Im Widerstand für das Sakrale

Am 19. Juni 2011 veröffentlichte der österreichische Verein »Pfarrer-Inititative« unter der Führung des linkspolitisch umtriebigen Priesters Helmut Schüller einen »Aufruf zum Ungehorsam«. Darin wurde die »römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform« angeprangert und unter anderem Folgendes gefordert: Die Pfarreien sollen künftig das Recht haben, im Bedarfsfall »einen Wortgottesdienst mit Kommunionspendung als ›priesterlose Eucharistiefeier‹« durchzuführen; »Geschieden-Wiederverheirateten«, »Mitgliedern anderer christlicher Kirchen« und »fallweise« auch »Ausgetretenen« die Eucharistie zu spenden; »das Predigtverbot für kompetent ausgebildete Laien und Religionslehrerinnen« zu mißachten; und man werde außerdem »jede Gelegenheit nützen«, sich »öffentlich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt auszusprechen«.

Die Autoren des »Aufrufs«, die sich auf die Stimme ihres »Gewissens« beriefen, gehörten zum Genre »mündiger« Reformchristen im Stile der Gruppierung »Wir sind Kirche«, die unablässig gegen »hierarchische Strukturen« und für eine »Demokratisierung« der Kirche ins Feld ziehen, wobei eine Sprache gepflegt wird, die sich kaum mehr von dem Sound der handelsüblichen sozialdemokratisch-grün-linksliberalen Agenda unterscheidet. Hier wird offen eine »Käßmannisierung« der katholischen Kirche angestrebt, mit allen dazugehörigen Ingredienzen: Aufweichung der Dogmatik, Abbau der Liturgie, Entsakralisierung und Entmystifizierung des Habitus und der Ästhetik sowie Mitspracherecht für alle und jeden.

Am Ende einer solchen Entwicklung stünde eine nivellierende Beliebigkeit, die allenfalls »gutmenschlichen« und »politisch korrekten« Vorgaben verpflichtet ist. Der Priester wird dabei zum Therapeuten und Sozialarbeiter degradiert. Anhänger dieser Richtung bezeichnen sich zuweilen ganz offen als links: Linker Jesus – rechte Kirche lautete etwa der programmatische Buchtitel des österreichischen Paters Udo Fischer, der vor allem durch seine Auseinandersetzungen mit dem als »Panzerkatholiken« verschrieenen Bischof Krenn bekannt wurde. In Wahrheit ist der Widerstand der »Amtskirche« gegen offen häretische Tendenzen dieser Art in der Praxis eher milde und halbherzig und zeigt alle Anzeichen einer im Grunde bereits vollzogenen Kapitulation. Dennoch inszenieren sich die »Demokratisierer« der Kirche gerne als mutige Widerständler und schwelgen dabei im Pathos ihres »Ungehorsams«, als wäre er ein Wert an sich. Wie alle anderen linken Gruppierungen der heutigen Zeit, bis hinab zur Antifa, rennen sie offene Türen ein, und fordern lediglich »noch hartnäckiger, was alle anderen ebenfalls fordern« (Frank Böckelmann). Die Sympathie der medialen Öffentlichkeit ist ihnen dadurch jedenfalls gesichert.

Ganz anders ist es um die »rechten« Rebellen innerhalb der Kirche bestellt: Den Mitgliedern und Anhängern der Priesterbruderschaft St. Pius X. etwa, die sich beharrlich weigern, das II. Vatikanische Konzil (1962–1965) und seine Reformen anzuerkennen, wurde die Rolle der dunkelsten aller Dunkelmänner zugedacht. Als Papst Benedikt XVI. im Jahre 2009 das Exkommunikationsdekret gegen die von Lefebvre geweihten Bischöfe der Bruderschaft aufhob, gab es einen großen Aufschrei – befand sich unter der Viererbande doch der Brite Richard Williamson, der sich der Todsünde der »Holocaustrelativierung« schuldig gemacht hatte. Einer der schärfsten Kritiker dieser Entscheidung war Hans Küng, der aus seiner Glaubenslosigkeit und seinem Aufstand gegen die Kirchenhierarchie eine jahrzehntelange Karriere gemacht hat: Es sei bekannt, daß die Piusbischöfe »Antisemiten« seien, und ihre Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche drohe diese (!) zu einer »Sekte« verkommen zu lassen. Die Empörung über Williamson, der inzwischen wegen Ungehorsams von der Piusbruderschaft ausgeschlossen wurde, zeigte indes nur allzu deutlich, in welche zivilreligiösen Bereiche die Häresien inzwischen abgewandert sind. Sie zeigte auch eine krasse Unkenntnis des Sinns der Exkommunikation sowie des Hintergrundes des andauernden Konflikts zwischen dem Vati- kan und der Piusbruderschaft. Diese wurde im Jahre 1969 von dem französischen Erzbischof Marcel Lefebvre als Reaktion auf bestimmte Auswüchse des Konzils gegründet.

