Wir sind in ein anderes Bundesland/Bistum ausgewichen. Das mag seltsam sein, als Katholiken schauen wir doch eigentlich alle nach Rom!
Vorher muß, nein: darf gebeichtet werden. Das Wort „Beichtgeheimnis“ hat eine doppelte Bedeutung. Die zweite betrifft die Quantität. Wir wissen zwar (ungefähr), daß nur 10% der deutschen Katholiken das Sonntagsgebot des Besuchs der Heiligen Messe beachten. Zahlen über abgelegte Beichten gibt es nicht. Man kann es sich aber gut vorstellen.
Als ich gefirmt wurde, war beichten schon reichlich out, der progressive Pfarrer hatte auch keinen Hehl daraus gemacht, was er von dieser altmodischen Tradition hielt. Es gab ein freundliches Auge-in-Auge-Gespräch; zwei Menschen in Jeans saßen sich gegenüber, die eine (ich) laberte halbkonzentriert dies und das, der andere hörte zu und fand alles ganz okay.
Im osteuropäischen Ausland wird das noch ein wenig anders gehandhabt. Unsere Kinder hat das immer sehr beeindruckt: die langen Schlangen vor den Beichtstühlen in Rumänien oder Polen. Zuletzt waren wir in Zagreb. Lange Schlangen vor den beiden Beichtstühlen! Mitnichten vorösterlich! Und: Wochentag! Wenig alte, lauter junge und halbjunge Leute, teils schluchzend! Und zwar keine Kirchentagsklientel, sondern hübsche Damen auf Highheels, kräftige junger Männer, melancholisch wirkende Existentialisten. Die Kinder hat das tief bewegt. „Die haben noch so was wie eine Seele“, fand eine der Unseren.
Ich erzählte mir nun mit einer Freundin diverse Beichtbeobachtungen. Sie berichtete von ihrem Sprößling und der liberalen Erstkommunionsvorbereitung: …so liberal, daß man sich nicht getraute, von Erstbeichte zu sprechen, sondern nur davon, daß man »mit den Kindern über manche Dinge spricht, die ihnen nicht so gut gelungen sind«. Der Sohn war ein wenig verunsichert, fand dann aber einen beichtbaren Punkt, den er probehalber der Mutter vortrug: »Schuhschleife binden?«
6.5.2017 – Tuvia Tenenbom samt Ehefrau Isi sind in Schnellroda zum „Literarischen Frühschoppen“ Gast! Christoph Richter vom Deutschlandfuck muß leider draußenbleiben. Kurze Überlegung von Kubitschek, ihn wegen O‑Ton-Verhunzung („Sumpf abdrehen“- nicht mit Kubitschek!) bloßzustellen, wehre ich ab.
Fragte Tenebom, was los war im Conne Island. Sie waren nach der kurzfristigen Absage dort gewesen und hatten das Gespräch gesucht. Natürlich hatten sich die Tenenboms über das unprofessionelle Vorgehen geärgert. Nun drückte Tuvia Tenenbom eher Mitleid mit den jungen Leuten von der Initiative „Rassismus tötet!“ aus.
Das seien noch beinahe Kinder (Tenenbom sprach von „lauter Achtzehnjährigen“), und sie seien schier besessen von der Angst, daß „sowas“ in Deutschland sich erneut ausbreite. Sie witterten überall Rassismus und erneut aufkeimenden Nationalsozialismus. Tenenbom begriff das als Selbsthaß, der sich anhand dutzenderlei selbstzerstörischer Attribute ausweise: „Überall Ringe, das Gesicht voll Metall, diese zerrissene Kleidung, die Plakate an den Wänden mit grauenhaft-brutalen Bandnamen!“
Ein Zuschauer wandte ein, diese kaputte Mode lasse sich doch genauso in den USA in gewissen Jugendkulturen beobachten. Tenenbom: „Glauben Sie mir, ich kenne die dort und die hier. Das ist im Ausmaß ein gewaltiger Unterschied.“
Alle sind nach Lesung, Fragerunde und Signierstunde zufrieden: Prominenz, Gäste, Gastgeber, sogar die Ziegen.
8.5.2017 – Familiär beherrscht mal wieder ein geflügeltes Wort jegliche Kommunikation: „Ein klares „Nein“! Und noch eins: „Nie Mehr!!!“ Tochter II hat so ein hübsches, mit offensichtlicher Emphase angefertigtes Plakätchen von einer öffentlichen (alt-)fränkischen Toilettentür entfernt:
Soo süß!
10.5.2017 – Dada: In Querfurt gibt es seit ein paar Wochen einen richtig schwarzen Mann. Nun gibt es natürlich seit anderthalb Jahren dergleichen etliche. Das besondere an jenem ist, daß er pechschwarz ist. Schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarze Jacke, schwarze Haut. Er ist schlank und groß, sieht ganz gut aus.
Vorletzte Woche aß er eine Banane, als wir ihn auf der immergleichen Fahrtstrecke entlanggehen sahen. Vergangene Woche ein Brötchen. Heute einen knallroten Apfel.
Sohn, so naiv wie empathisch: „Auf mich wirkt der wie inszeniert. Das ist doch wie im Film!“
„Na komm. Und um halb zwei hat er halt Hunger! Der ist, wie er ist.“
„Du meinst: Er ißt, wie er ißt!“
Kleine Tochter: „Teekesselchen! Ich fang an! Schwarzer – Schwarzer. Der Mann da und die Emma Schwarzer von dener Zeitschrift, Mama.“
Mein nächstes Buch heißt: Mit Rechtsintellektuellen zum Kinderturnen.
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Gerhard Vierfuß
Das Foto mit Tuvia Tenenbom und den Ziegen ist klasse. Hab ich sofort "geteilt" ;)