen, dem dort jeder Beamte, jeder Soldat usw. untersteht, und welches eben als auf alle Bürger des Landes ausgedehnt angesehen werden könnte. (Da der "Erste Gesellschaftsvertrag" eine Fiktion ist, müßte man dem "Zweiten Gesellschaftsvertrag ja wohl ebenfalls seine Gültigkeit als Fiktion zugestehen.) "Zweiter Gesellschaftsvertrag" / "Besonderes Gewaltverhältnis" bedeutet (a) die Einschränkung eines Teils der Grundrechte, (b) die Bereitschaft zum Einsatz des Lebens für das Gemeinwohl nach Maßgabe der - in dem Fall: militärischen - Führung, (c) die Einschränkung der Ausnutzung des eigenen Gewaltpotentials zur Nutzung zu politischen Zwecken sowie (d) die Höhergewichtung des Gemeinwohls gegenüber individuellen den Belangen.

Ich gehe so weit, daß das Scheitern der 'Triade' in der DDR dem materialistischen und damit utopistischen Weltbild (bzw. dem Glauben der entsprechend Disponierten an den "Kitt") geschuldet war. Damit hat sich der Staat an Sphären vergriffen, die ihn nichts angehen, z. B. weit über eine gewisse, sicher gerade anfangs notwendige Kriegswirtschaft hinaus am Wirtschaftsleben und vor allem an Bildung, Kultur usw., so daß die Einheit der  Staatlichkeit nicht zur Stärke sondern zur Schwäche wurde.

Aber auf einer idealistischen Basis wird diese Einheit wieder als eine Minimal-Notwendigkeit der nationalen Selbstverteidigung in Zeiten der Globalisierung angesehen werden, und ich gehe noch weiter: entsprechende über die unmittelbare Verteidigungssituation hinausgreifende Doktrinen der Einheit der Staatlichkeit werden eine große Zukunft haben. Man bedenke, daß insofern Iljin

https://monarchieliga.de/index.php?title=Monarchisches_und_republikanisches_Rechtsbewußtsein

als "Flüsterer", sogar als "Guru" Putins gilt, man google "putin + iljin", und daß die "Gelenkte Demokratie" in Rußland, wiederum mit starker insgeheimer oder offener Schwerpunkt-Legung auf die nationale Selbstverteidigung, auch die Russen sind noch lange nicht "aus dem Gröbsten raus", auf nichts anderem gründet.

- G. G.

Dietrich Stahl

6. Februar 2017 13:01

No sports, please - oder doch? Was erzählt der denn jetzt? Das mag mancher sich fragen, der die nächsten Zeilen liest:

Die New England Patriots gewinnen die Super Bowl nach Verlängerung. Sie gewinnen nach einem 3:28 Rückstand und einer grandiosen Aufholjagd in der Verlängerung.

Wenn der „Der Weltgeist“ durch Symbole spricht, so ist der Gewinn der US Football Meisterschaft 2016/17 symbolhaft in mehrfacher Hinsicht.

1. Die Patrioten gewinnen.

2. Sie gewinnen nach einem schier unaufholbaren Rückstand.

3. Die Super Bowl ist das Finale der World Series, der Weltmeisterschaft.

4. Der zentrale Spieler der Patriots ist Tom Brady, ein Freund und Unterstützer von Donald Trump.

Der Sieg der Patriots ist ein Wachtraum, der nicht nur zu den USA spricht. Auch für die deutschen Patrioten ist er eine Ermutigung und ein Ausblick auf das, was möglich ist.

RMH

6. Februar 2017 14:25

Sehr fundierte Darlegung. Als Christ gehe ich davon aus, dass das Reich Jesu nicht von dieser Welt ist und gehe daher sehr pragmatisch an alles irdische, wohl wissend, dass alles Menschenwerk ist und es keinen idealen Zustand im Zusammenleben der Menschen geben kann. Dies unterscheidet den in christlicher Tradition stehenden Konservativen aber auch abendländischen Liberalen von den Linken, Sozialisten und auch von denen, die gemeinhin als Nationalsozialisten gesehen werden oder schlicht: Von allen primär Gottlosen. Diese wollen das Himmelreich auf Erden, da sie eben kein Himmelreich haben oder kennen.

Unter dieser Prämisse sind Gewaltenteilung und Rechtsstaat sowie ein demokratischer Staatsaufbau rein pragmatisch betrachtet in keiner Form anrüchig oder gar als obsolet anzusehen. Die sog. "Populismus"-Debatte übersieht, dass in einem funktionierenden Rechtsstaat mit Gewaltenteilung auch der "populistische" Volkstribun ja prinzipiell eingehegt ist und trotz absoluter Mehrheiten nicht alles machen kann (Trump hat bspw. ja jetzt auch das erste mal geringfügig Grenzen gezeigt bekommen).

