Die FAZ erhebt den moralischen Zeigefinger über die anderen moralischen Zeigefinger, und irgendwo in Mitteldeutschland trinken ein paar gutgelaunte Dissidenten zur Feier des Tages ein Glas Champagner und stoßen auf unseren Sonntagshelden an: Recep Tayyip Erdoğan.
Hinter vorgehaltenen Händen, an einsamen Stammtischen in verrauchten Dorfkneipen und in den Kommentarspalten der Bundesrepublik macht sich dieser Tage eine fast beschämte Schadenfreude breit. Man ist sich nicht so ganz sicher, ob man gute Laune haben darf, weil ein mißgünstiger Türke mit deutscher Staatsbürgerschaft, der seine journalistische Karriere bisher vornehmlich seinen antideutschen Vernichtungsphantasien (hier und hier) und dem Vortrag autochthon deutscher Vernichtungsphantasien (hier) verdankte, nun hinter türkischen Gardinen sitzt.
Irgendwie ist man ja gegen Erdogan, nickt zufrieden mit dem Kopf, wenn man liest, daß der Auftritt des türkischen Justizministers in Gaggenau abgesagt wurde, und entrüstet sich zu Recht über die weiblich-weiche Nachgiebigkeit, mit der die Bundesregierung die diplomatischen Beziehungen zur Türkei pflegt.
Sicher, Meinungsfreiheit ist gerade in Zeiten des sanften Totalitarismus ein empfindliches Thema, und wer sich gestern noch mit einem heroischen vermeintlichen Voltaire-Zitat auf die Seite deutscher Karnevalisten geschlagen hat, mag versucht sein, auch jetzt mit einem rasch und ungefährlich dazwischengeschobenen #freedeniz seine Solidarität zu bekunden.
Allein: Wir müssen ab und an auch mal an die Gesundheit unseres Gemüts denken. Je nach Ausprägung des eigenen EQ [= Elfenbeinturmquotienten, Anm. d. Redaktion] hat man als Rechter in der Bundesrepublik mehr oder weniger zu lachen, in keinem Fall jedoch genug.
Wenn dann so einer verzottelten Spaßbremse wie Deniz Yücel, die aus Deutschland gern einen “Rübenacker” machen würde, der eigene PR-Gag um ein paar Wochen verlängert wird, darf auch mal herzhaft gelacht werden. Es ist ja nicht so, daß wir dem hochdekorierten Kurt-Tucholsky-Preisträger einen tödlichen Schlaganfall wünschten, aber nachdem er selbst mit orientalischer Lässigkeit feststellte, daß wir Deutsche – wir Angehörige “eine[r] Nation, die seit jeher mit grenzenlosem Selbstmitleid, penetranter Besserwisserei und ewiger schlechter Laune auffällt” – ganz fürchterlich humorlos sind, kann man uns diese Freude auch mal zubilligen.
Heute also ein High five für Erdoğan, ab morgen heißt es dann wieder: Make Istanbul Constantinople again!
(PS: Ich komme nicht umhin, festzustellen, daß die Hintergründe des ganzen Spektakels hier hervorragend zusammengefaßt sind.)
deutscheridentitärer
Endlich sagts mal jemand!
Generell finde ich, dass Erdogan stabil liefert. Über die zunehmenden deutschfeindlichen Ausfälle seiner Regierung braucht man sich nicht empören, was sich klein macht, wird getreten, so ist das halt; das es auch anders geht zeigt das Verhältnis zu Russland.
Dass diese Gestalt Yücel oder wie sie heißt weggesperrt wurde, kann man dem Mann gar nicht hoch genug anrechnen. Ich muss da auch keine inneren Verrenkungen vollziehen, da mir die Meinungsfreiheit eh ziemlich egal ist; unser Lager muss halt seine Meinung äußern können, den Linken kann das gerne verboten werden.