Die reaktionäre Demokratie

Kollege Lichtmesz schrieb hier vor kurzem über die neue alte Jagd auf die Feinde der Demokratie.

Was dabei doch etwas zu kurz kommt ist die Tat­sa­che, dass gera­de die­se spe­zi­el­le Art selbst­er­nann­ter Demo­kra­ten, in ihren Behaup­tun­gen über die Popu­lis­ten und über sich selbst sach­lich recht haben. Was mehr über sie aus­sagt, als ihnen lieb sei­en kann.

Ich erlau­be mir, hier noch ein­mal Jan-Wer­ner Mül­ler zu zitieren:

Popu­lis­ten behaup­ten “Wir sind das Volk!” Sie mei­nen jedoch – und dies ist eine mora­li­sche, kei­ne empi­ri­sche Aus­sa­ge (und dabei gleich­zei­tig eine poli­ti­sche Kampf­an­sa­ge): “Wir – und nur wir – reprä­sen­tie­ren das Volk.” Damit wer­den alle, die anders den­ken, ob nun Gegen­de­mons­tran­ten auf der Stra­ße oder Abge­ord­ne­te im Bun­des­tag als ille­gi­tim abge­stem­pelt, ganz unab­hän­gig davon, mit wie viel Pro­zent der Stim­men ein offi­zi­el­ler Volks­ver­tre­ter ins Hohe Haus gewählt wurde.

Seit zwei­ein­halb Jahr­tau­sen­den machen sich alle Fein­de der Demo­kra­tie dar­über lus­tig, daß die­se demo­kra­ti­schen Irren tat­säch­lich poli­ti­sche Legi­ti­mi­tät durchs Nasen­zäh­len erzeu­gen wol­len. Der Sache nach traf die­ser Vor­wurf oft genug ins Schwar­ze. Der Idee nach aber bis­her nicht. Das hat sich jetzt offi­zi­ell geän­dert. Die demo­kra­ti­sche Legi­ti­mi­tät von Wah­len und Abstim­mun­gen liegt in dem Glau­ben, daß sie einen Volks­wil­len, eine Volon­té géne­ra­le, zum Aus­druck brin­gen. Die Fra­ge, ob die­ser Wil­le als Volks­wil­le ursprüng­lich vor­han­den sei oder erst im Pro­zeß gebil­det wer­de, ist demo­kra­tie­theo­re­tisch inter­es­sant und bio­so­zio­lo­gisch noch viel inter­es­san­ter, hier jedoch nach­ran­gig. Bei­des erfor­dert die Annah­me einer poli­ti­schen Ein­heit namens Volk, auch wenn die­ses Volk im ers­ten Fal­le sub­stan­ti­ell vor­han­den, im zwei­ten aber ein Aktua­li­sa­ti­ons­pro­zeß ist. Eine Demo­kra­tie ohne Demos ist wie eine Mon­ar­chie ohne Mon­arch: die blo­ße Macht­ha­be der Kama­ril­la.

Nur unter die­sen bei­den Bedin­gun­gen, daß ein Volk vor­han­den sei und daß die­ses Volk in Wah­len und Abstim­mun­gen sei­nen Wil­len äuße­re, erhal­ten die gemein­hin als demo­kra­tisch bezeich­ne­ten Pro­ze­du­ren ihre legi­ti­mi­täts­stif­ten­de Kraft. Nur dann trifft zu, was der größ­te Theo­re­ti­ker demo­kra­ti­scher Legi­ti­mi­tät, Jean-Jac­ques Rous­se­au, geschrie­ben hat: daß ich, wenn ich in der Abstim­mung unter­lie­ge, erfah­re, daß ich mich geirrt habe. Das bedeu­tet nicht, wie oft bös­wil­lig miß­ver­stan­den, einen Irr­tum in der Sach­fra­ge. Dar­in kann selbst­ver­ständ­lich auch die Min­der­heit recht haben. Viel­mehr irrt sich die Min­der­heit über den Inhalt der Volon­té géne­ra­le. Die­ser Volon­té géne­ra­le stimmt sie aber auf einer höhe­ren Eben (der des Gesell­schafts­ver­tra­ges) zu. 

Soweit die Theo­rie. Demge­gen­über erklä­ren heu­te Leu­te, die sich offen­bar selbst für die Demo­kra­tie hal­ten, daß gera­de der Anspruch, die Volon­té géne­ra­le zu reprä­sen­tie­ren, Merk­mal demo­kra­tie­feind­li­cher Popu­lis­ten sei. Bis hier­hin sind sie sogar mit dem alten Rous­se­au einer Mei­nung, der bekannt­lich von einer Reprä­sen­ta­ti­on demo­kra­ti­scher Sou­ve­rä­ni­tät auch nichts hielt. Nur dach­te der Gen­fer hier direktdemo­kra­tisch gera­de gegen die Dele­ga­ti­on der Sou­ve­rä­ni­tät an soge­nann­te Volks­ver­tre­ter. Bei unse­ren Demo­kra­ten ver­hält es sich genau umge­kehrt. Die kön­nen mit der Volks­sou­ve­rä­ni­tät nichts anfan­gen, wün­schen aber, die­se zu vertreten.

Der theo­re­ti­sche Über­bau, den sie sich zu die­sem Zwe­cke zusam­men­zim­mern, spricht Bän­de über das, was man als reak­tio­nä­re Demo­kra­tie bezeich­nen muß. Theo­re­ti­sches Kenn­zei­chen der reak­tio­nä­ren Demo­kra­tie ist die Auf­fas­sung, das Volk – sofern man sich über­haupt mit die­ser Voka­bel belas­ten will – sei nichts als eine Ansamm­lung von Plu­ra­li­tä­ten, inner­halb derer durch die for­ma­le Zusam­men­stel­lung einer arith­me­ti­schen Mehr­heit auf irgend­ei­ne Wei­se poli­ti­sche Legi­ti­mi­tät zustan­de kom­me. Auf wel­che Wei­se die­se Mehr­hei­ten zustan­de gebracht wer­de, sei dabei uner­heb­lich. Die Fra­ge, die sich bei dem Begriff ‚Mehr­heit‘ auto­ma­tisch ein­stellt, von wel­chem Gan­zen die­se Mehr­heit ein Teil, wenn eben auch der grö­ße­re Teil sei, sei unge­bühr­lich und demokratiefeindlich. 

Es ist im übri­gen kein neben­säch­li­cher Zufall, daß die Ver­tre­ter der reak­tio­nä­ren Demo­kra­tie auch über­all die Geg­ner des pri­va­ten Waf­fen­be­sit­zes sind. Die noch auf goti­sche Rechts­auf­fas­sun­gen zurück­ge­hen­de Ansicht, die Frei­heit sei eine Sache frei­er, das heißt bewaff­ne­ter Män­ner, ist ihnen so fremd wie nur irgend etwas.

Die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie ver­tritt im 21. Jahr­hun­dert letzt­lich den­sel­ben Stand­punkt, den die reak­tio­nä­re Mon­ar­chie im 19. ver­trat: Legi­ti­me Herr­schaft geht von dem­je­ni­gen aus, der bereits seit län­ge­rem über den Appa­rat der fak­ti­schen Macht­aus­übung gebie­tet, und zwar aus genau die­sem Grund. Es han­delt sich um eine Kari­ka­tur der von Max Weber als „tra­di­tio­nell“ bezeich­ne­ten Legi­ti­mi­tät. Ana­log zu den soge­nann­ten legi­ti­men Dynas­tien erle­ben wir heu­te die legi­ti­men Par­tei­en. Wie die reak­tio­nä­re Mon­ar­chie, die das Got­tes­gna­den­tum ver­lo­ren hat­te, kennt die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie die Volks­sou­ve­rä­ni­tät nicht mehr. In bei­den Fäl­len beruht die Legi­ti­mi­tät im engs­ten nur denk­ba­ren Zir­kel­schluß dar­auf, daß die betref­fen­den Macht­ha­ber eben die legi­ti­men Macht­ha­ber seien.

Den­noch: So absurd die theo­re­ti­sche Logik, so kon­se­quent die geschicht­li­che Mor­pho­lo­gie. Die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie ent­stand in der Fol­ge des Zwei­ten Welt­krie­ges. Aus die­sem Grund hat sie sich in Deutsch­land in rei­ne­rer Form aus­ge­prägt als irgend­wo sonst. Als man sich an die Restau­ra­ti­on der Demo­kra­tie mach­te, war vom demo­kra­ti­schen Geist des 19. Jahr­hun­derts kaum noch etwas übrig. Das rein nega­ti­ve „Nie wie­der!“ füll­te die Leer­stel­le aus. 

Ganz fol­ge­rich­tig ist das Grund­ge­setz eine gegen den inne­ren Feind gerich­te­te Ver­fas­sung. Wäh­rend es äuße­re Fein­de kaum kennt – die­se sind in ers­ter Linie Men­schen, inklu­si­ve unan­tast­ba­rer Men­schen­wür­de –, ver­fügt es über ein gan­zes Instru­men­ta­ri­um zur Bekämp­fung der eige­nen Bür­ger, und zwar in ihrer Eigen­schaft als Bür­ger. Qua Art. 18 GG gel­ten die poli­ti­schen Rech­te, also die Rech­te, über die die Bür­ger eines demo­kra­ti­schen Gemein­we­sens die­ses Gemein­we­sen kon­sti­tu­ie­ren sol­len, nur bis auf Widerruf. 

In der Geschich­te der abend­län­di­schen Demo­kra­tie gab es das schon ein­mal, und zwar ganz am Anfang, als sich die jun­ge Idee gegen­über den noch zähen For­men der Ver­gan­gen­heit durch­set­zen muß­te. Die ame­ri­ka­ni­schen Unab­hän­gig­keits­kämp­fer, die ihre eng­land­treu­en Bevöl­ke­rungs­be­stand­tei­le ent­eig­ne­ten und tot­schlu­gen oder nach Kana­da ver­jag­ten, sowie der Jako­bi­ner­ter­ror ent­hiel­ten so bei aller Grau­sam­keit ein geschicht­li­ches Recht.

Was wir heu­te hin­ge­gen erle­ben ist, der Abstiegs­kampf, der die toten For­men durch äuße­re Macht­ein­wir­kung auf­recht­zu­er­hal­ten sucht. Revo­lu­tio­nä­rer Ter­ror und reak­tio­nä­re Repres­si­on unter­schei­den sich bezüg­lich Inten­si­tät und Dau­er. Jener schwemmt die alten Ver­hält­nis­se im Blut hin­weg, um danach in der nicht allz­uf­er­nen Zukunft zu den geord­ne­ten Ver­hält­nis­sen der neu erkämpf­ten For­men über­zu­ge­hen. Die­se ist im ein­zel­nen meist weit weni­ger bru­tal, aber sie ist auf Per­ma­nenz ange­legt und dau­ert, bis das alte Regime morsch und ver­fault zusammenbricht. 