Diese Vorstellung ist natürlich auch wiederum "ideal" gedacht und man sieht, wie es an einer praktischen Umsetzung hapern kann, wenn man bspw. ein Bundesverfassungsgericht hat, welches von der Politik besetzt wird und welches dann prompt in allen entscheidenden Fragen, welche ihm zur Entscheidung in den letzten Jahren vorgelegt wurden, sich immer wieder aus der Affäre damit gezogen hat, dass es eben der Politik und einem parlametarisch abgesegnetem Vorgehen sehr, sehr weite Spielräume zugebilligt hat - aus meiner Sicht zu große und als Verfassungsorgan hat das Bundesverfassungsgericht damit ein Stück weit versagt.

Hieraus sollte man lernen und entsprechende, strukturelle Änderungen anstreben, so dass es zu echten "checks and balances" kommt - ich hätte hier viele Vorschläge, führt aber zu weit.

Zudem habe ich als einzelner Bürger viel zu sehr - auf deutsch gesagt - schiss, dass ich mit meinem losen Mundwerk irgendwann einmal als nicht mehr der Homogenität tauglich zugeordnet werde und dann ausgemerzt im Schmittschen Sinne werde. Dies kann übrigens ja auch passieren, wenn sich unsereiner wie ein Lamm verhält und andere dann eben ihre "Homogenität" durchsetzen wollen (Schlagwort: Geburtendjihad und Entstehen deutscher Minderheiten auf deutschem Boden).

Von daher: Verbesserungsbedarf besteht überall, ohne Frage - aber ein demokratisches, rechtsstaatliches Land mit Gewaltenteilung ist für mich auch irgendwie fast schon gesetzt, bzw. sollte man hier das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.

Gerade die hiesige Szene bedarf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wie Fische das Wasser zum atmen und die von einem Schulz beabsichtigte Einengung des politischen Feldes muss gerade deshalb auch mit den Argumenten der Demokratie und des Rechtsstaates bekämpft werden.

Schily sagte damals im Stammheim-Prozess: "Wir führen gegenüber der Macht das Argument des Rechts ins Feld."

Eine Position, die heute geradezu zwingend von Rechten und Identitären vertreten muss, gerade, weil sie zur Zielscheibe von unrechtmäßigem Verhalten linker Chaoten und sog. Antifaschisten wird (siehe die jüngesten Angriffe auf Kubitschek/Kositza oder jüngst Sellner).

Noch ein Wort zu Carl Schmitt:

Ich bin an Carl Schmitt durchaus "geschult" und Werke wie "Der Nomos der Erde" halte ich nach wie vor für einen wesentlichen Bestandteil eines aktuellen Bildungskanons, wenn ich einen entwerfen dürfte, aber:

Carl Schmitt ist küchenpsychologisch das Paradebeispiel des schmächtigen Knabens, der, wenn es zum Streit am Sandkasten kommt, sich nicht einfach prügelt und der Natur den freien Lauf lässt, wie die anderen Jungs in diesem Alter. Er gehört zu denen, die die Spielregeln herausholen und das diskutieren anfangen und am Ende alle bei der Lehrerin oder den Eltern verpezzt. Das solche Charaktere später dann sehr oft Rechtswissenschaften studieren, liegt auf der Hand.

Statt aber die Diskursfähigkeit und die Effektivität rechtsstaatlichen Handelns später dann zu stärken, träumt er nach wie vor in den Kategorien Sieg und Niederlage, Freund und Feind und ist immer in der großen Hoffnung, sich hinter jemandem verstecken zu können, der sich im Ernstfall für ihn prügelt. Er denkt das Ganze zumeist zu sehr von der Siegerseite und der Macht - Ironie des Schicksaals war es daher, dass er dann nach ´45 erleben musste, wie sich das anfühlt, eben nicht bei der vermeintlichen Mehrheit und bei den Mächtigen zu stehen.

Seine Abhandlungen sind literarisch, sprachlich und auch juristisch hervorragend - aber menschlich und gerade auch männlich betrachtet ist er für mich - dieser kleine Versuch der Ikonoklasie sei mir bitte verziehn - eine arme, gottlose und z.T. auch weinerliche Wurst.

Hoffe, dieser Sermon darf hier stehen bleiben, aber Schmitt zum großen Hausheiligen machen, da regt sich bei mir schon lange der Widerspruch, der sich hier jetzt einmal ansatzweise Luft machen musste. Lest bitte alle Schmitt, seine Werke sind es wert, aber bewahrt auch hier - wie immer - eigenen Kopf!

 

Utz

6. Februar 2017 14:45

Ich sehe die Demokratie eindeutig im Rückzug. Es laufen bereits an vielen Fronten die ersten Gefechte um zu testen, ob man nicht zum offenen Angriff übergehen könnte. Einige Indizien:

- Nach dem Brexit-Votum gab es mehrere Mainstreamkommentare, die (verhalten) fragten, ob es eine gute Idee sei, das Volk zu fragen, wenn man dann sehe, daß "die Jungen und Gebildeten" gegenüber den zahlenmäßig überlegenen "Alten und Ungebildeten" unterliegen.

