Etappe – Coole Dissidenz

Die Inhalte sind kaum vorherseh- oder berechenbar, der Herausgeber (Dr. theol. Heinz-Theo Homann, Bonn) wunderlich...

und von schärfs­ter Intel­li­genz, die Autoren­schaft schil­lernd und viel­fach wohl pseud­onym und die Erschei­nungs­wei­se will­kür­lich – unge­fähr ein­mal alle zwei Jah­re. Wer­bung wird kei­ne gemacht, auch nicht an befreun­de­tem Ort. Eher „Ver­ber­ger“ als „Ver­öf­fent­li­cher“ sei man, schrieb der Her­aus­ge­ber dem Ver­fas­ser die­ser Zei­len einmal.

Mit die­sem Kon­zept, wenn man das so nen­nen will, hat Etap­pe, nun schon im 30. Jahr erschei­nend, es bis heu­te auf 23 Exem­pla­re geschafft, die seit Beginn weit­ge­hend in Selbst­aus­beu­tung des Her­aus­ge­bers erschie­nen sein dürften.

Dem Pro­jekt stand jah­re­lang for­mal Gün­ter Maschke vor, der dem Ver­neh­men nach gar nicht wuß­te, wie er zu die­ser Ehre gekom­men war, und sie sich irgend­wann verbat.

Seit­dem erscheint das Heft in der allei­ni­gen Ver­ant­wor­tung Homanns. Maschkes Den­ken und sei­ne The­men spie­len indes wei­ter­hin eine bedeu­ten­de Rol­le in der Zeit­schrift: Wel­ches Heft käme aus ohne Bezug­nah­men auf Carl Schmitt, Ket­ze­rei­en zum Völ­ker­recht und zu den in der BRD staats­tra­gen­den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten oder die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Frank­fur­ter Schu­le nebst der Neu­en Lin­ken und dem, was sie ange­rich­tet haben?

Eine reak­tio­nä­re Zeit­schrift also, in der seit Jahr­zehn­ten über die post­mo­der­ne Sozi­al­phi­lo­so­phie dis­ku­tiert wird? Rezen­sio­nen zu Brief­wech­seln und Grund­la­gen­wer­ken von eher der lin­ken Hemi­sphä­re zuge­rech­ne­ten Geis­tes­grö­ßen eben­so wie zu tief­schür­fen­den Arbei­ten über Wissenschaftstheorie?

Das paßt alles nicht in die Schub­la­den des Mei­nungs­kamp­fes, in die Sche­ma­ta der Poli­tik noch weni­ger. Aber es paßt zum meta­po­li­ti­schen Inter­es­se wacher, neu­gie­ri­ger Leser, die die­ses Pro­jekt nun seit einem Vier­tel­jahr­hun­dert begleiten.

In der mit ein wenig Iro­nie als „aktu­ell“ zu bezeich­nen­den Aus­ga­be ist nur ein Bei­trag mit direk­tem Bezug zum depri­mie­ren­den Heu­te zu fin­den: Sven K. Kne­bel wid­met sich einem Osna­brü­cker Klein­stadt-Skan­däl­chen: dem Ver­such der AfD, dem gro­ßen (nach dama­li­gen Begrif­fen) libe­ra­len katho­li­schen Poli­ti­ker Lud­wig Wind­thorst zu des­sen 125. Todes­tag einen Kranz zu wid­men, was am Gegen­wind aus Poli­tik und Kir­che scheiterte.

Denn: Wenn Wind­thorst heu­te leb­te, wür­de er … Na klar. Heu­te wäre er bestimmt SPD-Mitglied.

Kne­bel macht aus einer tris­ten Pro­vinz­pos­se einen amü­sant-bewe­gen­den Essay über Wind­thorst, den Kul­tur­kampf, Johan­nes von Miquel und eine bei­spiel­haft ori­en­tie­rungs­lo­se Kom­mu­nal­po­li­tik. Einem sol­chen aus­schwei­fen­den, asso­zi­ie­rend-unkon­zen­trier­ten Text den Raum zu geben, den er braucht, zeigt die Stär­ken einer von Erwerbs­kal­kül und Pro­gramm­pla­nung völ­lig frei­en Intel­lek­tu­el­len­pres­se. Bravo!