Die schein­ba­re Aus­nah­me von die­ser Regel, der sich in meh­re­ren Fäl­len über Jahr­zehn­te hin­weg­zie­hen­de Rote Ter­ror, erklärt sich recht ein­fach dadurch, daß die­se Trans­plan­ta­ti­on der Theo­rie des deutsch­spra­chi­gen Juden Marx erst auf Ruß­land, dann noch auf wei­te Tei­le Ost­asi­ens und Latein­ame­ri­kas gera­de kei­ner geschicht­li­chen Mor­pho­lo­gie folg­te. Von den diver­sen kom­mu­nis­ti­schen Revol­ten, die sich auf sie als Vor­bild berie­fen, unter­schied sich die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on dadurch, daß sie den Kul­mi­na­ti­ons­punkt einer mehr­hun­dert­jäh­ri­gen geis­ti­gen und poli­ti­schen Ent­wick­lung eines gan­zen Kul­tur­krei­ses aus­mach­te. Die Möch­te­gern­nach­ah­mer hat­ten ledig­lich eine frem­de Theo­rie mehr not­dürf­tig und unter äuße­rem Druck impor­tiert. Es war ein welt­ge­schicht­li­cher Unfall. Das Ergeb­nis ent­behr­te bei allem Grau­en nicht der Slapstickkomik.

Es ist sehr wich­tig, in der Hit­ze des Gefechts eines nicht zu ver­ges­sen: Die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie hat die ihr inne­woh­nen­den Repres­si­ons­mög­lich­kei­ten bis­her nicht ansatz­wei­se ausge­schöpft. In dem Mode gewor­de­nen Hang zur Selbst­dar­stel­lung als Opfer wird das ger­ne über­se­hen. Die Aberken­nung poli­ti­scher Rech­te gemäß Art. 18 GG etwa hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bis­her in kei­nem ein­zi­gen Fal­le ver­hängt. Selbst die bis­wei­len frag­wür­di­gen Metho­den des Ver­fas­sungs­schut­zes blei­ben bis heu­te weit hin­ter dem zurück, was für die Inlands­ge­heim­diens­te der meis­ten Län­der die­ser Welt völ­lig nor­mal ist. 

Die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie, die ja gera­de in der Mehr­heits­be­schaf­fung gleich­viel wie besteht, ver­steht sich weit bes­ser als einst die reak­tio­nä­re Mon­ar­chie auf die Kunst, die öffent­li­che Mei­nung zu len­ken. Die­se Kunst hat sie bis an die Gren­ze des über­haupt Mach­ba­ren ver­voll­komm­net. Das „Nie wie­der!“, die sys­te­ma­ti­sche Aus­schlach­tung der vor­auf­ge­gan­ge­nen Revo­lu­ti­on in einem Aus­maß, an das Met­ter­nich nicht ein­mal gedacht hat, ist ein wich­ti­ger, aber doch nur ein Punkt. Viel bedeut­sa­mer ist hier das Gesamtbild.

Die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie fand in den ver­gan­ge­nen sieb­zig Jah­ren ein ihr äußerst güns­ti­ges Bio­top vor. Eine gan­ze Rei­he von Fak­to­ren spiel­ten hier her­ein. Da waren die Ermü­dung nach dem Zwei­ten Welt­krieg, gepaart mit dem Mas­sen­wohl­stand der Nach­kriegs­zeit. Da war der Kal­te Krieg, der die Poli­tik ein­mal in die Block­lo­gik zwang, ande­rer­seits durch die ato­ma­re Dro­hung jede grö­ße­re Erschüt­te­rung ver­hin­der­te. Da war nicht zuletzt der tech­ni­sche Stand des Medi­en­we­sens, das im Zeit­al­ter des Fern­se­hers den höchs­ten Grad sei­ner Zen­tra­li­sa­ti­on erreicht hatte. 

All die­sen Phä­no­me­nen war eines gemein­sam: sie wirk­ten ent­po­li­ti­sie­rend. Die Freund-Feind-Span­nung erreich­te einen All­zeit­tiefst­stand, und gera­de das ließ die Fra­ge nach der Sub­stanz des Staa­tes lächer­lich erschei­nen. Die­ser Zustand befand sich bereits nach der Wen­de in schlei­chen­dem Zer­fall, aus dem inzwi­schen ein galop­pie­ren­der gewor­den ist.

Das wäre nicht wei­ter bemer­kens­wert, ledig­lich eine wei­te­re Wie­der­ho­lung der uralten Komö­die. Das Beson­de­re an unse­rem Fall (außer daß es eben der unse­re ist) besteht darin, daß die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie eben nicht von den Kin­dern der vor­auf­ge­gan­ge­nen Revo­lu­ti­on, also in die­sem Fal­le von Natio­nal­so­zia­lis­ten, in Fra­ge gestellt wird. Die Bedro­hung des Sys­tems geht von Popu­lis­ten aus, also von Leu­ten, die der reak­tio­nä­ren Demo­kra­tie die Ide­al­bil­der der frü­hen Demo­kra­tie ent­ge­gen­hal­ten. Bis­wei­len geschieht dies in rüh­ren­der Naivität. 

Klas­si­scher­wei­se ken­nen die Ver­fech­ter der Demo­kra­tie zwei Bedro­hun­gen: die Tyran­nei und die Dem­ago­gie. Die Theo­re­ti­ker der reak­tio­nä­ren Demo­kra­tie haben aber recht, den Popu­lis­ten als etwas Neu­es zu betrach­ten. Aus demo­kra­ti­scher Per­spek­ti­ve sind Tyran­nei und Dem­ago­gie Metho­den der Macht­aus­übung, die mit der Demo­kra­tie unver­ein­bar sind. Die Tyran­nei, weil sie das Volk von der Macht fern­hält, die Dem­ago­gie, weil sie das Volk plan­mä­ßig täuscht und ent­mün­digt. Popu­lis­mus nach Jan-Wer­ner Mül­ler und einer gan­zen Rei­he sei­nes Schla­ges – der Mann steht hier typisch für vie­le reak­tio­när-demo­kra­ti­sche Intel­lek­tu­el­le – ist jedoch etwas anderes.

Popu­lis­mus zeich­ne sich dadurch aus, daß er dem Volk Sub­stanz und Wil­len zuspre­che und die­sen zu reprä­sen­tie­ren bean­spru­che. Damit ist der Popu­list ein Demo­kra­tie­feind, der sich wesen­haft nur gegen die reak­tio­nä­re Demo­kra­tie wen­den kann, weil er nur unter ihr über­haupt mög­lich ist. Er bean­sprucht die Leer­stel­le demo­kra­ti­scher Legi­ti­mi­tät für sich, die durch die rein for­ma­le, oft genug fabri­zier­te Mehr­heit offen­ge­las­sen wird: die des tat­säch­lich vor­han­de­nen Vol­kes. Die Feind­schaft zwi­schen Popu­list und reak­tio­nä­rem Demo­krat ist des­halb weit tief­grei­fen­der als die alte zwi­schen Demo­krat und Tyrann/Demagoge.

Der Tyrann wie der Dem­ago­ge sind sich mit dem Demo­kra­ten immer­hin noch über das Gemein­we­sen an sich einig. Von daher erhält Jan-Wer­ner Mül­lers Aus­sa­ge, der Popu­lis­mus sei „zumin­dest der Ten­denz nach anti­de­mo­kra­tisch“, einen iro­ni­schen Drall. Denn in der Tat kann der Demo­krat, der eine rea­le Grund­la­ge des Gemein­we­sens aner­kennt, noch in Dis­pu­te über die rich­ti­ge Reprä­sen­ta­ti­on die­ser Grund­la­ge – des Vol­kes – ver­wi­ckelt wer­den. Der reak­tio­nä­re Demo­krat hat sich hier inso­fern abge­si­chert, daß er kei­ne ande­re Grund­la­ge sei­nes Gemein­we­sens aner­kennt als die for­ma­le Pro­ze­dur, die von einer a prio­ri als legi­tim betrach­te­ten Eli­te getra­gen wird. 

Für den Popu­lis­ten selbst stellt sich daher als eigent­li­che Lebens­fra­ge, was er nach sei­nem Sieg machen soll. Kann er die alte Demo­kra­tie, deren Grund­la­ge inzwi­schen über­all unter­mi­niert ist, wie­der­her­stel­len? Kann ihm dies gelin­gen, ohne in die Fal­le der reak­tio­nä­ren Demo­kra­tie zu tap­pen? Ist nicht die Zeit inzwi­schen über den Gesell­schafts­ver­trag hin­weg­ge­schrit­ten? Ich selbst den­ke, daß dies der Fall ist und daß die For­men, die die von der reak­tio­nä­ren Demo­kra­tie hin­ter­las­se­ne Lee­re ein­mal aus­fül­len wer­den, sich erst dun­kel abzu­zeich­nen beginnen.

Für den Popu­lis­ten als ech­ten Demo­kra­ten gilt bis dahin jedoch der Satz Rous­se­aus aus dem 3. Kapi­tel des 2. Buches des Cont­rat social:

Aus dem Vor­her­ge­hen­den ergibt sich, daß der all­ge­mein Wil­le bestän­dig der rich­ti­ge ist und immer auf das all­ge­mei­ne Bes­te abzielt, dar­aus folgt jedoch nicht, daß Volks­be­schlüs­se immer gleich rich­tig sind. Man will stets das Bes­te, sieht jedoch nicht immer ein, wor­in es besteht. Das Volk läßt sich nie bestechen, wohl aber hin­ter das Licht füh­ren, und nur dann scheint es Böses zu wollen.

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Kommentare (38)

Der_Jürgen

15. Februar 2017 09:51

Ein unheimlich prägnanter und gedankenreicher Artikel. Hut ab, Herr Poensgen. Zu kritisieren gibt es da rein nichts, aber hinzufügen kann man ja immer etwas:

"Die reaktionäre Demokratie fand in den vergangenen 70 Jahren ein ihr äusserst günstiges Biotop vor", lautet einer der Schlüsselsätze des Textes. Die Deutschen waren nach 1945 weder im Osten noch im Westen frei, aber die Unfreiheit war im Westen für die grosse Mehrheit sehr erträglich. Der Wiederaufbau, der stetig wachsende Wohlstand, die Reisefreiheit, die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Parteien (dass diese sich weit mehr in ihrer Phraseologie als in ihrer Politik unterschieden und dass Parteien wie die Sozialistische Reichspartei und später die KPD unter dem Schlagwort "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit" verboten wurden, nahm man achselzuckend, wenn nicht billigend in Kauf) - all dies trug dazu bei, dass das herrschende System von der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit widerspruchslos akzeptiert wurde und dass man den Beteuerungen der Politiker, es gebe "keine Alternative", Glauben schenkte.

Dass die BRD nur auf dem Papier ein souveräner Staat war, musste jedem Denkenden klar sein. Man fand sich damit ab, sei es, weil man es als Folge der totalen Niederlage von 1945 als unvermeidlich ansah , sei es, weil man die USA als Schutzmacht vor der Sowjetunion betrachtete, sei es aus beiden Gründen.

Dass die Anwerbung von Gastarbeitern in den fünfziger Jahren, mit plausiblen wirtschaftlichen Argumenten begründet, in Wahrheit den Auftakt zu einer im voraus von den Besatzern geplanten stufenweisen Umvolkung bildete, begriffen damals sicher die Allerwenigsten. Kamen anfangs Italiener, Spanier, Portugiesen etc., die sich als Europäer relativ leicht integrieren konnten, wurden ab 1961 auch islamische Türken ins Land geholt, und zwar auf Druck der USA, "weil wir der Türkei dafür dankbar sein müssen, dass sie die Südostflanke der Nato verteidigt". Die Folgen sind bekannt. Ab ca. 1973 kamen dann kaum noch Gastarbeiter, sondern nur noch nachziehende Angehörige und immer mehr Asylbewerber.  Auch hiervon sind die Folgen bekannt.

Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde ebenfalls mit stringenten ökonomischen Gründen gerechtfertigt und stiess entsprechend auf keinen ernsthaften Widerspruch. Aus der EWG wurde im Lauf der Zeit eine EU, die den Mitgliedstaaten immer mehr politische Befugnisse entzog, so dass, wie Horst Seehofer in einem seltenen Anfall von Ehrlichkeit einmal sagte, "diejenigen, die gewählt sind, nichts zu entscheiden haben, und diejeigen, die entscheiden, nicht gewählt sind".

Vor allem seit der Wiedervereinigung wurde dann auch die Meinungsfreiheit immer mehr eingeschränkt; das Regime zog die Schrauben allmählich so fest an und setzte den Volksverhetzungsparagraphen so hemmungslos ein, dass Hans Dietrich Sander ungeniert von der "dritten deutschen Diktatur" sprach.

Kurzum: Die Deutschen in der BRD lebten von Anfang an in einem goldenen Käfig. Sie durften einen goldenen Nasenring tragen, wurden reichlich verköstigt, und der Käfig war so gross, dass sie darin viel Bewegungsfreiheit genossen. Inzwischen ist der Käfig sehr viel kleiner geworden, und die Verköstigung ist für viele bereits bedenklich mager. Sie wird bald noch magerer werden, und zwar für immer mehr Bürger.

Mittlerweile hat das System seine Maske längst abgeworfen und seine Teufelsfratze jedem gezeigt, der sehen will. Wer meint, hier mit traditionell demokratischen Mitteln noch viel ändern zu können, müsste allerspätestens seit vorgestern eines Besseren belehrt sein, als auch Frauke Petry ihre Maske abstreifte und sich als das zu erkennen gab, was sie ist - ein U-Boot, dem die Aufgabe zukommt, eine potentiell gefährliche Oppositionspartei aufs Abstellgleis zu führen und später womöglich ins System zu integrieren. Ob sie nun von Beginn an ein Trojanisches Pferd war oder erst von Pretzell zu einem solchen gemacht wurde, ist gleichgültig. Nur das Ergebnis zählt.

Ob Höcke wirklich ausgeschlossen wird oder nicht - der Riss ist nicht mehr zu kitten und die AFD erledigt. Schade um die vielen Idealisten, die Zeit, Geld und Herzblut in sie investiert haben. Hoffentlich ziehen sie die richtigen Konsequenzen.

Dieter Rose

15. Februar 2017 10:15

Poensgen und Der_Jürgen zusammen gelesen: man wünscht sich beiden Texten eine möglichst weite Verbreitung. Ich werde das Meine dazu beitragen. Danke.

Harm Wulf

15. Februar 2017 11:22

Ob Höcke wirklich ausgeschlossen wird oder nicht - der Riss ist nicht mehr zu kitten und die AFD erledigt. Schade um die vielen Idealisten, die Zeit, Geld und Herzblut in sie investiert haben. Hoffentlich ziehen sie die richtigen Konsequenzen.

Was sind denn die richtigen Konsequenzen? Was ist jetzt zu tun, da zu befürchten ist, dass die AfD diese Zerreißprobe nicht oder nur als Splitterpartei überleben wird?

RMH

15. Februar 2017 11:27

"Hoffentlich ziehen sie die richtigen Konsequenzen."

@Der_Jürgen,

welche wären das, nach Ihrer Auffassung?

Die reaktionären Demokraten (sehr guter Begriff!) haben ihre Theaterbühne fest eingerichtet und bewegen sich allenfalls impulsgesteuertet an der Oberfläche, um bei der Verteilung der Plätze am großen Trog des Volksvermögens die eine oder andere hinüber- oder herrüber Bewegung zu erreichen. Der Gestus und das Argument der "Alternativlosigkeit" haben dazu geführt, dass die sich daraus gebildete "Alternative" nunmehr ihrerseits "alternativlos" erscheint, und  sei es nur, als letzter Ausdruck des Protests. Leider ist der Faktendruck in diesem Land so groß, dass man nicht mehr sagen kann, na gut, dann warten wir - wie so oft! - die nächste Chance ab. Dieses Land hat keine Zeit und keine Ruhe mehr. Was tun, als Teil des Populus, der 85% Proles? Sich mit den wenigen Getreuen zur Schiffskapelle begeben und deren Melodien lauschen, bis die Titanic endgültig untergeht?

Ruewald

15. Februar 2017 11:38

Die Komplexität der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen versucht man durch komplizierte Modelle und Begriffsbildungen, je nach ideologischer Perspektive, in den Griff zu bekommen. Hier ist von "reaktionärer Demokratie" die Rede, Alain de Benoist spricht von "totalitärer Demokratie"[1]. Skeptiker des Demokratiekonzepts äußern sich demgegenüber fast zynisch: "Die Demokratie ist das Schlaraffenland, das sich die Finanzleute träumen" (Georges Sorel) [3] oder "Demokratie (Verfassungsform) ist Fassade der Plutokratie (Herrschaftsform)" (Coudenhove-Kalergi) [2].

Demokratie im eigentlichen Sinn kann sich allenfalls als Basis-Demokratie, nicht als Repräsentanten-Demokratie realisieren.

Aufschlußreich ist die Sicht von Jost Bauch über politische Mythen der Moderne [3]. Rousseaus volonté générale ist ein mythologisches Konstrukt, ebenso wie die Idee des Gesellschaftsvertrags, die einer historischen Überprüfung nicht standhält. Nach Rousseaus Maßstäben erreicht die moderne repräsentative Massendemokratie nicht einmal den Status der volonté de tous: wenn 50% der Wahlberechtigten Nichtwähler sind, dann basiert diese Demokratie auf Mehrheitsentscheidungen einer Minderheit. Rousseaus contract social wurde die Bibel der Jakobiner, seine Idee der Volkssouverenität endet im Caesarismus Napoleons. [4]

Zum "Populismus". Sollte man sich überhaupt auf dieses mit angemaßter Deutungshoheit von den etablierten Gegnern und ihren intellektuellen Zuträgern benutzte Diffamierungs-Schlagwort einlassen?

Schließlich möge stets im Auge behalten sein (in freier Analogie zur Unterscheidung von Oberflächen- und Tiefengrammatik in der Linguistik) die Unterscheidung zwischen Oberflächen- und Tiefenpolitik ("deep politics"). Für die Tiefenpolitik steht das Netzwerk des Finanz-Medien-Militär-Industrie-Komplexes. Die Regierungsvertreter und Politiker sind an der Oberfläche und in der Schnittstelle. Was "Demokratie" genannt wird, scheint eine Oberflächen-Chimäre.

Hinweise:
[1] Alain de Benoist (1985): Kulturrevolution von rechts, Kap. 7 "was ist totalitär?".
[2] R.N. Coudenhove-Kalergi (1925): Praktischer Idealismus.
[3] Jost Bauch (2014): Mythos und Entzauberung. Politische Mythen der Moderne.
[4] a.a.O. , S. 50-58   

Zadok Allen

15. Februar 2017 11:47

Eine brillante Analyse, die vor allem deshalb so wertvoll ist, weil sie Ansätze zur dringend erforderlichen Neubildung von politologischem Vokabular liefert. "Reaktionäre Demokratie" ist eine vielversprechende Begriffsprägung, und die Analogisierung der Reaktion des Vormärz mit den gegenwärtigen Verhältnissen darf man - da so evident wie simpel - als schlichtweg genial bezeichnen. Chapeau, Herr Poensgen!

Ein Literaturhinweis für die Fortführung dieser Analyse, falls Sie das Buch nicht ohnehin schon verwendet haben: Luhmanns Frühschrift "Legitimation durch Verfahren" von 1969, die vermutlich (mir bisher nur in groben Zügen bekannt) ein sehr ähnliches Argument bezüglich der Transformation des Legitimitätsmodells liefert, ohne natürlich mit den jetzt eingetretenen Verschärfungen zu rechnen.

Eine kleine Korrektur in der Sache: Sie schreiben

"Selbst die bisweilen fragwürdigen Methoden des Verfassungsschutzes bleiben bis heute weit hinter dem zurück, was für die Inlandsgeheimdienste der meisten Länder dieser Welt völlig normal ist."

Das sehe ich anders. Morde an V-Leuten und Beweismittelplazierungen zwecks Installation eines Narrativs zur Unterjochung der autochthonen Bevölkerung beispielsweise scheinen mir im internationalen Maßstab durchaus "transnormal" zu sein. Ganz zu schweigen vom Aufbau und der Leitung vermeintlich "oppositioneller" Parteien durch besagten Dienst.

deutscheridentitärer

15. Februar 2017 11:53

"Ob Höcke wirklich ausgeschlossen wird oder nicht - der Riss ist nicht mehr zu kitten und die AFD erledigt"

Ich kene mich im Inneren der AfD nicht aus, sehe aber durchaus eine Möglichkeit, dass die ganze Sache noch gut ausgeht. Zum einen könnte sich Höcke durchsetzen, Petry ähnlich wie Luke von der Basis entmachtet werden und die Partei so endgültig als rechts etabliert werden. Zum anderen wäre ein Ausschluß Höckes zwar vom Gesichtspunkt der Loyalität und Integrität der Dahinterstehenden eine zu verurteilende Schmach, aus taktischen Gesichtspunkten aber vielleicht nicht verkehrt. Sie sind, wie ich und wohl viele andere hier, ja sowieso der Meinung, dass die AfD ein Mittel zum Zweck ist und auch nicht das letztlich entscheidende Mittel sein wird. Deshalb könnte sich eine weltanschauliche Verwässerung zugunsten einer breiteren Wirksamkeit in der Summe als nützlich erweisen. Man muss auch sehen, dass Petry sich gelegentlich weltanschaulich sehr richtig geäußert hat. Um ihre Gesamtposition einzuschätzen fehlt mir eine ausreichende Kenntnis ihrer Aussagen. Die Kritik, die ich an ihr mitbekommen, bezieht sich meist eher auf ihr intrigantes innerparteiliches Verhalten, als weltanschauliche Mängel. Wahrscheinlich sind aber beide Ausgänge wohl nicht, sowie ich die Lage überblicke wird das Ausschlußverfahren scheitern und der Eindruck einer zerrissenen Partei entstehen, ohne dass irgendwelche Konflikte dabei geklärt werden.

Der_Jürgen

15. Februar 2017 12:56

@Harm Wulf  @RMH

Hier meine persönliche Antwort auf Ihre Frage, was die Idealisten, die sehr viel Zeit, Geld und Herzblut in die AFD investiert haben und nun sehen müssen, wie die Petry, ihr böser Geist Pretzell und die anderen Cuckservatives die Partei gezielt runieren, denn nun tun sollten. Vorausgeschickt sei , dass diese Frage auch auf anderen patriotischen Blogs, etwa bei Elsässer, intensiv erörtert wird.

Nur sehr wenige Kommentatoren fordern  dort Höcke und seine Gesinnungsgenossen auf, eine neue Partei zu gründen. Ich würde Höcke das auch nicht empfehlen. Eine von Höcke geleitete "Patriotische Volkspartei" oder "Patriotisch-soziale Partei" käme im September nicht in den Bundestag; dazu reicht die Zeit nicht, es fehlt an Geld, und falls die Partei nennenswerten Erfolg hätte, würde flugs ein Verbotsantrag gegen sie eingereicht. Das Verfassungsgericht hat der NPD ja ausdrücklich bescheinigt, verfassungsfeindlich zu sein, und nur unter Hinweis auf ihren geringen Einfluss von einem Verbot abgesehen. Dies war natürlich ein Wink mit dem Zaunpfahl an die AFD oder an eine hypothetische authentisch nationalkonservative Nachfolgepartei. Karlsruhe schlug den Sack und meinte den Esel.

