Ein solcher Lichtschein vermittelt eine Ahnung davon, daß die Dinge deutlich mehr Facetten aufweisen, als sie von den Schmieden der veröffentlichten Meinung „kommuniziert“ werden. Zu diesen seltenen Momenten gehört zum Beispiel der Artikel „Das Pariser Abkommen ist Vergeudung von Zeit und Geld“ des dänischen Politikwissenschaftlers Björn Lomborg auf den Online-Seiten der Welt.
Bereits der erste Satz seines Artikels dürfte bei so manchem Zeitgenossen ob seiner Ungeheuerlichkeit Augenkrebs auslösen. Er lautet: „Trump hat recht.“ Warum er recht hat, soll uns im folgenden noch ein wenig beschäftigen. Vorher sei noch darauf verwiesen, daß dieser „Betriebsunfall“ in der Welt gleich wieder mit einem Meinungsbeitrag von Dirty Alan wettgemacht wird, der über den Unterschied zwischen „wahren Konservativen“ – wer dazugehört, darüber entscheidet natürlich the one and only – und den „Schreihälsen der AfD“ räsoniert, auf die Posener, wo es nur geht, seine mediale 44er-Magnum als Ausdruck einer „starken Meinung“ richtet.
Alan Posener muß, dieser Eindruck drängt sich geradezu auf, irgendwann einmal eine unheimliche Begegnung mit der Pythonschlage Kaa aus dem Dschungelbuch gehabt haben, die ihre Opfer bekanntlich hypnotisiert. Seitdem läuft er mit starrem Blick missionierend durch die Landschaft, immer auf der Suche nach vermeintlichen Spurenelementen deutschnationaler Hybris, über die er im Gestus des Arbiters seine Verdammungsurteile verhängen kann.
Doch zurück zu Björn Lomborg und seinen Gedanken zur Absage von Donald Trump an das Pariser Klimaübereinkommen. Um es gleich deutlich zu sagen: Lomborg pflichtet Trump nicht bei, weil er glaubt, daß die Botschaft von dem menschengemachten Klimawandel zu den „Fake News“ gehört, mit denen einschneidende energiepolitische Entscheidungen durchgesetzt werden sollen.
Er sagt – ich weiß, daran wird sich hier der ein oder andere reiben –, die Position der Wissenschaft sei eindeutig: „Der Klimawandel ist real und zum größten Teil von Menschen verursacht.“ Das Pariser Übereinkommen aber, das der Welt als „ultimative Lösung für die Klimaprobleme verkauft wurde“, sei ein „Papiertiger“. Seine einzige Legitimation bestehe darin, „daß alle Länder Zusagen gemacht haben – doch diese Versprechen müssen nicht eingehalten werden“. China, das dieser Tage zum Anwalt der Klimaretter hochgeschrieben wird, ist heute schon der größte CO2-Emittent; es darf bis 2030 weiterhin Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung bauen. Und Indien kann seine Kohlenutzung zur Stromerzeugung verdoppeln.
Entscheidend ist aber, daß das Übereinkommen die Sache nicht weiterbringt, wie Lomborg deutlich macht. Auch wenn jedes Land seine Zusagen zur Kohlendioxidreduzierung von 2016 bis 2030 einhielte, „würden die Emissionen selbst nach Schätzungen der Uno nur um ein Hundertstel dessen sinken, was nötigt wäre, um die Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten“.
Trump hat sich also mit anderen Worten von einer klimapolitischen Todgeburt losgesagt, wofür ihm eigentlich zu danken wäre. Statt dessen erleben wir fast unisono das Aufheulen klimapolitischer Gutmenschen, unter denen sich auch wieder ein deutsches Boulevardblatt mischt, das für seine unübertroffenen „Headlines“ berühmt-berüchtigt ist. Ich mag sie den SiN-Lesern nicht vorenthalten: „Läßt Trump die Weltordnung schmelzen? Trump kündigt das Klima-Abkommen. Schmelzen jetzt die Pole? Oder zerbricht die alte Ordnung der Welt?“ Das einzige, was hier zu schmelzen scheint, ist wohl der letzte Rest Hirn in den Köpfen einiger Bild-Redakteure.
