Wir Hirnhunde

PDF der Druckausgabe aus Sezession 59 / April 2014

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

In weni­gen Wochen wird im Ver­lag Antai­os ein Roman mit dem Titel Hirn­hun­de erschei­nen. Die­ses selt­sa­me Wort stammt aus dem Gedicht »Unter­grund­bahn«, das Gott­fried Benn 1913 ver­faß­te. Es wird dort im Sin­gu­lar ver­wen­det und beschreibt den über­re­fle­xi­ven Typus, der den bana­len Zugriff scheut.

Der Autor des Romans nun, in des­sen Zen­trum der Repor­ter einer kon­ser­va­ti­ven Wochen­zei­tung steht, nennt sich Raoul Thal­heim, ist in Wirk­lich­keit aber ein ziem­lich bekann­ter Schrift­stel­ler. Er will aus nach­voll­zieh­ba­ren, hin­läng­lich bekann­ten, zugleich bezeich­nen­den Grün­den sei­nen wirk­li­chen Namen nicht auf dem Ein­band eines Buches ste­hen sehen, das bei Antai­os erscheint.

(Ich muß nicht immer wie­der dar­auf hin­wei­sen, daß der­lei Vor­gän­ge mehr über das geis­ti­ge Kli­ma in unse­rem Land aus­sa­gen, als jene from­men Wün­sche, die sich im Grund­ge­setz aus­for­mu­liert finden.)

Vor ein paar Tagen gab »Thal­heim« die Druck­frei­ga­be für sei­nen Roman. Wir tra­fen uns in einem klei­nen Wein­lo­kal in Naum­burg und bespra­chen dabei auch die Höhe der Start­auf­la­ge. Sie könn­te sich stei­gern las­sen, wenn ich sei­ne wah­re Iden­ti­tät bekannt­ge­ben dürf­te, sag­te ich: Nicht jetzt, aber am Ende jenes Rät­sel­ra­tens viel­leicht, das im Inter­net längst ein­ge­setzt habe.

Thal­heim sag­te, er wis­se, daß ich die­sen Vor­schlag nicht ernst mein­te und daß ich ihn damit nur ein biß­chen pro­vo­zie­ren woll­te. Immer so halb und halb, sag­te ich. Es müß­te doch end­lich ein­mal jemand den Beweis füh­ren, daß es deut­lich schlim­me­re Hand­lun­gen gebe, als die, einen Roman bei Antai­os oder einen Arti­kel in der Sezes­si­on zu veröffentlichen.

Mir sei­en die Kri­te­ri­en klar: ent­we­der so popu­lär und mate­ri­ell inter­es­sant wie Sar­ra­zin oder als Wahl­deut­scher, als »Stim­me von außen« per se unangreifbar.

Ich spiel­te wohl auf die­sen Kat­zen­kri­mi-Tür­ken an, die­sen sexu­ell frus­trier­ten Akif Pirin­çci? Er, Thal­heim, habe auf der Zug­fahrt nach Naum­burg in des­sen Erbro­che­nem gesto­chert, die Schüs­sel, also: das Buch aber bereits kurz hin­ter Erfurt aus dem Fens­ter geworfen.

In einem ICE kön­ne man kein Fens­ter öff­nen, sag­te ich. Thal­heim, der ein klein wenig cho­le­risch ist, zog das Buch aus der Tasche. Das stim­me aller­dings, aber er hät­te es gern aus dem Fens­ter gewor­fen, und weil er sich die­se spon­ta­ne Ges­te gut habe vor­stel­len kön­nen, sei es doch schon halb gesche­hen gewesen.

Er sei nun ein­mal Geschich­ten­er­zäh­ler, und das Buch eines tür­kisch­stäm­mi­gen Schrift­stel­lers, der für Deutsch­land strei­te, aber mit sei­nem ekel­haf­ten Voka­bu­lar und sei­nem stän­dig ins Alters­gei­le abrut­schen­den Ego­trip bewei­se, daß er unser (Thal­heim sag­te »unser«) Deutsch­land gar nicht ken­ne, gehö­re nun ein­mal nicht ins Bücher­re­gal. Hier sei es – Thal­heim zog den Pirin­çci aus sei­ner Akten­ta­sche –, wohin nun damit?

Ich griff nach dem Buch. Dies sei doch ein Phä­no­men, sag­te ich. Der Ver­le­ger habe mir erzählt, man sei sich mit Bild am Sonn­tag einig über den Abdruck eini­ger Pas­sa­gen. Ich gin­ge des­halb jede Wet­te ein, daß es nach Sar­ra­zin auch Pirin­çci auf Platz eins der Best­sel­ler-Lis­ten schaff­te – eine Posi­ti­on, die sonst nur von Kla­mauk-Titeln, Kör­per-Bera­tern oder Koch­bü­chern ein­ge­nom­men würde.

Wann je in den letz­ten drei Jah­ren sei ein ver­gleich­bar lin­kes Sach­buch unter den Top zehn gelis­tet gewe­sen? Sei es nicht viel­leicht doch so, daß dies die immer wie­der beschrie­be­ne meta­po­li­ti­sche Artil­le­rie­vor­be­rei­tung für den par­tei­po­li­ti­schen Infan­te­rie­an­griff sei?

Thal­heim nick­te. Viel­leicht, sag­te er, hät­te ich recht, auch er mache bei jedem zwei­ten Gespräch in sei­nem weiß Gott eher lin­ken Bekann­ten­kreis eine ver­hal­ten kon­ser­va­ti­ve Grund­stim­mung aus, sähe sich sogar manch­mal einem geplatz­ten Kra­gen gegen­über. Er blei­be jedoch bei sei­ner Einschätzung:

Das, was ein Pirin­çci ver­brei­te, habe mit dem, was wir unter Deutsch­land ver­stün­den, herz­lich wenig zu tun, und glück­li­cher­wei­se sei­en wir schon rein struk­tu­rell gar nicht anfäl­lig für der­lei Tira­den, und aus dem­sel­ben Grund nicht angriffs­fä­hig. War­um? Thal­heim lach­te: Weil wir über­re­fle­xiv sei­en, Hirn­hun­de eben.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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