2) Viele Kommentatoren fordern die AFD auf, den Riss zu kitten. Aber dieser Riss ist durch den mit 9 gegen 4 Stimmen gutgeheissenen Antrag, Höcke aus der Partei zu werfen, unkittbar geworden. Sehr viele Bürger werden, statt ihre Stimme einer innerlich hoffnungslos zerstrittenen Partei zu geben, im September die Union (besonders wenn sie unter einem neuen Kanzlerkandidaten antritt) als "kleineres Übel" wählen, um Rot-Rot-Grün zu verhindern. Vielleicht klopft Schulz nur darum so radikale Sprüche, um ein solches Szenarium zu begünstigen.

Mein Vorschlag ist nicht eben originell, aber er lautet wie folgt: Die patriotischen bisherigen AFD-Unterstützer sollen, sofern bis September keine grosse Überraschung etwa in Form eines Sturzes von Petry erfolgt, den ausserparlamentarischen Weg beschreiten - selbstverständlich nicht durch Gewalttätigkeiten, die nur ein Vollidiot oder ein arglistiger Provokateur befürworten kann, sondern durch Boykottaktionen, Demonstrationen, Streiks. Die Identitären, Pegida und Ein Prozent weisen den Weg. Wenn erst einmal zehn Prozent der Bevölkerung  kapiert haben, dass Wahlen nichts mehr bringen und dass das System nicht zu reformieren ist, könnte eine revolutionäre Lage rasch heranreifen. Besonders, wenn die Migrantenflut ab Frühling wieder zunimmt oder spektakuläre Terroranschläge erfolgen.

Noch ein Wort zur Lage in den USA. Ich habe in zwei Beiträgen auf diesem Blog die Meinung vertreten, Trump werde sein Programm unter dem jetzigen System nie und nimmer durchsetzen können, weil man auf Dauer nicht gegen die Medien und die Justiz regieren könne. Rascher, als mir lieb ist, geht diese Voraussage jetzt in Erfüllung. Dass er, nachdem er im Wahlkampf lautstark gegen die "volksfernen Eliten" gewettert hatte, gleich sechs Goldmann-Sachs-Leute in führende Stellungen berief und seinen mosaischen Schwiegersohn zu seinem Berater ernannte, liess schon wenig Gutes ahnen, und die eben erfolgte Entlassung von Michael Flynn ist ein Zeichen an der Wand.

Trump hat in einer entscheidenden Frage vor der Lobby die Segel gestrichen, noch ehe er einen Monat im Amt ist. Weitere Kapitulationen werden folgen. Entweder schwenkt Trump in allen wesentlichen Punkten, einschliesslich fortgesetzer Konfrontation mit Russland, auf Systemlinie ein, oder er wird vor Ablaufen seiner ersten  Amtszeit schmählich zum Rücktritt gezwungen. Für das System wäre dies viel bequemer, als ihn umlegen zu lassen und dadurch einen Märtyrer zu schaffen.  

Man kann immer noch hoffen, dass Trump aufs Ganze gehen und das System mit Hilfe von Armee und Polizei gewaltsam zerschlagen wird, aber nach seinen ersten 25 Tagen im Amt sehe ich wenig Grund zum Optimismus. Und die Moral von der Geschicht, die reaktionäre Demokratie ist reformierbar nicht.

Wegen Arbeitsbelastung werde ich mich auf diesem Strang nicht mehr zu Wort melden. Ist auch nicht nötig; schliesslich gibt es hier Heerscharen von mir an theoretischem Wissen turmhoch überlegenen Foristen und Foristinnen, die neue Facetten der Frage beleuchten können. 

Mahnstein

15. Februar 2017 14:18

@Der_Jürgen: Ihren Entschluss kann ich gut verstehen, möchte aber an dieser Stelle als Stiller Leser mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen. Sie haben mir mit Ihren Kommentaren in der Vergangenheit (und auch jetzt) aus der Seele gesprochen. 

Harm Wulf

15. Februar 2017 15:15

@Der_Jürgen:

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Ich bin allerdings sehr skeptisch, ob ausserparlamentarische Aktionen ohne starke Organisation im Hintergrund beim Establishment und deren angeschlossenen Medien solch eine Wirkung entfachen können, wie eine Partei, die bundesweit den Einzug in sämtliche Parlamente schafft.

Damit möchte ich die Wirkung der von Ihnen angesprochenen Initiativen wie IB, EinProzent oder Pegida keineswegs in Abrede stellen, im Gegenteil.

Natürlich ist eine Partei wie die AfD nicht der Weisheit letzter Schluß, doch man sieht ja, wie panisch von den Altparteien reagiert wird.

In dieser extrem kritischen Lage, in der wir Patrioten uns befinden, eingekreist und angegriffen von den Altparteien, den Medien, den radikalen Ausländerhorden und den linken Volksverrätern, ist es ungeheuer wichtig, dass wir eine starke Struktur bzw. Organisation aufbauen mit eigenen Kommunikationswegen. 

Und noch ein persönliches Wort: Vielleicht können Sie Ihren Entschluß, sich hier nicht mehr zu Wort zu melden, noch einmal überdenken. Ihre Kommentare würden sehr fehlen.

deutscheridentitärer

15. Februar 2017 15:41

"Ich bin allerdings sehr skeptisch, ob ausserparlamentarische Aktionen ohne starke Organisation im Hintergrund beim Establishment und deren angeschlossenen Medien solch eine Wirkung entfachen können, wie eine Partei, die bundesweit den Einzug in sämtliche Parlamente schafft."

Letztlich kann eine Wende in dem Maß, wie sie notwendig ist, sowieso nur außerparlamentarisch geschehen (Maidan-Szenario). Ich bewerte die Rolle der Afd deshalb danach, inwiefern sie für ein solches Szenario förderlich ist. Teilweise habe ich hierbei festgestellt, dass das bloße Vorhandensein einer Parteienalternative quasi den Dampf aus dem Kessel nimmt und die Leute an Lust verlieren ihre Wut auf der Straße zu artikulieren, sondern die Aussicht darauf haben das in der Wahlkabine zu tun. Andrerseits ist nicht jeder für außerparlamentarische Arbeit geeignet, sondern entfalten ihr Potential besser in einer Parteistruktur. Eine enge Verzahnung von AfD und IB/Pegida wäre deshalb optimal gewesen, ist aber an Vorbehalten der AfD Führung zumindest auf offizieller Ebene gescheitert. Entscheidend für mich ist aber etwas anderes: für die Rolle der AfD als Waffe im Kulturkampf kommt es weniger darauf an, ob sie wirklich rechts ist, sondern dass sie als rechts wahrgenommen wird. Und letzteres wird sich natürlich auch bei einem Ausschluß von Höcke keinesfalls ändern.

RMH

15. Februar 2017 16:02

 "für die Rolle der AfD als Waffe im Kulturkampf kommt es weniger darauf an, ob sie wirklich rechts ist, sondern dass sie als rechts wahrgenommen wird. Und letzteres wird sich natürlich auch bei einem Ausschluß von Höcke keinesfalls ändern."

@deutscheridentitärer

volle Zustimmung zu diese Sätzen, auch wenn der letzte davon besser mit "würde" formuliert werden sollte, denn ich gehe fest davon aus, dass der Parteiausschluss scheitern wird. Was in jedem Fall bleibt, ist das Bild einer zerissenen Partei in einer für Deutschland so wichtigen Zeit!

Diesen Schuh der Schande muss sich Höcke aber keinesfalls anziehen, da er nach seiner inkriminierten Rede Ruhe bewahrt hat und andere hier meinten, noch nachtreten zu müssen.

Wie auch immer und um mich kurz zu fassen, da diese Diskussion sich zwar aufdrängte, aber letztlich "off topic" ist:

Ich werde die AfD dennoch wählen, so wie ich sie auch gewählt hätte, wenn weiterhin Lucke an Bord geblieben wäre. die Alternative gar nicht zu wählen, schmeckt mir überhaupt nicht und da wähle ich lieber mit Grummeln im Bauch diese Partei, als gar keine.

Außerparlamentarischer Druck durch Pegida, IB etc. wird zudem auch den "Flügel" um Höcke in der AfD weiterhin stark halten.

deutscheridentitärer

15. Februar 2017 16:28

"volle Zustimmung zu diese Sätzen, auch wenn der letzte davon besser mit "würde" formuliert werden sollte, denn ich gehe fest davon aus, dass der Parteiausschluss scheitern wird. "

Das sehe ich genauso, was es noch unverständlicher macht, was die Initiatoren des Ausschlußverfahren sich davon erhoffen.

Stil-Blüte

15. Februar 2017 16:43

@ Der_Jürgen

Adé! Und kehren Sie bald wieder hier ein!

Marc_Aurel

15. Februar 2017 17:54

 

Gelungener Artikel, wie ich finde. Der Begriff des reaktionären Demokraten mag eine gute Prägung sein und in politisch interessierten, intellektuellen Kreisen auch entsprechend verstanden werden, als "politischer Kampfbegriff" mit dem die Masse hinterm Ofen vorgelockt werden könnte, ist er aber zu sperrig und klingt auch zu harmlos, nicht zu Letzt deshalb, weil das Wort Demokrat darin vorkommt, was bei Ottonormalverbraucher unter Umständen die falschen pawlowschen Reflexe auslöst. 

Was die AfD betrifft: es hätte mich sehr gewundert, wenn da nicht früher oder später ein paar U-Boote bzw. Pretzell aufgetaucht wären, so einfach lässt das BRD-Regime niemanden durchmarschieren und wenn es eng wird, wird halt tief in die Kiste der schmutzigen Tricks gegriffen.

Höcke kann man vorwerfen, dass er hätte wissen müssen was passiert (bewusste Fehlinterpretationen seiner Rede), man kennt ja schließlich die bundesdeutsche Journaille - er hat seine Position und die seiner Partei ohne Not geschwächt. Mitten im Wahlkampf die Jahre 1933-1945 zu thematisieren und dann auch noch mit diesem Thema, war genauso tollkühn wie unnötig, man könnte auch sagen selbstmörderisch. So sehr ich Höcke auch schätze, diese Kritik muss er sich gefallen lassen, denn es nützt der Sache nichts, wenn sich Leitfiguren selbst opfern.

 

Lyrurus

15. Februar 2017 18:02

Es würde uns allen guttun, wenn wir nicht bei jeder Schwierigkeit, die mal auftritt, gleich das schlimmstmögliche Ende als unabwendbar ansehen.

Teile der AfD und ihrer Führung sind offenbar dem Dauerfeuer des Gegners nicht gewachsen. Das war aufgrund der Heterogenität der Beteiligten vorhersehbar und ist natürlich ärgerlich.

Jetzt gilt es, die tauglichen Kräfte zu sammeln, zu ermutigen und dann wieder in das Gefecht zu führen. Wer stattdessen den Ruf "Alles ist verloren!" anstimmt, ist Teil des Problems und nicht der Lösung.

Hören wir endlich auf Ansprüche zu stellen, die sich nicht erfüllen lassen. Eine Partei gehorcht nunmal anderen Gesetzen als eine Jugendbewegung oder ein Publikationsorgan. Diese mögen alle Werkzeuge sein, aber jedes wird bei unsachgemäßen Gebrauch versagen. Alles kein Grund, das jeweils bisher Erreichte fluchtartig aufzugeben. 

Oder um es mit Moeller v.d. Bruck zu sagen: Wir müssen die Kraft haben, in Gegensätzen zu leben.