In einer derartigen Situation ist einmal wieder die Zeit für Kanzlerin TINA Merkel gekommen, die heilige Johanna der Klimaschlachthöfe, gekommen. Offenbar bar jeder tieferen Kenntnis der Materie – hat sie dieses Übereinkommen überhaupt jemals gelesen? – verkündigte sie, daß die Entscheidung des US-Präsidenten „uns alle, die wir uns dem Schutz unserer Erde verpflichtet fühlen, nicht aufhalten“ werde. Der Weg müsse, so Merkel melodramatisch im besten Kirchentagsdeutsch, gemeinsam weitergegangen werden, „damit wir erfolgreich sind für unsere Mutter Erde. Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren. Nichts kann und wird uns dabei aufhalten.“
Mit dem Personalpronomen „uns“ ist nun aber nicht mehr auch die USA gemeint, sondern mehr und mehr China. Merkel und Konsorten sind dabei, eine Art deutsche Version der geopolitischen Maxime „Pivot to asia“ Obamas zu entwickeln, wie Johannes Stern, Redaktionsmitglied der World Socialist Web Site, richtig erkannt hat.
Dafür sprechen nicht nur die Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin „über außen- und wirtschaftspolitische Fragen“ in den letzten Tagen. China ist bereits der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands, noch vor Frankreich und den USA, mit einem Handelsvolumen von knapp 170 Milliarden Euro.
Nun soll die Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden. Bereits vor Li Keqiangs Ankunft in Berlin verkündete die Deutsche Bank, sie wolle gemeinsam mit der China Development Bank in den kommenden fünf Jahren mit einem Kredit über drei Milliarden Dollar Infrastruktur-Projekte auf der „Neuen Seidenstraße“ finanzieren, die die großen Wirtschaftszentren Chinas mit Europa verbinden sollen.
Am 24. März hat Außenminister Gabriel offiziell „eine Neuausrichtung“ der deutschen Asienpolitik und die Einrichtung einer eigenen Asienabteilung im Auswärtigen Amt verkündet. In einer Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes steht zu lesen:
Wir erleben zurzeit in vielen Bereichen der internationalen Politik Krisen, Umbrüche und neue Dynamiken. Man hat den Eindruck, diese Welt wird neu vermessen – und dabei benutzt jeder sein eigenes Maßband. Eines ist dabei klar: Die aufstrebenden Staaten Asiens werden bei dieser Neuvermessung der Welt eine Schlüsselstellung einnehmen.
Am selben Tag erklärte Gabriel in einer Festrede beim 97. „Liebesmahl“ des Ostasiatischen Vereins“ in Hamburg:
Asien ist eine Schlüsselregion für unsere Zukunft hier zu Hause. Denn die Wege zur Lösung unserer globalen Herausforderungen werden eben nicht mehr nur von den alten Strukturen aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg entwickelt werden können. Sondern die Wege zur Lösung internationaler Herausforderungen verlaufen durch Asien. Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich überzeugt: Wir brauchen eine strategische Neuorientierung unserer Asienpolitik.
„Die Wege zur Lösung internationaler Herausforderungen verlaufen durch Asien“: Wie sich China diese Lösungen zum Beispiel mit Blick auf die Klimapolitik vorstellt, hat es schon in aller Deutlichkeit klargemacht: Rund 80 der hierzulande verteufelten Atomkraftwerke sollen in China allein in den nächsten 15 Jahren gebaut werden.
Der neue deutsche Kuschelpartner auf dem Weg zur Rettung des Weltklimas meint – zusammen mit anderen Staaten – erkannt zu haben, welcher Weg dorthin der effektivste und vor allem schnellste ist.
Das hat aus Sicht der chinesischen KP einen handfesten Grund, der sich keineswegs aus der medienkonformen „Sorge um das Weltklima“ speist: Den Genossen in Beijing dürfte es vor allem um Machterhalt gehen. Die Luft- und Umweltverschmutzung hat in China ein derartiges Ausmaß angenommen, daß sie handeln müssen, wollen sie nicht irgendwann von dem steigenden Unmut der Bevölkerung über die Umweltverschmutzung in China weggefegt werden.
Die Bundesregierung hat mit dieser Politik des Machterhalts offenbar kein Problem, wohl aber mit dem Ausstieg der Regierung Trump aus einem Übereinkommen, das in der Substanz nichts, aber auch gar nichts bringt. Berlin sollte aufpassen, daß es sich mit seinen neuen asiatischen „Liebesmahl“-Partnern nicht verhebt. Noch sind die USA militärisch und sicherheitspolitisch die unumschränkte westliche Führungsmacht, deren Absicherung zum Beispiel der internationalen Handelswege Europa ein Gutteil seines Wohlstandes verdankt. Das alles sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, weil man es aus angeblicher Sorge um „unsere Schöpfung“ für opportun hält, den US-Präsidenten zu brüskieren und als klimapolitischen Trottel vorzuführen. Dieser Populismus klimapolitischer Einfaltspinsel kann Europa und damit auch Deutschland wirklich teuer zu stehen kommen.
Gustav Grambauer
"Alle reden vom Wetter. Wir nicht."
SDS Stuttgart, 1968
"Alle reden vom Wetter. Ich nicht."
Donald Trump, 2017
- G. G.