Es gibt einen großen Unterschied zwischen Produkt- und Ideenmarketing. Produkte wollen besessen oder konsumiert, Ideen hingegen verstanden, ergriffen und umgesetzt werden. Das gilt auch und im besonderen Maße für politische Ideen. Doch es ergeben sich Gemeinsamkeiten, wenn man einmal unterstellt, daß auch die Idee den Status einer unverwechselbaren Marke anstrebt.
Zum Markenstatus gehört das Vertrauen der Öffentlichkeit. Will eine Idee das Vertrauen der Öffentlichkeit gewinnen, muß nicht nur die Haltung und Glaubwürdigkeit derjenigen Menschen stimmen, die hinter der Idee stehen. Darüber hinaus müssen einige Feinheiten bei der Vermittlung der Idee beachtet werden. Zu diesem Thema die nachfolgende, keinesfalls vollständige Sammlung von Einsichten als Anregung zum Weiterdenken.
Die Zielgruppe
Der gröbste Fehler bei der Übermittlung einer Botschaft besteht darin, die bereits bestehende Anhängerschaft, den eigenen Fanclub, für die einzige Zielgruppe zu halten. Zielgruppe sind immer auch diejenigen, die man noch nicht erreicht hat. Die noch nicht Erreichten als Ziel anzuvisieren und zu überlegen, mit welchen Mitteln man sie in Herz und Hirn treffen kann, ist die entscheidende Herausforderung. Die Mittel, die man wählt, müssen sich den Voraussetzungen und Gegebenheiten der Zielgruppe anpassen. Beliebte und triviale Umschreibungen des Gemeinten lauten: Man muß die Leute dort abholen, wo sie stehen. Und: Der Köder muß dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Wer diese trivialen und doch wahren Sätze beherzigt, hat verstanden, was Marketing auch im Bereich politischer Ideen bedeutet.
Die Botschaft
Die Botschaft ist das, was bei der Zielgruppe ankommen soll. Sie soll dort möglichst schnell ankommen. Ankommen heißt: verstanden werden, in Aktion umgesetzt werden. Zur Umsetzung in die Aktion wird es nur dann kommen, wenn die Botschaft positiv und mitreißend formuliert ist, wenn sie den Empfänger im Innersten packt. Positiv bedeutet hier: bejahend. Also kann die Botschaft nicht einfach nur negativ lauten: »Nieder mit …!«, sondern fordert zwingend das positive »Es lebe …!« Die positive Botschaft muß zur Identifikation einladen, ja geradezu zur Identifikation nötigen. Sie erzeugt ein Wir-Gefühl, sie stärkt die eigene Identität, sie greift nicht nur an, sondern bestätigt ein höheres Prinzip als das derzeit geltende. Die Botschaft indes steht nicht allein. Wo sie nicht nur verkündet, sondern schriftlich übermittelt wird, werden weitere Aspekte wichtig wie Schrift, begleitende Bilder und Symbole sowie die Farben.
Die Schrift
Experiment: Man setze ein und dieselbe Aussage (z.B. »Wir sind das Volk!«) probehalber einmal in unterschiedlichen Schriftarten. Man verwende verschiedene Stilvarianten wie mager, kursiv, fett, Laufweiten und Punktgrößen. Man setze die Schrift auch in unterschiedlichen Farben oder hebe einzelne Wörter hervor. Man wird merken, daß die Aussage entweder völlig belanglos und vielleicht sogar unleserlich und unverstehbar wird, oder aber eine enorme Präsenz bekommt. Man experimentiere auch mit Freiraum um die Aussage herum. Oft wird der Fehler gemacht, daß man jeden Quadratzentimeter Platz ausnutzen will für die Botschaft und zusätzliche Informationen. Folge: Das, was man sagen will, versumpft, wird in den Hintergrund gedrängt, wird unwichtig. Gibt man der Aussage hingegen viel freien Raum, kann sie ungeheuer wichtig werden (denn freier Raum, so weiß jedermann, ist wertvoll). Man stelle eine Aussage auf ein ansonsten leeres Blatt und experimentiere mit der Position und auch mit der Gestaltung der Aussage auf dem Blatt. Eine erstaunliche Welt tut sich auf.
