»Fear« an der Schaubühne

Nicht nur plaudernd in seinen aktuellen Interviews läßt Falk Richter erkennen, daß er von Politik keine Ahnung hat. Auch auf der Bühne muß er es uns beweisen. Ein ganzes halbes Jahr, so behauptet er, habe er sich kundig gemacht, was es mit dem »ungehemmten« Haß auf sich habe, der jetzt in aller Welt sei. Er will ja schließlich mitreden und auch ein bißchen mitwarnen und -verurteilen. Dabei hat sich der Schreiberling verrannt. Beim monatelangen Rumdaddeln auf der Tastatur scheint Richter vor allem seine eigenen Vorurteile gemästet zu haben. Das Ergebnis kommt als Theaterstück daher, und in seinen Zutaten aus lauter echten Menschen, einem gläsernen Wachhäuschen, kakophonischer Orchestrierung und apokalyptischen Videosequenzen mag es das heutzutage auch sein. Zusammengerührt zur antibraunen Soße ergeben diese Zutaten aber nicht mehr als einen traurigen Offenbarungseid.

Nicht nur plau­dernd in sei­nen aktu­el­len Inter­views läßt Falk Rich­ter erken­nen, daß er von Poli­tik kei­ne Ahnung hat. Auch auf der Büh­ne muß er es uns bewei­sen. Ein gan­zes hal­bes Jahr, so behaup­tet er, habe er sich kun­dig gemacht, was es mit dem »unge­hemm­ten« Haß auf sich habe, der jetzt in aller Welt sei. Er will ja schließ­lich mit­re­den und auch ein biß­chen mit­war­nen und ‑ver­ur­tei­len. Dabei hat sich der Schrei­ber­ling ver­rannt. Beim mona­te­lan­gen Rum­dad­deln auf der Tas­ta­tur scheint Rich­ter vor allem sei­ne eige­nen Vor­ur­tei­le gemäs­tet zu haben. Das Ergeb­nis kommt als Thea­ter­stück daher, und in sei­nen Zuta­ten aus lau­ter ech­ten Men­schen, einem glä­ser­nen Wach­häus­chen, kako­pho­ni­scher Orches­trie­rung und apo­ka­lyp­ti­schen Video­se­quen­zen mag es das heut­zu­ta­ge auch sein. Zusam­men­ge­rührt zur anti­brau­nen Soße erge­ben die­se Zuta­ten aber nicht mehr als einen trau­ri­gen Offenbarungseid.

An Ein­falt ist die­ses Stück nicht mehr zu über­bie­ten. Pla­tons Esel, die in der Spät­pha­se der Demo­kra­tie stolz auf der Stra­ße ein­her­schrei­ten, sind auf der Thea­ter­büh­ne ange­kom­men, wo sie ihr Tor­keln für Tanz hal­ten, ihr Gebrüll für Wor­te und ihre Instink­te für Gedan­ken. Zwei Stun­den dau­ert die­ses Agit­prop-Stück, das – nein und aber­mals nein! – auch im Sin­ne des sozia­lis­ti­schen Rea­lis­mus kei­ne Kunst ist, viel­mehr ein ein­zi­ges hys­te­ri­sches Denun­zia­ti­ons­ge­schwur­bel, dem in sei­nem infan­ti­len Ver­nich­tungs­über­ei­fer alles zum Feind wird, was sich nicht brav der eige­nen post­his­to­ri­schen Gemüt­lich­keits­geil­heit ein­ver­lei­ben läßt. Nein, das ist nicht

»Kunst als Waf­fe«, das ist die Waf­fel, die zu Farb­beu­tel und Brand­satz wird, das ist die sub­ven­ti­ons­ge­stütz­te, heuch­le­ri­sche Vor­stu­fe zur Bar­ba­rei, die als spie­ßi­ge Nabel­schau daher­kommt, in der jeder immer schon am Ziel sei­ner Wün­sche ange­kom­men sein könn­te, wenn, ja, wenn nur alle unge­stört labern, schlur­fen, kif­fen, mit jedem ein Kind machen und die Natur in die Stadt zurück­ho­len dürf­ten. Und wenn sie, ganz wich­tig, den ande­ren – das sind wohl­ge­merkt alle, die anders sind – end­lich die ver­dien­te Kugel in den Kopf geschos­sen haben. Ich über­trei­be kein bißchen.

