Der Historikerstreit

Der sogenannte Historikerstreit, der in der Endphase der »alten« Bundesrepublik zwischen 1986 und 1988 ausgetragen wurde, war die wichtigste geschichtspolitische Kontroverse in Deutschland nach 1945. Die wichtigste deshalb, weil sie sich sehr bald, von strittigen Einzelthesen ausgehend, zu einem ganz grundsätzlichen Kampf um die Deutungshoheit über die gesamte jüngere deutsche Geschichte entwickelte, einer Deutungshoheit über die deutsche Vergangenheit, die unauflöslich mit Fragen der Deutungshoheit über die Gegenwart verknüpft war und damit zugleich mit Weichenstellungen bezüglich der politisch-gesellschaftlichen Gestaltung der Zukunft Deutschlands. Es ging also beim Historikerstreit, in dem sich fast alle äußerten, die in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung und der politischen Publizistik Rang und Namen hatten, keineswegs nur oder an erster Stelle um Wahrheitsfragen im engeren Sinn, sondern vor allem um Durchsetzungsversuche bestimmter Geschichtsbilder im Hinblick auf politisch-ideologische Gegenwartsinteressen, also genau um jene instrumentelle Nutzung der Historie, die im Wort »Geschichtspolitik« anklingt. Da der Streit mittlerweile fast dreißig Jahre zurückliegt und vor der epochalen Zäsur von 1989 spielte, mag er jüngeren Menschen wie ein Ereignis aus grauer Vorzeit anmuten. Und doch gilt er noch immer als das große Paradigma zur Veranschaulichung, warum und wie spezifische geschichtspolitische Positionen in Deutschland durchgesetzt und andere abgedrängt und tabuisiert werden.

Vordergründig ging es um bestimmte Sachthemen, Thesen, die man nur auf der Basis wissenschaftlichen Wissens vernünftig diskutieren kann – Stichworte wie »Vergleichbarkeit«, »kausaler Nexus« und auch »Singularität« mögen Hinweise für diese Ebene sein. Freilich ist die analytische Herangehensweise an die mit diesen Stichworten angezeigten Sachthemen nicht ablösbar von Grundhaltungen zur deutschen Geschichte, wie der Abwehr oder Annahme des Eigenen. Es war diese Hintergrunddimension, die im Verlauf des Streites immer wichtiger wurde, das Aufeinanderprallen ganz konträrer Grundhaltungen, das für die Schärfe dieses Streites ursächlich wurde. Denn der damalige Sieg der linken Grundhaltung war für die Befestigung der hegemonialen Stellung einer bestimmten »volkspädagogischen« Großerzählung von zentraler Bedeutung. Sie entzieht sich weitgehend rationalen Befragungen und hat merkwürdig unberührt von allen gesellschaftlichen Wandlungen in den letzten dreißig Jahren überlebt und sich von Generation zu Generation im Zusammenwirken von Schule, Politik, Massenmedien und Teilen der Wissenschaft erneuert. Was fast nie hinreichend reflektiert wird, ist, daß der Historikerstreit ja keineswegs im abgeschotteten System der Wissenschaft stattfand, sondern eben im systemübergreifenden Zusammenspiel zwischen Massenmedien, Politik und Wissenschaft.

In diesem Zusammenspiel werden nämlich ganz andere Machtmechanismen wirksam als im selbstgenügsamen Raum der Wissenschaft. Ihre intergenerationelle Tradierung vollzieht sich wesentlich über die ritualisierte Repetition einiger Schlüsselmythologeme, die, da ihrerseits mit bestimmten Sprachformeln fest verknüpft, eher einem Glaubensbekenntnis als rational diskutablen Sprechhandlungen ähneln. Sie bilden ein Syndrom von Sinnpfeilern für eine in diversen Varianten zirkulierende Großerzählung mit unüberhörbar sakralisierenden Untertönen. Ihr erster Teil handelt von deutscher Hybris und Schuld; von verhängnisvollen Sonderwegen »der« Deutschen, die in den Ersten Weltkrieg mündeten und im Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg und schließlich in »Auschwitz« katastrophal kulminierten. Ihr zweiter Teil spricht die gerechten Strafen an, zu denen auch Bombenkrieg, Vertreibungen und Massenvergewaltigungen gehören, die bedingungslose Kapitulation, die eigentlich als »Befreiung« zu werten sei, die Gebietsabtrennungen im Osten, die Teilung des Landes und sein Souveränitätsverlust, während ihr dritter Teil die »Bewältigung« der Vergangenheit durch die Nachgeborenen verkündet, die »Lehren«, die sie uns aufnötigt. Dazu gehört an erster Stelle das aus der »Schuld« folgende Bekenntnis zu einem unaufhörlichen Bemühen um moralische Besserung; ein Bemühen, das in der Gegenwartsvariante dieser Erzählung die Abschaffung der Nationalstaaten in einem von »Brüssel« und dem Euro »friedlich« geeinten »Europa« und die Selbstabschaffung als Volk durch Masseneinwanderung Kulturfremder als alternativlose politische Handlungskonsequenzen einschließt.