Lefebvre wurde 1905 im nordfranzösischen Tourcoing geboren, im selben Jahr, als der Laizismus in Frankreich gesetzlich verankert wurde. Er entstammte einer großbürgerlichen Familie, die mehrere Geistliche hervorgebracht hat. Auch die »Résistance« lag ihm im Blut: Sein Vater starb 1944 im KZ Sonnenburg bei Küstrin, wo er wegen Widerstandstätigkeiten gegen die deutschen Besatzer inhaftiert war. Seine Priesterweihe empfing Lefebvre im Jahre 1929. In den nächsten drei Jahrzehnten stieg er zu einem der bedeutendsten Missionare in Afrika auf, eine Tätigkeit, die 1955 in seiner Ernennung zum Bischof von Dakar gipfelte. Photographien aus seiner ersten Lebenshälfte zeigen einen vitalen, Kraft und Zuversicht ausstrahlenden jungen Mann, der seine Aufgaben mit Elan und Pragmatismus bewältigte. Der oft behauptete Ein uß des nationalistisch-monarchistischen Vordenkers Charles Maurras und seiner Bewegung Action française, deren Anhänger ihrerseits zwischen 1927 und 1939 dem Kirchenbann unterworfen wurden, dürfte in Wahrheit gering gewesen sein. Obwohl er später Etikette dieser Art ausdrücklich zurückwies und sich in erster Linie dogmatischen Fragen widmete, kann man jedoch auch Lefebvre getrost zur politischen Rechten zählen: Er vertrat einen vehementen Integralismus, der vom Staat forderte, Arm der »Königsherrschaft Unseres Herrn Jesus Christus« zu sein, zumindest dort, wo sein Staatsvolk mehrheitlich katholisch ist.

Als Lefebvre Ende der fünfziger Jahre nach Frankreich zurückkehrte, wo er Erzbischof von Tulle wurde, hatten sich die »modernistischen« Strömungen innerhalb der Kirche erheblich verstärkt. Der Verlauf und Ausgang des bevorstehenden Konzils war allerdings noch nicht abzusehen. Dessen Initiator Papst Johannes XXIII. berief Lefebvre persönlich in die Vorbereitungskommission. Seine kritische Stimme machte sich jedoch bereits 1962 bemerkbar und wurde in den Folgejahren immer lauter. Er warf den Konzilskonstitutionen nicht nur eine irritierende Mehrdeutigkeit und Unklarheit vor, sondern bezichtigte schließlich ihre Urheber des Bruchs mit der Tradition der Päpste und der Lehre der Kirche, die doch nach ihrem eigenen Verständnis ewig und unveränderbar ist. Die Anerkennung des Laizismus und der Religionsfreiheit sowie die Hinwendung zur Ökumene und zum »Dialog« mit anderen Konfessionen und Religionen bedeute eine erhebliche Relativierung des Wahrheitsanspruchs der Kirche, die letztlich zur Apostasie führen werde. Dazu gehörten auch die sich im Konzil anbahnenden Versuche, die Fühler Richtung Marxismus auszustrecken und gar eine Art Versöhnung mit dem ehemaligen kommunistischen Todfeind in die Wege zu leiten.