Mahnstein

15. Februar 2017 18:55

@Der_Jürgen: Ihren Entschluss kann ich gut verstehen, möchte aber an dieser Stelle als Stiller Leser mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen. Sie haben mir mit Ihren Kommentaren in der Vergangenheit (und auch jetzt) aus der Seele gesprochen. 

Fernmelder

15. Februar 2017 18:58

Ich will einen Teil der Rede von Björn Höcke hier bekannt machen weil ich vermute das dies den Zorn von Petry ausgelöst hat.

Das sagte höcke auch in seiner Dresdner Rede... "Wir müssen immer bedenken:
Mit Bernd Lucke sind nicht alle die gegangen, die ihren Frieden mit der Rolle eines Juniorpartners in einer zukünftigen Koalition mit einer Altpartei gemacht haben. Manche von 
ihnen, manche von diesen Luckisten, sind geblieben. Das sind die, die keine innere Haltung besitzen, die Establishment sind und Establishment bleiben wollen oder so schnell wie möglich zum Establishment gehören wollen.
Und, liebe Freunde, nicht wenige von diesen Typen drängen jetzt gerade in diesen Wochen und Monaten als Bundestagskandidaten auf die Listen oder als Direktkandidaten in den Wahlkreisen entsprechend nach vorne. Und nicht wenige werden – das muss man leider annehmen – ganz schnell vom parlamentarischen Glanz und Glamour der Hauptstadt fasziniert werden.
Und nicht wenige werden sich ganz schnell sehr wohl fühlen bei den Frei-Fressen- und Frei-Saufen-Veranstaltungen der Lobbyisten."

Dietrich Stahl

15. Februar 2017 19:26

Wie kommt es zu Veränderungen?  Veränderung geschieht von Innen nach Außen. So wie ein Haus entsteht: Im Wesentlichen von der Idee über Baupläne, den Baubeginn bis zum Richtfest.

Politische Machtspiele werden Deutschland nicht die Freiheit bringen. Große Hoffnungen hatte ich nicht in die AfD gesetzt. Aber ich traute ihr zu, wenigstens eine Zeit lang eine gute Rolle zu spielen. Einiges hat sie ja bewirkt. Vielleicht kann sie sich noch mal aufraffen. Egal ob die AfD  das schafft oder nicht, das wird nicht entscheidend sein.

Was geschah 1989 in jenem wunderbaren Herbst?

Als die DDR Bürger ihre Identität realisierten, was sich in dem machtvollen und unwiderstehlichen Mantra „Wir sind das Volk“ manifestierte, waren sie frei. Sie nahmen sich nur noch das, was ihnen zustand. Die Macht der Unterdrücker schmolz dahin wie Schnee in der Frühlingssonne.

Was danach kam, ist eine andere Geschichte – Freiheit muss eben täglich neu errungen werden.

Wie ein Schäfchen auf die BTW zu warten, ist des Adlers nicht würdig.

@ Der_Jürgen hat einige Möglichkeiten skizziert:

„den ausserparlamentarischen Weg beschreiten - selbstverständlich nicht durch Gewalttätigkeiten, […] sondern durch Boykottaktionen, Demonstrationen, Streiks. Die Identitären, Pegida und Ein Prozent weisen den Weg.“

Das sind nur ein paar aus einem reichen Spektrum von Möglichkeiten.

Nicht auf die anderen schielen: OMG, hoffentlich überlebt die AfD. Wenn sie verschwindet, wird etwas Größeres ihren Platz einnehmen.

Kreativität, Imagination und Innovation sind gefragt. Und vor allem innere Stärke und Zuversicht jedes Einzelnen. Das Momentum ist auf unserer Seite. Ein fröhliches Liedchen singen kann auch helfen, ebenso, sich an Tagen wie heute die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Das Wichtigste: Mindestens drei Mal am Tag herzhaft lachen.

Der_Jürgen

15. Februar 2017 21:09

Nochmals (eine erste Klarstellung hierzu wurde nicht freigeschaltet): Ich hatte lediglich angekündigt, mich auf diesem Strang (d. h. den Kommentaren zum Poensgen-Artikel) nicht mehr zu Wort zu melden. Das heisst nicht, dass ich die Gelegenheit, bei Sezession, wo man so EIGENTÜMLICH FREI schreiben darf, zu kommentieren, nicht mehr nutzen werde.

Ich vermisse, wenn wir schon beim Thema sind, seit einiger Zeit nicht nur die Beiträge knallharter Rechter wie Nordländer und Aristoteles, sondern auch diejenigen intelligenter Liberalkonservativer wie Arminius Arndt und Schwäbischer Waldgänger. Wir brauchen ja Diversity, nicht wahr? Oder schreiben die alle unter neuen Namen, wie ein gewisser Landsmann von mir?

Tweed

15. Februar 2017 23:34

Nicht die Repräsentation ist das Problem. (Wie die Repräsentation zu bewerkstelligen sei, ist eine andere Frage.) Rousseau und seine Theorie sind das Problem. Der freie, gleiche Bürger soll in Volksversammlungen direkt abstimmen. Zunächst entsteht natürlich nur eine Summe der Einzelwillen – also politisch gesehen nichts. Jeder zieht den Wagen in eine andere Richtung und unterm Strich bleibt der Wagen stehen. Hier geht es nur um Stochastik, um die Gaußsche Glockenkurve unter der wir leben. Was soll ein Exekutivorgan mit X verschiedenen Meinungen anfangen? Das Problem ist, aus dem volonté de tous eine volonté générale zu erzeugen. Das ist nur durch ein platonistisches Zauberkunsstück zu leisten: Was zu kurz ist wird gestreckt, was zu lang ist wird abgeschnitten, von den egoistischen Eigeninteressen wird abstrahiert… Das Ergebnis kann auch hier nur wieder ein „Nichts“ ergeben. (Man denke sich das wirklich einmal durch) Es ist ein begriffliches Unding von einer volonté générale zu sprechen. Hier wird eine Begriffsbildung, die auf das menschliche Individuum zugeschnitten ist (Wille) auf eine Gesamtheit übertragen. Setzen wir versuchsweise eine andere Verallgemeinerung an dessen Stelle. Was sagt die Rede vom „allgemeinen Sexualtrieb“ (sexualité générale) eines Volkes?  Absurd. Aber das größere Problem kommt erst noch: Wie soll Rousseau dem mündigen Menschen, den er ja voraussetzt, diese leere Allgemeinheit als dessen eigene Meinung verkaufen? Und hier kommt der eigentliche Skandal: die Identitätstheorie Rousseaus. Der volonté générale darf nicht ein anderer sein, als der jedes einzelnen Individuums, oder anders gesagt: muss identisch sein mit dem Einzelwillen des freien Menschen. Eine Identität ist eine symmetrische Relation, man darf sie in umgekehrter Richtung lesen. Bis jetzt hatten wir es mit einer Theorie zu tun, durch die Umkehrung erhalten wir die Realität: Der Einzelwille muss identisch sein mit dem volonté générale. Sagen wir es so: Der Einzelwille muss identisch werden…! Wer erkennt da nicht die Notwendigkeit zur Egalisierung, zur Gleichmacherei und damit die totalitäre Dynamik jeder Demokratie. Passgenau für den ökonomischen Liberalismus. Beide schaukeln sich hoch: Demokratie kann nicht den Liberalismus bremsen. Man könnte in Abwandlung von Schmitt sagen: Souverän ist wer den volonté générale bestimmt. Wir sagen heute: die Eliten (Medien, Blockparteien… eben die ganzen „pluralistischen“ Player). Demokratie tendiert wohl zur Oligarchie (mit Zwang und Manipulation in wechselnder Mischung). Wenn der volonté générale aber durch die Eliten bestimmt wird, stellt sich die Frage: Wie kommen die Eliten zu ihrem „allgemeinen Willen“? Es geht in den Eliten nach oben hin offenbar immer weniger demokratisch zu. Je höher wir kommen desto mehr zeigt sich die repräsentative Demokratie als mittelmäßiger Abklatsch reiner Renaissance-Politik. Und so entsteht Legitimität mal durch Heirat zwischen den Familien (Koalitionen), mal durch das wütende Volk, das den Condottiere verjagt, der seine Söldner nicht mehr bezahlen kann…

PS. Habe mit dem Begriff „reaktionäre Demokratie“ meine Probleme: Reaktionär ist für mich positiv besetzt (z.B. Davila).

Sven Jacobsen

16. Februar 2017 09:54

Ich möchte anregen, einen anderen Begriff als den der „reaktionären Demokratie“ im Sinne des Artikels zu finden, da es einen Gegensatz zwischen Begriffsintention und ersten Assoziationen gibt. Der Bezug ist ja im Artikel das 19. Jahrhundert. Unter einem „reaktionären Monarchisten“ war v.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Person zu verstehen, die beinahe kritiklos von der Legitimation der Monarchie als Staatsform überzeugt ist, was den Begriff des „Gottesgnadentums“ und die Ablehnung demokratischer Reformen einschließt. Ein Demokrat im gleichen Zeitraum vertrat gegenteilige Positionen, setzte sich für ein selbstbewusstes Parlament ein und hatte kaum ein Problem mit der Tatsache, dass beispielsweise im berühmten Paulskirchenparlament im wahrsten Sinne des Wortes das durch Wahlen legitimierte politische Spektrum von links bis nach rechts vertreten war. Politische Differenzen wurden eben über Debatten ausgetragen. Zwangsläufig kann daher vor diesem historischen Hintergrund der Begriff der „reaktionären Demokratie“ zunächst mit einer Einstellung assoziiert werden, die Meinungsvielfalt im Rahmen der Verfassungsordnung von links bis nach rechts als selbstverständlichen Ausdruck der Volkssouveränität begreift, was kompromisslos zu schützen ist. So gesehen wäre ich ein glühender „reaktionärer Demokrat“, weil ich letzteres befürworte und in der Haltung der Altparteien, die sich gemütlich eingerichtet haben, den unerträglichen Anspruch erkenne, über das Verfassungsgericht hinweg herauszuposaunen, was verfassungskonform oder demokratisch ist bzw. Kritiker ihrer Politik einfach mal so als „Feinde der Demokratie“ zu stigmatisieren, obwohl die Kritiker sich in der Regel eindeutig auf dem Boden der Verfassung bewegen.  

RMH

16. Februar 2017 10:35

@Der_Jürgen,

ich bin einer der genannten, Sie werden an meinen Beiträgen sicher erkennen, wer. Habe im Zuge der Neugestaltung der Seite und der Einführung des Benutzerkontos auf meine Namenskürzel umgestellt.

Als Leser und Abonnent der Zeitschrift Sezession seit Ausgabe Nr. 1 werde ich hier doch nicht fehlen wollen :)

@Sven Jacobsen,

Ihre Kritik ist plausibel, jedoch ist es schon so, dass es wie zu einem Polwechsel in den politischen Begrifflichkeiten gekommen ist. So ist der Rechte, der früher für eine "Rechts"-ordnung eingestanden ist, aufgrund des Abhandenkommens bzw. Schwindens der Rechtsordnung fast schon der Linke und das Berliner Parteienestablishment ist in punkto Kritik, Verbesserung und Änderung des Systems der Reaktionär.

Sie haben aber in der Empfindung durchaus recht, dass dieses "Pack" mit der Umschreibung reaktionäre Demokraten eigentlich zu gut davon kommt  bzw. fast schon einen falschen Glorienschein damit erhält ;)

Johannes Konstantin Poensgen

16. Februar 2017 11:00

Aus gegebenem Anlaß bitte ich zwischen Rousseau und meiner Person zu unterscheiden. Ich habe den Genfer deshalb angeführt, weil er den Gedanken, der demokratischer Legitimitation zugrunde liegt, am konsequentesten ausformuliert hat.

tOm~!

