Leserbrief zum Artikel von Jan Grossarth mit dem Titel “Am Ende rechts” in der Ausgabe vom 12. Mai 2017
Sehr verehrte Damen und Herren der Redaktion,
mein Leserbrief richtet sich gegen die ehrenrührigen Anwürfe, die Herr Grossarth in seiner nachrufenden Portraitierung meines alten Freundes erhebt; es mangelt mir dabei an Naivität, zu glauben, daß meine Entgegnung in unseren Zeiten wenn überhaupt, dann unversehrt zur Veröffentlichung gelangen wird.
In Betroffenheit und dennoch freundlichst grüßend Ihr
Raimund Th. Kolb
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Als langjährigem Freund Rolf Peter Sieferles, der mit ihm bis zum Vortag seines Freitodes intensiven Kontakt pflegte, bescherte mir die Lektüre von Jan Grossarths Artikel “Am Ende rechts” neben passagenweise begrüßenwerten Einlassungen nicht wenige empörende Provokationen. Leider gestattet das Leserbriefformat nur eine selektive Entgegnung.
Abgesehen vom bisweilen flegelhaften Stil des Skribenten wurden ganz wesentliche Eigenschaften und Äußerungen des Nachgerufenen falsch oder verzerrt dargestellt. Die Recherchen zur Person basieren erklärtermaßen auf anonymen Aussagen, die zumindest in einem mir bekannten Fall durch erworbenes Vertrauen und dessen Mißbrauch zustandekamen. Manches stammt aus der linken Ecke ehemaliger Freunde, die von Heidelberg bis Wien und sonstwo reicht. Gerade dort scheint man blind gegenüber den politischen Ansichten des Freundes gewesen zu sein, die sich mit dem Epochenwechsel (1994) deutlich manifestiert hatten und sich im weiteren lediglich auf dem Weg der Differenzierung und Zuspitzung befanden. Sieferle war nicht nur Historiker, sondern auch Soziologe und Politologe, also im besonderen Maße berufen, sich als zoon politikon über unsere Gegenwart Gedanken zu machen.
Laut Grossarth soll sich Rolf Peter Sieferle bei “klarem Verstand” befunden haben, als er den Weg des linken Heils verließ. Folgerichtig wird eine bürgerliche Kindheit emotionaler Entbehrungen konstruiert, die ihn auf dieses Ziel hin dirigiert.
Rolf Peter Sieferle befand sich nicht auf dem Weg der Erblindung, es sei denn man erklärt eine operable Glaskörpertrübung dazu und war schon gar nicht krebskrank; er war kein academicus superciliosis, also alles andere als ein Narziß wie insinuiert wird, sondern stets überaus bescheiden, zurückhaltend, liebenswürdig und enorm hilfsbereit. Er soll gegen Ende “verbittert, todernst, vereinsamend” gewesen sein, so wird angeblich behauptet. Dies ist schlichtweg unwahr und vermutlich das Revancheurteil von politisch Enttäuschten oder Wichtigtuern.
Als Umwelthistoriker und mit Garrett Hardin war für Sieferle seit jeher klar, daß wir in einer Welt begrenzter Ressourcen leben (living within limits), uns aber gegensätzlich verhalten. Als Verantwortungsethiker mußte er deshalb von der Migrationskrise tief beeindruckt sein. Er wußte, was es heißt, wenn Nationalstaaten ihre Grenzen zur Aufnahme von “youth bulges” aus Afrika und dem Nahen Osten mit hoher Bevölkerungswachstumsrate öffnen und diese damit noch verantwortungslos zu befördern. Das Schwinden des Nationalstaates, der für ihn größten Leistung menschlichen Organisationsvermögens, die politisch-systemische Befindlichkeit unseres Landes, die schroffe politische Lagerbildung, der Verlust jeglicher Diskussionskultur u.a.m. stellten für ihn keine Lebensfreude generierenden Entwicklungen dar. Wie sehr er darunter litt, konnte man nur zwischen persönlichen Zeilen ahnen.
Grossarth reitet jenseits seines historischen “levels of incompetence” auf dem Zeitgeistkaltblüter, hie und da die Nazikeule schwingend, gegen den toten Apostaten R.P.S. an, indem er ihn mittels sinnenstellenden Zitatfragmenten und frei schwebenden Unterstellungen auf ebenso leichtfertige wie rufschädigende Weise zum spät bekennenden Nationalsozialisten erklärt. Da genügt es z.B. vom “Virus” des Relativismus zu schreiben, also über den nihilistischen Relativismus, und schon betreibt man “NS-Propaganda”. Sancta simplicitas! Widerwärtig soll Sieferle die Demokratie gewesen sein – keineswegs Herr Grossarth, nur deren deutliche Degradation bereiteten ihm Sorge und ließen über die fatalen Folgen nachdenken.
“Prole drift”, jene enorme Schubkraft hinter der Auflösung bürgerlicher Lebensweisen, inkludiert die Umgangsformen, auch die mit politisch Andersdenkenden. Nach Auffassung des Verstorbenen sollte es sich bei Kritik in einer kritischen Zeitung “um Unterscheidung, um genaues Hinsehen, und um eine faire Auseinandersetzung im Geiste intellektueller Redlichkeit” handeln (am 22. Febr. 1996 an die Redaktion der FR), noch dazu, wie ich meine, im Falle einer Person, die leider nicht mehr zu antworten vermag.
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Cairdis
Herr Sieferle hatte seine Sinne beisammen und konnte schreiben, es reicht aus um einen Menschen heute zum Paria zu machen.
Das seit einiger Zeit allgegenwärtige Wort Fake News ist nichts anderes als die Bezeichnung Lügenpresse, nur etwas umformuliert und ins Angelsächsische übertragen. Als Rache des Systems an den Dissidenten; Fake News steht schlicht für: Das Imperium schlägt zurück! Es ist offensichtlich, wie sehr die Mächtigen auf ihre Pressewaffe angewiesen sind. Angriffe darauf mögen sie gar nicht, entsprechend fällt die Antwort aus - aber, das wird daraus erkennbar, die Vertreter des Selbsthasses agieren kaum mehr, sie müssen reagieren. Zudem schreibt bekanntlich niemand so schlecht wie die Anhänger alternder Ideologien. Denn wenn gilt, einmal indoktriniert, für immer konditioniert, kostet das immerwährende Umkehren der Lebenswirklichkeit erheblichen Aufwand. Wer anerkennt 1+1 = 2 hat es sehr viel einfacher, als Leute, die ständig belegen müssen warum es 3,5 ergibt. Oder man die eigene ethnokulturelle Verdrängung als das höchste mögliche Ideal anzustreben hat.
Längst gibt es in den USA und Großbritannien eine Gegenströmung, die namentlich die deutsche Politik der Selbstauslöschung mit wachsendem Unbehagen sieht. Weil sie zur Gefahr für alle wird. Aber dort sollte man immerhin wissen, das heutige Deutschland ist das Ergebnis ihrer Reeducation und Umerziehung, als man das Kind mit dem Bade ausschüttete.