Doch wer oder was soll die neuen Eigengruppe sein? Womit identifiziert man sich und wem schuldet man Loyalität?
Im zweiten Teil habe ich die Selbstbeschreibungen als Europäer oder als Westen besprochen. Die Klassifikation unserer Eigengruppe als “Weiße” unterscheidet sich deutlich von diesen beiden, weil ihr Unterscheidungskriterium nicht die Kultur, sondern die Rasse ist. Rassismus ist gleichzeitig exklusiver und inklusiver als Kulturalismus.
Zum einen schließt er jeden ein, der zu einer biologisch recht breit definierten Gruppe gehört. Weiße Nationalisten betrachten die gesamte weiße Rasse von Wladiwostok westwärts bis Seattle als ihre Eigengruppe und halten Nationalismus in kleinerer Größenordnung oft für “Petty-nationalism”, der nur zu Bruderkriegen innerhalb der Familie der weißen Völker führt.
Andersherum: Wird die Eigengruppe anhand genetischer Abstammungslinien definiert, so ist nicht ersichtlich, wie ihr jemals ein Außenstehender beitreten könnte. Aus diesem Grund wird Rassismus von allen Globalisten zum größten aller Übel erklärt. Von allen Rechtsoppositionellen machen Weiße Nationalisten dem Fait accompli großer Zahlen nichtweißer Einwanderer, die bereits in unseren Ländern leben, die geringsten Konzessionen.
Es ist auch kaum überraschend, daß Weißer Nationalismus unter Amerikanern weit verbreiteter ist als unter Europäern. Zum einen hat Amerika eine lange Geschichte der Rassenspannungen, vor allem die Trennung in Schwarz und Weiß. Gleichzeitig sind damit aber auch andere Rassen in weit größerem Ausmaß Teil der Nationalgeschichte.
Das macht es für rechte Dissidenten in Amerika noch einmal deutlich schwieriger, sich einfach mit ihrer Nation zu identifizieren. Ein Afroamerikaner ist ein Amerikaner, darüber gibt es in den USA kaum eine Meinungsverschiedenheit. Ob ein in Frankreich geborener Moslem algerischer Herkunft und Inhaber eines französischen Passes aber ein Franzose ist, das ist in Frankreich viel umstrittener.
Das Beispiel des algerischen Moslems mit französischem Paß zeigt uns die theoretischen Schwächen auf, die in jeder Klassifikation der Eigengruppe liegen, die entweder nur auf Kultur oder nur auf Rasse basiert. Vom Rassenstandpunkt aus betrachtet ist ein Algerier weiß. Punkt. Araber, Juden, Afghanen, Pakistanis, Türken etc. sind keine Mongoliden und schon gar keine Negriden, sondern Europiden. Selbstverständlich, von einem Deutschen sind sie weiter entfernt als, sagen wir, ein Schwede, aber ein Sizilianer steht dem Algerier genetisch näher als dem Finnen.
Man kann zwar die genetische Distanz zwischen zwei Gruppen objektiv messen, doch bilden sich basierend auf diesem Tatbestand nicht automatisch Eigengruppen. Rasse ist real, und eine relative rassische Homogenität ist für die meisten politischen Gruppen notwendig. Doch man kann die Eigengruppe eines Menschen nicht aus dem Ergebnis eines Gentestes ableiten.
Vom kulturalistischen Standpunkt sieht es jedoch so aus: Der algerische Moslem mag zur Zeit problematisch sein. Es gibt jedoch keinen Grund, warum wir nicht ihn oder zumindest seine Nachkommenschaft assimilieren könnten. Zumal wir unsere Zivilisation beim besten Gewissen nicht mehr als christlich bezeichnen können. Die logische Folge jedes Antirassismus ist die unbegrenzte Modifizierbarkeit jedes zweibeinigen Säugetiers.
Natürlich hält kein Rechter einen algerischen Moslem für ein Mitglied seiner Eigengruppe. Glücklicherweise sind die Anhänger der verschiedenen Möglichkeiten, unsere Eigengruppe abzugrenzen, bei aller Bitterkeit des theoretischen Streits in der Praxis nicht allzu konsequent. Es gibt viel impliziten Kulturalismus im Rassismus und umgekehrt.
Doch selbst wenn Biologie und Kultur zusammengenommen ausreichen mögen, um zu verstehen, wer wir sind, auch wenn dieses Rätsel nie endgültig gelöst werden kann, so ist die Frage, wer “Wir”, die politische Eigengruppe, sind, damit nur halb beantwortet. Wenn man Bürger eines seit langem bestehenden Staates ist, sagen wir Japans oder Frankreichs, dann ist die Zugehörigkeit zu dieser Eigengruppe Standard. Doch die “Transnationale Rechte” kann nicht auf derartige Gewohnheiten zurückgreifen. Sie entsteht ja gerade erst selbst.