Das Bild
Man sieht ein Bild – und sofort werden, ob man will oder nicht, Empfindungen ausgelöst: Freude, Glück, Ängste, Haß, Abscheu, Begeisterung. Man sieht das Bild eines weinenden Kindes und will es instinktiv trösten, es beschützen, die Traurigkeit greift – ein Minimum an Empathie vorausgesetzt – auf den Betrachter über. Das Bild wirkt ganz unmittelbar auf jenen Teil unseres Gehirns, in dem Emotionen freigesetzt werden. Ein Satz und erst recht ein ganzer Text hingegen muß erst gelesen und verstanden und im Gehirn in Bilder übersetzt werden, wirkt also nur mittelbar. Ein Bild, so hört man deshalb oft, sagt mehr als tausend Worte. Diese Aussage ist ergänzungsbedürftig, denn allein auf das richtige Bild kommt es an. Und selbst dann wird es ohne die Unterstützung des Wortes nicht auskommen, denn das Wort hilft stets, das Bild im gewünschten Sinne zu interpretieren. Man stelle sich das erwähnte Bild des weinenden Kindes mit verschiedenen Bildunterschriften vor: »Von den eigenen Eltern im Urlaub ausgesetzt!« oder »Hat seinen Teddy verloren: Der kleine Sebastian ist untröstlich.«
Doch welche Bilder schauen wir uns überhaupt noch genau an? Wir leben im Zeitalter einer gigantischen Bilderflut und damit einhergehenden Inflation, eines Wertverlustes der Bilder. Die lizenzfreien Bilder im Netz zählen nach Millionen, sind billig zu haben, aber deswegen nicht einmal notwendigerweise schlecht. Doch nach den wirklich guten, den hundertprozentig passenden Bildern muß man lange suchen – oder sie selbst schießen. Was ist ein gutes Bild? Wir definieren das gute Bild als ein Bild, das die gewünschte Wirkung im Gehirn des Betrachters erzielt. Auch ein technisch durchschnittliches Bild kann ein gutes Bild sein, sofern es in gewünschter Weise wirkt.
Das Symbol
Das Symbol oder Logo soll die Quintessenz der vertretenen Sache auf den Punkt bringen. Es muß eingängig und unverwechselbar sein, will man den sogenannten Wiedererkennungseffekt und die Identifikation mit der Sache erreichen. Die Welt steckt indes voller Logos, die absolut nichtssagend sind und deshalb eben nicht die gewünschte Identifikation erzielen. Schaut man sich das Logo der Identitären unvoreingenommen unter diesem Gesichtspunkt an, sieht man eine Art Dreieck in einem Kreis. Das sagt dem nicht der Szene Angehörenden zunächst einmal nicht viel. Geht man dem Symbolgehalt nach, entschlüsselt man das Dreieck als Lambda – und im nächsten Schritt als Symbol des alten Sparta und des Spartanerkönigs Leonidas, der mit 300 Kriegern einer persischen Übermacht so lange standhielt, bis das griechische Heer in Sicherheit war. Es geht also um das Aufhalten, es geht um Widerstand und Kampf. Eine hochpolitische Aussage. Doch kaum jemand außerhalb des überschaubaren Kreises der Identitären weiß um diesen Symbolgehalt – er muß erst gelernt werden. Grundsätzlich kann ein Logo, das eine Geschichte erzählt, Gold wert sein. Aber nur, wenn diese Geschichte von jedermann sofort zu verstehen ist. Das Lambda der Identitären ist dafür wohl zu voraussetzungsreich. Wird es nur als Pfeilspitze in einem Kreis wahrgenommen, wirkt es beliebig und austauschbar. Die Aufgabe wäre, ein unverwechselbares Symbol mit klarer Aussagekraft und hohem Identifikationspotential zu finden.
