Sonntagsheld (15) – “Fuck you, I’m Millwall!”

"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." (Friedrich Hölderlin)

Weil Lon­dons Bür­ger­meis­ter Sadiq Khan der Mei­nung ist, daß Ter­ro­ris­mus zum Leben in einer Groß­stadt ein­fach dazu­ge­hört (), müs­sen sich auch die SiN-Leser an här­te­re Zei­ten und kan­ti­ge­re Sonn­tags­hel­den gewöhnen.

Viel­leicht hät­ten wir sonst einen namen­lo­ser bai­zuo gekrönt, oder ich hät­te einen frän­ki­schen Kar­tof­fel­bau­ern zu Wort kom­men las­sen, der sich ob des plötz­li­chen Bam­ber­ger-Hörn­chen-Absat­zes fragt, woher das gestei­ger­te Inter­es­se an der Erd­knol­le kommt. Er wäre ahnungs­los, weil er kein Face­book, Smart­phone oder Fern­se­hen hat, dafür aber eine eige­ne Schol­le und eine Fami­lie mit vier quietsch­ver­gnüg­ten Drau­ßen­spiel-Kin­dern – was Manu­el Gyros eben so unter Kar­tof­fel­land ver­steht. Aber dann kam der 3. Juni, drei Fremd­frücht­chen lie­fen Amok, und so ist der Sonn­tags­held eben ein eng­li­scher Hoo­li­gan. Auch gut.

Roy Lar­ner sitzt gera­de im “Black & Blue Steak­house”, als Khuram Butt, Rach­id Redoua­ne und Yous­sef Zagh­ba durch die Tür stür­zen und mit erho­be­nen Mes­sern schrei­en: “Islam, Islam! This is for Allah!” Nun ist Lar­ner als Anhän­ger des Lon­do­ner FC Mill­wall kein Kind von Trau­rig­keit und – so wird sei­ne Mut­ter spä­ter erzäh­len – kei­ner, der sich vor einer Schlä­ge­rei drückt.

Tat­säch­lich ras­tet bei Lar­ner in dem Moment der Raub­tier­re­flex ein, und wäh­rend unbe­waff­ne­te Poli­zei­be­am­te dem Gesetz der Step­pe gehor­chen und sich aus der Reich­wei­te der Atten­tä­ter flüch­ten, geht Lar­ner ein Satz durch den Kopf: “I need to take the piss out of the­se bas­tards.” Er steht auf und stellt sich dem ers­ten Angrei­fer in den Weg.

Was in den nächs­ten Minu­ten geschah, hat ihm zu Recht den Spitz­na­men “The Lion of Lon­don Bridge” ein­ge­bracht: “Fuck you, I’m Mill­wall!” schreit der 47jährige und geht mit blo­ßen Hän­den auf die Dschi­ha­dis­ten los. Die begin­nen unter wie­der­hol­ten “Islam! Islam!”-Rufen zu dritt auf ihn ein­zu­ste­chen, doch anstatt zurück­zu­wei­chen, schlägt Lar­ner einen Haken nach dem ande­ren, wie­der­holt sein Feld­ge­schrei (weil’s so schön ist, noch­mal: “Fuck you, I’m Mill­wall!”) und ret­tet so unzäh­li­ge Menschenleben.

Das bes­te an der gan­zen Geschich­te: Der Vater einer Toch­ter über­lebt den Angriff und befin­det sich auf dem Weg der Bes­se­rung. Sei­ne Freun­de haben ihm ein Buch über das Lau­fen geschenkt, dut­zen­de Medi­en ste­hen Schlan­ge, um ein Inter­view mit dem frisch­ge­ba­cke­nen Hel­den zu ergat­tern. Wäh­rend also die gan­ze Welt bewun­dernd nach Lon­don schaut, gibt es eine Per­son, die sich über Lar­ners Ein­satz über­haupt nicht wun­dert: “I was­n’t sho­cked to be honest. He would­n’t care who fronts him up. He will give as good as he gets. […] He would­n’t care who it was or if they had a kni­fe or a gun”, sagt sei­ne Mutter.