»Fear« ist auch kein Doku­men­tar­thea­ter. Es ist durch und durch genau das, was es glaubt angrei­fen und ver­nich­ten zu müs­sen: Angst und Haß. Angst vor allen ande­ren und Haß auf alles ande­re, auf die Dun­kel­heit, auf die »Mäch­te der Fins­ter­nis«, auf das Böse schlecht­hin. Die beschränk­ten, arro­gan­ten Schluf­fis, die Rich­ter in Serie pro­du­ziert, sind natür­lich viel zu auf­ge­klärt, als daß sie noch an die Ursün­de glau­ben wür­den, aber sie sind nicht klug genug, ihre Idee der Gleich­heit, die immer auch fürs Mora­li­sche gilt oder für gar nichts, nur ein ein­zi­ges Mal auf sich selbst anzu­wen­den. Sie sind sich wirk­lich nicht zu blö­de, das Böse nur in den ande­ren zu ent­de­cken. Immer schön mit dem Fin­ger auf die Faschos von der »Demo für Alle« zei­gen, und schon muß jeder dran glau­ben, der’s irgend­wie ver­dient hat. Ist ja auch nicht schwer, seit das Best­men­schen­tum mit der Holo­caust­an­kla­ge und dem Anti­fa­schis­mus unterm Arm das mora­li­sche Schma­rot­zer­tum bis zum Sankt­nim­mer­leins­tag insti­tu­tio­na­li­sie­ren darf, als selbst­er­nann­te Stell­ver­tre­ter­herr­schaft der Opfer von einst – ein ein­zi­ges intel­lek­tu­el­les Welt­ver­bes­se­rungs­pro­gramm auf Hartz-IV-Basis sozusagen.

Der Feind, das ist auf ewig der Geist von »ges­tern«, der, wie auch Rich­ter uns belehrt, schon an Welt­krieg I und II schuld war. Der Feind, das ist so gut wie alles. Der Feind reicht vom lau­ten Akif Pirin­çci bis zur lei­sen Bea­te Zsch­ä­pe, von all den schlim­men Abtrei­bungs­geg­nern und Gen­der-Kri­ti­kern über die AfD und Pegi­da bis hin zum NSU, von Vik­tor Orbán, Gabrie­le Kuby und Horst See­ho­fer über Anders Brei­vik und das euro­päi­sche Rest­chris­ten­tum bis hin zur ganz all­täg­li­chen, rüh­ri­gen, west­li­chen Kul­tur­pfle­ge – noch so eine ner­vi­ge Neu­auf­la­ge des Konservatismus.

Es leuch­tet abso­lut ein, daß bei die­ser Zusam­men­stel­lung nicht nur die Staats­prä­si­den­ten mit den Buch­au­to­ren und die Lebens­schüt­zer mit den Ter­ro­ris­ten in einen Topf gehö­ren, son­dern daß die Schlimms­te aus die­sem bun­ten Teu­fels­stall eine gewähl­te, kon­ser­va­tiv-liber­tä­re Euro­pa­ab­ge­ord­ne­te namens Bea­trix von Storch mit ihren wei­te­ren, genüß­lich zitier­ten Vor­na­men Ame­lie, Ehren­gard und Eili­ka ist, deren Groß­va­ter im Drit­ten Reich Finanz­mi­nis­ter war. Die­se von Rich­ter so reflex­haft wie gedan­ken­los auch geis­tig gedeu­te­te Genea­lo­gie führt vom Heu­te zurück ins Drit­te Reich. Frau von Storch hat es nicht nur ver­säumt, den Anfän­gen zu weh­ren, son­dern auch der Mit­te und dem Ende. Das hat aber nicht ein­mal dem Autor selbst auf Anhieb ein­ge­leuch­tet, wes­halb er sie in einer düs­te­ren Nacht-und-Nebel-Inzest-Sze­ne ihren Leib »zur Flü­gel­tür hin öff­nen« und sich ihrem Vor­fah­ren hin­ge­ben läßt, was ja nichts ande­res bedeu­tet, als daß die vor­aus­ge­setz­te Infek­ti­on mit dem ver­wor­fens­ten Ungeist der Mensch­heits­ge­schich­te min­des­tens erneu­ert und die gebür­ti­ge Her­zo­gin von Olden­burg als das frei­wil­li­ge Opfer einer ver­meint­lich erb­li­chen Kon­ta­mi­na­ti­on auf der Büh­ne erst ein­ge­führt wer­den muß.