- Ebenso hieß es nach der Trumpwahl, das Volk habe sich "verwählt", was man daran sehe, daß viele Wähler schon innerhalb weniger Tage, nach Trumps Amtsantritt ihre Meinung über Trump geändert hätten.

- Immer wieder wird angedeutet, daß in Zeiten moderner Medien (social bots, etc.) das ganze System der Wahlen sowieso nicht mehr funktioniere. Man liest dann zwischen den Zeilen, daß man es auch abschaffen könnte.

- Moderne Großbetriebe, die von McKinsey und Berger neu durchstrukturiert wurden, sind alles andere als demokratisch organisiert. Das färbt auf die Gesellschaft ab.

- Über den Hebel Internetzensur (Stichwort "hate speech") wird die freie Meinungsäußerung eingeschränkt und damit auch die Demokratie. 

marodeur

6. Februar 2017 15:23

Aus Gesprächen mit vielen Linken kann ich Lichtmesz Analyse bestätigen. Man stellt die Demokratie nie in Frage, ist aber gleichzeitig der festen Überzeugung, dass Mitbestimmungsrechte auf jede erdenkliche Weise eingeschränkt werden sollen. Ausgerechnet das gemeine Volk wird als potentiell demokratieunfähig wahrgenommen. Man stellt sich eine Art Mandarinstaat vor, bei dem nur gebildete Menschen wählen und führen dürfen, die vorher eine Gesinnungsschulung durchlaufen müssen (man meint es, drückt es aber natürlich nicht so aus) . Obgleich man ethnische Homogenität ablehnt, ist der Wunsch nach geistiger Homogenität grenzenlos. Das geht so weit, dass man die bloße Existenz von ein paar Abweichlern wie uns als Bestätigung sieht, dass die Demokratie zwar funktioniert, aber dringend überarbeitet werden muss. Man müsse unsere Meinungen "ertragen". Dass wir sie formulieren oder gar einbringen wollen, zeigt eine Grenzüberschreitung bzw. Maßlosigkeit unserseits. Dass man unsere Kritik zerpflückt und bespöttelt, ist schon der Gipfel der Toleranz. Nein, mit Demokratie ist in diesem Staate kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Man hat schlicht vergessen, wie es geht.

Monika L.

6. Februar 2017 17:44

Mal wieder ein komplexer Text  mit Seminarqualität. Den muß man s t u d i e r e n . Im wahrsten Sinne des Wortes.

Die One -World Demokratie ist eine säkulare Religion. Hat nichts mit Politik zu tun. Rolf Peter Sieferle, der sich intensiv mit der Migration und den "Narrativen der Öffnungs-Akteure" beschäftigt hat, liefert weiterführende Gedanken, die Soziologen nach ihrem  "cultural turn" gar nicht mehr denken.

Etwa:

Wir stehen damit ( Anmerkung: Massenwanderbewegungen) vor einem massiven Youth-Bulge-Problem) .

"Die Pointe liegt darin, daß politisch aktionsfähig, also letztlich bürgerkriegsbereit, nur die jungen Männer sind. In einer stabilen rechtsstaatlichen Demokratie zählt ein junger Mann politisch ebensoviel wie ein altes Weib, nömlich eine Stimme. Im Ausnahmezustand gilt das aber nicht  mehr.  Dann kommt es auf die Zahl , die Entschlossenheit und die Organisationsfähigkeit der jungen Männer an, und diese steigt in dem Maße, wie die sozialen Perspektiven düster aussehen. Die Millionen von Analphabeten, die jetzt einwandern , werden irgendwann merken, daß ihre Chancen, auf regulärem Weg zu Wohlstand und Ansehen zu kommen, gering sind. In einer solchen Situation bleibt als plausibler Ausweg ( neben der Kriminalität) der Aufstand, die Revolution, die dann im Namen des Propheten vollzogen werden kann."

H.P. Sieferle, Tumult Winter 16/17

Die "wahren Demokraten" haben den berühmten AUSNAHMEZUSTAND nicht mehr auf dem Schirm. Ein Ausnahmezustand ( wie etwa Silvester in Köln) wird nicht als solcher wahrgenommen. Solche "Wechselwirkungen" mit der einheimischen Bevölkerung werden aber zunehmen. 

 

Curt Sachs

6. Februar 2017 19:30

Felix Treumund: <em>"auch ein Szenario des absoluten Rückschritts ist denkbar."</em>

 

Ja. Ähnlich wie zum Beispiel an der Schwelle von der Antike zum Mittelalter.