Kern dieser geschichtspolitischen Großerzählung ist offensichtlich der Schuldbegriff, ein Begriff, der den Sphären des Rechts, der Moral und der Religion entstammt, aber zur Deutung politischer und gesellschaftlicher Prozesse nur höchst begrenzt tauglich ist. Er taucht in unterschiedlichen Formen auf, die aber typischerweise eines verbindet: eine kollektivistische Zuschreibung. So zielt die Behauptung von der Alleinschuld Deutschlands am Ersten und natürlich vollkommen fraglos am Zweiten Weltkrieg ja nicht nur auf deutsche Regierungen, sondern darüber hinaus auf eine nicht näher bestimmte Kollektiveinheit (»Deutschland«), enthält also eine kollektivistische Komponente, die dann in Reden vom »Tätervolk«, die der linke Jargon unserer Zeit eigentlich »rassistisch« nennen müßte, eine nicht mehr weiterzutreibende Steigerung erfährt. Auch der Schuldbegriff selbst wird in dieser Erzählung mittels des Schlüsselwortes von der Singularität, das gemeinhin vollkommen unerklärt bleibt, in eine nicht mehr überbietbare Extremform gesteigert. »Singularität« kann – in Bezug auf geschichtliche Ereignisse – einerseits etwas höchst Banales meinen, kann aber auch als Chiffre für ein aller Vergleichbarkeit Enthobenes, die Möglichkeiten unseres Intellekts schlechthin Übersteigendes benutzt werden, und genau in diesem Sinn wird der Holocaust auch von manchen jüdischen Denkern gedacht, die ihn in sakralisierende Konzeptionen einbinden und als fundamentalen Angriff auf Gottes »erwähltes« Volk deuten, als ein aller rationalen Begreifbarkeit vollkommen entzogenes absolut Böses.

Der Singularitätstopos – besonders in solch sakralisierenden Einkleidungen – erklärt also Täter und Opfer zu ganz besonderen Tätern und Opfern. Dadurch werden Devaluierungen anderer Opfergruppen ermöglicht und Verwandlungen des Opferbegriffs in Bezug auf die privilegierte Opfergruppe in einen vielfältig nutzbaren ehrfurchterregenden Ehrentitel, der bei den Nachkommen der Überlebenden das merkwürdige Phänomen eines »Opferstolzes« ermöglichte, eine Haltung, die unter den Überlebenden selbst lange und in der Frühzeit Israels weitgehend unbekannt, ja sogar verpönt war. Hingegen werden wegen der Einzigartigkeit der Schuld ihrer Vorfahren den Nachkommen des sogenannten Tätervolks ganz besondere Sühneleistungen aufgebürdet, unter denen die Verpflichtung zur fraglosen Pflege eines gesinnungsethisch radikalisierten politischen Moraluniversalimus herausragt, den Arnold Gehlen »Humanitarismus« genannt hat. Hervorgegangen aus der Negativfixierung auf die eigene Nation und ihre Geschichte, äußert sich der Humanitarismus in seinen politischen Idealen in einer aggressiven Hinwendung zu einem grenzüberwindenden Irgendwie des Allgemeinmenschlichen, einem hehren Gutmenschentum, das psychologisch den Freikauf aus der belastenden Abstammung vom »Tätervolk« ermöglicht und letztlich auf staatlich-kulturelle Selbstaufgabe hinausläuft. Der Humanitarismus schließt Maximen zur Geschichtsrezeption ein, die den Nachkommen sentimentalische Identifikationen mit den Opfergruppen des »Tätervolkes« – an erster Stelle der im nachhinein privilegierten – nahelegen. Daraus resultiert dann die Kultivierung eines selektiven Betroffenheitsjargons einschließlich routiniert ritualisierter öffentlicher Kundgaben sogenannter Scham, deren Kehrseite die Gleichgültigkeit für die Opfer des eigenen Volkes und dessen Konsequenz eine verdorrte realistische historische Phantasie ist, nämlich die Unfähigkeit sich vorzustellen, wie sehr man unter den Extrembedingungen der Diktatur und des Krieges selbst gefährdet gewesen wäre, gefährdet, zum Täter zu werden.