Es geht fast aus­schließ­lich um leben­de Per­so­nen, die mit Klar­na­men, Por­trät­fo­tos und in einem Fall auch mit ihrer Büro­adres­se zu Frei­wild erklärt wer­den. Es geht um eine gan­ze Lis­te vor­nehm­lich weib­li­cher Fein­de, die auf der Büh­ne um die Namen und Por­träts von Bir­git Kel­le, Hed­wig Frei­frau von Bever­foer­de, Bet­ti­na Röhl, Eri­ka Stein­bach und Eva Her­man ergänzt wer­den. Ihnen allen hat man auf den deut­lich sicht­ba­ren und aus­rei­chend gro­ßen Fahn­dungs­fo­tos die Augen aus­ge­sto­chen, um den Zuschau­ern – wel­ches Bedürf­nis und wel­che Auf­for­de­rung mit auf den Weg zu geben? Die Rede ist von einer »kaput­ten Land­schaft«, in der »die­se grau­en­haf­ten Mons­ter« als »Unto­te aus ihren Grä­bern stei­gen« und »ihr Unwe­sen trei­ben«, von einer die­ser­art erfol­gen­den »Rezom­bi­isie­rung des Abend­lan­des«, wobei man sich unwill­kür­lich fragt, was dar­an so schlimm ist, wenn die­sel­ben Leu­te, die die­se Ent­wick­lung mit Kro­ko­dils­trä­nen bekla­gen, dem kost­ba­ren Abend­land bei jeder ande­ren Gele­gen­heit in den Hin­tern treten.

Das Ensem­ble führt sich auf wie ein Hau­fen unge­lieb­ter, ver­ges­se­ner und ver­wahr­los­ter Kin­der, die sich zu einer Ban­de zusam­men­ge­rot­tet haben, um alle gemein­sam mit dem Ham­mer auf die letz­ten hel­fen­den Hän­de ein­zu­schla­gen, die sich ihnen ent­ge­gen­stre­cken könn­ten. Sie selbst sehen über­all »nur alte Leu­te«, »über­fet­te­te, stier­na­cki­ge Män­ner« und »wenig jun­ge Frau­en«. Die Video­lein­wand zeigt Feu­er, Feu­er und noch­mal Feu­er. Bevor die­ses apo­ka­lyp­ti­sche Welt­bild in die Spren­gung von Hoch­häu­sern über­geht, wird unse­re als unbe­weg­lich und »wahn­sin­nig fett« beschrie­be­ne auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung, also wir selbst, mit einer deran­gier­ten, faul her­um­lie­gen­den und Kleb­stoff schnüf­feln­den Urein­woh­ner­schaft Aus­tra­li­ens in eins gesetzt, auf daß sich der vor­geb­lich zu bekämp­fen­de Ras­sis­mus gegen die frem­den und die eige­nen Leu­te zugleich wende.

Als Krö­nung des Gan­zen will die »schreck­li­che, ade­li­ge Krä­he namens Hed­wig« zusam­men mit der angeb­li­chen Hetz­red­ne­rin, Schwu­len- und Aus­län­der­has­se­rin Gabrie­le Kuby das Abend­land in jenen »katho­li­schen Angst­zwangs­ap­pa­rat« zurück­ver­wan­deln, das es angeb­lich ein­mal war. Der Feind wal­tet offen­bar so abgrün­dig, so total und so ver­nich­tend, daß sich plötz­lich die Fra­ge stellt: Wer hat hier eigent­lich Angst vor wem und wovor? Psy­cho­ana­ly­tisch gespro­chen, fei­ert Rich­ters Stück die bis zum Plat­zen auf­ge­bla­se­ne Bös­ar­tig­keit der ande­ren als heiß ersehn­te Legi­ti­ma­ti­on, das eige­ne natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Intro­jekt end­lich von der Lei­ne las­sen zu dür­fen. Die inkri­mi­nier­ten Damen sind »Zom­bies«. Und »der Zom­bie stirbt nur, wenn man ihm direkt ins Gehirn schießt«. Das ist der spre­chen­de Tief­punkt des haßer­füll­ten Abends, der Han­nah Are­ndts sieb­zig Jah­re alte Fra­ge, ob ein Holo­caust mit einem Holo­caust bestraft wer­den könn­te oder soll­te, auf sei­ne eige­ne Wei­se beantwortet.