Sven Jacobsen

6. Februar 2017 19:52

Es ist ja die Stärke einer stabilen Demokratie, dass über sie kritisch nachgedacht werden kann. Interessanterweise kommen die meisten der brillanten Köpfe zu einem Fazit, das die Demokratie im Großen und Ganzen günstig aussehen lässt. Gerd Roellecke, dessen bemerkenswerte akademische Karriere vom Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht bis hin zum Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft reicht, hat in einem sehr lesenswerten Abriss mit dem Titel „Alternativen zur Demokratie?“ (in: Kaltenbrunner (Hg.): Initiative 20, 1977, S. 77-96) beispielsweise bei allen Bedenken eine entsprechende Einschätzung ausformuliert, die trotz der Diskussionen in jüngerer Zeit nach wie vor gelesen gehört. Der letzte Satz: „Erst wenn sie zerbrochen ist [die Ordnung der Gleichheit, S.J.], wird man wieder wissen, wie gerecht sie war.“ Ich denke, dass die Demokratie in Deutschland ja noch gar nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt hat, die ihr innewohnen, als da wären z.B. weitgehende Referenden bzw. Volksentscheide. Im Übrigen ist es die demokratischste aller Tugenden, verlieren zu können.

 

Benno

6. Februar 2017 22:41

Der Witz an der Argumentation wie sie oben aufgezeigt wird, ist unter anderem, dass nach diesen Massstäben die attische Demokratie gar keine Demokratie war. Wer dort mitreden wollte, der musste auch bereit sein, für den Staat zu kämpfen. Anfänglich waren ja nur Hopliten stimmfähig. Da sich aber nicht jeder die dazu nötige Ausrüstung leisten konnte, gab es auch kein Mitspracherecht. Ausgedehnt wurde dieses Mitspracherecht auf untere Klassen erst, als im Zuge der Perserkriege auch die einfachen Ruderer für sich die Rettung des Staates reklamieren konnten. Hingegen gingen die Athener nie soweit, deshalb einem Ausländer der mitrudern wollte das Stimmrecht zu geben.

Wie dem auch sei, im Buch Demokratie und Homokratismus, Wie die Gleichheitsideologie der Menschenrechte die Demokratie und die Völker  bedroht, wird auf viele Aspekte des von ML hier beschriebenen eingegangen. Statt Menschheitsdemokratie wird dort bewusst von Homokratie gesprochen, um den Unterschied zur Demokratie herauszuschälen.

Ohne Volk keine Demokratie, so könnte man es auch kurz fassen. Der Angriff erfolgt aber nicht nur über die Völker und Nationalstaaten, sondern auch über die Menschenrechte. Ehrlich Vertreter dieser Menschenrechte geben zu, dass die Durchsetzung dieser Rechtsidee am Ende einen Weltstaat bedingt. Denn was bringen Menschenrechte, wenn bspw. China diese seinen Bürgern verwehrt, der Chinese aber keine Chance hat, sie irgendwo einzuklagen? Fogedessen muss es über den Nationalstaaten noch eine Rechtsinstanz geben, die erstere dazu zwingen kann, die Menschenrechte einzuhalten. Mit ein wenig Diplomatie und etwas Sanktionen wird dieses Konzept aber nicht durchsetzbar sein.

Zur Zerstörung des Volkes und der Auflösung der Begriffe "Bürger" und "Nichtbürger" gehört mittlerweile scheinbar auch, dass man im Zusammenhang mit Trumps Absichten bezüglich illegalen Einwanderern von "illegealen" Einwanderern in Anführungszeichen schreibt. Schliesslich würden diese Leute ja in den USA arbeiten und hätten Kinder, die dank des ius soli amerikanische Staatsbürger sind. Viel besser könnte man nicht darstellen, wie recht Trump doch mit seinem Begriff Anchor Baby hatte. Der Rechtsstatus eines Kindes sagt natürlich nichts über den Rechtstatus seiner Eltern aus.

Letztlich läuft die unzulässige Vermengung der Begriffe Liberalismus  und Demokratie darauf hinaus, dass man künftig die richtige Ideologie haben muss, um überhaupt noch Staatsbürger sein zu können. Wir haben dann ideologisierte Staaten (oder meinetwegen auch Nichtstaaten). Man könnte das auch einen Weltanschauungsstaat nennen. Gerade auch im Wahlkampf in den USA trat das schön zutage. Da wurden Leute als unamerikanisch tituliert, weil sie der Meinung waren, Amerika könne nicht einfach für jeden offen sein. Ein richtiger Amerikaner sei nur, wer jeden Einwanderer unabhängig seiner Herkunft willkommen heisse. Wer die USA als ein Land mehrheitlich europäischer Menschen betrachtet, was de facto und auch de jure für die längere Zeit ihrer Geschichte Gültigkeit hatte, ist neuerdings kein Amerikaner mehr - zumindest im moralischen Sinne.

PS: In der attischen Demokratie war es übrigens durchaus erlaubt, die Demokratie in Frage zu stellen, ohne dass deswegen das Scherbengericht einberufen wurde und ich denke, hätte man einem Athener gesagt, seine demokratische Teilhabe bestünde darin, dass er alle paar Jahre seine Stimme abgeben kann, er hätte laut gelacht.

