Gleich vorweg: Die Hitler-Äußerungen von Björn Höcke waren weder gut noch böse, wie es die bundesdeutsche Skandalokratie jetzt herbeischreiben will. Sie waren allenfalls eine politisch-strategische Dummheit, die einem Mann wie Höcke nicht unterlaufen darf.
Im Gegensatz zum “Denkmal der Schande” hat er in dem Interview mit dem Wall Street Journal in aller Deutlichkeit betont, daß es bei Hitler eigentlich nichts Gutes zu finden gibt, aber “rein philosophisch gesehen” eben jeder Mensch vielschichtig zu beurteilen sei. Unter normalen Umständen hätte sich niemand für diese differenzierte und zugleich banale Erklärung interessiert, aber “normal” ist bekanntlich schon lange so gut wie nichts mehr – auch in patriotischen Kreisen.
Aber nun endlich zur Sache: Diese vollkommen unnötig aufgeblasene Diskussion offenbart, daß wir keine Vorstellung mehr vom Guten und Bösen haben. Ich halte auch nichts davon, diese Frage relativistisch zu individualisieren oder sie als unlösbar zu erachten. Wir müssen sie vielmehr zuspitzen, um damit die politischen Gegner von der hypermoralischen Front und die Anhänger der grenzenlosen Beliebigkeit stellen zu können.
In Abgrenzung zur technischen Güterproduktion und zu denen, die das Gute “mit dem Zeitgemäßen gleichgesetzt” haben, versteht der Philosoph Helmut Kuhn in seinem Werk Der Staat (1967) die selbstlose Fokussierung auf den Gemeinsinn darunter. Drei Elemente nehmen dabei eine besondere Rolle ein: die “Bereitschaft zu öffentlicher Tätigkeit, und das heißt: zu freiwilligem Dienst an der Gemeinschaft”, Selbsthingabe statt “Selbstbehauptungswut” sowie der Bezug zum praktischen Leben, womit eine “Überordnung der Ethik zur Politik als eine moralische Vergewaltigung des Wirklichen” vermieden werden muß.
Kuhn nimmt an, daß es so etwas wie eine “Schwerkraft der Seele” gibt, die uns dunkel bewußt sei und uns den rechten Weg weise. Staatlichkeit sei ein Wesenszug des Menschen, den die äußere Ordnung jedoch zur Geltung bringen müsse.
Allein wenn wir dieser Herangehensweise von Kuhn folgen, läßt sich bei Hitler schon etwas Gutes finden. Er ist freiwillig in die Politik gegangen und hat die Bereitschaft zu einer öffentlichen Tätigkeit aufgebracht. Diese gute Eigenschaft müssen wir uns übrigens gerade in der Demokratie bewahren, weil sie sonst zwangsläufig untergeht. Daß dies zugleich aber katastrophale Folgen haben kann, ist doch vollkommen klar und steht überhaupt nicht zur Disposition.
Die Gegenwart läßt sich mit diesen identifizierten Elementen des Guten ebenfalls klarer sehen: Das Gute streben diejenigen an, die konkret etwas zum Leben ihres Volkes beisteuern, ohne dabei eine Belohnung sehen zu wollen. Wer dagegen nur an die Weltgesellschaft denkt und das Abstrakte dem Konkreten vorzieht, handelt maximal mit guten Absichten, die sich fatal auswirken können.
Die Möglichkeit, sich selbst etwas Gutes zu tun – die Parole des individualistischen Liberalismus –, ist mit der Definition von Kuhn auch ausgeschlossen, obwohl er zugleich mit allen Ganzheitslehren hart ins Gericht geht und von einem guten Staat insbesondere Selbstbeschränkung erwartet.
Im Gegensatz zum Begriff des Bösen, der aufgrund der Abkehr von der Religion in der westlichen Welt völlig deformiert wurde, läuft das Gute auf Krücken noch weiter und hat lediglich seine äußeren Bezüge (Heimat, Volk, Nation und die eigene Kultur) verloren. Das Böse zu benennen, ist somit noch schwerer, wobei es sich im politischen Sinn eigentlich aus dem Guten logisch ergibt.
Es handelt sich um die Gleichgültigkeit und eben nicht um einen Teufel, der durch die Gegend spaziert, Menschen verführt und seine Feinde ausrottet. Für Hannah Arendt, die 1965 in New York eine vielbeachtete Vorlesung Über das Böse hielt, war diese Art des Teufels nur ein gewöhnlicher, altmodischer Verbrecher. In der Moderne versteckt sich das Böse aber viel besser. Arendt erklärt dazu:
Das größte Böse ist nicht radikal, es hat keine Wurzeln, und weil es keine Wurzeln hat, hat es keine Grenzen, kann sich ins unvorstellbar Extreme entwickeln und über die ganze Welt ausbreiten.
Die Gleichgültigkeit ist also so gefährlich, weil sie auf einer Entwurzelung des Menschen aufbaut. Wer keine eigenen Traditionen mehr kennt, kann sich auch an nichts mehr erinnern und ist unfähig zu dem kritischen Zwiegespräch vor dem Spiegel.