Die Farben
Wie Bilder, so wirken auch Farben unmittelbar auf das Gehirn und lösen Emotionen aus. Wie im Bildbereich, findet auch im Farbbereich eine Überflutung der Sinne statt – Werbung, Verkehrszeichen, Fahrzeuge, Kleidung der Passanten sorgen dafür, daß selbst sehr bewußt gesetzte Farbakzente es im öffentlichen Raum schwer haben, sofort aufzufallen. Man vergleiche sehr frühe Farbaufnahmen deutscher Innenstädte mit heutigen. Wie soll man da Farbakzente setzen? Selbst eine kontrastreiche und relativ auffällige Farbkombination wie Schwarz und Gelb wird nicht nur von der Identitären Bewegung verwendet, sondern von Fußballvereinen, Klebstoffherstellern und Kindersendungen im Fernsehen (Tigerentenclub). Vielleicht geht es einfacher und wirkungsvoller – man setze der Farbwelt eine Schwarzweißwelt entgegen. Der Rückgriff auf schlichtes Schwarz und schlichtes Weiß kann überall dort sinnvoll sein, wo es ein Übermaß an Farbe gibt. Kombiniert man eine dritte Farbe hinzu, um die Möglichkeiten zu erweitern, empfiehlt sich ein harter, lebhafter Kontrast, wie ein kraftvolles Blutrot ihn bietet. Natürlich wird man heute auch damit keine Alleinstellung erreichen.
Die Gestaltung
Hat man eine Schrift, hat man Bilder, Symbole und Farben ausgewählt, hat man noch lange keine Gestaltung. Die verschiedenen Elemente müssen erst noch zu einer gestalterischen Einheit gefügt werden. Es reicht nicht aus, ein Bild, eine Überschrift, den Fließtext und das Symbol irgendwie und irgendwo auf einer Seite unterzubringen. Das Ganze soll einen harmonischen Gesamteindruck ergeben. Harmonisch heißt hier: einladend. Der Betrachter soll sich eingeladen fühlen, sich näher mit der Botschaft zu befassen, sich auf sie einzulassen. Man kann das, was gefordert ist, durchaus mit dem Einrichtungsstil einer Wohnung vergleichen: Ist die Einrichtung kunterbunt und kreuz und quer zusammengewürfelt und ohne Sinn für Ästhetik im Raum verteilt, entsteht der Eindruck von Unordnung – man mag nicht nähertreten. Das Nichtvorhandensein von Stil ist nämlich auch eine Stilaussage. Man ahnt, daß es den Bewohnern völlig egal ist, was andere über sie denken. Vielleicht haben sie auch gar nichts mitzuteilen. Die Beurteilung von Drucksachen oder Internetseiten erfolgt nach ganz ähnlichen Kriterien. Ein erweitertes Feld betreten wir dort, wo zur gestalteten Botschaft die gesprochene oder vertonte hinzukommt.
Die Vertonung
Die menschliche Stimme ist ein ungeheuer variantenreiches Instrument. Sie kann aggressiv klingen, durch Lautstärke und Bestimmtheit Herrschaft ausüben, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, aber auch gehetzt und verzerrt und damit unsympathisch wirken. Sie kann eindringlich klingen oder sanft, lockend, einschmeichelnd, verführerisch. Die Stimme kann innere Unsicherheit verraten. Wer etwas mündlich mitzuteilen hat, sollte sich immer und unter allen Umständen über die Wirkung seiner Stimme auf andere Menschen im Klaren sein. Wie ein Bild wirkt der Klang der Stimme ganz unmittelbar auf das Gehirn und löst dort die entsprechende Empfindung aus. Wer als Verkünder und Verkäufer einer Idee in der Öffentlichkeit auftritt, sollte seine Stimme entsprechend üben. Eine weitere Form der akustischen Vermittlung der Botschaft liegt in deren Vertonung als Musikstück. Hier ist dringend davon abzuraten, die persönlichen musikalischen Vorlieben zum Maß aller Dinge zu erheben. Es gilt, professionelle Distanz zu wahren. Es ist auch peinlich genau darauf zu achten, daß die instrumentale Begleitung der Botschaft weder vom Stil her dem Anliegen zuwiderläuft noch die Botschaft unverstehbar macht. Musikalische Anleihen bei Heavy Metal und ähnlichen Richtungen etwa sind in mehr als nur einer Hinsicht kontraproduktiv. Man denke stets an die Zielgruppe der noch nicht Erreichten.
