„Gauck. Hahaha. Nee, weiß nicht. Klingt nach Gauck, kann er aber nicht sein.“
Wir hören ein bißchen weiter. Es geht um die „Gekränkte Gesellschaft“, um eine „Konkurrenz der Gekränkten“, um die „Gefahr einer Erziehungsdiktatur“, um ein „übersensible Sozialisation“. Der Redner warnt, daß es vor lauter Kränkungsangst zu einer „Selbstzensur gegen den verordneten Leitdiskurs“ kommen könnte. Ein ausgezeichneter Vortrag.
Tochter ist hinzugekommen. Lauscht auch interessiert. „So was von Gauckstimme, ist ja kraß. Müßt man ihm mal vorspielen. Könnt er was lernen!“ Sie fummelt an ihrem mobilen Gerät. „Ist Gauck.“
Schön, wenn man sich noch wundern kann.
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23. Mai 2017 – „Das könnte dich interessieren!“, empfiehlt mir das Netz. Na gut, auch wenn ich auf diese Masche selten einsteige. Ich klick mal.
Es ist ein älterer Artikel, und wie es der Zufall will, handelt er auch von einer Frau, die auf bestimmte Maschen normalerweise nicht reagiert. Hier: Street harassment, Alltagsanmache. Diese junge Frau aus Paris nun hatte sich
vorgenommen, zwei Wochen lang zu jedem einzelnen Fremden, der mich auf der Straße anbaggerte, ja zu sagen und eine Unterhaltung mit ihm anzufangen. Einfach nur, um zu sehen, was passieren würde. Ich wollte herausfinden, wer sie waren, was in ihren Köpfen vor sich ging.
Das ist kein grandioser Artikel. Interessant dies:
Der nächste Typ, dem ich begegnete, hieß Yacine. Tatsächlich war die überwältigende Mehrheit der Männer, die im Laufe dieser zwei Wochen auf mich zukam, arabischer Herkunft. Ich habe lange überlegt, ob ich das schreiben soll, weil ich keine dummen rassistischen Vorurteile schüren will, aber es ist nun mal die Wahrheit. Ich habe mit Yacine sogar darüber geredet.
‘Ach ja, machen dich viele von ihnen an? Vielleicht ja, weil sie besseren Geschmack haben, was Frauen angeht!’, lachte er. Und damit wischte er seelenruhig meinen lahmen Versuch der soziologischen Analyse beiseite.
Okay, jetzt wissen wir auch das. Diese Männer haben einfach Stil.
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28. Mai 2017 – Kurzurlaub in der alten Heimat. Ungefähr zwischen dem Ort, von dem mein Vater 1946 vertrieben wurde und dem, den meine Mutter 1958 (der deutschen Sprache damals kaum mehr mächtig; wer geblieben war, hatte zwingend polnisch zu sprechen) verlassen hatte, logieren wir für vier Tage. Alle sieben Kinder sind dabei.
Wir besuchen Verwandte, wandern, besichtigen Gedenkorte. Stellt sich heraus, daß die Intensität der Berührt-Seins je unterschiedlich ist, aber allgemein (also familiär) geteilt wird. Das hängt mit ganz unterschiedlichen Faktoren zusammen. Ein einsamer, menschenleerer Friedhof im Wald bei Lambsdorf, der an das grauenhafte Internierungslager für Deutsche 1945/46 erinnert, wirkt naturgemäß anders als der sonnige Annaberg voller Zufallstouristen.
Ulkig, pardon, wird’s in Kreisau. Wie, Kreisau? Als ich gerade noch mal einiges nachschauen wollte auf wikipedia, gibt’s dort das Lemma gar nicht, nur Krzyzowa im Kreis Swidnicka. Geschenkt. Immerhin einen Artikel zum Kreisauer Kreis findet man.
Mein Reiseführer (sagt man so? Reisebegleiter?) datiert von 1992: „Vom Geist des alten Moltke zeugen noch zwei abblätternde Wandfresken im Treppenhaus des Gutshauses, die – vom preußischen Heroismus und Chauvinismus angehaucht [man beachte diese kunstvolle Ambivalenz des Führers/Begleiters!, E.K.] – aus seinem Leben berichten. Das Landgut Kreisau sei in einem erbärmlichen Zustand, „traurig“, heißt es, es regne durch das Dach.
Ach, wie überrascht werden wir Freunde des Verfalls, wir leidenschaftlichen Durchstöberer des Angemockerten! Anno 2017 ist hier in Kreisau alles wunderbar geschleckt, aus Verlegenheit hat man hier und da und dort mächtige Koniferenflatscher hingesetzt, um ein bißchen unverwüstliches Grün hinzuzaubern. Darf man sagen, es wirkt steril?
Für Farbflecken sorgen diverse Jugendprojekte im Namen von Mut, Versöhnung, Toleranz, Internationalität, Verständigung, Fairneß etc., die hier ihre kreativ-sensiblen Spuren hinterlassen haben.
Am meisten beeindruckt hat uns der tolle Barfußpfad, den eine Gruppe aus „behinderten und nichtbehinderten Jugendlichen“ für uns angelegt hat. Eine Hinweistafel bestimmt u.a., daß der Kreisauer Barfußpfad nicht vor 10 Uhr betreten werden darf – und niemals unter Drogeneinfluß.
Die Kinder haben die Tafel nicht gesehen und fragen: „Guckt mal hier, was für absonderliche Beete! Eins mit Disteln, eins mit Brennesseln, eins mit Disteln und Brennesseln! Und hier: Scherben! Gehört das zu diesen Diversitätsprojekten?“
Große Tochter unkt: „Ja, das ist der Pfad der Verständigung und Toleranz. Er ist dornig und hart.“ Niemand von uns will die „einzigartige Sinneserfahrung“ machen und diesem reichlich perfiden (oder sorglosen?) „Brückenschlag“ folgen, Schuhe bleiben an.
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29. Mai 2017 – In der FAZ berichten sie heute über den Coup von zwei US-amerikanischen Akademikern. Die haben in einer Fachzeitschrift zu Gender Studies einen Artikel veröffentlicht, in dem sie behaupten, das männliche Geschlechtsteil („The conceptual penis as a social construct“) sei für den Klimawandel zuständig.
Der Urheber des Fachartikels, ein promovierter Mathematiker, beschreibt, wie er mit seinem Kompagnon aus Fetzen einer vorgeblich „poststrukturalistischen Diskursanalyse“, aus Zitaten aus „besonders bescheuerten“ Genderartikeln und modischen Schlagwörtern („Narrativ“, „Konstruktivismus“) einen völlig sinnfreien Text zusammenbastelte. Der Gutachter beschied, der Artikel „erfasse die Essenz hegemonialer Maskulinität durch einen multidimensionalen, nonlinearen Prozeß“.
Das alles soll lustig sein. Gut, ist es auch. Aber trifft dies nicht auf jede Veröffentlichung dieses „Fachgebiets“ zu?
Aristoteles
Über verorndete Penislosigkeit, Gendergleichheit und dem Gleichersein als gleich ist mir neulich folgender Beitrag begegnet:
https://sciencefiles.org/2017/05/20/organisierte-gender-kriminalitaet-leipziger-landgericht-beendet-frauenfoerderung-und-stellt-rektorin-der-universitaet-leipzig-ein-vernichtendes-charakterzeugnis-aus/
Und das alles, obwohl der Benachteiligte aus dem Orient stammt und eigentlich der bessere Mann ist!