Sagt Elena. Im Roman. Nur, was heißt in diesem Fall schon „Roman“? Und, noch besser: Dieser Roman titelt Alles Lüge. In Wirklichkeit könnte er mehr Wahrheit enthalten als die herkömmlichen Presseerzeugnisse.
Ich fühlte mich nach der Lektüre nicht nur vortrefflich unterhalten, bestens informiert über den Inner circle unserer Künstler, Feuilletonisten und anderer Kulturpromis. Elena heißt in Wahrheit anders, manch andere Protagonisten der „Szene“ treten hier pseudonymisiert auf, andere werden namentlich nur hauchfein verfremdet, andere (etwa Navid Kermani, Matthias Matussek) gar nicht.
Oh, dies ist ein herrliches Buch von Joachim Lottmann, der hier abermals als sein Alter ego Johann Lohmann auftritt! Was sich über weite Strecken reportageähnlich liest, ist vielleicht reine Kolportage, wer weiß.
Fakt ist: die sogenannte Flüchtlingskrise. Fakt zwei: Die Kulturelite ist einerseits hingerissen (von den abertausenden neuen, wertvollen Mitbürgern, die wie ein goldener Regen über dieses Land niedergehen), andererseits verstört bis erzürnt, nämlich über die dunkeldeutschen Ressentiments, die sich gegen diese wunderbaren traumatisierten und hochausgebildeten Geflüchteten richten.
Lohmann/Lottmann steht, wie es sich für einen Intellektuellen gehört, mittendrin und dazwischen: Er macht sich in Flüchtlingsunterkünften nützlich, besucht Vorträge, Lesungen, einen AfD-Parteitag und labert sich einen Ast – mit all den Leuten, die ihn nun in eine“rechte Ecke“ schieben wollen.
Das geht direkt ins Eingemachte, Risse tun sich auf, innerhalb der Freundschaftskreise, der Kollegenschaft, der Familie, erst recht zwischen ihm und seiner geliebten Frau, die – stramm linke Journalistin, die sie ist – emotional schwer klarkommt mit ihrem strengen Feminismus; mit übergriffigen Neubürgern; mit Todesdrohungen aus dem Islamistenlager, in dem sie recherchiert; mit ihrer unbedingten Islamophilie andererseits; mit ihrem Jüdischsein vor dem Hintergrund antisemitischer Äußerungen aus muslimischem Munde; mit Lohmanns einwanderungskritischen Äußerungen.
Sie war und blieb eben die linksliberale Publizistin und würde es noch sein, wenn im Treppenhaus ihrer Zeitung bereits die Brandbeschleuniger ausgeschüttet würden, von tapferen jungen Helden, die den Propheten rächten.
Lottmann macht aus alledem keine Tragödie, sondern ein heiteres Satyrspiel. Wir lesen hier eigentlich eine aberwitzige Glosse, deren Beschreibungsrahmen sich halt über anderthalb Jahre (und 350 Seiten) erstreckt. Schwer zu sagen, welche Szene mich am meisten beeindruckte; hier reiht sich geradezu Knaller an Knaller. Man kennt ja viele dieser Schilderungen und hat sie so oder ähnlich selbst erlebt.
