Unser Sonntagsheld mußte mehr als einen Monat auf seine Weihe warten. Daß er heute in diesem Artikel auftaucht, hat vor allem einen Grund: Die schmerzhafte Abwesenheit von jeckem Schneid auf den diesjährigen Karnevalsveranstaltungen. Klar, man darf Donald Trump wahlweise köpfen lassen oder ihn beim Sezession im Netz ganz gewaltfreien Koitus á la Nafri präsentieren. Sicher, man kann den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Marine Le Pen und Geert Wilders in eine Reihe mit Adolf Hitler stellen – aber dafür braucht es keinen Karneval, das sind Possen, die heuer alle Tage durch die Zeitungen geistern.
Vorbei scheint die Zeit närrischer Skandale, dreister Büttenreden und unverhüllter Verachtung der gesellschaftlichen Sprechverbote. Nur vereinzelt wagen sich dissidente Kräfte zwischen die Feiernden und werden prompt mit der ganzen Härte des Rechtsstaates konfrontiert. Einzug gehalten hat eine seichte Event-Rebellion, wie man sie von Lichterketten und “breiten Bündnissen” kennt; eine Mutmach-Kultur mit Entertainmentfakor, die so hervorragend gegen institutionalisiert ist, daß gar kein Mumm mehr vonnöten ist, um Zivilcourage zu beweisen – es reicht vollkommen, auf der richtigen Seite des Zauns zur richtigen Musik zu tanzen, um “ein Zeichen zu setzen”.
Aus dieser Einbahnstraße der Langeweile wollte dieses Jahr einer ausbrechen – Jupp Menth, seines Zeichens “Ne kölsche Schutzmann”, Urgestein des Kölner Karnevals und heißgeliebter Büttenredner. Wir schreiben das Jahr 2017, Anfang Januar. Simone Peters Kritik an den Maßnahmen der Kölner Polizei zum Jahreswechsel (Stichwort #nafrigate) sind noch in aller Munde und im Maritim-Hotel in Köln tagt die Herrensitzung der Grielächer. Als Jupp Menth die Bühne betritt, ahnt wohl keiner der Anwesenden, was für ein Erdbeben seine Büttenrede auslösen wird: Kurzfristige Ausladung von der IG-Metall, ein SPD-Bürgermeister Hate-Speech ohne Rückgrat, der sich beim ersten geradeaus gesprochenen Satz in die steifgebügelten Anzughosen macht und schließlich: Das Ende einer kölschen Karriere.
Dieter Rose
Genau so hätte ich das auch geschrieben. Vielen Dank, es ist schön zu sehen, dass es Gleichgesinnte gibt.