Da schaltete sich ein älteres Ehepaar so unaufgefordert wie herzlich ein: „Ja! Und wie er die Rechten vorführt! Das ist ja das Tolle! Das macht der so mit links!“- „Echt?“, fragte meine Schwester nach. Sie habe das überhaupt nicht als Vorführung verstanden. Der setze sich doch ganz ernsthaft mit „denen“ auseinander.
Glockenhelles Lachen! Das sei ja das Geschickte! Dieser gespielt naive Zugang! Tenenboms Trick sei, den Verstehonkel zu markieren. Damit erreiche er, daß die Rechten sich vollends entblößen. „Damit gelingt dem, worum sich unsere Journalisten seit Jahren erfolglos bemühen: Den Rechten die Maske vom Gesicht zu reißen!“
Nun ja. In der Tat fährt Erfolgsautor Tenenbom gerade die linke Tour. Anfang Mai liest er zunächst bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Magdeburg, dann im linken Szenetreff Conne Island in Leipzig. Und dann?
Biegt er wiederum ab. Am 6. Mai wird er in Schnellroda sein, zum „Literarischen Frühschoppen“ ab 10 Uhr. Anmeldungen werden ab sofort angenommen, am besten per mail an anmeldung[at]schnellroda oder telefonisch unter 034632–904396. Hundert Karten sind zu vergeben, der Eintritt kostet 5 €.
Und wir? Wir gehen derweil wieder in die Maske. Soll ja auch Spaß machen, allen!
26.4.2017 – Hatte nun eine Zeitlang wieder täglich die FAZ. Wirtschaft ist nicht gerade mein Kernbereich, aber die Causa Kleinfeld hab ich doch verfolgt, aus drei Gründen: Erstens, weil die Sache in der FAZ dieser Tage geradezu überpräsent war. Zweitens, weil mich Genderfragen interessieren. Drittens, weil hier, also in der FAZ, eine Stellungnahme von Prof. em. Ulrich Oevermann eine Rolle spielt.
Mit Oevermann hatte ich mich in meinem Germanistikstudium länger beschäftigt, als ich zu meinem Hauptthema Soziolinguistik forschte. Kurz gesagt: Wirtschaft ist männlich konnotiert, Gossip, vulgo „Klatsch“, hingegen weiblich. Der Abgang des Ex-Siemens-Managers Klaus Kleinfeld ist nun eigentlich ein Wirtschaftsthema, wurde aber in mindestens sechs Beiträgen innerhalb weniger Tage auf Gossip-Niveau rauf und runtergenudelt. Ein echtes Genderdings also!
Ganz kurz für diejenigen, die es nicht mitbekommen haben: Kleinfeld stand zuletzt dem amerikanischen Metallunternehmen Arconic vor. Ein 72jähriger US-amerikanischer Investor namens Paul Singer hatte Arconic zuletzt ordentlich zugesetzt. Singer gilt als kalter Zocker, er soll (in Südamerika) ganze Länder in die Bredouille gebracht haben. Es heißt, von Singer instruierte Detektive hätten Kleinfelds Mülltonnen durchwühlt, Nachbarn befragt; was man halt so tut, um sein Allerwertestes zu retten.
Nun ist ein Brief ans Tageslicht gekommen, den Kleinfeld an den ihm persönlich unbekannten Singer schrieb. Kleinfeld schickte Singer einen „official match ball of the FIFA World Championship 2006 (called „Teamgeist“)” und schrieb sinngemäß, daß er sich daran erinnere, wie gut sich Singer damals nach Aussagen Dritter in Deutschland amüsiert habe. Er spielt auf die offenbar exaltierte Feierlaune von Singer an: Der habe damals mit aufgesetztem Indianer-Kopfschmuck in einem Stadtbrunnen „Singing in the rain“ intoniert.
