Zweierlei Bücher

Vom derzeitigen (»enthüllungs«-)journalistischen Schnellrodazwang war Anfang des Monats schon die Rede. Die Buchmesse zeigte: viel Lärm um wenig Substanz.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Auf meh­re­ren Lesun­gen prä­sent war Spie­gel-Jour­na­lis­tin Mela­nie Amann mit ihrem Buch Angst für Deutsch­land. Kein ande­res Ten­denz­buch schlägt im Vor­feld des Bun­des­tags­wahl­kampfs bis­lang so hohe Wel­len: Nicht nur möch­te Bea­trix von Storch den Band gern bei­sei­te­schaf­fen lassen.

Weit­aus bemer­kens­wer­ter ist doch, daß Amann wohl wegen ihres Buchs auch vom gest­ri­gen Lan­des­par­tei­tag der Sach­sen-AfD, also Frau­ke Petrys LV, aus­ge­schlos­sen wur­de. Das kann man auf per­sön­li­che Ani­mo­si­tä­ten zurück­füh­ren, muß es aber nicht: Amanns Buch zeugt ins­be­son­de­re vom Pro­zeß der Lager- und Klün­gel­bil­dung, der auch in der “jun­gen” und “alter­na­ti­ven” Par­tei längst ein­ge­setzt hat. In ihrer neu­en Buch­vor­stel­lung führt Ellen Kositza in das kon­tro­ver­se Werk ein – sie­he unten!

Daß etwas wirk­lich Neu­es dar­in steht, unter­schei­det Angst für Deutsch­land von einem the­ma­ti­schen Mit­be­wer­ber: Die auto­ri­tä­re Revol­te des Jungle-World-His­to­ri­kers Vol­ker Weiß war für den Sach­buch­preis der Leip­zi­ger Buch­mes­se nomi­niert und hat­te – unter­stell­te man poli­tisch-päd­ago­gi­sche Absich­ten – auch bes­te Chan­cen auf Gewinn.

Daß sich Weiß’ schrill war­nen­des Werk dann letzt­lich einer »post­he­roi­schen« Bio­gra­phie der Kai­se­rin Maria The­re­sia geschla­gen geben muß­te, war doch ver­blüf­fend. Aller­dings nur auf den ers­ten Blick: Sei­ne Lesung am Mes­se­frei­tag im Rah­men des MDR-The­men­abends »Angriff auf die Demo­kra­tie« zeig­te nur das, was zu erwar­ten war. Es ist wohl kein Zufall, daß es nur der Bei­trag Tuvia Tenen­boms ins Netz geschafft hat.

Denn abge­se­hen vom seit den frü­hen 1990ern übli­chen Beden­ken­trä­ger­tum ist da bei Weiß gar nichts. Es gilt das Glei­che, was die His­to­ri­sche Zeit­schrift bereits 2014 über die aus sei­ner Dis­ser­ta­ti­on her­vor­ge­gan­ge­ne Mono­gra­phie schrieb, näm­lich daß »die Kern­the­sen des Autors […] poli­tisch moti­viert sind, was wie­der­um den gan­zen Erkennt­nis­gang korrumpiert«.

Die ein­zi­ge “Neu­ig­keit” ist, daß Weiß (wie schon in sei­nem wir­ren Sar­ra­zin-Buch) auf Bie­gen und Bre­chen ver­sucht hat, den All­tag als neu­rechts kon­ta­mi­niert dar­zu­stel­len – dies­mal eben aus Aktua­li­täts­grün­den mit Blick auf die AfD. Wei­ter reicht sei­ne wis­sen­schaft­li­che Fines­se dann aber nicht, sie­he Frei­tag­abend, wo es para­phra­siert etwa so klang:

Das muß man sich mal vor­stel­len, da wird tat­säch­lich wie­der Carl Schmitt gele­sen! […] Edgar Juli­us Jung mit sei­ner “Herr­schaft der Min­der­wer­ti­gen” ist auch ein ganz wich­ti­ger Stich­wort­ge­ber, und das wur­de ab 1933 dann auch so umge­setzt! […] Und dann lesen die allen Erns­tes Ernst Jün­ger. Ernst Jünger!

Nun, das tut Mar­tin Schulz auch, viel­leicht, weil er Jün­gers Arbei­ter für eine Klas­sen­kampf­schrift hält?  Wenn man nun wie Weiß sein Buch aus­ge­rech­net in dem Ver­lag her­aus­bringt, der von Ernst Jün­ger selbst noch Krit­ze­lei­en auf Bier­de­ckeln ver­öf­fent­li­chen wür­de, wenn er ihrer denn hab­haft wer­den könn­te, soll­te man sich zu dem The­ma viel­leicht lie­ber bedeckt halten.

Also: Lie­ber einen Blick in Amanns Angst für Deutsch­land wer­fen. Auch für pas­sio­nier­te Sym­pa­thi­san­ten könn­te der Ein­blick ins Innen­le­ben der Nach­wuchs­par­tei nicht unin­ter­es­sant ausfallen.

—–

Mela­nie Amann: Angst für Deutsch­land. Die Wahr­heit über die AfD: wo sie her­kommt, wer sie führt, wohin sie steu­ert, Mün­chen 2017. 317 Sei­ten, 16,99 Euro – hier ein­se­hen und bestellen!

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (7)

Julius Fischer

27. März 2017 14:22

Am meisten erstaunt mich der Umgang der FAZ mit der AfD. Sie heuert mit dem Redakteur Bender einen, zumindest von seinem Unterton, waschechten linksliberalen Journalisten von der "Zeit" an und der schreibt die AfD mit allen Mitteln der Kunst und unterschwelliger Beeinflussung auf einigermaßen intelligente Art nieder. Über die, zweifelsfrei auch vorhandenen, positiven Entwicklungen verliert er in seinen Artikeln in der FAZ nicht ein einziges Wort. Eine ausgeglichene Berichterstattung ist das keineswegs und soll es wohl auch gar nicht sein.