Benno

6. Februar 2017 22:54

Zu diesem Thenma passt übrigens auch die Aussage eines "deutsch-iranischen" Professors in der Schweiz, der ernstlich das Gefühl hat, die Schweizer hätten Ausländern gegenüber eine Bringschuld und müssten gefälligst Masseneinbürgerungen durchführen (wie wenn es diese nicht bereits gäbe). Bis vor kurzem war es in den meisten Gemeinden noch üblich, dass Einnbürgerungen ein demokratischer Akt waren und an der Gemeindeversammlung per Mehrheitsbeschluss vollzogen, oder eben nicht vollzogen wurden. Eigentlich eine löbliche Idee, der Demos bestimmt, wer zu ihm gehört. In den Gemeinden aber, wo es immer häufiger zu ablehnenden Entscheiden kam, wurde dem Demos diese Macht entzogen. Dort kann er nun nur noch ein Einbürgerungsgremium bestimmen, welches Einbürgerungen dann mehr oder weniger als blossen Verwaltungsakt abwickelt.

Valjean72

7. Februar 2017 08:55

Zunächst einmal vielen Dank an Martin Lichtmesz für letzten beiden Artikel, die ich aufmerksam und mit Gewinn gelesen haben.

@Sven Jacobsen:

„Im Übrigen ist es die demokratischste aller Tugenden, verlieren zu können.“

---

Ah so, dann nehmen wir einfach demokratisch tugendhaft hin, dass wir als Volk ausgetauscht werden?

Richard Coudenhove-Kalergi (Gründer der Paneuropa-Union und erster Träger des Karlspreises) schrieb folgendes über das Wesen der „modernen“ Demokratie in seinem 1923 veröffentlichten Buch. „Praktischer Idealismus“:

S.39: „Heute ist Demokratie Fassade der Plutokratie: weil die Völker nackte Plutokratie nicht dulden würden, wird ihnen die nominelle Macht überlassen, während die faktische Macht in den Händen der Plutokraten ruht. In republikanischen wie in monarchischen Demokratien sind die Staatsmänner Marionetten, die Kapitalisten Drahtzieher: sie diktieren die Richtlinien der Politik, sie beherrschen durch Ankauf der öffentlichen Meinung die Wähler, durch geschäftliche und gesellschaftliche Beziehungen die Minister.

An die Stelle der feudalen Gesellschaftsstruktur ist die plutokratische getreten: nicht mehr die Geburt ist maßgebend für die soziale Stellung, sondern das Einkommen. Die Plutokratie von heute ist mächtiger als die Aristokratie von gestern: denn niemand steht über ihr als der Staat, der ihr Werkzeug und Helfershelfer ist.

Als es noch wahren Blutadel gab, war das System der Geburtsaristokratie gerechter als heute das der Geldaristokratie: denn damals hatte die herrschende Kaste Verantwortungsgefühl, Kultur, Tradition während die Klasse, die heute herrscht, alles Verantwortungsgefühles, aller Kultur und Tradition bar ist.“

Demokratie, Menschenrechte, "Diversity" etc. sind doch nur mehr ihres ursprünglichen Sinnes entleerte Worthülsen, die die Hirne der Menschen vernebeln, um sie nicht wahrnehmen zu lassen, was vor ihren Augen geschieht.

Der_Jürgen

7. Februar 2017 13:13

@RMH

Zu Carl Schmitt: Es ist durchaus möglich, dass Sie recht haben und dass Schmitt als Privatperson ausgesprochen unangenehme Eigenschaften aufwies. Ich will Ihnen mangels Sachkenntnis da nicht widersprechen. Aber: Es interessiert mich nicht die Bohne.

Tschaikowski war einer der genialsten Tonschöpfer aller Zeiten; Edgar Allan Poe ein phantastisch guter Schriftsteller. Was geht es mich da an, dass der erste schwul war und der zweite ein notorischer Alkoholiker?

Thomas Mann war ein zutiefst widerwärtiger Mensch - denn nur ein solcher konnte den alliierten Bombenterror gegen Deutschland, darunter seine Heimatstadt, mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen und selbst die primitivsten Erdichtungen der antideutschen Greuelpropaganda  eifrig nachplappern. Dies ändert aber rein nichts daran, dass Thomas Mann ein gewaltiger Meister der deutschen Sprache einer der ganz grossen deutschen Erzähler war; nach meinem subjektiven Urteil war er der zweitgrösste deutsche Romanautor des 20. Jahrhunderts nach Ernst Jünger.

Dank einem guten Sezession-Artikel von Lutz Meyer wurde ich auf Reinhard Meys Lied "Das Narrenschiff" aufmerksam, das mich in höchstem Grade beeindruckt hat und mir eine exakte Schilderung der heutigen Situation Deutschlands zu sein scheint (obwohl es schon vor mehr als zwei Jahrzehnten entstand). Vielleicht ist Reinhard Mey ein glühender Multikulturist, "Refugees Welcome"-Plärrer und Merkel-Fan; ich weiss es nicht. Ich interpretiere sein Lied aber trotzdem als Diagnose der heutigen Fäulnis in Deutschland, und wenn sich Mey mit Haut und Haaren gegen diese Deutung verwahrt, sage ich einfach: "Das Lied ist grösser als der Mann" - so wie der "Zauberberg" tausendmal grösser als der Mensch Thomas Mann ist.