Besonders eindrücklich ist der Fall Peter Schindel. Der Kerl trägt im echten Leben einen anderen Namen. Er ist der Wiener In-Literat schlechthin, Partytier und Frauenheld zusätzlich. In Gesprächen eckt Schindel neuerdings laufend an. Er ist alles andere als ein Islam-Versteher. „Es gibt schon jetzt weltweit mehr Islamisten, als es jemals Nazis gegeben hat. Das sollte reichen, um ihnen den Kampf zu erklären“, solche Sachen sagt Schindel, er ist cool und sieht gar nicht ein, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ist ihm ziemlich wurscht, wenn sich Frauen in angesagten Berliner Bars deshalb von ihm wegsetzen. Völlig egal, der „Betrieb“ liebt ihn, andere Frauen fahren auf ihn ab. Aber, nanu, Lottmann:
Schindel veröffentlichte nur wenig später einen Essay, in dem er sich virtuos und wortmächtig gegen Islamophobie aussprach. Seine Lektorin hatte ihm offensichtlich dazu geraten. Ich kannte solche Dinge von mir selbst. Es mußte nicht einmal verlogen sein. Wenn man etwas zu viel Dampf abgelassen hatte, schrieb man einfach das Gegenteil, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Außerdem hatte kein echter Schriftsteller Lust, aufgrund von einmal dahergesagten Dingen Nachteile beim Schreiben zu bekommen. Und die hätte es gegeben. Der linke Mainstream hatte sich in der Flüchtlingsfrage stärker und schneller radikalisiert als der rechte Stammtisch. Wer das Wort “Flüchtlinge” öffentlich in den Mund nahm und nicht umgehend auch “Hurra” schrie, war medial erledigt. Daher hielt ich mich zurück. Viele Zeitungen baten mich um einen Beitrag zum Thema. Ich drückte mich davor, da ich mich nur der Schindel-Methode hätte bedienen können.
Drückeberger, Verblendete, News-Faker, wohin man schaut in diesem „Roman“! Aber auch anderen Leuten begegnet Lottmann und sein „Held“, etwa Matthias Matussek, der über einen Twittereintrag stolpert und kaltgestellt wird. Da trifft sich das publizistische Milieu doch glatt zum Feiern und Betrinken aus lauter Freude über den Sturz des „elenden Isalamophobikers“.
Oder Milrahm, der in Wahrheit anders heißt, der Türke, ein klassischer Linksintellektueller, Vorzeigebeispiel für den „Migranten, der es in Deutschland schafft“. Seine Frau ist Genderwissenschaftlerin, eine sympathische Gemengelage also für Lohmanns Frau. Darum wird in politischen Fragen nur zwischen den Männern geflüstert, Milrahm: „Ich HASSE den Islam… ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr… er ist… DAS LETZTE!“
Andermal finden sich die Lohmanns auf einer Veranstaltung des muslimischen Vorzeigemuslims Navid Kermani wieder:
Ich sah mich um. Überall nur muffige, weißhaarige Gutmenschen. Also jene Generation, die in ihrer Kindheit, in der Schule, noch keine Konfrontation der Kulturen erlebt hatte. Und später in ihren gutbezahlten, unkündbaren Berufen auch nicht. Die Generation der Ahnungslosen. […] Würden sie jemals aufhören […], das öffentliche Bewußtsein zu dominieren, in ihrer greisenhaften Härte, die sich als Güte ausgab, die aber nichts anderes war als der eingelernte, fremdbestimmte und ungerechte Haß auf die Generation vor ihnen? Nein, sie würden bleiben, bis alles in Scherben lag.
Was Lohmann also feststellen muß: “MEINE Kultur ist im Zeitalter der Völkerwanderung als erste untergegangen. […] Kein Mensch hat sie verteidigt. Kein Intellektueller hat den Vorgang überhaupt gemerkt.”
Starker Tobak. Darf ein Autor zu solch drastischen Worten greifen? Und ein großer Publikumsverlag das auch noch drucken? Achwo, das wär’s ja! Hier spricht ja kein Autor, kein Intellektueller, sondern die Romanfigur Johann Lohmann. Das sollte man nicht vergessen. Lottmann hat sich dies alles aber sehr gut und höchst unterhaltsam ausgedacht. Begnadet, wer solch eine Fiktion sich auszumalen in der Lage ist!
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Joachim Lottmann: „Alles Lüge!“, Köln 2017, 350 S., 12 €.
aletheia
na ja, die inspiration holt sich der lottmann von seiner freundin christa zöchling, die in der realität noch viel ärger schreibt als im roman
Es sind die hässlichsten Menschen Wiens, ungestalte, unförmige Leiber, strohige, stumpfe Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen, Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne, ausgeleierte Schuhe. Die Flüchtlinge aus dem nahen Osten sind ein schönerer Menschenschlag.
https://www.profil.at/oesterreich/hilfe-fluechtlinge-meine-freundin-5845568
alles im dienste der aufkörung