Und was macht der geneigte FAZ-Leser, zumindest laut den Kommentaren? Der fällt völlig auf Bender herein und merkt nicht, wie er manipuliert wird. Wie man die AfD-Hauptberichterstattung in einer vorgeblich bürgerlichen Zeitung gerade einem im Kern politisch beinahe feindlich gesinnten Journalisten übertragen kann, kann man schon als entlarvend bezeichnen. 

Der Gehenkte

27. März 2017 14:46

"Lieber einen Blick in Amanns Angst für Deutschland werfen"

Mein Blick wanderte stattdessen auf das selten zu sehende Bild Hamsuns an der Wand - es zeigt ihn als Straßenbahnschaffner in Chicago 1884. Man sieht die Entschlußkraft und das Leiden am "american way of life" - mit "Hunger" kam er zurück aber die Frage ist: ob dort schon der August geboren wurde? ...

Tut mir leid, damit rückt Frau Amann sogleich wieder in die zweite, dritte Reihe. Es gibt eben Zeitloses. Danke für den Hamsun-Tip!

Polybios

27. März 2017 15:15

Sicher alles interessant und richtig, aber der Blick fällt direkt auf das Hamsun-Portrait. Da nehme ich doch so gleich "Pan" in die Hand und lese:

"Denn das eigene Innere ist die Quelle der Sorge oder der Freude." Es liegt an uns und nicht an irgendwelchen Lohnschreiberlingen!

Stil-Blüte

27. März 2017 19:14

Hamsun: Was auch immer er geschrieben hat, jeder Satz trifft (mich). Warum? Ich mag es nicht zu sagen, ich mag es nicht zu wissen.  Magie der Worte, nur wenigen geschenkt. Und unbedingt lesen 'Auf überwachsenen Pfaden', dtv, 2. Aufl. 2002.

marodeur

28. März 2017 00:40

Danke für die Empfehlungen. Ich wünsche mir bitte generell mehr Literatur. Auch die Tipps aus dem Kommentarbereich waren bisher teils echte Glücksgriffe (Hamsun bestellt). Herzlichen Dank an Kositza und Publikum.

Der Feinsinnige

28. März 2017 03:17

Eine Anmerkung zum MDR-Themenabend bei der Leipziger Buchmesse, bei dem ich bei den Interviews mit Justus Bender und Volker Weiß als Zuhörer persönlich anwesend gewesen bin (in die Veranstaltung mit Tuvia Tenenbom bin ich wegen Überfüllung nicht mehr hineingelassen worden, umso dankbarer bin ich für den Link zum Video):

Im Veranstaltungsprogramm „Leipzig liest“ (gedrucktes Heft, S. 80/81) war als sozusagen krönender Abschluß des Abends eine Podiumsdiskussion angekündigt, die jedoch offenbar kurzfristig wieder aus dem Programm genommen worden ist. Jedenfalls fand sie ohne jede Erklärung der Veranstalter nicht statt. Auch direkte Nachfragen an die anwesenden Mitarbeiter des Veranstaltungsortes (Alte Handelsbörse) und auch an den Bücher signierenden Volker Weiß brachten keine Antwort. Die verantwortlichen MDR-Journalisten waren so schnell abgetaucht, daß eine Nachfrage an diese nicht mehr möglich war.

Auch im unmittelbaren Anschluß an die Interviews mit Bender und Weiß ist (entgegen ansonsten verbreiteter ständiger Übung bei der Messe) keine Gelegenheit zu Nachfragen aus dem Publikum gegeben worden, obwohl genügend Zeit hierfür gewesen wäre. Ich habe hierfür eigentlich nur eine einzige Erklärung: Die Verantwortlichen des MDR hatten offenbar Angst vor kritischen Nachfragen – die etablierten Medien sind eben hypernervös. Mich interessiert wirklich, ob es eine andere Erklärung für die Absage der Podiumsdiskussion gibt. Bislang ist mir noch keine bekannt geworden.

Aus diesem Anlaß eine vorsichtige Frage: Ist eigentlich nach so vielen Jahren der Pause wieder einmal mit einer Beteiligung des Antaios-Verlages an der Leipziger Buchmesse zu rechnen?  Bücher die vorgestellt und diskutiert werden könnten, gäbe es doch genug - und an inhaltlicher Qualitität wäre eine Antaios-Veranstaltung den Gesprächen beim MDR vom vergangenen Freitag ohne jeden Zweifel überlegen!

Cacatum non est pictum

29. März 2017 00:33

@Julius Fischer

Und was macht der geneigte FAZ-Leser, zumindest laut den Kommentaren? Der fällt völlig auf Bender herein und merkt nicht, wie er manipuliert wird. Wie man die AfD-Hauptberichterstattung in einer vorgeblich bürgerlichen Zeitung gerade einem im Kern politisch beinahe feindlich gesinnten Journalisten übertragen kann, kann man schon als entlarvend bezeichnen.

Die kommentierenden FAZ-Leser erinnern mich ganz stark an den Typus "Bourgeois", dem Manfred Kleine-Hartlage so spöttisch bescheinigt, die eigene Prinzipien- und Charakterlosigkeit als "Modernität" zu adeln. Man trottet dem Zeitgeist hinterher, um in der Hackordnung nicht ganz nach unten durchzurutschen; hält sich dabei aber allen Ernstes immer noch für bürgerlich-konservativ. Solche Leute sind nicht weiter der Rede wert. Schon gar nicht sollte man sie als Bundesgenossen betrachten.

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