@J. M. Benno

Das von Ihnen erwähnte Buch "Demokratie und Homokratismus" stammt von dem Schweizer Jan Mahnert. Es ist äusserst lesenswert und sei allen Sezessionisten lebhaft ans Herz gelegt. Im Zusammenhang mit der durch die beiden Artikel von Martin Lichtmesz ausgelöste Debatte über den Wert der Demokratie sei auf ein von Mahnert erwähntes Fallbeispiel aus eidgenössischen Landen hingewiesen.

In einer Schweizer Gemeinde, ich kann aus dem Gedächtnis nicht sagen welcher,  wurden die Einbürgerungsgesuche von Italienern und Spaniern bei Volksabstimmungen jeweils genehmigt und jene von Türken sowie Bürgern des ehemaligen Jugoslawien jeweils abgelehnt. Dies wurde als Beweis dafür angeführt, dass es absurd sei, dem uninformierten Bürger Entscheidungsbefugnis über solche Fragen zu gewähren; heute wird über Einbürgerungen nicht mehr via Volksentscheid bestimmt.

THEORETISCH war der Einwand gerechtfertigt. Der Branko Vukovic oder Ali Özgür, dem die Gnade, Schweizer Bürger zu werden, aufgrund seines Familiennamens vom Souverän verwehrt wurde, konnte ja ein hart arbeitender, gesetzestreuer Mensch sein und der aufgrund seines Familiennamens anstandslos eingebürgerte Arturo Rossi ein übler Mafioso. PRAKTISCH hatte der Souverän jedoch recht, weil die Erfahrung zeigt, dass in der Schweiz ansässige Italiener oder Spanier sich in aller Regel leicht integrieren und nur selten kriminell werden, während dies auf Türken oder Ex-Jugoslawen nicht zutrifft. STATISTISCH ist es also gerechtfertigt, Italiener oder Spanier leichter einzubürgern als Türken oder Ex-Jugoslawen, selbst wenn dies im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen mag.

Man versuche, dies einem Linken oder Liberalen zu erklären, und er wird Bauchkrämpfe bekommen und gerade noch mühsam "Rassismus, Rassismus" lallen können...

@Stefanie

Wann erscheint endlich der erste Gastbeitrag von Ihnen? Sie sind zu begabt, um sich auf Dauer mit der Rolle einer Foristin begnügen zu können.

RMH

7. Februar 2017 15:35

@Der_Jürgen,

ich sehe jetzt - ehrlich gesagt - keinen großen Widerspruch zwischem dem, was sie ausführten, zu dem von mir geschriebenen. Für eine Oppositionsbewegung ist C.Schmitt als Autor meiner Meinung nach aber stets mit einer gewissen Vorsicht und Abwägung zu genießen. Eine Karte, die mit guter Überlegung gespielt werden mag.

Sven Jacobsen

7. Februar 2017 16:36

@Valjean72

Auf Ihren Einwand ("Ah so, dann nehmen wir einfach demokratisch tugendhaft hin, dass wir als Volk ausgetauscht werden?") gibt es eine ganz klare Antwort: Wir müssen das überhaupt nicht hinnehmen und ich habe das auch nicht angedeutet. Verfassungs- und Staatsrechtler haben festgestellt, dass mindestens der Bundestag hätte gefragt werden müssen. Da der Bundestag mittlerweile seine Funktion nicht mehr ausfüllen will, wäre die Einführung von Volksentscheiden oder Referenden zu begrüßen, die zusätzliche Kontrollen ermöglichen. Meine Aussage "Im Übrigen ist es die demokratischste aller Tugenden, verlieren zu können" bezieht sich (offensichtlich) auf Wahlen. Hofer hat seine Niederlage hingenommen, wie es sich gehört, und die Gegner Trumps werden irgendwann einsehen müssen, dass sie nicht offiziell gewonnen haben. Die Möglichkeiten der Opposition, Gegenwehr zu leisten, hören damit ja nicht auf. Insgesamt also ein gutes Gefüge.  

Benno

7. Februar 2017 18:03

@ Der_Jürgen

Nun, Arturo Rossi kann auch einfach ein hart arbeitender gesetzestreuer  Ausländer sein. Einbürgerungen sollten wieder die Ausnahme und eine Auszeichnung werden und nichts das einem einfach in den Schoss fällt, weil man gewisse Jahre im Land gelebt hat. Es gibt kein Recht auf irgend eine Staatsbürgerschaft, es sei denn durch Geburt. Deshalb kann eine Einbürgerung auch nie ein blosser Verwaltungsakt sein.

