Sich derlei Fragen im voraus stellen zu lassen, ist Teil unserer Verfahrensweise – wir haben sie, aus Erfahrung klüger geworden, etabliert: Sind die Fragen zu allgemein, zu dumm, zu wenig vorwissengesättigt, platzt der Termin. Im Falle Gebhards war klar: In seinem 4‑Minuten-Beitrag für “Berlin Direkt” würden mir allenfalls 20 Sekunden zustehen. Daher konnte ich ganze Frageblöcke streichen und ausschließen und das Gespräch auf drei Punkte konzentrieren.
Dennoch beschäftigte ich mich vor dem Termin mit allen Fragen. Es ist nämlich nicht die schlechteste Übung, das Viele, worüber man nachdenkt und spricht, auf Stanzen herunterzubrechen, die in einen knappen Fernsehbeitrag passen.
Im Grunde fragte David Gebhard nicht nach meiner Einschätzung zu den erwarteten Auseinandersetzungen auf dem Kölner Parteitag. Er streifte diese Tageslage nur, wobei er natürlich nicht die Auseinandersetzung zwischen dem “breiten Bündnis” der “Zivilgesellschaft” mit den knapp 600 Deligierten der AfD thematisierte, sondern die parteiinternen Flügelkämpfe. Insgesamt aber fragte er nach der Gesamtlage und Grundaufstellung dessen, was man das “blaue Projekt” nennen könnte.
Daß es am Ende auf einen 20-Sekunden-Satz hinauslief, war erwartbar, daß Gebhard bei uns den Wunsch nach einer “heroischen Republik” vermutet, ist zumindest sprachlich lecker, aber unser gesamtes Gespräch bot dann doch deutlich mehr. Daher hier seine Fragen und meine Antworten – ein Verknappungsversuch:
Frage 1: Worin sehen Sie die historische Mission der AfD
Antwort: Die historische Mission der AfD besteht darin, die von den Altparteien betriebene “Politik gegen Deutschland” zu beenden. Auf funktionaler Ebene ist der erste Schritt der, sich als erste Partei rechts der CDU zu behaupten.
Frage 2: Wie können Sie Impulse geben für diese Mission?
Antwort: Wie jeder wohlgesonnene Publizist als Begriffssetzer und Stichwortgeber, als Kommentator und Organisator einer Gegenöffentlichkeit. Darüber hinaus als Vordenker und Mutmacher für jene, die erst im Zuge ihrer Parteiarbeit oder Wahlentscheidung darauf gestoßen sind, daß es einen rechtsintellektuellen Kosmos und konservative Argumente gibt.
Frage 3: Was für eine Vision eines neuen (Post-68er-BRD) Deutschlands könnte am Ende dieser Mission stehen?
Atwort: Fürs erste ganz bescheiden – ein Deutschland, in dem das Selbstverständliche im Sinne eines “Deutschland zuerst” wieder ins Recht gesetzt ist. Von einer solchen Politik für Deutschland her läßt sich viel Gedeihliches ableiten.
Frage 4: Es gibt Kräfte in der AfD, die die Partei rasch als „realpolitische“ und koalitionswillige Kraft im System etablieren wollen – inwiefern wäre das für die Partei gefährlich? (inwiefern könnte sie so schnell selbst zur macht-opportunistischen „Alt- oder etablierten Systempartei“ werden?)
Antwort: Die Gefahr ist die zu frühe Koalitionswilligkeit, die sich aus taktischen Gründen “realpolitisch” bemäntelt, um so die Kritiker einer grundlos frühen Versöhnung mit den Verhältnissen als irrational und politikunfähig zu beschädigen. Der Kölner Parteitag war aber – wie schon der Essener Parteitag vor knapp zwei Jahren – ein deutliches Signal der Unversöhnlichkeit mit den Verhältnissen zum jetzigen Zeitpunkt.
Frage 5: Was wäre – im Gegensatz dazu – der Ansatz einer Bewegungspartei?
Antwort: Bewegungspartei zu sein bedeutet, die Arbeit in den Parlamenten nicht für die derzeit entscheidende Aufgabe zu halten. Gegen ein Blockbündnis von CDU bis Grüne ist konstruktive Opposition im Rahmen parlamentarischer Arbeit nicht sinnvoll. Die eigentliche Aufgabe ist, im Volk eine Wechsel- und Wendestimmung zu erzeugen und die emotionale Barriere zwischen Wähler und Partei abzutragen.
Frage 6: Inwiefern ist das die Frage zwischen reformistischen und revolutionären Ansatz?
Antwort: Wir reden sowieso nur von Reformen. Eine Reform aber im Sinne der oben genannten Selbstverständlichkeiten wäre bereits etwas geradezu Revolutionäres.
Frage 7: In welcher ideengeschichtlichen und intellektuellen Tradition würden Sie eine Kraft wie die AfD verorten?
Antwort: Traditionslinien sind unter anderem Gegenaufklärung, Nationalbewegung, Konservative Revolution samt konservativem Widerstand im III. Reich, selbstbewußte Bürgerlichkeit, Adenauer-CDU und 89er-Stimmung sowie – am stärksten diffus – der immer vorhandene gesunde Menschenverstand.