16. Februar 2017 11:33

Sehr geehrter Herr Poensgen,

leider kann ich Ihren Ausführungen in keinster Weise folgen. Ihre ganze Abhandlung ist vollgespickt mit geschichtlichen Fehldeutungen, falschen Schlussfolgerungen und einem Grundtenor, der den globalen Demokratismus wie immer entlastet. 

Es fängt schon bei der Überschrift an: 

Zitat von Johannes Konstantin Poensgen: 

"Die reaktionäre Demokratie"

Was soll das bitteschön sein, die "reaktionäre" Demokratie? Davon lese ich hier nun zum ersten Mal in meinem ganzen Leben. Ein schnelle Suche im Netz liefert diesbezüglich keinen direkten Anhaltspunkt. Haben Sie diese Form der Demokratie selbst ersonnen, um die parlamentarische Demokratie, welche hierzulande seit 70 Jahren die Regierungsform stellt, zu verklären? 

Für gewöhnlich sollte man annehmen, es genüge den globalen Demokratismus anhand von präsidentieller, parlamentarischer und direkter Demokratie zu beleuchten. 

Was hierbei jedoch sehr gerne, speziell in Ihrem Beitrag, verkannt wird, ist die Tatsache, daß es sich beim Demokratismus seit über 200 Jahren um ein globales Unternehmen handelt, bei dem Rousseaus "Volonté génerale" bestenfalls für "kultivierte" Debatten bei Studenten- oder elitären Dinnerpartys geeignet ist.

Selbstverständlich gab es Zeiten in Europa und Nordamerika, in denen die Thesen und Lehren eines Jean-Jaques Rousseau einer breiten Öffentlichkeit bekannt waren. Damit ist man aber bereits bei einem entscheidenden Punkt, den Sie in Ihrem Beitrag völlig übersehen haben. Ob dies aus Absicht oder Tolpatschigkeit geschah, sei dahingestellt. 

Wer die Demokratie bewerten will, kommt nicht umhin, sie in Zusammehang mit der Republik zu stellen. Das ist zwingend notwendig.

Sie erwähnen beiläufig amerikanische "Unabhänigkeitskämpfer" und den "Jakobinerterror". Was dabei geflissentlich außer acht gelassen wurde, ist die unbestreitbare Tatsache, daß die Geburtsstunden der Republiken hier wie dort mit Völkermord [ sic! ] einhergingen!

Die Massaker in der Vendée kosteten schätzungsweise 300.000 Menschen das Leben, die im Grunde nichts verbrochen hatten, außer sich der demokratischen Sache zu verweigern. Ein Beispiel dafür, mit welchem Menschenschlag man sich gemein macht, wenn man sich auf Republik und Demokratie beruft, wäre bei Marie-Louise von Savoyen-Carignan zu finden.

"Als sie sich vor Gericht weigerte, den Schwur gegen die Monarchie abzulegen, wurde sie am 3. September (→ Septembermassaker) dem Pöbel übergeben, der sie misshandelte, ermordete und ihren Kopf auf einer Pike vor den Fenstern des königlichen Gefängnisses umhertrug."

"https://de.wikipedia.org/wiki/Marie-Louise_von_Savoyen-Carignan"

Entscheidend hierbei ist, daß König Louis XVI. über den Fortbestand der Monarchie eine Volksbefragung durchführen wollte. Der Erfinder des Terrors, der radikaldemokratische Robespierre, ließ jedoch lieber auf das eigene Volk schießen. Dies sollte Aufschluss darüber geben, daß die Demokraten - und bitte komme mir niemand diesbezüglich mit den alten Griechen - von Beginn an ganz andere Interessen hatten, als man uns das in der Schule eingetrichtert hat. Den Hass und die Verachtung für das eigene Volk, hat der gewöhnliche Demokrat schon mit der Muttermilch aufgesogen.

Sie aber behaupten:

"Es ist im übrigen kein nebensächlicher Zufall, daß die Vertreter der reaktionären Demokratie auch überall die Gegner des privaten Waffenbesitzes sind."

Hier stellt sich die Frage, wer auf einmal die Vertreter dieser ominösen "reaktionären" Demokratie sein sollen? Ist das nun streng auf die Bundesrepublik Deutschland bezogen? Da muss man allerdings zu dem Schluß kommen, daß privater Waffenbesitz nirgendwo ein großes Thema ist, bzw. war, allenfalls für Sportschützen und Militärfreaks. Der Wunsch, schwer bewaffnet durch die Gegend zu ziehen, war auch früher in deutschen Landen nicht sehr weit verbreitet, man könnte dies dem Liederzyklus "Die schöne Müllerin" von Franz Schubert entnehmen, wird dort der Jäger nämlich am meisten gefürchtet.

Warum sollte man, wenn man nicht mutwillig mit einer Invasion von ausländischen Landnehmern bedroht wird, auch auf die Idee kommen, sich privat zu bewaffnen? Diesbezüglich muss man nicht an den Cobowys, bzw. Republikanern aus den USA orientieren, und wer glaubt, ein Hermann Göring habe vor Kriegsbegeisterung auf dem Tisch getanzt und wie wild mit dem Revolver durch die Gegend geschossen, als er von Hitlers Kriegsplänen erfuhr, hat ganz eindeutig zuviel Propaganda der Anglo-Amerikaner geschluckt. Es bleibt festzuhalten, daß Ihre Behauptung vollkommen sinnfrei ist.

Zitat von Johannes Konstantin Poensgen:

"Die reaktionäre Demokratie entstand in der Folge des Zweiten Weltkrieges."

Diese Äußerung kann man ebenfalls nicht ernst nehmen. Im Gegenteil, man stellt sich die Frage, wie ein gebildeter Mensch zu solchen Schlussfolgerungen kommen kann. Es würde reichen, sich anzusehen, wie sich die Demokratie vor und während des zweiten Weltkriegs in den USA dargestellt hat. Rassenhass, völlige Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung, Millionen von Arbeitslosen, sowie überfüllte Gefängnisse geben Aufschluss darüber. Franklin Delano Roosevelt war als Präsident ein mutwilliger Totalversager, in Bezug auf sein eigenes Volk. Es gibt diesbezüglich sehr aufschlussreiche Zitate des Olympioniken Jesse Owens:

„Hitler hat mich nicht brüskiert, sondern Franklin D. Roosevelt. Der Präsident hat mir nicht einmal ein Telegramm geschickt.“

– Jesse Owens: The Jesse Owens Story, 1970

"https://de.wikipedia.org/wiki/Jesse_Owens"

Roosevelts Partner in Crime, Winston Churchill, hatte nicht wesentlich viel mehr aufzubieten, obwohl er Premier des Mutterlandes der Demokratie war.

Beide Männer hatten vieles gemeinsam, unter anderem ihre überhebliche Verachtung für fremde Völker. Ohne hierbei ins Detail zu gehen, steht unbestreitbar und zweifelsfrei fest, daß diese Leute und ihr Gefolge schließlich die Demokratisierung in Deutschland besiegelt haben. Wie darf man Ihre These dahingehend verstehen? Was sollte denn unter diesen Bedingungen in Deutschland entstehen, in einem Land, das man bis zur bedingungslosen Kapitulation fertig gemacht hatte, um "freie Verfügung über Land, Freiheit und Leben" zu erhalten? Falls es Ihnen entgangen ist, aber die BRD steht bis heute unter Besatzungsstatuten. Dies hat Gregor Gysi zuletzt 2013 im Fernsehen noch einmal klar und deutlich ausgesprochen, siehe hier:

"https://www.youtube.com/watch?v=8tDlgZWWK-o"

Zitat Gregor Gysi:

"Ich muss ihnen mal ganz ernsthaft sagen, dass das Besatzungsstatut immer noch gilt. Wir haben nicht das Jahr 1945, wir haben das Jahr 2013. Könnte man nicht das mal aufheben und die Besatzung Deutschlands beenden?"

Wer würde auf so eine Idee kommen, Besatzung ist doch "funky", alles "easy".

Dadurch bedingt, ist die gesamte politische, "demokratisch-reaktionäre" Klasse in diesem Land jedoch in ihren Entscheidungen gebunden. Hinzu kommt die Tatsache, daß man laut Grundgesetz verpflichtet ist, auf ein vereintes Europa hinzuarbeiten. Dies und was zur Zeit in Europa abläuft, nachdem wir die Folgen der anglo-amerikanischen Kriege aufgeladen bekommen, sollte man in Rechnung stellen, wenn man die Demokratie in Europa hochtrabend bewerten will.

Im Grunde genommen, wäre es ein Kinderspiel, Ihre komplette Abhandlung ad absurdum zu führen, denn sie hat mit der Realität und dem, was die Demokratie ist, nichts zu tun. Nicht das Geringste. Intellektuell verbrämtes Geschwätz. Es ist hochnotpeinlich solche geistigen Ergüsse von Menschen zu lesen, die einem auf Grund ihrer Bildung weit überlegen sind. 

Bei allem Respekt, es reicht aber nicht, Fremdwörter und historische Begebenheiten aneinanderzureihen, sie verklärt in einen Kontext zu setzen, um damit eine These aufzubauen, die sich bei einer nähreren Betrachtung als kindisches Luftschloss erweist. 

In einem Punkt stimme ich Ihnen zu:

Es ist sehr wichtig, in der Hitze des Gefechts eines nicht zu vergessen: Die reaktionäre Demokratie hat die ihr innewohnenden Repressionsmöglichkeiten bisher nicht ansatzweise ausgeschöpft.

Die Antwort darauf, warum man sie nicht ausgeschöpft hat, liegt allerdings auf der Hand. Es gibt keinen Grund dafür, die Situation ist völlig unter Kontrolle, die Umvolkungs-Agenda läuft ohne größeren Widerstand ab. Sieht man sich an, wie gegen Reichsbürger vorgegangen wird, sollte man erahnen können, wo die Reise hingeht. Ebenso bezeichnend war das kürzlich erfolgte Urteil gegen Maik Schneider, der für eine "symbolische Tat" politisch motiviert vielfach schwerer bestraft wurde, als ausländische Brandstifter, die eine bewohnte Turnhalle abfackeln, weil sie ihren Schokpudding nicht nach Belieben serviert bekommen.

Für mich, um es abschließend sehr deutlich zu machen, gibt es keine wie auch immer geartete "reaktionäre Demokratie". Es gibt nur den globalen Demokratismus, der die Herrschaftsform in der westlichen Welt darstellt. Was es damit auf sich hat, wäre beispielsweise David Talbot zu entnehmen:

*Aus Sicht der Dulles-Brüder war die Demokratie ein Unternehmen, das sorgfältig von den richtigen Männern gesteuert werden musste, nicht etwas, das einfach gewählten Amtsträgern überlassen bleiben durfte, denen die Öffentlichkeit ihr Vertrauen geschenkt hatte.*

Das Schachbrett des Teufels, Prolog, Seite 13

Mit Allan Dulles hätte man sich trefflich über den Volkswillen unterhalten können, und darüber was Demokratie bedeutet. 