Die vie­len »Zom­bies« sind Auf­er­stan­de­ne, von denen man dach­te, daß sie längst tot sei­en. Die Reden der sich selbst für ratio­nal und auf­ge­klärt hal­ten­den Rich­ter­fi­gu­ren zie­len auf »Dis­kurs­grä­ber des Ras­sen­has­ses und der Homo­pho­bie«, auf Geis­ter, die, je unto­ter sie sind, des­to gewalt­sa­mer bekämpft wer­den müs­sen: »Wie töten wir Argu­men­te, die längst schon gestor­ben sind?« Die dump­fe Rol­len­pro­sa geht über von einer fik­ti­ven Kuby-Rede in die Bekämp­fung des Ungeis­tes mit sei­nen ihm unter­stell­ten urei­ge­nen Mit­teln, bis nicht mehr zu erken­nen ist, wer da eigent­lich »Faschis­tin­nen und Faschis­ten« braucht und wer da eigent­lich nach dem tota­len Staat ruft, der allein alles wie­der in den Griff krie­gen wür­de. Die Ver­wir­rung wird gestei­gert, bis nicht mehr zu erken­nen ist, ob die Guten noch die Guten oder am Ende selbst die Bösen sind. Dar­aus hät­te ein Kunst­griff wer­den können.

Damit aber kei­ner ver­gißt, was zu tun ist, wird er sofort wie­der kas­siert, indem ein Laub­blä­ser die Fotos der Ange­klag­ten in die Ecke fegt, die als »Mons­ter« und »Dämo­nen« sich »ver­pis­sen« und »unter die Erde zurück­keh­ren« sol­len. Kon­klu­si­on: Die selbst­er­nann­ten Anklä­ger, die all den »Selek­ti­ons­fa­na­ti­kern« den Schau­büh­nen­pro­zeß machen, outen sich als krei­schen­de Hys­te­ri­ker einer noch viel grö­ße­ren, noch viel radi­ka­le­ren und noch viel gerecht­fer­tig­te­ren Selek­ti­on. Ist ja auch irgend­wie logisch, daß man Men­schen, die »Angst erzeu­gen«, »Haß säen« und ande­re »Men­schen ver­nich­ten«, sel­ber ver­nich­ten muß, bevor der Joint auf­ge­raucht ist. Noch in der Pre­mie­ren­nacht vom 25. auf den 26. Okto­ber brann­te das Auto von Bea­trix von Storch und etwas spä­ter auch das von Hed­wig Frei­frau von Bever­foer­de. Zuletzt folg­te ein Anschlag auf das Abge­ord­ne­ten­bü­ro von Storchs.

Eine der Titel­ideen für das Mach­werk jenes Thea­ters, das einst eine wah­re Schau­büh­ne für das Prä­zi­se, Tie­fe und Schö­ne war, lau­te­te »Häß­li­che, has­sen­de Frau­en«, eine ande­re »Die Her­zo­gin von Olden­burg«, denn sie, so dach­te sich Rich­ter erklär­ter­ma­ßen, habe das größ­te Poten­ti­al für eine »dra­ma­ti­sche Figur«. In Wahr­heit hat sie ein­fach den größ­ten poli­ti­schen Erfolg. Zu Rich­ters schein­äs­the­ti­scher Mit­tei­lung aber gackert ein Huhn und lacht das Publi­kum. Schließ­lich sitzt also in einer nächt­li­chen Phan­ta­sie Frau von Storch am Schreib­tisch des Reichs­fi­nanz­mi­nis­ters Lud­wig Graf Schwe­rin von Kro­sigk und zählt ihre Spen­den­gel­der, die sie selbst­ver­ständ­lich an jenem Fis­kus vor­bei­schmug­geln will, der die mord­gei­len Bubis von der Schau­pro­zeß­büh­ne ernährt. Wol­lüs­tig for­dert von Storch den Geist­kör­per ihres Groß­va­ters auf, in sie ein­zu­drin­gen: »Der kal­te, eisi­ge Hauch der Selek­ti­on weht durch das Schloß von Olden­burg«, und da ist es natür­lich ein ein­zi­ger »Hor­ror!«, die­se Frau am Prenz­lau­er Berg auf offe­ner Stra­ße zu treffen.