Besonders schockierend fand Lefebvre die Reform der Liturgie, die ab 1969 in Kraft trat. Die Bewahrung der »alten« Messe im tridentinischen Ritus war von Anfang an ein zentrales Anliegen der Priesterbruderschaft und sicherte ihr nachhaltige Sympathien weit über traditionalistische Kreise hinaus. Auf der Gegenseite standen durchaus gewichtige Gegner wie Jacques Maritain, Yves Congar oder Karl Rahner. Der Kern der Tragödie Lefebvres, der sich als glaubenstreuer und gehorsamer Diener der Kirche und der von ihr verkündeten objektiven Wahrheit verstand, ist allerdings, daß der Papst selbst zu seinem schärfsten Gegner wurde, ein Konflikt, der beide Seiten in eine Zerreißprobe führte. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu den Linkskatholiken, die ihren »Ungehorsam« vor sich hertragen, als wäre er eine Medaille. Lefebvre stand vor der für ihn unfaßbaren Situation, »päpstlicher als der Papst« sein zu müssen und sich einem tiefgreifenden Verrat am Glauben zu stellen, der offenbar von dessen obersten Hütern selbst begangen wurde. Martin Mosebach nannte es gar »das Schlimmste, das wahrhaft Unvorstellbare (...): ein römischer Papst, Paul VI., der die Liturgie zerstört.«

Paul VI., der von 1962 bis 1978 amtierte, gilt in den Augen der Konzilskritiker bis heute als zwiespältige Figur, als emsiger Vorantreiber des »Aggiornamento«, der »Anpassung an die Welt« und den Zeitgeist, dem allerdings die Folgen seiner Entscheidungen über den Kopf wuchsen. Sein vielzitierter Satz aus dem Jahre 1972: »Ich habe das Gefühl, daß durch eine Ritze der Rauch des Satans in den Tempel Gottes eingedrungen ist« gilt vielen als Kronzeugenaussage über eine fatale Fehlentwicklung, an der er selbst wesentliche Mitschuld trug. Während ein linkslastiger, stark politisierter Katholizismus etwa in Frankreich, Deutschland, Italien und Südamerika geradezu explodierte und kaum mehr zu bändigen war, war es ausgerechnet der »Rechtsabweichler« Lefebvre, den der Papst mit besonderer Härte bekämpfte. Hier folgte der Liberalismus innerhalb der Kirche offenbar denselben Gesetzen wie der weltlich-politische Liberalismus, der die Feinde auf der Linken stets um einiges milder behandelt als jene auf der Rechten, wenn er sie denn überhaupt als Feinde anerkennt. Nicht zuletzt durch das in der Afrikamission erprobte Organisationstalent des Erzbischofs gewann die traditionalistische Bewegung an Einfluß und Zuwachs; ein eigens gegründetes Priesterseminar im schweizerischen Ecône sollte die Ausbildung von Priestern gewährleisten, die nicht auf den Irrwegen des Konzils wandeln wollten. Mitte der siebziger Jahre besuchten bereits Zehntausende Menschen Lefebvres Messen und Predigten, während sich namhafte katholische Intellektuelle wie Julien Green oder Jean Guitton für seine Sache einsetzen. Nun schien keine geringere Gefahr als ein Schisma zu drohen.

Bereits 1976 wurde Lefebvre wegen unerlaubter Priesterweihen von seinen Ämtern suspendiert. Die Konflikte spitzten sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts zu. Das berüchtigte »Weltgebetstreffen« in Assisi, das am 27. Oktober 1986 auf Einladung des Papstes Johannes Paul II. stattfand und Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, Hindus und Sikhs zum gemeinsamen Gebet vereinte, erschien Lefebvre als kaum mehr zu überbietende Relativierung und Herabwürdigung der katholischen Heilslehre. Im Alter von über achtzig Jahren mußte er nun auch an seine Nachfolge denken. Am 30. Juni 1988 überschritt Lefebvre, »dickköpfig wie eine Mauer aus Stahlbeton« (so der Schweizer Kardinal Henri Schwery), endgültig den Rubikon des Ungehorsams gegen Rom, indem er in Ecône unerlaubterweise vier Bischöfe weihte. Dies war der paradoxe Höhepunkt des Dramas: Damit war ausgerechnet er, der seinem eigenen Selbstverständnis nach getreueste Anhänger der apostolischen Lehre, der die Pflicht hatte, sich dem Papst zu unterwerfen, mitsamt den geweihten Bischöfen der Exkommunikation – dem Ausschluß vom Empfang der Sakramente – verfallen. Lefebvre starb am 25. März 1991 im Alter von 85 Jahren, in der Überzeugung, trotz allem den Willen Gottes erfüllt und die Wahrheit verteidigt zu haben.