Soweit in größtmöglicher Kürze die zentralen Bausteine eines Narrativs, das sich in den Ritualen einer sogenannten Erinnerungskultur beständig erneuert und das sogenannte kollektive Gedächtnis der Deutschen seit Jahrzehnten prägt. Wir müssen uns aber die feste Verankerung von Schlüsselmythologemen dieses Narrativs in den Köpfen der Mehrheit der Gesinnungswächter über die veröffentlichte Meinung, ihre hegemoniale Stellung im damaligen »Zeitgeist«, als eine der zentralen Hintergrundbedingungen des »Historikerstreits« denken, ohne die er nicht denkbar gewesen wäre. Er entfaltete sich nämlich dadurch, daß bedeutende Historiker (namentlich Ernst Nolte, Andreas Hillgruber und Michael Stürmer) vor dem Forum einer größeren Öffentlichkeit, in den Massenmedien, Positionen vortrugen, die mit grundlegenden Prämissen und Wertungen dieser Erzählung nicht vereinbar waren. Stürmer etwa warnte in einem Vortrag vor der Gefahr einer »kollektiven Schuldbesessenheit« der Deutschen, die eine fatale »Geschichtslosigkeit« bewirkt habe. In einem Land ohne Erinnerung aber »sei alles möglich«, und dann kam der vieldeutige Satz, »daß im geschichtslosen Land die Zukunft gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet«. Dieser – wie eine Streitansage klingende – Satz ist ein Schlüsselsatz für ein Verständnis des Charakters des dann wenig später losbrechenden Historikerstreits, der ja keineswegs als eine selbstgenügsam-wissenschaftliche Kontroverse mißverstanden werden darf. Hier ging es nicht – wie idealiter im wissenschaftlichen Disput – um ein kontrolliertes Wechselspiel sich aneinander messender und gegenseitig korrigierender Argumente auf der Basis von Achtung für den jeweils anderen, sondern hier entbrannte, wie mittlerweile von niemandem bestritten wird, ein Intellektuellenkampf um die Deutungshegemonie in Deutschland, um politisch-kulturelle Macht, und zwar der heftigste, den es in der vierzigjährigen Geschichte der »alten Bundesrepublik« gegeben hat; eine Auseinandersetzung um jene Sichtweisen und Kategorien, die mit der Formung des Bildes von der deutschen Vergangenheit zugleich die Grundeinstellungen gegenüber der Gegenwartswirklichkeit weitgehend festlegen: politische Einstellungen im engeren Sinn, Haltungen zur eigenen Nation, aber beispielsweise auch, weit grundsätzlicher, die Präferenzen für bestimmte Menschenbilder, die ihrerseits eng mit Bildungsideen und ästhetischen Orientierungen zusammenhängen, kurz: alles das, was das Wort »Geschichtspolitik« einschließt.

Die überschießende Bösartigkeit, die den Historikerstreit zeitweise auszeichnete, hat viele Ursachen, aber man sollte doch eine an erster Stelle nennen: daß hier auch um alles das gekämpft wurde, was Menschen heilig und teuer ist, um den Stoff, aus dem sie ihr Selbstideal und die Prämissen für ihr »Verhältnis zur Welt« formen, um ihre Grundwerte. Deswegen ist auch die Formulierung vom »Kampf um die Deutungshegemonie« mißverständlich, denn die eine der Parteien besaß bereits die Hegemonie, und ihre aggressive Verteidigung diente dem Zweck, zu verhindern, daß sich in fest etablierte Deutungspositionen erste Risse hineinfraßen. Es muß hier noch einmal unterstrichen werden, daß die meisten Streiter von der Richtigkeit und Wahrheit ihrer Worte überzeugt waren, wobei freilich erstaunt, wie gering der Kenntnisstand einiger der ganz Prominenten – eines Habermas beispielsweise – über das war, was sie bewerteten: Habermas hat sich nicht nur durch Demonstration seiner totalen Unkenntnis der Geschichte der Sowjetunion selbst entblößt, sondern auch am Beispiel seines argumentativen Verhaltens im Historikerstreit sein eigenes Modell rationaler Kommunikation und herrschaftsfreien Diskurses diskreditiert – ein Modell, das auf bombastischem philosophischem Fundament ruht, aber vollkommen unpsychologisch und damit wirklichkeitsfremd ist.