Wenn man sich ansieht, wie die Demokratisierung der Welt in den letzten 227 Jahren vorangetrieben wurde, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären, wie man daran noch irgendetwas Positives finden kann. Ein Wahlrecht zu haben, ist wertlos, wenn die herrschende Klasse nicht Politik für das eigene Volk betreibt. Dies wäre der Maßstab, an dem es eine Regierung, ein Regime oder einen Alleinherscher zu messen gilt. Ob man sich für die Belange der Allgemeinheit, oder nur für die "Upper Class", für elitäre Zirkel und einflussreiche "Minderheiten" einsetzt. Das Recht sollte die breite Masse schützen, um ihr die Freiheit zu ermöglichen. Wie bei Mozarts und da Pontes "Don Giovanni" hat es jedoch bei den Demokraten eine völlig andere Bedeutung, wenn sie die Fahne der Freiheit hochhalten. Damit wird nämlich das Recht mißbraucht, um Cliquen zu beschützen, die eine Bereicherungsorgie nach der anderen veranstalten. 

Wenn dies der Fall ist, ist es völlig gleich, ob man da oben einen Demokraten, einen Kommunisten, einen Nationalsozialisten oder einen Monarchen an der Spizte hat.

Der_Jürgen

16. Februar 2017 12:04

@RMH

Ja, Sie teutonischer Krieger und teutscher Patriot, ich habe Sie erkannt, ebenso wie den Meister des Hauses, Reinhold Schneider sei gelobt.

@tOm

Mir scheint, Sie haben den Autor in vielen Punkten missverstanden, aber das kann er selber Ihnen bestimmt besser erklären als ich. Poensgen, übernehmen Sie!

Cacatum non est pictum

16. Februar 2017 19:28

Die neuzeitliche (parlamentarische) Demokratie ist das Komplement zur Diktatur. In ihrer äußeren Erscheinung und der Gangart verschieden, sind im Endziel - der "Auflösung aller Dinge" - beide vereint. Sie gehen fließend ineinander über.

Man mag das anschaulich nachvollziehen anhand dessen, was sich hierzulande seit etwa drei Jahren politisch ereignet. Auf das Erstarken bürgerlicher Opposition hat man mit einem Ausmaß an Repression reagiert, das in der jüngeren Geschichte der BRD ohne Beispiel ist: Die großen Mediengruppen wurden mobilisiert, und sie schießen mittlerweile aus allen politischen Rohren; linksextreme - staatlich schamlos geförderte - Aktivisten bedrohen politische Gegner, wenden Gewalt an, schüchtern Vermieter von Tagungsräumen ein; Spitzenpolitiker ächten öffentlich die Meinung Andersdenkender und stoßen Beleidigungen gegen sie aus.

"Demokratie" ist eine Chiffre für maskierte Oligarchie. Je weiter die Maske rutscht, umso diktatorischer werden die Mittel zu ihrer Verteidigung. Oder anders gesagt: Demokratie ist ein langsames Ertrinken in der lauwarmen Badewanne,  Diktatur ist Waterboarding. (Dank an Götz Kubitschek für die Metapher aus "Tristesse Droite".)

tOm~!

16. Februar 2017 21:19

Zitat von Cacatum non est pictum:

"Die neuzeitliche (parlamentarische) Demokratie ist das Komplement zur Diktatur. In ihrer äußeren Erscheinung und der Gangart verschieden, sind im Endziel - der "Auflösung aller Dinge" - beide vereint."

Nicht "alle Dinge" sollen aufgelöst werden, sondern die autochthonen Völker und Nationalsstaaten. Diesem Ziel ist beim globalen Demokratismus, der nie und nirgends etwas anderes als ein Paravent für Gelddiktatur war, alles andere untergeordnet. 

Eine andere Reaktion auf den Beitrag "Die reaktiönäre Demokratie":

Zitat von Brutus: "Das kommt davon, wenn man von Geschichte keine Ahnung hat. Man schreibt zwangsläufig Unsinn."

Zitat von Johannes Konstantin Poensgen

"Die reaktionäre Demokratie entstand in der Folge des Zweiten Weltkrieges."

Zitat von Brutus: "Die reaktionäre Demokratie war seit 1789 so! Was Poensgen bejammert, ist eigentlicher Sinn und Zweck dessen, wovor sich alle in die Hosen machen, der Demokratie!"

Zitat von Johannes Konstantin Poensgen:

"Die reaktionäre Demokratie, die ja gerade in der Mehrheitsbeschaffung gleichviel wie besteht, versteht sich weit besser als einst die reaktionäre Monarchie auf die Kunst, die öffentliche Meinung zu lenken."

Zitat von Brutus: "Mit dem ersten Satz landet Poensgen einen Volltreffer, der zweite ist ein Griff in die Mülltonne.

Manche Monarchien waren sehr viel weniger reaktionär, d.h. populistisch und weniger der Geldmacht dienend, als die heutigen Demokratien; etwa Frankreich unter Henri IV, Louis XIV und Louis XVI oder das Bismarckreich mit Kaiser Wilhelm I und Wilhelm II.

Das Demokratiekonzept als Verwirklichung einer globalistischen Gelddiktatur ist in sich selbst finsterste, unmenschlichste Reaktion.

Um das zu erkennen, hätte Poensgen nur bei Sigaut, Guillemin, Hillard, Céline und Soral nachlesen müssen.

Ich kann mir schon denken, warum er das nicht getan hat und schauerlichen Käse zusammensalbadert, weil er sich nicht aus dem angloamerikanisch-bundesdeutschen Sumpf lösen kann.

Typisch deutsch, die Dinge zu verkomplizieren, nur um am Ende über die eigenen Füße zu stolpern. Poensgen wird zum Opfer seiner eigenen und, wie er vermutlich denkt, seriösen und hochreflektieren Neigung zum Differenzieren."

Zitat von Johannes Konstantin Poensgen:

"Populismus zeichne sich dadurch aus, daß er dem Volk Substanz und Willen zuspreche und diesen zu repräsentieren beanspruche. Damit ist der Populist ein Demokratiefeind, der sich wesenhaft nur gegen die reaktionäre Demokratie wenden kann, weil er nur unter ihr überhaupt möglich ist."

Zitat von Brutus: "Eine andere als die von Poensgen als reaktionär bezeichnete Demokratie gibt es nicht, hat es nie gegeben, wird es auch nie geben, weil die Sache genauso angelegt ist, wie sie sich uns präsentiert.

Demokratie ist per se die Todfeindin aller autochthonen Völker, die sie ausrotten will, um danach den Weltstaat mit Hauptstadt Jerusalem zu errichten.

Jeder, der es wie ein Populist wagt, sich dagegen zu erheben, wird von der Demokratie völlig logisch, konsequent und ihrem inneren Gesetz gehorchend als Todfeind betrachtet."

 

 

Maiordomus

16. Februar 2017 23:00

Weit überdurchschnittlicher Artikel des noch nicht ausreichend orientierten Poensgen, der aber völlig irrtümlicherweise den Nationalsozialismus mit einer Revolution verwechselt. So was Ähnliches wie eine Revolution strebten vielleicht die Konservativen Revolutionäre Niekisch und wohl selbst noch Ernst Jünger an, dem Hauptwerk des NS aber , Mein Kampf, fehlte grundlegend die philosophische und revolutionäre Substanz. Solche Irrtümer sind freilich nicht unbedeutend und bewirken, dass selbst viel Richtiges in dem Artikel in die Sackgasse verweist.

Gustav

17. Februar 2017 09:33

"Das Interesse der vormundschaftlichen Regierung und das Interesse der Religion gehen miteinander Hand in Hand, so daß, wenn letztere abzusterben beginnt, auch die Grundlage des Staates erschüttert wird. Der Glaube an eine göttliche Ordnung der politischen Dinge, an ein Mysterium in der Existenz des Staates ist religiösen Ursprungs: schwindet die Religion, so wird der Staat unvermeidlich seinen alten Isisschleier verlieren und keine Ehrfurcht mehr erwecken. Die Souveränität des Volkes, in der Nähe gesehen, dient dazu, auch den letzten Zauber und Aberglauben auf dem Gebiete dieser Empfindungen zu verscheuchen; die moderne Demokratie ist die historische Form vom Verfall des Staates.

Die Demokratie will möglichst vielen Unabhängigkeit schaffen und verbürgen, Unabhängigkeit der Meinungen, der Lebensart und des Erwerbs. Dazu hat sie nötig, sowohl den Besitzlosen als den eigentlich Reichen das politische Stimmrecht abzusprechen: als den zwei unerlaubten Menschenklassen, an deren Beseitigung sie stetig arbeiten muß, weil diese ihre Aufgabe immer wieder in Frage stellen. Ebenso muß sie alles verhindern, was auf die Organisation von Parteien abzuzielen scheint. Denn die drei großen Feinde der Unabhängigkeit in jenem dreifachen Sinne sind die Habenichtse, die Reichen und die Parteien. – Ich rede von der Demokratie als von etwas Kommendem. Das, was schon jetzt so heißt, unterscheidet sich von den älteren Regierungsformen allein dadurch, daß es mit neuen Pferden fährt: die Straßen sind noch die alten, und die Räder sind auch noch die alten. – Ist die Gefahr bei diesen Fuhrwerken des Völkerwohls wirklich geringer geworden?"
Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, 1878-1880

Gustav

17. Februar 2017 10:33

@ Maiordomus
"Es ist geradezu eines der wichtigsten Kennzeichen des Nationalsozialismus, daß hier die Konterrevolution revolutionär geworden ist. Das revolutionäre Element, auf das Furet sich bezieht, ist also auch nach meiner Meinung etwas grundlegend Wichtiges. Man kann das bereits vor 1933 daran erkennen, daß Hitler, der ja in den Augen der Marxisten ein Vorkämpfer des Bürgertums war, allerlei negative Aussagen über dieses viel zu liberale und schwache Bürgertum gemacht hat; allerdings nicht, weil er es zerstören wollte, sondern weil in seinen Augen das Bürgenum den Kampf, den es eigentlich hätte führen müssen, zu führen weder willens noch fähig war. Und dieses Antibürgerliche hat sich bei Hitler später dann noch stärker ausgeprägt, ohne sich jedoch wie bei Lenin zum militant Antibürgerlichen auszuwachsen, was auch wahrscheinlich den Sieg von 1933 verhindert hätte. Im übrigen darf man nicht vergessen, daß die Gegenrevolutionäre des frühen 19. Jahrhunderts ja noch weitgehend die Regierungen hinter sich hatten: nach 1815 etwa die Regierungen der Heiligen Allianz. Zwar war die revolutionäre Welle auch damals schon stark und bedrohlich, aber nach 1918 und der Kriegsniederlage sahen die Dinge doch noch einmal ganz anders aus. Aus dieser Situation ergab sich nun, daß, wer einen militanten Widerstand gegen die dem Zeitgeist entsprechende revolutionäre Tendenz leisten wollte, beim Konservativismus nicht stehen bleiben konnte, sondern einen beträchtlichen Veränderungswillen an den Tag legen mußte - und den kann man durchaus revolutionär nennen."

Siegfried Gerlich im Gespräch mit Ernst Nolte (2005)

Wahrheitssucher

17. Februar 2017 16:37

@ maiordomus

"... der völlig irrtümlicherweise  den Nationalsozialismus mit einer Revolution verwechselt..."

Ist nicht die tatsächliche und wirkungsmächtige Umkehrung der Verhältnisse von 1933 an - der zur Beantwortung dieser Frage geignetere Maßstab als jene, seine programmatische Frühschrift?

Im übrigen gestatten Sie mir bitte die Anmerkung, daß der mitunter leicht oberlehrerhafte Ton Ihrer Ausführungen durchaus befremdlich zu wirken vermag...

Cacatum non est pictum

17. Februar 2017 17:00

@tOm~!