Dieses Schreiben mag man mit guten Gründen als erpresserisch werten. Die FAZ hatte den Kleinfeld-Brief über Tage nun bereits in verschiedenen Sprachen dokumentiert und mehrfach kommentiert. Jetzt durfte Herr Oevermann, seines Zeichens „Erfinder einer Methode zur Interpretation von Texten, die objektive Hermeneutik genannt wird“, uns den Brief auslegen.
Drei Stellen fand ich besonders, ha, „objektiv“!
Erstens: Oevermann sieht im Schreiben Kleinfelds „unbewusste Gegensätze“ „zwischen einer jüdischen Kultur und einer tendenziell antisemitischen Einstellung“ zur Sprache gekommen. Wie das? Ich lese den Brief ein drittes Mal. Kapiere das „objektiv Hermeneutische“ noch immer nicht. Oevermann klärt auf: „Man muß nicht unbedingt wissen, daß der Angegriffene Paul Singer Jude ist. Der Name legt es nahe. Der Name Kleinfeld legt nahe, dass der kein Jude ist. [?] Singer steht für eine amerikanische Managementkultur, die tendenziell jüdisch und aggressiv ist. Davon grenze Kleinfeld sich ab.“ Man muß hier den Brief wirklich nachlesen, um festzustellen, wer hier mit antijüdischen Klischees hantiert!
Zweitens, Oevermann: „Der Schreiber unterstellt, dass Singer mehrere Wochen in Berlin war und sich dort mit einer schwulen Halbstarkenbande vergnügt haben muß.“ Wer mir nun einen Hinweis auf diese „Unterstellung“ gibt, erhält einen druckfrischen Band Das war’s als Preis.
Drittens, Oevermann abschließend, um neben unterstelltem Antisemitismus, unterstellter Homophobie auch noch die Sexismuskeule rauszuholen und damit bedrohlich zu hantieren: „Frauen als gleichberechtigte Partnerinnen von Männern kommen hier nicht vor, nur als Gespielinnen und Ausgleich zum dominant schwulen Milieu.“
Eine ganze Seite hat die FAZ dafür hergegeben. Manchmal kommt mir das Wort von der „Lügenpresse“ als viel zu harmloser Begriff vor.
27.4.2017 – Meine Schwächen (kleine Auswahl): Unordentlichkeit. Sich technischen Fragen verweigern. Aus dieser mißlichen Kombi erwächst ziemlich regelmäßig eine Alltagskommunikation wie diese: „Jetzt hab ich so lange am neuen Pirincci gesessen, und nun ist er weg!!“
Kubitschek: „[…]?“
„Na klar! Immer brav gespeichert! Format immer artig umgewandelt. Aber das Dokument ist weg!“
Klar, es folgt die Frage nach dem wohin, nach dem Ort, dem Pfad. Was weiß ich denn! Auf meinem Desktop tummeln sich Dutzende Dateien. Ordner und Fächer wurden mir eingerichtet, sie sind mir fremd und werden nur sporadisch bestückt. Der Chef schaut nach, er kennt das schon.
Manchmal schimpft er, das seien meine Gene. Ich halte das gut aus. Er fragt mich nach Suchbegriffen. Hm. Gefragt sind wohl Präzision und Alleinstellungsmerkmale des Textes. Nun gut: „Arschritze. Wichser. Gefickt.“
„Ist jetzt nicht Ihr Ernst? Sie haben das Ding doch bereits lektoriert?!“
„Ja, schon. Aber diesmal mit Korrekturprogramm. Deshalb muß es noch drin sein. Also in rot. Aber die Farbe ist der Maschine doch egal?“ Die Maschine findet am Ende alles. Auch das Getilgte.
Starhemberg
Na, da hat man dem Kleinfeld aber die Maske vom Gesicht gerissen! Oder dem Singer? Oder dem Oevermann? Oder der FAZ? Oeverman war doch mal der Assistent vom Habermas Jürgen, dem alten Geschichtsumkneter. Würg. Egal, da lese ich lieber bald den neuen Pirincci, bevor ich es mir wieder hinter meiner Maske gemütlich mache.