Ich sehe das übrigens bei der demokratischen Partizipation genau gleich. Das blosse Erreichen eines gewissen Alters finde ich so ziemlich das dümmste Kriterium, um jemandem ein Mitbestimmungsrecht im Gemeinwesen zu geben. Man sollte dieses Privileg mindestens an eine Leistung knüpfen, bspw. Militärdienst bei den Männern und Sozialdienst bei den Frauen. Wer noch keinen Beitrag zum Gemeinwesen geleistet hat, der soll auch nicht Abstimmen dürfen.

RMH

7. Februar 2017 21:36

Kleiner Nachtrag:

Meine Vorbehalte gegen Argumentationen mit C. Schmitt liegen auch darin begründet, dass man mit C.Schmitt, seinem konkreten Ordnungsdenken, - modern interpretiert - auch eine Repression jeglichem nationalen Widerstandes begründen kann.

Der_Jürgen

8. Februar 2017 07:42

@R.M.H.  @Benno

Kein Widerspruch.

Valjean72

8. Februar 2017 13:10

"Der Kern des Problems ist wohl die zunehmende Entkoppelung des liberalen bzw. repräsentativen Teils des massendemokratischen Systems von seinen plebiszitären Elementen, ..."

---Wobei sich mir hier die Frage aufdrängt, inwieweit Volksentscheide als per se zielführend angesehen werden können, solange das kaputt reformierte Bildungssystem immer wieder aufs Neue Legionen unmündiger Bürger – die sich vor allem anderen als Konsumenten begreifen und gerieren - hervorbringt und die Massenmedien allesamt "staatstragend" sind.

So ist in der Schweiz keineswegs alles golden, trotz der vergleichsweise geringen Hürden Plebiszite durchzuführen. Der Prozentsatz an Schülern mit Migrationshintergrund an Elementarschulen ist in großen Schweizer Städten keineswegs geringer als in vergleichbaren Städten der BRD oder Österreich.

Cacatum non est pictum

8. Februar 2017 20:34

@Der_Jürgen

Dank einem guten Sezession-Artikel von Lutz Meyer wurde ich auf Reinhard Meys Lied "Das Narrenschiff" aufmerksam, das mich in höchstem Grade beeindruckt hat und mir eine exakte Schilderung der heutigen Situation Deutschlands zu sein scheint (obwohl es schon vor mehr als zwei Jahrzehnten entstand). Vielleicht ist Reinhard Mey ein glühender Multikulturist, "Refugees Welcome"-Plärrer und Merkel-Fan; ich weiss es nicht. Ich interpretiere sein Lied aber trotzdem als Diagnose der heutigen Fäulnis in Deutschland, und wenn sich Mey mit Haut und Haaren gegen diese Deutung verwahrt, sage ich einfach: "Das Lied ist grösser als der Mann" - so wie der "Zauberberg" tausendmal grösser als der Mensch Thomas Mann ist.

In der Tat, der Liedtext lässt sich wie eine Schablone auf das heutige politische Deutschland legen. Zu Reinhard Mey noch einige Anmerkungen, auch wenn es im Artikel nicht um ihn geht: Mit seinen Liedern habe ich mich schon in meiner Kindheit vertraut gemacht. Meine Eltern besaßen Schallplatten und CDs von ihm, die ich mir häufig zu Gemüte geführt habe. Die Rhythmik der Melodien hat mich angesprochen, und in Sachen Wortwitz können ihm nicht viele Liedermacher das Wasser reichen.

Politisch ist Reinhard Mey sicher links einzuordnen, aber mit den Geisteszwergen der heutigen Linken darf man ihn nicht auf eine Stufe stellen - die sind intellektuell Lichtjahre von ihm entfernt. Seine Lieder haben mehrheitlich ohnehin keinen politischen Bezug. Dafür tritt in ihnen seine Fähigkeit hervor, die kleinen und größeren Charakterschwächen des Menschen zu demaskieren. Nicht selten zeugen sie auch davon, dass Reinhard Mey ein ausgesprochen skeptisches Verhältnis zur Autorität von Leuten pflegt, die sich elitär dünken, aber in Wahrheit allenfalls mediokre Gestalten sind (hierzu höre man etwa das Lied "Gretel und Kasperle, Großmutter, Wachtmeister und Krokodil").

Als ich am Abend des 21.12. vergangenen Jahres von der Gedenkveranstaltung am Berliner Kanzleramt meine lange Heimreise antrat, lauschte ich im Autoradio einer Sondersendung zum 74. Geburtstag Reinhard Meys. Es handelte sich um ein längeres Interview, garniert mit Anekdoten aus seinem Leben und ergänzt durch Musikstücke, die er sich ausgesucht hatte. Das Gespräch bot eine schöne Möglichkeit, ihn etwas näher kennenzulernen. Was den Umgang mit Andersdenkenden betrifft, so würde ich vermuten, dass er die stalinistischen Anwandlungen vieler Linker geradezu verabscheut. Und dass er ein "Merkel-Fan" ist, liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft.