Inzwi­schen gibt es eine Peti­ti­on, in der für Lar­ner das Georgs-Kreuz, der höchs­te bri­ti­sche Ver­dienst­or­den für Zivi­lis­ten, gefor­dert wird. Dage­gen stinkt der lite­ra­ri­sche Lor­beer­kranz eines Sonn­tags­hel­den viel­leicht ein wenig ab. Trotz­dem: Che­ers and Oi! an die Themse!

 

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (29)

Neffe Mannheims

11. Juni 2017 21:50

Was ist eigentlich aus HoGeSa geworden? Und was macht die EDL?

Isarpreiß

11. Juni 2017 23:11

Sellner schreibt ja immer, dass uns nur noch wenige Jahre blieben, um eine Wende herbeizuführen, wegen des Zahlenverhältnisses Ausländer / Inländer bei den Unter-30-jährigen. Warum? Warum diese Altersgrenze? Larner ist 47 und nimmt es allein gegen drei bewaffnete Junge auf. Und die europäischen Rentner sind doch wohl fitter und zahlreicher als je zuvor.

Zufällig stieß ich heute auf den Bericht eines weit entfernten Verwandten:

"Im Sommer 1945, kurz nach Kriegsende, zogen wir von Sailauf, wohin wir vor den Bomben geflohen waren, wieder zurück in unser beschädigtes Haus in der Stadt, Vater begann mit viel Energie, alles wieder zu richten. Auch im nahen Wald waren Bomben gefallen. Er fand eine in 6 m Höhe abgebrochene dicke Esche und ließ sich vom Förster genehmigen, sie zu Brennholz zu fällen. Zwei Polen - ehemalige Zwangsarbeiter - kamen dazu, fragten nach der Uhrzeit, sie hatten seine silberne Taschenuhr entdeckt und wollten sie haben.

Ich kapierte zunächst garnicht, was gespielt wurde. Aber Vater faßte seine Axt fester, stellte sich breitbeinig vor sie hin und ließ keinen Zweifel daran, daß er bereit ist, zuzuschlagen. Zum Glück kniffen sie und machten sich aus dem Staub. Da war er 66 - und die zwei feigen Räuber auch - zusammen."

Der Gehenkte

12. Juni 2017 00:54

Larners heroischer ad-hoc-Aktionismus ist ohne Zweifel bewunderswert aber auch kritisch zu sehen. Man sollte ihn allerdings im größeren Kontext betrachten, zum einen in der weit ausgefächerten Hooligankultur Englands, zum andern im Kontext des Sports und schließlich im Zusammenhang mit dem Verlust und Wandel der Rolle des Helden in der Moderne. Auch der Auftritt der Dresdner Fans in Karlsruhe erscheint dann in einem anderen Licht und Gareth Southgates Training bei den Marines ebenso ...

Siehe: Die letzten Helden

Stil-Blüte

12. Juni 2017 03:19

Ich verstehe Bahnhof.

Begriffe, Umstände, Personen, Vereine werden sonntäglich so ein- und vorgeführt,  als wüßte einjeder, daß dieser Sonntagsbraten so bekömmlich und zugänglich sei wie Kartoffeln, Salz, Butter. 

Ich aber verstehe Bahnhof. 

Frieda Helbig

12. Juni 2017 09:38

@Stil-Blüte:

Millwall FC ist ein Fußballverein aus London. Seine Fans gelten und galten als die schlagkräftigsten im Lande. Der Stadtteil und damit die Fans des Vereins sind geprägt durch Hafenarbeiter. Das Stadion wurde ehrfürchtig als die Hölle bezeichnet. Die Hooligans wurden in den 80ern zum Mythos.