Es geht im Rös­sel­sprung durch lesens­wer­te Bei­trä­ge: die War­nung eines nicht gera­de wegen star­ker eige­ner Posi­tio­nen bekann­ten FAZ-Feuil­le­to­nis­ten vor zu viel Kri­tik und Stim­mungs­ma­che gegen die Herr­schen­den wird par­al­le­li­siert mit ent­spre­chen­den Beden­ken aus Deutsch­lands angeb­lich dun­kels­ter Zeit – „Fake News“ wer­den zum Wie­der­gän­ger der „Het­ze“ von „Volks­ver­het­zern“ (Heim­tü­cke­ge­setz von 1934).

Die meis­ten übri­gen Bei­trä­ge der Aus­ga­be sind Neu­ab­dru­cke und Erst­über­set­zun­gen so unter­schied­li­cher Autoren wie José Orte­ga y Gas­set (über das gespal­te­ne „pro­fun­de Frank­reich“), Ernest Ren­an und dem wenig bekann­ten Kom­mu­nis­ten Jean-Richard Bloch.

Her­vor­ge­ho­ben sei­en ein kun­di­ger Auf­satz des zu Unrecht in Ver­ges­sen­heit gera­te­nen (man darf wohl sagen: kon­ser­va­ti­ven) Volks­kund­lers, Kul­tur­wis­sen­schaft­lers und Sozio­lo­gen Moham­med Ras­sem über Migra­ti­on nach Euro­pa, eine fre­che Anek­do­te Gün­ter Maschkes über Heber­to Padil­la, Sieg­fried Unseld und Jür­gen Haber­mas (nebst Spott­ge­dicht über Ador­no von 1970) sowie – ganz beson­ders – den groß­ar­ti­gen Öko­lo­gie-Essay von Rein­hart Mau­rer aus dem Jahr 1986.

Drei­und­zwan­zigs­te Etap­pe 2016/2017, Bonn, 198 Sei­ten, 12 Euro. Erhält­lich über: [email protected]

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Kommentare (3)

Neander vom Thal

22. Mai 2017 23:50

Ich kann nur bestätigen, daß die Etappe ein ganz besonderes Stück ist. Schlimm aber die Folter der Wartezeit. Wochen und Monate frage ich mich, wann wohl die nächste im Briefkasten steckt. Dann vergesse ichsie für eine Weile. Und plötzlich nach ein paar Jahren steckt wieder eine im Briefkasten. Naja, für zwischendurch gibt es ja die Sezession. So ganz nebenbei. Manchmal verfluche ich, daß ich lesen lernte... Aber nur manchmal.

Albert

23. Mai 2017 12:11

Als langjähriger Leser der Etappe stimme ich zu. Manchmal fragt man sich bei einigen Artikeln, was das soll und welchen Mehrwert der Leser mitnimmt. Und dann gibt es wieder Stücke, an die man noch Jahre später zurückdenkt, wie "Gleichheit und IQ" von Volkmar Weiss (E20) oder "Volk ohne Raum im Raum ohne Volk" von Gernot Hüttig - ein erstklassiger, aber deprimierender Text. 

Die Etappe ist eine Zeitschrift aus dem Untergrund des Untergrundes für Resignierte, die die Hoffnung schon aufgegeben haben und sich fern jedes Aktivismus der Vogelperspektive auf die Zeitläufe verschrieben haben. Faszinierend ist die Vielfalt der Perspektiven. Die läßt sich nicht auf einen Nenner bringen; man muss sich überraschen lassen. Wer nach Antworten auf aktuelle Probleme sucht, ist hier definitiv falsch.

Der Herausgeber Theo Homann ist ein Original. Leute mit seinem Horizont sind heute fast ausgestorben. Die Etappe ist schon etwas seltsam Besonderes.

Konservativer

23. Mai 2017 16:42

Geehrter Konrad Gill

Meinen Dank für den Hinweis auf das Magazin Etappe (Magazin für drakonisches Denken). Wenn ich es richtig erinnere, wurde zwar in der Sezession die eine oder andere Nummer besprochen, aber bislang noch nicht auf dieser Seite. Die mir vorliegenden Ausgaben beinhalten ein Kaleidoskop von Beiträgen, welche die Bandbreite des anvisierten "drakonischen Denkens" illustrieren.

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