Das Verhalten
Die Persönlichkeit derjenigen, die für eine neuartige Idee eintreten und sie anderen vermitteln möchten, ist mitentscheidend für die Erfolge dieser Bemühungen. Hans Domizlaff, Begründer der Markentechnik in Deutschland, sprach vom Firmenstil, der wichtiger sei als alle Reklame, wenn es darum gehe, Vertrauen zu gewinnen. Der Auftritt der Person – der glaubwürdige Auftritt – hängt nicht so sehr von Äußerlichkeiten wie dem Kleidungsstil ab. Daß Kleider Leute machen, trifft nur eingeschränkt zu. Viel wichtiger ist die Stimmigkeit des Gesamtauftritts: Stimme, Gestik, Mimik, Körperhaltung, das Verhalten gegenüber anderen. Dies ist wiederum in Einklang zu bringen mit den anderen Ebenen des öffentlichen Erscheinungsbildes. Nur so entsteht die Wucht einer Stileinheit. Diese Stileinheit zu begründen und glaubhaft zu leben setzt Kreativität voraus.
Zugabe: Guerillamarketing für Fortgeschrittene
Der Begriff »Guerillamarketing« steht für schnelle Marketingaktionen ohne lange Planungs- und Vorlaufzeit, für vergleichsweise geringen Aufwand, für Witz und List, für Überraschung. Für das Guerillamarketing im Kampf der Ideen fügen wir mit Blick auf echte Guerillakämpfer hinzu: Es geht darum, den Gegner zu verfolgen, ihn durch eine Politik der Nadelstiche zu schwächen und sogar zu töten. Folgt man Carls Schmitts »Theorie des Partisanen« (die Begriffe Guerillero und Partisan können hier deckungsgleich gebraucht werden), ergeben sich folgende Merkmale: Der Guerillero ist ein irregulärer Kämpfer. Der Guerillero verfügt über eine gesteigerte Mobilität, er besitzt eine taktische Bewegungsfreiheit, die den offiziellen Verbänden völlig fehlt. Des weiteren zeichnet sich der Guerillero durch eine gesteigerte politische Intensität aus – er ist Überzeugungstäter in eigener Sache, wo der Soldat vielleicht sogar gegen seinen Willen und der Söldner nur gegen Bezahlung kämpft.
Nicht zuletzt hat der Guerillakämpfer tellurischen Charakter – er ist erd- und heimatverbunden. Ziel einer Guerillaaktion ist nicht allein die Stärkung des Vertrauens in die eigene Marke, die eigene Idee, sondern auch die Aussaat von Zweifel und Misstrauen in Bezug auf die angegriffene Marke – also die gegnerische Idee. Guerillataktik schwächt den Gegner, verunsichert seine Anhängerschaft, bringt ihn in Erklärungsnot, bindet seine Kräfte. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Man sollte aber stets wissen, ob und in welchem Umfang Sanktionen oder strafrechtliche Verfolgung drohen. Das ist wichtig, um persönliche Risiken einschätzen zu können. Wer etwa bei Nacht und Nebel an unzählige Haustüren oder Briefkästen rote, gelbe oder grüne Punkte klebt und damit nicht nur Rätselraten, sondern auch Sorgen und Befürchtungen – je nach aktuellem gesellschaftlich-politischem Gesamtkontext sehr unterschiedlicher Art – auslöst (haben die rot Markierten nur ihren Müll nicht sauber getrennt oder bedeutet der rote Punkt gar, daß hier jemand wegen eines schlimmeren Fehlverhaltens unter strenger Beobachtung steht und demnächst vielleicht interniert oder liquidiert werden soll? Oder signalisiert der grüne Punkt, daß erzwungene Einquartierung droht?), muß damit rechnen, wegen groben Unfugs oder sogar wegen Sachbeschädigung belangt zu werden. Verschickt jemand massenhaft Schreiben, die von einer Behörde zu stammen scheinen und eine Beschlagnahme von Wohneigentum ankündigen, um landfremdes Volk unterzubringen, so wird er Unruhe säen, aber wahrscheinlich Anzeigen und Strafverfolgung ernten.
Merke: Wer als Untergrundkämpfer für eine politische Idee zu leben beabsichtigt, muß sich der möglichen Konsequenzen immer bewußt sein. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, sich vorher mit Carl Schmitt auseinanderzusetzen.