Ein klu­ger Mann sag­te mir die­ser Tage, daß er nichts von dem Vor­wurf der geis­ti­gen Brand­stif­tung hal­te; für ihn zähl­ten Straf­ta­ten und sonst nichts. Um so dring­li­cher stel­le sich aber die Fra­ge, war­um die­sel­ben Leu­te, die pro­se­ly­ten­ma­che­risch immer­zu die »geis­ti­ge Brand­stif­tung« anpran­gern, damit durch­kom­men, sich selbst unter Beru­fung auf die Frei­heit der Kunst aus der Affä­re zu zie­hen; noch dazu, wäh­rend auf ihre deut­li­chen Wor­te unmit­tel­bar die von der Pres­se kaum beach­te­ten Unta­ten fol­gen. Eine gute Fra­ge. Ich den­ke, es kann kein Zwei­fel mehr bestehen, daß der steu­er­fi­nan­zier­te exter­mi­na­to­ri­sche Furor so schnell wie mög­lich von der Büh­ne auf die Stra­ße über­sprin­gen soll, daß nicht etwa lan­ge, son­dern kurz und gründ­lich gefa­ckelt wer­den soll – fei­ge, mit schwar­zer Strick­mas­ke, im Schutz der nächt­li­chen Dun­kel­heit und mit anschlie­ßen­dem Beken­ner­hohn im Inter­net, der nicht ein­mal zur Abmah­nung führt. Es macht ein­fach viel­zu­viel Spaß, immer nur die ande­ren zum Gesicht­zei­gen auf­zu­for­dern, die ja so dumm sind, es auch zu tun und ihre muti­ge Ein­heits­tat für das Ende der Geschich­te zu halten.

In Wahr­heit ist Falk Rich­ters Stück »Fear« das zeit­ge­mä­ße Doku­ment des panisch phan­ta­sie­ren­den und deli­rie­ren­den Post­his­toire, einer Zeit, in der es die gesell­schaft­li­che Wirk­lich­keit, auf die sich die »häß­li­chen, has­sen­den Haß­pre­di­ge­rin­nen« mit wel­chen streit­ba­ren Mei­nun­gen auch immer bezie­hen, über­haupt nicht gibt oder, wenn doch, dann nur in Gestalt der ange­klag­ten Sehe­rin­nen, die irgend­ei­ne kost­ba­re Fried­hofs­ru­he stö­ren wie das Baro­me­ter, das den kom­men­den Sturm ankün­digt, den voll­ende­ten Genuß des lau­en Som­mer­abends stört. In die­sem immer schon befrie­de­ten, hedo­nis­ti­schen, mit erneu­er­ba­ren Ener­gien wie mit spru­deln­den Steu­er­gel­dern bis zum Jüngs­ten Tag ver­sorg­ten Arka­di­en ist das ein­zi­ge wirk­li­che Pro­blem der Zom­bie. Er erin­nert sehr an die Femen, die aber natür­lich nicht gemeint sind.

In die­ser theo­re­tisch hei­len Welt ist das wirk­li­che Pro­blem nicht die mil­lio­nen­fa­che Abtrei­bung, nicht die schu­li­sche Früh­sexua­li­sie­rung, nicht die nied­rigs­te Gebur­ten­ra­te der Welt, nicht die größ­te Flücht­lings­wel­le der neue­ren Geschich­te, nicht der bevor­ste­hen­de Finanz­crash des Wes­tens, nicht der in Krieg und Bür­ger­krieg ver­sin­ken­de Nahe Osten, nicht der begin­nen­de glo­ba­le Ver­tei­lungs­kampf um Was­ser, Nah­rung, Ener­gie und Roh­stof­fe, auch nicht die Kriegs­lust, die Euro­pa wie­der heim­sucht, und schon gar nicht ist es die Fra­ge, wie es uns allen mit ein, zwei oder drei oder noch mehr Mil­lio­nen Flücht­lin­gen gehen wird, von denen gegen­wär­tig nie­mand weiß, wer sie im ein­zel­nen sind, was sie im ein­zel­nen von uns wol­len oder erwar­ten und wo sich Hun­dert­tau­sen­de von ihnen gera­de aufhalten.

