“Du verteidigst ja alles, kannst als Fox-Journalistin ja dein Geld verdienen, wird bestimmt gut bezahlt. Der Abbruch des Gesprächs mit dem australischen Außenminister, ja, da haben Trumps Berater dann alles wieder kitten müssen, was er mit seinem Wutanfall diplomatisch zerstört.”
Ich: “Wutanfälle sind immer schlecht. Mist. Nur kommt mir das so vor wie bei uns mit den Kindern. Ich sag ganz dezidiert etwas, unverhandelbar, laut, und du kommst und fällst mir in den Rücken mit ‘Ach, laß ihn doch’ oder ‘Wie kannst du so ausrasten?’“ “Ja, Diplomatie ist natürlich eines Diktators nicht würdig, und einen Dikator, den willst du ja.” Ich: “Mir ist bewußt, daß alle politischen Systeme diktatorisch sind, nur die einen offener, die anderen subtiler”.
H. verdreht die Augen: “Repressive Toleranz, oder was?” Könnte sein, daß das paßt. “Du driftest in deiner Echokammer immer weiter ab, alles wird verteidigt, und es gibt keine mögliche Kritik mehr.” Ich erzähle ihm den Fall Milo Yiannopoulos in Berkeley. “Aha, das ist also die Wahrheit? Da glaubst du plötzlich den Videos?” Ich: “Wie gut, daß es im Internet eine Gegenöffentlichkeit überhaupt gibt. Ich glaub nicht ‘den Videos’, z.B. auf Infowars ist mir dieses Herumgekloppe mit Idiot und Moron zuwider. Aber am Schluß gilt doch: Wahrheit erweist sich im Kampf als objektiv – ohne Wahrheitsbezug verliert man die stärkste Waffe.”
Er: “Wahrheit ist immer die des Stärksten? Ist ja ein feiner Wahrheitsbegriff, ich dachte nicht, daß du als Philosophin so einen Darwinismus nötig hättest.” “Bleiben wir bei Trump, dieses Trumpbashing aus allen Rohren muß einem doch zu denken geben, oder nicht? Und wenn ich erfahre, wie der Soros da mitmischt, verzweifel’ ich echt.” “Du verteidigst die Waffenlobby, merkst du das nicht?” “Warum?” “Gegen die rein hypothetische Soros-ist-an-allem-schuld-Legende läßt sich doch ganz klar halten, daß Trump von der Waffenlobby massiv unterstützt wird, das ist doch pure kapitalistische Globalisierung! Und du verteidigst die, merkst du das nicht?” “Spielen wir jetzt das Spiel: wessen Böser ist der bösere Böse, oder was?” “Ja, gib doch zu, daß du für die Waffenlobby bist.” “Blödsinn. Ich sehe nur die mediale Gleichschaltung.”
H.: “Gleichschaltung, hah! Als ich letztes Jahr in Amerika war, haben wir uns den ganzen Wahlkampf angeguckt, und immer wenn ein Journalist eine Frage hatte, hat Trump abgewunken und die Frage einfach als unwichtig weggewischt. Und jetzt wird auf Fox News ständig so verfahren. Fehlt dir da nicht das Kritische? Aber nein, du hast ja deine Beifallklatscher und fühlst dich wohl. Du hängst dein Mäntelchen nach dem Wind und argumentierst, wie’s dir in den Kram paßt gerade, mal wahnsinnig demokratisch und im Namen des Volkes und der Meinungsfreiheit, mal diktatorisch und gewaltrhetorisch. Mal hast du plötzlich den unverstellten Blick auf die Wahrheit in Berkeley, und mal existiert sie überhaupt nicht.” Ich: “In einem Krieg, und das ist es bis dato zum Glück nur auf der Informations- und Weltbildebene, da kann man sich zurückgezogenes Abwägen und die unbeteiligte Draufsicht auf den Schiffbruch nicht leisten. Das heißt, die Waffen strecken.” “Die Kriegsrhetorik ist doch reine Phantasie, die ihr da habt.”
“Womit wir wieder am Anfang wären, es ist ein unauflösbarer lyotardscher Widerstreit.” H.: “Mit dem Unterschied, daß ich bereit bin zum Dialog und du dich immer mehr abpanzerst. Ihr brecht doch den Dialog ab, indem ihr fraglos dem Diktator huldigt, das ist das Gefährliche an euch.” “Und ihr, indem ihr all das auf uns projiziert.” H.: “Das ist ja mal wieder ausgegangen wie das Hornberger Schießen.” Ich: “Zahlen, bitte.”
Fortsetzung des Gesprächs mit anderen Mitteln in einem anderen Kaffeehaus am heutigen Tage (um uns englischsprachige, alterslos junge Hipsterinnen und effeminierte Bartträger, die eher zu ihren iPhones als zu ihren Partnerinnen gehören, Makraméeblumenampeln, Lavakeramikfondueteller, ich bin seit einiger Zeit dem Flat White Coffee erlegen, der weder flat noch white ist, sondern im Weinglas serviert, coudenhove-kalergi-braun), ein Bekannter, P., stößt dazu.
