Ein alter Freund von H erzählte beim Kaffee mittags am Wochenmarkt, es spräche heute Abend Klaus Theweleit, ob wir nicht mitkommen wollten. Einer muß ja bei den Kindern bleiben, außerdem wurden die Männer einig, daß das ja wohl mein Thema wäre: „Die Volksverräter. Was kommt nach Volk und Nation?“
So wurde mir zuteil, zusammen mit dem Freund am Abend in die innerstädtische Dependance des Theaters „Werk X“ zu gehen. Eine Podiumsdiskussion zu den „Monstern der Gegenwart“ versammelte die Runde: Klaus Theweleit, Robert Misik, Anselm Neft und Fahim Amir. Letztere beide braucht man außerhalb Wiens nicht zu kennen, redeten sie doch vor allem wirr. Ein paar Kostproben später.
Misik ist ein Problem. Der Moderator stellte ihn damit vor, daß der KURIER ihn als den „Steve Bannon der Regierung“ bezeichnet hätte, was nicht mehr bedeutet, als daß sie offenbar Bannon für einen Mann von großer Bedeutung halten, und Misik sowas auch können soll. Er hat sich bisher als staatstreu-dispositivistischer Jammerer vor dem Herrn über die böse erstarkende Rechte hervorgetan. Deswegen wurde er ja auch zum dem Abend eingeladen. Misiks Problem ist, physiognomy is real: er ist ununterbrochen beleidigt.
Zuerst beleidigte ihn Theweleit, indem er behauptete, Trump sei gar nicht so schlimm, Le Pen auch nicht, vielmehr seien die ja bloß lächerlich. Später beleidigte ihn Kollege Neft, warum, war für das Publikum nicht nachvollziehbar, ich glaube, es ging darum, wer wichtiger ist. Misik dauert es sehr, daß manche Leute ein unleugbares Sensorium für das „Elitenproblem“ haben, aber leider, leider „vernünftiges Sprechen“ als Elitensprech diffamieren – was wäre es doch fein, wenn alle so vernünftig sprächen wie er. Misiks Problem läßt sich aber einkapseln. Kapsel zu.
Theweleit, Jahrgang 1942, ist der Autor der Männerphantasien (1977), die viele Rechte seinerzeit und bis heute mit Faszinationsschauern rezipiert haben, so viel proto- und faschistische Realien, Bilder und eben Phantasien lagen sonst selten so offen da, mußte man nur über die postmoderne Psychoanalyse hinwegsteigen und konnte diesen Beichtspiegel als Inspirationsquelle nutzen. Die „naziverbundenen Elternkörper“ endlich ins Grab zu bewältigen – dafür gebührt ihm unter Linken noch heute Preis und Dank. Eingeladen war er zur Konferenz vor allem wegen seiner ausschweifenden Breivik-Tötungslust-Rêverie Das Lachen der Täter (2015).
Vor der Podiumsdiskussion gelang es Hs Freund, noch kurz Klaus Theweleit abzufangen, ich wurde ihm vorgestellt als Hs Frau, er erkannte mich wieder, man plauderte beim Rotwein über die alten und jungen Kinder. Der arme Theweleit, den muß es kalt erwischt haben später.
Die Diskussion war schwer erträglich, das hätte ich wissen können. Homogene Linke, die sich unter sich wähnen. Könnte man als Feministin bei den berüchtigten locker Room talks Mäuschen spielen, es ginge einem kaum anders. Doch das leise Frohlocken über verfehlte Einschätzungen, viel bessere eigene Quellen zum Problem, platte Witze über Trump als „Vollhonk“, linkes Anrennen an die harte Realität, schlug langsam um in echtes Unbehagen.
Daß der Islam so aufgebauscht werden kann, als Gegenpol heute, liegt am Versagen der Linken. Der Islamismus ist ein westliches Produkt, nur weil die Kommunisten keine Chance bekommen haben, wird er heute so konstruiert. Es gab da so Gandhi-Menschen, die Peschawar-Commune 1930, ist ja völlig vergessen, die wollten wirklich Gleichberechtigung der Frau und Kommunismus, alles, was wir im Westen ja auch wollen, das gab’s im Islam alles schon! Der ist bloß verraten worden. (Fahim Amir)
Leichtes Unbehagen.
Pirinçci, den kennt wohl in Österreich niemand. Der wäre ja ein wunderbarer Salafist . Ich mein’, ein Salafist redet nicht so obszön, also eigentlich gar nicht, eher so von Blumen und Jungfrauen, aber Pirinçci, der will ja statt all der verschwulten Weicheier hier am liebsten die islamischen Machos alle hier haben. Rassismus ist ja immer visueller Rassismus. Man sieht ja in Europa keine Juden mehr rumlaufen. Die Neue Rechte ist entstanden, weil sie statt Antisemitismus endlich ’ne neue Idee hatten: Islamophobie, Muslime kann man ja sehen, und da haben die Rechten endlich wieder was zum Vernichten. (Anselm Neft)
Schweres Unbehagen, Herzklopfen, aufsteigende Wut.
Rechtsradikalismus, das muß man unterscheiden von Populismus, den find ich ganz uninteressant. Rechtsradikalismus erklärt sich als Impuls aus dem Körper, der zerstören will. Zuerst kommt immer der Körper, und dann die Ideologie. Das kann man an Breivik sehen, und ja auch in den 90er Jahren, da brauchte es nur der politischen Legitimation durch Kohl, und dann brannten die Häuser. Die Rechten brauchen immer nur die politische Erlaubnis zum offenen Mord. Mit denen diskutieren? Bei Frauke Petry reicht doch: ‘Lügenfresse’, einfach nur ‘Lügenfresse’, that’s all, und Schluß. (Klaus Theweleit)
Unerträgliche Wut, ein paar Minuten, um mich zu sammeln. Dann aufgestanden, zur Türe hinabgestiegen, vorm Rausgehen noch ans Podium gewandt:
Meine Herren, entschuldigen Sie die Störung. Als Identitäre verlasse ich diesen Raum unter Protest. ‘Offenen Mord’ zu unterstellen und Frauke Petry als ‘Lügenfresse’, das ist nichts als widerliche linke Hetze, und keine Diskussion mehr. Auf Wiedersehen!
Ich bin zu dieser Veranstaltung nicht hingegangen, um die Leute zu trollen. Ich wollte hören und nicht stören. Es ist dieses Freigegebenwerden, Hors-la-loi-gestellt-Werden, dieses Gemeintsein, das die rasende Wut der Ohnmacht erzeugt.
Ich habe keinen „Körper, der zerstören will“, ich habe einen Geist, der erhalten will – das liegt offensichtlich völlig außerhalb ihrer Wahrnehmungsmöglichkeiten als Intellektuelle. Das Monster schleicht sich, nicht ohne sich ein paarmal am Weg umzuschauen.
Der Gehenkte
Was weiß denn "die Frau" schon über ihren eigenen Körper - dafür gibt es Männerphantasien (bei Theweleit 1000 Seiten dick), die ihr das alles erklären können. "Leib ist alles" hatte schon Nietzsche gewußt. "Alles am Weibe ist ein Rätsel, und alles am Weibe hat eine Lösung ..."
Was weiß denn "der Rechte" über seine heimlichen Träume? Dafür gibt es "Männerphantasien" ...
So bewundernswert der Aufstand ist, es ist doch wichtiger, ganz genau zuzuhören. Man ahnt ja sonst gar nicht, was in diesen Kreisen hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Erhellend!