»Fear« ist selbst nur ein Doku­ment der Angst gewis­ser selbst­ver­ges­se­ner Sek­tie­rer, von der Geschich­te über­rollt oder – bes­ser gesagt – zwi­schen zwei Fron­ten hoff­nungs­los auf­ge­rie­ben zu wer­den. Auf der einen Sei­te von Mil­lio­nen Flücht­lin­gen, von denen sich kaum ein ein­zi­ger für die­se ver­peil­ten und sich kaum noch repro­du­zie­ren­den Manich­ä­er inter­es­sie­ren wird, und auf der ande­ren Sei­te von dem unüber­seh­ba­ren Erfolg einer poli­ti­schen Bür­ger­be­we­gung, der die beschränk­ten Auf­trags­künst­ler nichts Ver­gleich­ba­res ent­ge­gen­zu­set­zen haben. Wobei sich Auto­chtho­ne und Aus­län­der ganz gewiß auf bei­den Sei­ten der kom­men­den Aus­ein­an­der­set­zun­gen wie­der­fin­den wer­den… Wo aber sind denn die zwan­zig- oder drei­ßig­tau­send Demons­tran­ten FÜR Früh­sexua­li­sie­rung, FÜR die Homo­ehe, FÜR die Flücht­lings­wel­le, FÜR mil­lio­nen­fa­che Abtrei­bung, FÜR die welt­weit nied­rigs­te Gebur­ten­ra­te der Deut­schen, FÜR die Lega­li­sie­rung der Leih­mut­ter­schaft oder FÜR den Nie­der­gang des christ­li­chen Abend­lan­des? Wo sind sie denn?

Wir haben sie bis­her nicht gese­hen, und wir wer­den sie auch in Zukunft nicht sehen. Außer rum­nölen, abhän­gen und die neu­en Volx­fein­de denun­zie­ren wis­sen die­se Leu­te weder, was sie wol­len, noch was sie wol­len könn­ten, ganz zu schwei­gen von einem Pro­gramm, das noch irgend­je­man­den hin­ter dem Ofen her­vor­lo­cken wür­de, dem nicht zugleich ein Häuf­lein Staats­kne­te ver­spro­chen wird. Der arme Hei­ner Mül­ler jeden­falls, mit dem die mord­lüs­ter­nen Bubis im Geis­te eine Fla­sche Whis­key trin­ken und die obli­ga­to­ri­sche Zigar­re rau­chen, Hei­ner Mül­ler, der kla­rer und wei­ter gese­hen hat als tau­send Falk Rich­ters zusam­men, die­ser Hei­ner Mül­ler jeden­falls wür­de für eine sol­che Misch­po­ke nur ein müdes Lächeln übrig gehabt haben. Sie kann machen, was sie will. Eine Zukunft hat sie nicht, und das allein macht sie so wütend.

»Zuhau­se, ich weiß gar nicht, was das ist, noch weni­ger als Hei­mat«, lau­te­te einer der ers­ten Sät­ze die­ses Abends. Als er zu Ende war, frag­te ich ohne Umschwei­fe eine älte­re Dame, ob das Stück­lein ihr gefal­len habe, und zwar so, daß sie mei­ne Mei­nung mühe­los erra­ten konn­te. Es hat­te ihr durch­aus gefal­len. Aber kaum hat­te ich sie ange­spro­chen, lächel­te sie unsi­cher und woll­te nicht Ja sagen und nicht Nein. Fast unmerk­lich nick­te sie mit dem Kopf, wäh­rend sie ihn zugleich ein wenig hin und her dreh­te. Plötz­lich wuß­te sie nicht mehr, auf wel­che Sei­te sie sich schla­gen soll­te. Wort­los ging sie wei­ter und verschwand.

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