Dieses ist das letzte Mittel, was die Beteiligung an Unheil verhindern kann, wenn die staatlichen Vorkehrungen versagen. Etiam si omnes, ego non.
Arendt geht jetzt noch einen Schritt weiter. Die Entmenschlichung der Opfer ist für sie nur möglich, weil sich vorher die Täter freiwillig selbstentmenschlicht haben. “Das größte begangene Böse ist das Böse, das von Niemandem getan wurde, das heißt, von menschlichen Wesen, die sich weigern, Personen zu sein”, schreibt sie deshalb.
Die Niemandsherrschaft der Bürokraten in Berlin, Brüssel und anderswo kann deshalb mit Fug und Recht als “böse” bezeichnet werden. Die Unmöglichkeit, die tatsächlich Verantwortlichen unseres Hydra-Systems zu identifizieren, sollte einen dabei genauso nachdenklich stimmen wie die Gleichgültigkeit der Mehrheit unseres Volkes dieser Tatsache gegenüber.
Die “Banalität des Bösen” liegt heute darin begründet, daß die Abschaffung Deutschlands vom niederen genauso wie vom hohen Staatsadel betrieben wird. Gemeint sind damit z.B. Beamte, die es mit der Altersfeststellung von “Flüchtlingen” nicht so genau nehmen, Richter, die illegale Einwanderung bagatellisieren, und all diejenigen, die den Migranten in Nordafrika durch ihr Gutmenschentum “den geladenen Revolver in die Hand” drücken (Paul Collier).
Adolf Hitler dient bei all diesen Schandtaten als Entlastung. Indem durch politisch korrektes Urteil feststeht, daß er – und nur er – das “absolut Böse” verkörpert, haben all die schwachen Existenzen, die lediglich zur Anpassung fähig sind, den perfekten Grund gefunden, ihre eigene Unmündigkeit zu legitimieren.
Was heißt dies aber für die politische Auseinandersetzung der Gegenwart? Wir müssen das tatsächlich Gute und Böse erkennen und benennen, ohne Nebenkriegsschauplätze aufzumachen. Wir sind die Guten, die selbstlos in diesem Staat anpacken und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal unseres Landes beenden werden. So viel Selbstbewußtsein muß auf jeden Fall sein!
Tweed
Ihren Ausführungen muss ich energisch widersprechen. Gut und Böse sind moralische Distinktionen. Die moralische Unterscheidung ist eine Form des Universalismus. Gerade im letzten Artikel von Martin Sellner wurde diese fundamentale Problematik bezüglich des Nationalismus thematisiert. Moralische Werte existieren (für die Universalisten und Moralisten) in einem platonischen Himmel, in einer Welt des Sollens, die von der Welt des Seins durch eine Kluft getrennt ist. Die Moralphilosophie hat sich also immer zwei Fragen gestellt: 1. gibt es eine solche Welt der reinen Werte tatsächlich? 2. wenn ja, haben wir zu diesen Wahrheiten epistemischen Zugang? Ich glaube, dass wir in dieser Frage aber nicht mehr hinter Nietzsche zurückfallen sollten. Er hat klargemacht, was es heißt, nach der Unterscheidung Gut und Böse zu leben: Es ist der Mensch des Ressentiments. Es ist eine entschiedene Verneinung des Lebens! Die Alternative ist die aristokratische Unterscheidung zwischen gut und schlecht, also genau eine Art und Weise zu leben, welche von Rangordnungen ausgeht und zwar indem sie sich selbst zuerst setzt, was einfach in der Natur der Dinge, kurz in unserer Perspektive liegt. Der entscheidende Punkt nach Nietzsches hervorragender Analyse ist: Der Moralist sagt „ich bin gut weil du böse bist“. Der Werte-Aristokrat sagt „ich bin gut“ (und hier könnte schon ein Punkt gesetzt werden), aber in der Realität ist eben die Abgrenzung wichtig: der Feind ist schlecht, aber nicht böse. ("Jenseits" im Schnelldurchgang) Am Schluß Ihres Artikels sagen Sie es selbst: Wir sind die Guten. Es geht ja nicht darum, dass wir das Wort "böse" verbieten sollten. Solche "semantischen Korrektheiten" sind Methoden des Gegners. Aber in der theoretischen Auseinandersetzung sollten wir das Bewusstsein schärfen. Diese ganze Geschichte mit Höcke finde ich deshalb so ärgerlich, dass man sich auf die geistige Niveaulosigkeit des Gegners einlässt, anstatt in den Angriff überzugehen: Dem linken und liberalen Gegner nachzuweisen, dass er dumm ist. Immer wieder und immer wieder. Man muss nicht nur partielle kulturelle Bereiche metapolitisch zurückerobern, sondern das Geistige als Ganzes. Auch die Philosophie, die Semantik und also auch die schärfste geistige Waffe, die Argumentation, also die Logik. Sonst passiert nämlich immer wieder das gleiche.