Nicht "alle Dinge" sollen aufgelöst werden, sondern die autochthonen Völker und Nationalsstaaten. Diesem Ziel ist beim globalen Demokratismus, der nie und nirgends etwas anderes als ein Paravent für Gelddiktatur war, alles andere untergeordnet.

Nichts anderes meinte ich ja. Ich habe mich eben nur auf den Buchtitel "Die Auflösung aller Dinge" von Hans-Dietrich Sander bezogen, der sich diesem Problem gewidmet hat.

Ruewald

17. Februar 2017 22:54

@Maiordomus , @Wahrheitssucher, @GustaV

Bevor man einer "die Umkehrung der Verhältnisse bewirkende" Richtung das Prädikat "Revolution" zu- oder abspricht, sollte man erst einmal die Regel der Begriffsexplikation als Voraussetzung vernünftigen Redens (Kamlah/Lorenzen: Logische Propädeutik) beachten. Ist für "Revolution" konstitutiv, daß eine Menge Köpfe rollen?

Immerhin hat der Historiker Hellmut Diwald in "Geschichte der Deutschen" ein Kapitel mit der Überschrift "Die Revolution des Nationalen Sozialismus" (NS) und bezeichnet den NS als "eine radikal linke Bewegung".

In diese Richtung geht auch der Hinweis auf Ernst Nolte von @Gustav .

Und Avraham Barkai in "Das  Wirschaftssystem des NS" schreibt (S.9):
"während andere betroffene Länder sich nur langsam von den Folgen der Weltwirtschaftskrise erholten...   das NS Regime eine antizyklische Wirtschaftspolitik durchführte, die heute in den meisten Ländern zwar allgemein akzeptiert ist, damals aber durchaus "revolutionär" war..."

Wahrheitssucher

18. Februar 2017 18:26

@ Gustav  @Ruewald

Die Frage, ob es sich 1933 um eine Revolution gehandelt hat, halte ich für von hohem akademischen und historischen Interesse. Im Sinne der von @ Ruewald geforderten Begriffsexplikation könnte man sich doch auf die dem Begriff zentralst innenwohnende, zutreffende Bedeutung von "einer Umkehr der Verhältnisse" einigen.

Und wenn Sie fragen "Ist für "Revolution" konstitutiv, daß eine Menge Köpfe rollen?", dann wird das zwar nicht zum Beispiel für die Deutsche Wende 1989/90 gelten, die nicht selten als Revolution bezeichnet wird, aber doch allemal  spätestens für 1934, "wo eine Menge Köpfe rollten", woraus sich ergeben mag, daß dieses Merkmal nicht konstitutiv ist.

Es gibt viele Zeitzeugen aus den 30er Jahren, die das “Wunder” des Wiederauflebens und Erstarkens Deutschlands als eine Art "Umkehr" im schlechten wie durchaus auch im guten Sinne empfanden, im letzteren Sinne sogar zum Teil euphorisch beschreiben. Zudem gibt es die schon zitierte Stimme von Avraham Barkai, der 1977 in “Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus” schrieb: “Unglücklicherweise war das NS-Wirtschaftssystem sehr erfolgreich… Glücklicherweise ging es unter, ehe es eine ‘Pax Germania’ werden konnte.” Ist das nicht der Stoff, aus dem Revolutionen gemacht sind?

Benno

19. Februar 2017 00:12

Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Schulen sind unsere Kasernen, die Banken unsere Bajonette, die Satellitenschüsseln unsere Helme und die Journalisten unsere Soldaten.

Was Erdogan kann, können die Merkels schon lange. Ich weigere mich nachwievor eine parlamentarische Demokratie überhaupt als eine Form der Demokratie anzuerkennen. In einer Demokratie hat per definitionem der Demos die Macht. Wenn der Demos aber nur noch alle paar Jahre seine Stimme an bereits vorsortierte Parlamentarier abgeben kann, dann hat er kein Mitbestimmungsrecht mehr. Würde die parlamentarische Demokratie tatsächlich einen wie auch immer gearteten Volonté générale repräsentieren, dann würde bspw. in der Schweiz kein einziges Referendum und keine Initiative nicht im Sinne der Regierung entschieden. Abgesehen davon kann jeder Diktator behaupten, in ihm kristallisiere sich der Volonté générale. Wenn man das Volk nicht befragt, dann weiss man nicht, was allgemeiner Wille ist. Dem ist noch hinzuzufügen, dass die Demokratie ein Mittel der Entscheidungsfindung ist und nicht ein Mittel der Wahrheitsfindung. Ein Volk kann sich in einer Sachfrage in der Mehrheit natürlich genauso irren wie ein Monarch oder eine Tyrann.

@Wahrheitssucher  Der Mann kann nicht aus seiner Haut. Das müssen Sie ihm nachsehen. Abgesehen davon kann natürlich auch die Konterrevolution ab einem gewissen Grade als revolutionärer Akt betrachtet werden. Ist das nicht ein sophistisches Spiel mit Worten und nicht zielführend?

Der Feinsinnige

19. Februar 2017 17:10

Meines Erachtens ein sehr interessanter und gehaltvoller Artikel!

@ tOm~!

Sie schreiben zum Begriff "reaktionäre Demokratie": "Was soll das bitteschön sein, die "reaktionäre" Demokratie? Davon lese ich hier nun zum ersten Mal in meinem ganzen Leben. Ein schnelle Suche im Netz liefert diesbezüglich keinen direkten Anhaltspunkt. Haben Sie diese Form der Demokratie selbst ersonnen, um die parlamentarische Demokratie, welche hierzulande seit 70 Jahren die Regierungsform stellt, zu verklären?"

Was spricht denn dagegen, in diesem Block einen neuen Begriff in die Debatte einzuführen, zu begründen und ernsthaft darüber zu diskutieren? Ich finde diesen Versuch einer Einordnung der heutigen Situation unseres politschen Systems von Johannes Konstatin Poensgen lobenswert, nachvollziehbar und auch gelungen. In einem weiteren Schritt müßte jetzt allerdings diskutiert werden, was daraus für unser Land bzw. für alle Länder, die von einer "reaktioniären Demokratie" beherrscht werden, praktisch folgt, insbesondere, ob sich aus dieser Begriffsbildung neue Aspekte für die Opposition ergeben. Das wäre wohl ein Thema für einen weiteren Artikel.

Ich bin überzeugt davon, daß sowohl parlamentarisch (AFD) als auch außerparlamentarisch (IB, Einprozent u.a.) agiert werden muß. Trotz der derzeitigen Lage in der AFD: Es gibt derzeit keine (andere) realistsche Alternative für die parlamentarische Arbeit.

Zur oben geführten Diskussion über die AFD, Frauke Petry und Björn Höcke, insbesondere @ Der Jürgen, @ Harm Wulf, @ deutscheridentitärer und @ RMH:

Ich glaube nicht, daß der Riß durch die Partei nicht zu kitten sein wird. Auch bin ich nicht davon überzeugt, daß Frauke Petry ein "U-Boot" ist. Ich vermute das Problem zwischen Frauke Petry und Björn Höcke auf der persönlichen Ebene, insbesondere darin, daß beide einen von ihnen selbst nur schwer zu beherrschenden Ehrgeiz haben. Überspitzt formuliert, aber sicher cum grano salis:

Beide halten sich offenbar selbst für den besten Kanzler und wollen es unbedingt werden.

Ich persönlich kann mir übrigens sowohl Björn Höcke als auch Frauke Petry sehr gut im Kanzleramt vorstellen. Die notwendige Willensstärke und den notwendigen Intellekt haben sie offenbar beide. 

Frauke Petry scheint jedenfalls zu wissen, daß Björn Höcke innerparteilich ihr "gefährlichster" Gegenspieler sein dürfte.

Vergleicht man öffentliche politische Aussagen Frauke Petrys und Björn Höckes, aber z.B. auch des sich so maßvoll und geschmeidig gebenden, aber messerscharf formulierenden Nicolaus Fest (ich weiß durchaus, daß auf diesem Block an anderer Stelle schon kontrovers über Nicolaus Fest diskutiert worden ist), so scheinen die Unterschiede aus meiner Sicht bei wichtigen Themen nur marginal zu sein (abgesehen von den leidigen Passagen der Dresdner Rede, die inzwischen auch Björn Höcke selbst als Fehler bezeichnet hat). Auch dies wäre vielleicht einmal eine fundierte Untersuchung auf diesem Block bzw. in der Papierausgabe der "Sezession" wert.

Vielleicht ist es naiv, aber ich hoffe immer noch, daß durch das Wirken von Personen wie Alexander Gauland, Jörg Meuthen und Armin-Paul Hampel oder auch (warum den eigentlich nicht?) Nicolaus Fest zumindest eine Art Burgfrieden herbeigeführt werden könnte.

Ein praktischer Vorschlag, soweit der Bundesvorstand der AFD nicht selbst zur Einsicht kommt:

Die Basis könnte auf dem Parteitag per Beschluß den Vorstand auffordern, das Parteiausschlußverfahren gegen Björn Höcke einzustellen. Unabhängig davon, ob ein solcher Beschluß verbindlich gefaßt werden könnte, wäre dies ein eindeutiges Signal, den öffentlichen Streit zu beenden. Die Mehrheit für einen solchen Antrag dürfte doch eher wahrscheinlich sein (vgl. "Björn Höcke: Mehrheit der AFD-Anhänger lehnt Rauswurf ab", Die Welt; zitiert wird eine repräsentative Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "CIVEY". Warum sollte das Ergebnis unter den Parteimitgliedern bzw. Delegierten anders ausfallen?), zumal Björn Höcke doch durch seine jüngsten öffentlichen Äußerungen im aktuellen "Spiegel" und auf dem Landesparteitag in Thüringen genügend öffentliche Vorarbeit geleistet haben dürfte.

Findling

19. Februar 2017 17:57

„Was wir heute erleben ...“ ist der Kampf um den Hirschkadaver Deutschland. Die radikale Linke agiert noch zusammen mit dem radikalen Islam. Es wird aber nur einer sich am Luder behaupten: der Islam. Damit wird unsere Zukunft für die nächsten 200 Jahre von der Scharia bestimmt werden. Basta.

Das GG erleidet einen inneren „Klimawandel“: Die Kernbegriffe werden schleichend und so ganz unter der Hand neu definiert. So wird der Anhänger der „traditionellen“ (reaktionären) Familie nun zum Feind der neuen, der vielseitig „gepatchten Familie“ gestempelt.

„Scheiß Reaktionär“ kreischte eine Studentin, als ich 1973 an der Mensabrücke in Marburg ein Info des Sozialliberalen Hochschulbundes verteilte. Seither ist „reaktionär“ für mich positiv besetzt.

Aber: Zur Raketenabwehr gibt es eine Antirakete. Der Kampf um die rechte Deutung von „reaktionär“ geht nun schon bis zum Anti-Anit-Reaktionär. Die Finessen um die Deutungshoheit widern mich an.

 

Sehr bezeichnend für den Zeitgeist ist der derzeitige Religionswandel in der katholischen Kirche.

>Vatikanstadt (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat nach den Worten des deutschen Kurienbischofs Josef Clemens (69) im Vatikan "eine wahre Revolution" ausgelöst, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.< [ https://kath.net/news/58565 18.02.17]

Wir erfahren zweierlei:

1. Revolution ist etwas Gutes. Die Französische und die Russische Revolution erhalten nun nach 200 bzw. 100 Jahren ein kurienbischöfliches Gütesigel.

 

2. Habemus Papam Gruenem! Joschka Fischer hielt noch in der Opposition Kohl vor, dass dieser den Wertewandel nicht mehr rückgängig machen könne. Es lebe der ethische Klimawandel!

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