Götz: War das eine Pöbelei? Ja, gut, das war eine Pöbelei. Ich habe den Jungle-World-Autor Volker Weiß angepöbelt? Er hatte aus seinem Buch Die totalitäre Revolte vorgetragen und eine ganze Stunde lang die Fragen einer MDR-Moderatorin beantwortet. Als er dann am Signiertisch saß, mußte ich ihn anpöbeln.
Kubitschek: Das ist niveaulos. War Ihre Frau nicht dabei? Die paßt doch sonst immer auf.
Götz: Erstens paßt meine Frau nicht immer auf – sie ist ab und an das retardierende Moment, diesmal eben nicht. Außerdem hat sie die Rakete gezündet. Sie ist zu Volker Weiß und hat ihm das Buch zum Signieren gegeben. Ich war noch oben im Saal, und als ich runterkam, war die Stimmung bereits etwas angespannt. Es ging gerade um Edgar Julius Jung.
Kubitschek: Oh! Ein Streit unter Gebildeten!
Götz: Exakt, so wirkte es. Der Weiß tat schon während seiner Plauderstunde so, als käme er vor lauter Namen, die er nennen müßte, ganz durcheinander. Dabei ist das bloß eine Strategie, kennt man von Leuten, deren Publikationen ein einziges Vernebeln der eigenen Unkenntnis sind: Man reiht Quelle an Quelle, Namen an Namen und hofft, daß man die Leute damit beeindruckt oder vom Fragen abhält. Mohler dixit, Nietzsche dixit, Weißmann dixit – niemand will ja zugeben, daß er mit den vielen Namen gar nichts anfangen könne.
Kubitschek: Und Ihre Frau hat dem Weiß genau das vorgeworfen?
Götz: In etwa, aber natürlich viel knapper. Sie müssen das verstehen. Man sitzt da brav in seiner Stuhlreihe und hört sich an, was dieser zum Warner aufgepumpte Tölpel von sich gibt, eine ganze Stunde lang, und es tauchen Fragen auf: Warum darf der das? Warum sitzt der da vorn und nicht wir? Warum nicht er UND wir? Hat er auf dem Schulhof immer Dresche bezogen? Und während man so nachdenkt, fällt immer mal wieder der eigene Name oder der Ellen Kositzas oder der eines Autors, und wieder denkt man an den Schulhof und solche Sachen.
Kubitschek: Ihre Frau war also mit dem Buch am Signiertisch, und Sie stießen pöbelnd dazu.
Götz: Ja, pöbelnd, leider. Ich stellte mich da hin, grabbelte an einem Buch herum und sagte, daß es schon toll wäre, wenn mal ein richtiger Gegner, ein echter Kopf einen fertigmachen würde, einer, der dicke Bretter bohren könne, wo man hinterher seine Hirnregionen einsammeln und sich verkrümeln muß. Aber nein, der Herr Weiß: Sperrholz, Balsaholz, das Zeug von früher, als man Segelflieger mit dem Küchenmesser aus den Brettchen schnitt, denen nach dem zweiten Schubser das Heckruder abbrach. Das habe ich zu ihm gesagt: daß er ein Dünnbrettbohrer sei.
Kubitschek: Kann man ja mal sagen.
Götz: Schon. Aber ich stand, er saß, ich war laut, er war cool, klar, war ja sein Abend. So ein junger Typ mit Gerade-geduscht-Ringellocken ernannte sich dann noch rasch selbst zum Social Media Team von Herrn Weiß und kritisierte meine Lautstärke. Ich habe – glaube ich – noch »Hobbit« gesagt und bin dann abgezogen. (Mir wurde mittlerweile zugetragen, dies sei Tom Kraushaar gewesen, einer der Verlagsleiter von Klett-Cotta. Wird schwierig mit meinem nächsten Buch dort.)
Kubitschek: Und Ihre Frau?
Götz: Kositza kam gleich hinterher mit dem signierten Buch und sagte, daß es klar sei, daß jemand mit einem so eindeutigen Namen (Volk, weiß), den furchtbaren Schulhoferfahrungen und dieser verlispelten Klugscheißerei ein solches Buch schreiben müsse. Sie äffte das nach, das ist ein unfeiner Spleen von ihr, worauf ich ihr den Mund verbot, aber sie machte immer weiter. Manchmal macht sie auch mich nach, auf schwäbisch. Jedenfalls kritiserte ich sie, und die Retourkutsche war, daß sie mich kritisierte, und zwar ziemlich ausführlich.
Sie hat ja recht, und sie muß es immer aushalten mit mir in der Öffentlichkeit. Aber ich fand meine Reaktion auch wiederum richtig gesund. Da hat dieser Weiß eine geschlagene Stunde lang nur Blödsinn erzählt, und man sitzt da und hört sich das an. Ein Beispiel: Er hat es verkauft wie einen archäologischen Fund, daß wir Carl Schmitt lesen. CARL SCHMITT! WIR! LESEN! Es gibt zwar keinen Staatsrechtler weltweit, über den mehr Sekundärliteratur erscheint als über Schmitt, bis heute ist das so, aber der Weiß: Der hat tief gegraben und das nochmal entdeckt. Was für eine Granate!
Kubitschek: Klingt schon wieder nicht besonders cool …
Götz: Sind Sie jetzt mein Social Media Team, oder was? Daß wir Ernst Jünger lesen hat der Weiß auch entdeckt, übrigens. Findet er krass. Dabei ist sein eigenes Buch bei Klett-Cotta erschienen, und die bringen seit Jahren alles, wirklich alles von und über Jünger heraus, in immer neuen Ausgaben und Preisstufen. Nur die Bierdeckel-Faksimile aus Wilflingen fehlen noch.
Kubitschek: Gut, bitte, was könnte denn nun bestenfalls passieren? Den Herrn Weiß werden Sie nicht von Ihren Positionen überzeugen können und der Schulhof – das ist lange her.
Götz: Will ich auch gar nicht zurück, dorthin. Also, was bestenfalls passieren könnte: Klett-Cotta geht in sich, hört die Signale Volkers und stößt die Rechte an Jünger ab. Ich und Martin Schulz würden mitbieten.
Kubitschek: Sie bereuen das nicht, ich seh schon.
Götz: Doch. Da schreibt einer ein ganzes Buch, gibt sich viel Mühe und macht subjektiv alles richtig. Und was machen die Objekte seiner Arbeit? Können nicht mal eine Stunde lang die Klappe halten, müssen sich in den Vordergrund drängen und haben überhaupt keinen Respekt vor dem fleißigen Volker. Wie früher auf dem Schulhof: Das ganze Heft voller Fleißbienchen – und nichts hat’s geholfen.
Monika L.
Dann doch lieber Volker BRAUN:
https://jungefreiheit.de/service/archiv?artikel=archiv15/201510022741.htm