Grüsse

Andreas Vonderach

12. Juni 2017 10:18

@Stil-Blüte -- "Ich verstehe Bahnhof"

Ehrlich gesagt geht es mir hier in letzter Zeit auch oft so. Viele Anspielungen auf Insiderwissen, zu viel Geistreicheleien. Die Autoren sollten sich Mühe geben, auch für (Noch-)Nichtinsider zu schreiben.

Bran

12. Juni 2017 14:16

Gehenkter: Ich habe den von Ihnen verlinkten Text gelesen und stimme da weitgehend zu. Was ich aber nicht begreife, ist, weshalb ich Roy Larners Draufgängertum "kritisch sehen" müsste. Bei aller intellektuellen Analyse: Da war EIN Mann in diesem Pub, der sich gerade machte. Dabei wurde er schwer verletzt, aber er blieb stehen.

Ob er das nun im "Den" und auswärts gelernt hat, ist dabei völlig unerheblich. Sein Verhalten soll ein Vorbild sein. Und nebenbei: Die Erlebnisorientierten der alten Schule sind auch noch in manch anderer Weise vorbildhaft. Zumindest wenn man sie mit dem täglichen Normalbürger ohne jedes Rückgrat vergleicht.

Der Gehenkte

12. Juni 2017 14:55

@ Bran

"Kritik" kommt von κρίνειν und bedeutet "unterscheiden", "differenzieren" und nicht, wie man heute meist falsch unterstellt, "verurteilen". Dazu gehört auch, nach den Motiven und Hintergründen einer Tat zu fragen und diese in die Bewertung einzubeziehen (Kant).

Der Artikel versucht nun genau diese Differenzierungen indem er die These wagt, Larner könnte weniger aus Patriotismus oder "Hilfsbereitschaft" zugeschlagen haben, sondern aus getriggerter und interiorisierter Fußballrivalität oder einfach nur, weil es - das Zuschlagen - seine eingeübte Art ist, Konflikte zu lösen. Das wird kein vernünftiger Mensch gutheißen können, auch wenn es diesmal den richtigen getroffen hat. Wie viele Zähne Unschuldiger ein solcher Mensch schon ausgeschlagen haben mag, sollte auch in die große Rechnung eingehen. Ich will die Summe gar nicht ziehen, aber die Summanden sollten doch benannt werden - es gibt sicherlich noch mehrere.

Man kann es auch in die Unterscheidung zwischen notwendiger und nicht notwendiger Gewalt gießen. Larners Tat gehört zur ersten Kategorie aber es ist anzunehmen, daß sein gesamtes "Training", das ihn zur ersten Tat erst ertüchtigte, zur zweiten und damit problematischen gehört.

Starhemberg

12. Juni 2017 16:17

@ Der Gehenkte - die erste Kategorie können Sie ohne die zweite nicht haben. Wir brauchen auch unseren eigenen Anteil an testosterongefüllten Raubeinen, Schlägertypen und Brutalinskis. Denn diese, welch Überraschung, stellten zu aller Zeit und überall hervorragendes Soldatenmaterial. Dafür muss man schon ein paar Zähne opfern.

Maiordomus

12. Juni 2017 17:39

Mit dem Insiderwissen der hier Mitlesenden und Mitschreiben ist es so eine Sache. So weiss man hier zum Beispiel, wer Rolf Peter Sieferle war, der verstorbene Autor, dessen Werk Finis Germaniae es versehentlich zu einer Buchempfehlung gebracht hat, was laut der Frankfurter Allgemeinen von heute einen riesigen rechtsextremen Skandal bedeutet. Ein Diskussionsklima dieser Art, welches für denjenigen Folgen haben wird, der das Buch gut fand, bedeutet selbstredend das Ende von Meinungs- und Gedankenfreiheit. Man stelle sich vor, einer, der ein Werk des Ethikers Peter Singer empfiehlt, würde automatisch als Extremist vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen, ein Zustand zwar, von dem wir einmal nicht weit entfernt waren. Mir selber wurde einmal ausdrücklich verboten, über die Gnadentodthese Singers einen Abituraufsatz schreiben zu lassen. Und selbstverständlich haben auch Adorno oder meinetwegen Carl Jaspers dann und wann Sätze geschrieben, die sich extremistischer anhören als was Sieferle unselig, er nahm sich bekanntlich das Leben, zur Diskussion stellt.