Nun müssen allerdings Analysen des »Historikerstreits« und seines Machtcharakters unzureichend bleiben, wenn das Medium unreflektiert bleibt, in dem er ausgetragen wurde. Schließlich handelte es sich hier nicht um eine Kontroverse unter Anwesenden oder eine Debatte in Fachzeitschriften, sondern um einen Streit, der vornehmlich in Zeitungen, aber auch im Fernsehen – also vor dem Forum einer großen anonymen Öffentlichkeit – ausgetragen wurde. Zwar waren das Blätter mit einem gewissen intellektuellen Niveau, aber auch Zeitungen mit Niveau sind Massenmedien, die ihren »Stoff« – die Worte, die sie erreichen – immer in einer spezifischen Weise modellieren, bevor sie ihn dem Publikum präsentieren. In die Maschinerie der Massenmedien eingespeist und von ihren Gesetzmäßigkeiten durchwalkt aber mußten sich bestimmte Merkmale, die gewissermaßen zur »Natur« jeder Auseinandersetzung über Grundwerte gehören – wie die Konstruktion simplifizierender Alternativen, die Moralisierung und Emotionalisierung der Argumente, die dem Blick aufs Publikum geschuldete manipulativ-verzerrende Wiedergabe gegnerischer Positionen und die Tendenz zur Lagerbildung – im »Historikerstreit« in extremer Weise zuspitzen, und das verschaffte jenen, die – hiermit inkompatibel – die Gepflogenheiten wissenschaftlichen Argumentierens nicht preisgeben wollten oder konnten, von vornherein schlechte Karten. Jedenfalls sind Besonderheiten des Machtcharakters dieses Streits auch unmittelbar auf das Medium zurückführbar, in dem er stattfand, und es waren durch dieses Medium geformte eigendynamische Prozesse, die auch den Einsatz jener Kommunikationswaffe forcierten, die für den politischen Parteienkampf genauso typisch ist wie für das Ringen um Deutungshegemonie: der Waffe der Skandalisierung.

Skandalisierungen haben zur Grundvoraussetzung die Moralisierung, sie werden nur möglich, wo in Kontroversen das sachliche Beurteilen durch ein durchgängiges schrilles Bewerten überlagert und verdrängt wird, wo alles – jede Frage und These – durch das Raster eines »Gut/Böse«-Codes gesiebt und voneinander getrennt wird. Die Werte, die dem »Gut/Böse«- Schema zugrunde liegen, werden dabei selten ins Licht der Reflektion gezogen und fast immer als selbstevident vorausgesetzt – beispielsweise, daß »Gleichheit« gut, »Ungleichheit« aber schlecht sei. Solchermaßen bewertet, fallen von dem kompliziertesten Sachverhalt wie durch einen Zauberschlag alle Schalen der Komplexität ab, und er wird dann nicht nur kinderleicht verstanden, sondern genauso kinderleicht handhabbar, denn Moralisierungen präsentieren sich dem Publikum als Appelle, Bewertungen durch Wiederholung zu bekräftigen. Hinzu tritt die wirksam herausgeschleuderte Empörung gegen das neue Deutungsmuster und gegen die Personen, die es ins Spiel gebracht haben, und da diese moralisch Illegitimes geäußert haben, erscheint es nur legitim, sie durch den Entzug sozialer Achtung zu stigmatisieren. Nun sind Skandalisierungen nur selten soziale Einakter, sondern fast immer längere konfrontative Prozesse. Sie haben Erfolg, wenn im Zuge einer sich über längere Zeit hinweg aufheizenden Emotionalisierung, die jede besonnene Argumentation erstickt, der einen Partei in der Öffentlichkeit mehr und mehr die Unterstützung wegbricht. Jedenfalls sind Skandalisierungen immer – egal, wie man sie ansonsten bewertet – machtvolle soziale Prozesse zur Herstellung von Konformität. Das demonstrieren natürlich genauso eindringlich die Wirkungen ihres Erfolges. Die gelungene Skandalisierung umzäunt ein Gedankengelände so, daß jeder, der in seine Nähe gerät, zu besonderen Vorsichtsmaßregeln gezwungen wird. Wer jetzt darüber spricht, ohne sich zugleich demonstrativ zu distanzieren, riskiert soziale Ächtung und möglicherweise sogar Kragen und Kopf, also den Beruf und physische Verletzungen. Oft reicht dann in der Öffentlichkeit schon das Aussprechen eines Namens aus, um dem Geist drohend zu signalisieren, was er zu meiden und was zu denken hat: Dann braucht man nur empört »Nolte!« (oder heute: »Sarrazin«) zu rufen, und schon ist die Grenze markiert, hinter der – wie im archaischen Tabu – die Gefahr lauert. Am tiefsten aber geht die Konformitätswirkung, wenn bereits das einsame gedankliche Durchspielen des inkriminierten Deutungsmusters ein ungutes Gefühl des schlechten Gewissens erzeugt. Dann hat sich die Bewertung gewissermaßen in der »Über-Ich«-Sphäre abgelagert, ist ihr eine Dimension autoritativer Macht zugewachsen, die die Person »ganz von selbst« denken läßt, wie sie denken soll.