P.: “Der Mann einer amerikanischen Freundin, Iraner, ist froh, daß sein Land nicht auf der Liste steht.“ H.: “Und Saudi-Arabien auch nicht, woran man sieht, daß es Trump nur um Öl geht und nicht um den Terror, Saudi-Arabien wird verschont.“ Ich: “Sagt mal, es geht aber schon um Einwanderungsbestimmungen, nicht um bereits in den USA lebende Iraner und Saudis, nicht?“ H.: “Aber jetzt muß Trump doch die australischen Flüchtlinge nehmen, Protektionismus funktioniert nie.“ Ich: “Doch, was kann Trump für Obamas Abmachungen? Protektionismus ist das einzige, was man der Globalisierung jetzt überhaupt noch entgegensetzen kann.“
Darauf P.: “Trump twittert täglich, damit ist er Teil der Globalisierung, ohne das Internet gäbe es ihn nicht!“ H. pflichtet bei: “Sein einer Minister hat jetzt eine Masse Geld als Abfindung bekommen dafür, daß er Goldman Sachs verläßt, und du hältst Trump für einen Globalisierungsgegner!?“ Ich, leise verzweifelnd über diese Brusttöne der Überzeugung, überlege fieberhaft, wie ich auf die Schnelle Aspekte der Globalisierung differenzieren kann, parallel im Hinterkopf Zweifel an meiner trotzigen Trumpbegeisterung.
Manfred Kleine-Hartlages NWO-Bändchen von 2012 schließt folgendermaßen:
Da globale Vernetzung außerdem nur über das Internet möglich ist, könnte dessen Kontrolle durch eine globale Behörde eines der nächsten Projekte der Globalisierer sein – selbstverständlich nur, um Kinderpornographie wirksam bekämpfen zu können … Die Umrisse einer durchaus nicht kommunistischen oder faschistischen, wohl aber totalitären, und, einmal errichtet, nicht mehr zu beseitigenden globalen Dikatur zeichnen sich deutlich ab. Alle zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Strategien laufen bereits, und dies zum Teil schon seit vielen Jahrzehnten. Ob dieser Prozeß noch umkehrbar ist? Wenn ich Optimist wäre, würde ich sagen: es ist eine Minute vor zwölf.
Seitdem sind fünf Jahre vergangen, und es geht alles seinen weltordnenden Gang, Sekunden verrinnen. Bitte, wie optimistisch ist es, jetzt ausgerechnet Trump in der Rolle des Katechon zu sehen?
Versuch, „Globalisierung“ zu differenzieren:
- freier Verkehr der Waren und des Geldes (Neoliberalismus)
- freier Verkehr der Arbeitskraft (Migration)
- freier Verkehr der Information (Internet)
- globale Verwaltung (supranationale Kontrollbehörden)
- globale Ethik (Universalismus der Menschenrechte)
Ist es überhaupt möglich, aus diesem Gewebe einen oder zwei Aspekte herauszuzupfen? Nur die Informationen und das Geld frei flottieren zu lassen, weil es einem dabei nützt, die anderen Aspekte zu bekämpfen? Oder ergeht es einem wie Wittgenstein in seinem Beispiel, ein Wort aus dem Gewebe der Sprache definitorisch zu isolieren: „Es ist, als wenn ein Teich mit einer riesigen Alge zugewachsen wäre, und beim Versuch, einen Zipfel der Alge zu fassen, zöge man die ganze Alge heraus.“
Trump kündigt den freien Verkehr und die globale NWO-Ideologie einseitig auf. Ist das totalitärer als die Globalisierung selbst? Wohl kaum. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, ihm das Diktatorische zuzubilligen um der Rettung der Welt vor der Neuen Weltordnung willen. Ich ertappe mich beim Gedanken, ihm seinen flamboyanten Reichtum und seine Silicon-Valley-Ideologie zuzubilligen um der Rettung der Welt vor der Neuen Weltordnung willen. Wie weit darf das Zubilligen gehen? Rechte Globalisierungskritik darf weder inkonsequent (nur einen Zipfel der Alge ergreifen) noch machtlos sein (die ganze Alge anschauen und schaudernd ob ihrer Größe in den Teich zurückgleiten lassen).
Beim Beobachten des Paradigmenwechsels befallen mich kein Ertappen, keine Zweifel, kein Trotz. Mich befallen nur Sorgen, ob die Globalisierer nicht zurückschlagen, bevor ihr aufhaltsamer Aufstieg dem Paradigmenwechsel zum Opfer fällt. „Ein philosophisches Problem hat die Form: ich kenne mich nicht aus.“ (Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen)
FB
Trump als "game changer" - das muss vorerst genügen. Trump analysieren, womöglich jeden Tag, jeden Tweet .... das wäre mühsam. Just wait and see.