Doch wodurch entsteht sie eigentlich? Zunächst durch Druck von außen. Das Moment des Feindes in der Freund-Feind-Dialektik ist nicht ohne Einfluß darauf, wer der Freund ist. Die islamische Invasion Europas bringt die Europäer näher zusammen, ob sie das wollen oder nicht. Und das ist nur ein Extrembeispiel. Der Prozeß der Globalisierung bringt uns nicht nur größeren Kontakt zu fremden Kulturen und Rassen, sondern wir befinden uns auch häufiger im Konflikt mit ihnen als in früheren, isolierteren Zeiten.
Vor allem sind diese Konflikte im Zeitalter globaler Migration und globaler Ressourcenengpässe existentieller geworden. Das verringert den relativen Abstand zwischen Weißen, Europäern, Westlern, wie immer man es nennen möchte.
Es bleibt aber auch ein dezisionistisches Moment. Wir sind in die Welt gestellt, an einen Ort und in eine Zeit, in eine Rasse und eine Kultur, doch wer “Wir” sind, das ist nicht mit der Strenge eines Naturgesetzes vorgeschrieben. Es gibt keine dümmere Plattheit als: “Jeder kann werden, was immer er sein möchte.” Doch zu etwas zu gehören, das größer ist als man selbst, ist nie ein passiver Prozeß.
Das ist schon bei der bloßen Identität so. Die Freiheit des einzelnen ist hier freilich sehr beschränkt. Wirklich einer anderen Kultur anzugehören als der, in die man geboren wurde, ist zwar möglich, aber ein langsamer, mühsamer Prozeß. Kultur, Rasse, Schicksal, das sind alles Worte für etwas, was dem einzelnen bei der Geburt erst einmal vorgegeben ist.
Beim politischen “Wir” sieht das anders aus. Das Moment der Wahl, der Freiheit, ist hier sehr stark. Das “Wir” ist eine Loyalitätsfrage. Natürlich, auch ein Treueid wird nicht vom abstrakten Individuum im leeren Raum geleistet, sondern ist einer konkreten Lage geschuldet. Aber er entspringt einer Entscheidung, ohne die er bedeutungslos wäre, auch und gerade weil diese Freiheit, wie wir heute mehr als je zuvor erfahren müssen, die Möglichkeit des Verrats beinhaltet.
Wer “Wir” sind, ob es am Ende überhaupt ein “Wir” jenseits der überkommenen Nationen geben wird, läßt sich deshalb noch gar nicht sagen. Hier hängt momentan vieles in der Schwebe. Wir sehen heute die transnationale Rechte aus dem Ei schlüpfen. Die Zeit wird zeigen, was aus ihr wird, wenn sie groß ist. Falls sie groß wird.
(Der Fortsetzungsartikel “Wer sind wir? Wer sind ‘Wir’?” ist hiermit abgeschlossen.)
Heinrich Brück
Haben wir einen Staat? "Wir" haben bestimmt keinen. Wer die Gesetze macht, entscheidet über die Zukunft. Müssen mich diese Gesetze etwas angehen? Wer diese Gesetze finanziert, denkt sich auch etwas dabei, besonders im Hinblick der eigenen Zukunft. Vasallenstaaten sind in erster Linie nicht verteidigungsfähig. Rußland bleibt Nuklearmacht, hat also die Möglichkeit der demographischen Aufforstung. Warum sollten die Russen sich unter das Prädikat Abendland zwängen, wenn dieses den Liberalismus hervorgebracht und die europäischen Völker vergiftet? Der technologische Fortschritt kompensiert und korrumpiert die Religionen, während der Staat in globalistischer Manier seinen Segen erteilt. Die EU als Atommacht? Sichere Grenzen, Verfolgung demographischer Eigeninteressen? Wer leben will, Grundlage und Voraussetzung Leben hervorzubringen, wird kämpfen müssen! Im Augenblick glauben die Europäischen Abendländler (Transatlantiker und Natohörige) noch an gewisse Substantive, komischerweise. Aufgrund ihrer demographischen Lage eine Weltbevölkerungsgesinnung implementiert, mit der sie die Wirklichkeit gestalten lassen und ihrer eigenen Zukunft die Grundlage entziehen. Die Frage nach der Identität beinhaltet auch die Antwort nach dem Nutzen der im Leben zu vollziehenden Handlungen. Volk und Ich korrespondieren; aber die Frage "Was nützt es meinem Volk?" bleibt höhergestellt, als das Ego überblicken kann. Woher am Ende der Überlegungen die Widerstandskraft hergeleitet werden kann, ein schwaches Vorbild im Niedergang kann unmöglich den Rettungsanker stellen. Rassismus ist kein Vorwurf für mich, sondern ein Unding. Man darf ja auch rassistisch sein, man darf es nur nicht wissen. Wer übt in welchem Fall die Herrschaft aus?