Gustav Grambauer

10. Februar 2017 22:25

Hier das mit versteckter Kamera aufgezeichnete Geheimtreffen von Schröder und Oppermann im Café Einstein im Dezember, Bloeme kommt hinzu:

https://www.youtube.com/watch?v=35o0O-IFscc

- G. G.

Franz Bettinger

12. Februar 2017 08:32

Ich habe keine Lust, mich mit Leute an einen Tisch zu setzen, die bis vorgestern nicht mal erkannten, dass das Haus brennt, und die bis gestern mit Benzin löschten, und die heute mit mir diskutieren wollen, ob wir überhaupt ein Problem haben. Sind wir denn alle verrückt geworden? Um es mit Giovanni Trapattoni zu sagen: "Das Establishment hat fertig!" Total.

Homogenität, völkisch, das Volk. Ach Gott, womit halten wir uns auf? Worte sind unschuldig per se. Der Benutzer von Worten kann sich schuldig machen, ja. Aber Wörter werden nicht schuldig oder zu bösen Worten, weil ein Böser sie benutzt oder auch missbraucht hat. Man spricht von Totschlagsworten. Ihr Sinn ist es, den Benutzer sprichwörtlich totzuschlagen, ohne sich mit dem Gesagten auseinandersetzen zu müssen.

"Nazi" ist für mich das Unwort des Jahrzehnts! (Wenn es sich auf heute Lebende bezieht.) Aber "Nazi" darf man jemanden nennen, ohne vor Gericht zu landen - "Umvolkung" und "Invasion" nicht. Siehe die Verurteilung eines Akif Pirincci.

Das ist perfide. Deshalb bin ich ein Anwalt der Worte geworden, und zwar aller Worte. Auch das Wort Volksverräter ist ein gutes Wort per se, und besser als der Begriff 'Verschwörungs-Theorie', dem ich deshalb wenig abgewinnen kann, weil sich die meisten Verschwörungs-Theorien irgendwann als Verschwörungs-Tatsachen entpuppen.

Das Wort 'Volksverräter' bezeichnet den Verrat am eigenen Volk. Es wäre nur dann ein Un-Wort, wenn es den Sachverhalt eines Verrates am eigenen Volk nicht gäbe. Was ist das also, der Volksverrat? Er liegt vor, wenn man dem Volk Treue geschworen hat und ihm dann untreu wird. Untreu zu Gunsten von wem oder was? Zu Gunsten fremder Mächte (klassisch z.B. der Spion) oder zu Gunsten fremder Ideen (z.B. Merkel's Zulassen von Spionage durch die NSA). Immer läuft der Volksverrat auf einen Nachteil oder eine Schwächung des eigenen Volkes hinaus. Dass viele Menschen genau diesen Begriff heute für angemessen halten, um das Verhalten unserer Regierung, ja unseres ganzen Parlamentes, zu beschreiben, kann ich gut nachvollziehen.

Wieso? Gesetzesbrüche am laufenden Band! Das Volk für die Schulden anderer haften lassen. Unser Geld entwerten durch Geld-Drucken. Uns völlig Fremde unkontrolliert ins Land lassen, darunter sehr viele Sozial-Schmarotzer, Islam-Verfechter und Kriminelle. Ich hätte als Unwort des Jahres 2016 "alternativlos" gewählt.

Die Nazis haben das Wort Volksverräter nicht erfunden. Karl Marx hat es schon benutzt. Aber selbst wenn die bösen Nazis das Wort erfunden hätten, müsste man das Wort beurteilen und nicht den Erfinder. Das Wort Fackellauf wurde auch von den Nazis erfunden und in die Olympiade 1936 eingeführt, und wir haben den Fackellauf immer noch. - Ad rem, Freunde, zur Sache muss man diskutieren, nicht ad personam.

Die Unwörter der letzten Jahre waren: Sozial-Tourismus, Lügenpresse und Gutmensch. Fällt an den Begriffen etwas auf? Mir fällt zweierlei auf.

1. Sie stimmen, bzw. haben sich im Nachhinein als treffend herausgestellt. - Und 2. Es sind alles Wörter, von denen die Mächtigen nichts halten, weil sie durch diese Begriffe kritisiert werden. Neben dem Unwort gibt es noch sein Gegenteil: Das Wort des Jahres. Es ist positiv besetzt. Heuer war es: postfaktisch. Davor waren es Flüchtlinge und Wutbürger. Diese schönen Worte lieben die Mächtigen; ihre Politik scheint auf diese Art eine linguistische Bestätigung zu erfahren. Ich glaube, das spricht für sich. Die Interpretation überlasse ich euch. Ich halte das alles nur für: Propaganda.

Franz Bettinger

12. Februar 2017 10:07

Liebe Redaktion der Sezession: Es ist beschwerlich, den Reden und Gegenreden auf diesem Diskussions- Forum zu folgen. Wieso machen Sie es nicht wie auf Tichys Einblick? Das ist dort vorbildlich gelöst. Gruß, Franz Bettinger
 

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