2005 wurde einer seiner wohlwollenderen Kontrahenten, Joseph Ratzinger, der sich in den achtziger Jahren als Präfekt der Glaubenskongretation vergeblich um einen Ausgleich mit der Piusbruderschaft bemüht hatte, zum Papst ernannt. Bereits zu Lefebvres Lebzeiten hatte Ratzinger wiederholt dessen Bemühungen um die tridentinische Messe verteidigt. Das 2007 veröffentlichte Apostolische Schreiben »Summorum Pontificum« erlaubte die Messfeier nach dem Missale Romanum von 1962 als »außerordentliche Form« des Römischen Ritus, im Sinne eines liturgischen Pluralismus, wie er bereits vor dem Konzil von Trient (1545–1563) praktiziert wurde. 2009 folgte die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe von Ecône; das Verhältnis zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft bleibt jedoch weiterhin gespannt, umso mehr, seit mit Papst Franziskus ein äußerst traditionsfeindlicher Papst auf den Heiligen Stuhl gelangt ist.

Martin Mosebach bemerkte über die katholische Form des Christentums, sie sei »wahrscheinlich die komplizierteste Religion der Welt; um Katholik zu sein, muß man entweder einen begnadeten Instinkt besitzen oder sehr viel wissen«. Hier ist nicht der Platz, die Theologie des Konzils oder Lefebvres Kritik im Detail zu diskutieren und zu bewerten. Der Verfasser dieser Zeilen ist weder ein »traditionalistischer« noch ein besonders frommer Katholik, der zudem durchaus der »modernistischen« Überzeugung anhängt, daß es auch außerhalb der römischen Kirche Wahrheit, Schönheit und den Segen Gottes gibt. Ihm scheint jedoch, daß der intransigente Erzbischof in wesentlichen Punkten objektiv recht behalten hat. Joseph Ratzinger hat wiederholt bestritten, daß mit dem II. Vatikanum ein Traditionsbruch oder erst recht ein Verrat am katholischen Glauben stattgefunden habe. Dies entsprach auch seiner Aufgabe als Papst, den großen, weiträumigen Bau der Kirche mit seiner konstitutiven »complexio oppositorum« (Carl Schmitt) und seinen gegenstrebigen Fügungen zusammenzuhalten. Aber die Wirklichkeit des tiefgehenden Risses, der die Kirche seit dem Konzil spaltet, kann unmöglich von der Hand gewiesen werden, ebensowenig wie die Tatsache ihrer allgemeinen Wendung nach links. Bereits zeitgenössische Stimmen hatten das Konzil ausdrücklich als die »französische Revolution« (Konzilsmoderator Kardinal Suenens) oder gar als die »Oktoberrevolution« (Congar) der Kirche gefeiert. Seine heutigen Erben wie etwa die eingangs zitierte »Pfarrer-Initiative« bestätigen durch seitenverkehrte Affirmation die Kritik und Befürchtungen Lefebvres und anderer konservativer Theologen. Sie fordern im Grunde ein Konzil als Dauerrevolution, in einer sich immer weiter radikalisierenden, »demokratisierenden«, säkularisierenden Permanenz, bis auch die letzten Distinktionen, Ansprüche und »triumphalistischen« Gesten abgebaut sind. Der Sinn für das Sakrale schwindet immer mehr, was eng mit einem Zerfall von Form und Inhalt zu tun hat, wie etwa Martin Mosebach und Robert Spaemann aufgezeigt haben. Trotz aller Bemühungen der Anpassung an die Welt leeren sich die Kirchen weiterhin, während ihre Vertreter kaum mehr wissen, wie sie ihre Existenz rechtfertigen sollen. Zahlreiche Äußerungen des katholischen Klerus zur sogenannten Flüchtlingskrise des Jahres 2015 zeigen deutlich die Dekadenz und den Konformismus kirchlicher Kreise, die zum Teil nicht weniger giftig, verblendend und destruktiv wirken als etwa die Grünen. Die Wirklichkeit hat längst die klerikalen Karikaturen eingeholt, die Jean Raspail in seinem Roman Das Heerlager der Heiligen bereits 1973 unter dem Eindruck der Folgen des Konzils zeichnete.