Damit ist die geschichtspolitische Situation in der Gegenwart beschrieben. Der humanitaristische Moraluniversalismus hat sich im Verbund mit seinen engsten Verwandten, dem Multikulturalismus und der Negativfixierung auf die eigene Nation und Geschichte, kräftig erholt und bestimmt seit einiger Zeit in gleichermaßen aggressiven wie infantilisierten Versionen die veröffentlichte Meinung als eine neue Form politischer Korrektheit. Dabei ist auch zunehmend unabweisbar geworden, daß ein derartiges Ideologiesyndrom keineswegs nur der Weltsicht naiver »Gutmenschen« entspricht, wie man vor zehn Jahren noch annehmen konnte, sondern jetzt läßt sich immer deutlicher auch der instrumentelle Nutzwert einer solchen Ideologie für die politischen und ökonomischen Machteliten erkennen, die, auf die Utopie der einen Welt zielend, via Europäische Union und Globalisierung die Abschaffung der Nationalstaaten und via Masseneinwanderung die Auflösung der europäischen Völker anstreben. Erreichbar sind diese Ziele nur, wenn den Völkern die Annahme ihrer eigenen geschichtlich-kulturellen Wurzeln und Bindungen verwehrt und ausgetrieben wird. Dafür bietet sich in Deutschland natürlich am ehesten die fortwährende interkulturelle Tradierung jener Mythologeme an, aus denen sich die Großerzählung über »Schuld«, »Strafe« und »Bewältigung« zusammensetzt, die ich anfangs umrissen habe und ohne die – als Hintergrund – der Historikerstreit vor dreißig Jahren nicht denkbar gewesen wäre. Mit dem Wachstum des Gegenwillens gegen Globalisierung, Europäische Union und Masseneinwanderung Kulturfremder, das wir überall in Europa beobachten können, wächst aber auch das Bedürfnis nach einer historisch ausgerichteten Vergewisserung kollektiver Identitäten und damit nach Geschichtsbildern, die mit der skizzierten geschichtspolitischen Hegemonialform unvereinbar sind. Im Chor veröffentlichter Meinungen ist dieses geschichtspolitische Bedürfnis bisher nur als kleine Nebenstimme zu hören, und es wird alles getan, sie gänzlich mundtot zu machen. Da aber auf allen ihren zentralen Themenfeldern das Lügengebäude der Politischen Korrektheit zunehmend rissiger wird, ist die Hoffnung keineswegs unbegründet, daß auch der geschichtspolitischen Hegemonialform in Deutschland zunehmend weniger geglaubt wird. Dafür muß man freilich kämpfen, und man muß darauf vorbereitet sein, dabei ähnlichen Diffamierungen ausgesetzt zu werden, wie sie die Verlierergruppe im Historikerstreit vor dreißig Jahren erfahren mußte.

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