und von schärfster Intelligenz, die Autorenschaft schillernd und vielfach wohl pseudonym und die Erscheinungsweise willkürlich – ungefähr einmal alle zwei Jahre. Werbung wird keine gemacht, auch nicht an befreundetem Ort. Eher „Verberger“ als „Veröffentlicher“ sei man, schrieb der Herausgeber dem Verfasser dieser Zeilen einmal.
Mit diesem Konzept, wenn man das so nennen will, hat Etappe, nun schon im 30. Jahr erscheinend, es bis heute auf 23 Exemplare geschafft, die seit Beginn weitgehend in Selbstausbeutung des Herausgebers erschienen sein dürften.
Dem Projekt stand jahrelang formal Günter Maschke vor, der dem Vernehmen nach gar nicht wußte, wie er zu dieser Ehre gekommen war, und sie sich irgendwann verbat.
Seitdem erscheint das Heft in der alleinigen Verantwortung Homanns. Maschkes Denken und seine Themen spielen indes weiterhin eine bedeutende Rolle in der Zeitschrift: Welches Heft käme aus ohne Bezugnahmen auf Carl Schmitt, Ketzereien zum Völkerrecht und zu den in der BRD staatstragenden Sozialwissenschaften oder die Auseinandersetzung mit der Frankfurter Schule nebst der Neuen Linken und dem, was sie angerichtet haben?
Eine reaktionäre Zeitschrift also, in der seit Jahrzehnten über die postmoderne Sozialphilosophie diskutiert wird? Rezensionen zu Briefwechseln und Grundlagenwerken von eher der linken Hemisphäre zugerechneten Geistesgrößen ebenso wie zu tiefschürfenden Arbeiten über Wissenschaftstheorie?
Das paßt alles nicht in die Schubladen des Meinungskampfes, in die Schemata der Politik noch weniger. Aber es paßt zum metapolitischen Interesse wacher, neugieriger Leser, die dieses Projekt nun seit einem Vierteljahrhundert begleiten.
In der mit ein wenig Ironie als „aktuell“ zu bezeichnenden Ausgabe ist nur ein Beitrag mit direktem Bezug zum deprimierenden Heute zu finden: Sven K. Knebel widmet sich einem Osnabrücker Kleinstadt-Skandälchen: dem Versuch der AfD, dem großen (nach damaligen Begriffen) liberalen katholischen Politiker Ludwig Windthorst zu dessen 125. Todestag einen Kranz zu widmen, was am Gegenwind aus Politik und Kirche scheiterte.
Denn: Wenn Windthorst heute lebte, würde er … Na klar. Heute wäre er bestimmt SPD-Mitglied.
Knebel macht aus einer tristen Provinzposse einen amüsant-bewegenden Essay über Windthorst, den Kulturkampf, Johannes von Miquel und eine beispielhaft orientierungslose Kommunalpolitik. Einem solchen ausschweifenden, assoziierend-unkonzentrierten Text den Raum zu geben, den er braucht, zeigt die Stärken einer von Erwerbskalkül und Programmplanung völlig freien Intellektuellenpresse. Bravo!
Es geht im Rösselsprung durch lesenswerte Beiträge: die Warnung eines nicht gerade wegen starker eigener Positionen bekannten FAZ-Feuilletonisten vor zu viel Kritik und Stimmungsmache gegen die Herrschenden wird parallelisiert mit entsprechenden Bedenken aus Deutschlands angeblich dunkelster Zeit – „Fake News“ werden zum Wiedergänger der „Hetze“ von „Volksverhetzern“ (Heimtückegesetz von 1934).
Die meisten übrigen Beiträge der Ausgabe sind Neuabdrucke und Erstübersetzungen so unterschiedlicher Autoren wie José Ortega y Gasset (über das gespaltene „profunde Frankreich“), Ernest Renan und dem wenig bekannten Kommunisten Jean-Richard Bloch.
Hervorgehoben seien ein kundiger Aufsatz des zu Unrecht in Vergessenheit geratenen (man darf wohl sagen: konservativen) Volkskundlers, Kulturwissenschaftlers und Soziologen Mohammed Rassem über Migration nach Europa, eine freche Anekdote Günter Maschkes über Heberto Padilla, Siegfried Unseld und Jürgen Habermas (nebst Spottgedicht über Adorno von 1970) sowie – ganz besonders – den großartigen Ökologie-Essay von Reinhart Maurer aus dem Jahr 1986.
Dreiundzwanzigste Etappe 2016/2017, Bonn, 198 Seiten, 12 Euro. Erhältlich über: [email protected]
Neander vom Thal
Ich kann nur bestätigen, daß die Etappe ein ganz besonderes Stück ist. Schlimm aber die Folter der Wartezeit. Wochen und Monate frage ich mich, wann wohl die nächste im Briefkasten steckt. Dann vergesse ichsie für eine Weile. Und plötzlich nach ein paar Jahren steckt wieder eine im Briefkasten. Naja, für zwischendurch gibt es ja die Sezession. So ganz nebenbei. Manchmal verfluche ich, daß ich lesen lernte... Aber nur manchmal.