Weit entfernt davon, sich »laizistisch« aus der Politik zurückzuziehen, hat sich die nachkonziliare Kirche zum Wegbereiter und Steigbügelhalter der Politik des »im Ökonomischen wesenden Weltstaates« (Hans Barion) gemacht, des kapitalistischen Globalismus, der Völker, Kulturen und Religionen in einem großen Magen verschlingt, obwohl doch gerade sie berufen wäre, sein schärfster und unversöhnlichster Kritiker zu sein. Nicht zuletzt hat die Relativierung der eigenen Botschaft vor allem angesichts des Vordringens des im Wesenskern zutiefst antichristlichen Islams auf europäisches und ehemals christliches Gebiet eine fatale Signalwirkung: Was sich als fromme Bescheidenheit oder als Respekt vor Andersgläubigen ausgibt, erscheint in Wahrheit als Eingeständnis der eigenen Glaubensschwäche, signalisiert die Bereitwilligkeit, das Feld zu räumen, womit die Kirche vom gleichen »liberalistischen«, selbstrelativierenden und selbstentwaffnenden Syndrom befallen ist wie die gesamte westliche Welt. Ein am 6. Januar 2016 vom Vatikan auf Youtube veröffentlichtes Video mit dem Titel »Pope Francis’ prayer intentions« zeigt den Verfall auf erschreckende Weise: es beginnt mit Bildern, die eine Buddhistin, einen Juden und einen Muslim in andächtiger Pose zeigen, stylish und etwas kitschig in Szene gesetzt wie ein Werbevideo für »diversity«, gefolgt von der Botschaft des Papstes: »Viele Menschen denken unterschiedlich, empfinden unterschiedlich, suchen Gott oder begegnen Gott auf unterschiedliche Weise. In dieser Vielfalt, dieser Bandbreite von Religionen gibt es nur eine Gewißheit, die wir alle teilen: Wir sind alle Kinder Gottes.« Dies aus dem Munde eines Papstes ist erschreckend und derart unverhohlen relativistisch, daß der Weltgebetstag und die gutgemeinten, aber fragwürdigen Gesten Johannes Pauls II. weit in den Schatten gestellt werden. Die Destruktion und Selbstauflösung der Kirche, die nun einmal auf klaren, präzisen Bestimmungen und Verkündigungen fußt, ist damit vorprogrammiert, aber auch die Verprellung der Gläubigen bei gleichzeitiger Einschmeichelung bei den Nichtgläubigen, insbesondere den Muslimen. Alle Zeichen stehen hier auf Verrat.

Geht das auch Nichtkatholiken etwas an, oder ist das nur ein innerkatholisches Problem? Nun: Was sich hier menetekelhaft abzeichnet, hat ohne Zweifel Konsequenzen für das gesamte verbliebene »Abendland«. Der Liberalismus sendet an alle, die »dienen wollen« und ein Dienenwollendes in sich tragen, dieselbe Botschaft: Wir brauchen eure Bemühungen nicht, es geht um nichts, es war alles nicht ernst gemeint, geht nach Hause, konsumiert und amüsiert euch und genießt euer Leben, Hauptsache, ihr kommt auf keine falschen Ideen mehr, die irgend etwas mit Selbstbehauptung, Distinktion oder höheren Zielen zu tun haben. Ebenso wie die Kirche offenbar keine wahrhaft Gläubigen mehr haben will, so wollen die Nationen keine Patrioten oder die Staaten keine staatstragenden Bürger oder die Armeen keine Soldaten oder die Schulen keine Lehrer und keine Schüler mehr. Das Abendland gleicht einem würdelosen König, der keiner mehr sein will und seine letzten getreuen Anhänger nicht nur demoralisiert und entmutigt, sondern sie am Ende auch noch verhöhnt und verfolgt.

Als konservative Rebellen gleich welcher Couleur sind wir heute mehr oder weniger alle in einer ähnlichen Lage wie Marcel Lefebvre; wie er müssen wir zu Desperados um des Gesetzes willen, zu Revolutionären um der Ordnung willen werden und beharrlich an dem von uns als wahr, gut und schön Erkannten festhalten, bis unsere Exkommunikation und das Interregnum aufgehoben sind. And when Rome falls, falls the World: Auch den Un- und Andersgläubigen sollte das Schicksal der römischen Kirche, die so tief mit dem Schicksal Europas ver ochten ist, nicht gleichgültig sein – auch wenn diese Welt eines Tages fallen muß, wie es der Wille Gottes verlangt.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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