Frage 8: Für viele Beobachter ist die AfD 2013 quasi aus dem Nichts auf die politischen Bühne getreten – doch inwiefern reichen ihre geistigen Wurzeln länger zurück? Ist die AfD eine Partei einer neuen „konservativen Revolution“ in Deutschland?
Antwort: Die AfD ist das endlich bereitstehende Auffangbecken für den Ausbruch eines Gefühlsstaus, dessen Druck sich über Jahre aufgebaut hatte. Insofern hatten Beobachter recht, die sagten, Lucke und andere Gründungsmitglieder hätten dies so nicht gewollt, seien aber mit ihrer Formgebung an der Wucht des Ausbruchs gescheitert. Keiner aus dem rechtintellektuellen publizistischen und metapolitischen Milieu hatte diesen Ausbruch übrigens vorausgesehen oder organisatorisch vorbereitet: Er mußte aus der Mitte erfolgen. Nun wird der Geist, die neurechte Tradition sozusagen, nachgereicht, und das ist unser Anteil an diesem Werkstück: Aus dem Ausbruch wird ein Aufbruch, ein begrifflich und politisch ausgerichteter Stoß.
Frage 9: Sehen Sie die „Neue Rechte“ und die AfD als eine Art 68er von rechts, als Korrektiv zu einer liberalen rot-grün geprägten Epoche?
Antwort: Die AfD ist kein 68 von rechts, ihr Aus- und Aufbruch ist allenfalls vergleichbar mit dem der Grünen, die auch grundsätzlich und als Partei neuen Stils auftraten und sich als Bewegungspartei verstanden. Aber: Die AfD hat weit mehr Potential als die Grünen, weit mehr. Auch die “Neue Rechte” ist kein 68 von rechts – sie ist nicht emanzipatorisch und hat keine erregende Mischung aus Sex, Marx und Coca-Cola anzubieten, sondern zielt auf den Reifeprozeß: auf diejenigen, die sich vorstellen können oder bereits erfahren haben, daß man sein Leben führen muß und daß es uns Disziplin, Fleiß, Ordnung und ein Haushalten mit unseren Mitteln abverlangt. Wer dies begriffen hat, gehört zur Kernzielgruppe von Partei und Milieu.
Frage 10: Warum ist es für die AfD wichtig nicht alleine auf politische Macht hinzuarbeiten, sondern sich durchaus an einem geistig-intellektuellem Fundament zu orientieren?
Antwort: Wenn eine Partei den Machtkern einer politischen Richtung bildet, die tatsächlich als Richtung erkennbar ist, dann machen die sie umgebenden und teilweise erst entstehenden Projekte so recht eigentlich erst das Milieu aus – geistig, aktivistisch, kulturell, publizistisch. Eine Partei darf nicht alles selbst sein wollen, eine Zeitung auch nicht, undsoweiter. Das wichtigste ist, daß man untereinander von dieser Nähe und Distanz, Zusammenarbeit und Rollenvorgabe weiß. Denn in und für eine Partei muß man anders arbeiten als für eine Zeitung oder eine aktivistische Bewegung oder eine Bürgerinitiative. Insofern ist eine Rollenvorgabe sogar eine Art Rollenhygiene. Man darf mit den Mitteln des einen Projekts nicht in das andere übergreifen.
Maiordomus
Noch beeindruckend, wobei jedoch die Betonung des Gefühlsmässigen, Frage 8, Verlegenheit erzeugt und als Wertebasis unmöglich genügen kann. Es müsste noch stärker am Traditionsbegriff der zu erhaltenden Traditionen im Gegensatz zu denjenigen Teilen des Erbes, welche preisgegeben werden können, und am Freiheitsbegriff gearbeitet werden. Das Beeindruckendste bei Kubitschek bleibt der anthedonistische Hinweis, dass man sein Leben selber in die Hand nehmen muss mit Disziplin, Fleiss, Ordnung und Haushalten mit unseren Mitteln. Die Produktion von Glück kann keine Staatsaufgabe sein, da irrte die Aufklärung. Noch interessant scheint mir, dass nicht irgendein Glaube, was heute verfänglich wird, sondern, wenn schon, eine Art Jüngerscher Nihilismus bei Kubitscheks Antworten die übergreifende Basis zu sein scheint. Das Schlagwort "Deutschland zuerst", von Trump entlehnt, kann zwar als Kompensation zum mulitkulturellen Gutmenschentum vorübergehend wegleitend sein, genügt aber als metapolitische Basis mit Gewissheit nicht. "Deutschland zuerst" ist eine Simplifikation von Orwell-Niveau wie "Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht!" Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als erneut über Gerechtigkeitsmodelle eines ernst zu nehmenden Gemeinwohls nachzudenken. Im Zweifelsfalle sollte man, jenseits von Sozialstaatsliberalismus, für die Freiheit plädieren. Ein Element davon, aber nicht mehr, ist die nationale Freiheit. Auch die Grundlagen der Menschenrechte müssen neu gedacht werden, ohne dass gleich jedes Kind mit dem Bade auszuschütten wäre.