Der Gehenkte

12. Juni 2017 17:42

@ Starhemberg

Das heißt, in der Konsequenz, Sie würden einem Roy vergeben, der Ihnen, weil Sie vielleicht zufällig das falsche Shirt getragen haben, die Zähne ausgeschlagen hat, denn er er ist (vielleicht) der potentielle Verteidiger des Vaterlandes und schließlich braucht die Gesellschaft Schlägertypen. (Diese verquere Logik kennt man aus anderen Lagern) Keiner dieser Typen hätte eine Chance, in eine Eliteeinheit aufgenommen zu werden, denn dort geht es in erster Linie um Kanalisierung der Gewalt. Nein, wir brauchen keine Schläger - wir brauchen Kraft und Entschlossenheit und, wenn es ein muß auch die Fähigkeit, grausam zu sein ... aber mit Köpfchen und Beherrschung. Der Artikel ist keine Verherrlichung des Rowdietums, sondern ein Trauergesang über das Verschwinden des Helden und eine bedauernde Bestandsaufnahme eines kümmerlichen Restes.

Hartwig aus LG8

12. Juni 2017 17:46

""Man kann es auch in die Unterscheidung zwischen notwendiger und nicht notwendiger Gewalt gießen. Larners Tat gehört zur ersten Kategorie aber es ist anzunehmen, daß sein gesamtes "Training", das ihn zur ersten Tat erst ertüchtigte, zur zweiten und damit problematischen gehört.""

Bei allem Respekt @ Gehenkter, aber das ist absolut abwegig. Wann haben Sie ganz persönlich das letzte mal "notwendig" Gewalt angewendet; und zwar unter Einsatz Ihres Lebens?? Es liegt mir fern, Sie zu Offenbarungen zu bewegen, aber Ihre Vorstellungen  sind die des Blinden über die Farbenpracht.

Henrik Linkerhand

12. Juni 2017 18:14

Larner entstammt einer Hool-Generation, die in den 90er Jahren ihre "Sozialisation" erhalten hat; solche alten Haudegen sind heute fast ausgestorben. Der FC Millwall ist wohl am besten mit dem BFC Dynamo zu vergleichen. Die ergrauten Kämpfer und ehrbaren Familienväter sitzen am Abend im Vereinsheim am Sportforum Berlin beim Bier und schwelgen in Erinnerungen. Beim Sinnieren schauen sie manchmal aus dem Fenster und sehen die einzelnen Mannschaften beim Training unter Flutlicht zu. Selbst mitten in Ostberlin kaum noch deutsche Fußballspieler. Wir sind Dinosaurier, sagen sie, und bestellen traurig noch ein Bier. Einmal im Jahr kommt per SMS die Einladung an die Ehemaligen: Erscheinen bitte mit Stock und Hut  - Dann werden die alten Wunden geleckt, die gewonnenen Schlachten mit den Jahren immer ruhmreicher und die Zahl der besiegten Feinde steigt mit jedem Bier. Auf dem Smartphone werden die Kinder begutachtet und mit "die sind aber groß geworden" der eigene Alterungsprozess beklagt. Wo sind sie geblieben, die guten alten Zeiten...?

sophia_

12. Juni 2017 20:21

Danke für dieses Kaleidoskop an Sonntagshelden, mal mehr - mal weniger sympathisch, mal mehr oder weniger kantig!

Immer unterhaltsam, kleine Ausschnitte aus dem Heldenleben da draussen in der Welt.

Ich mag die Kolumne, man kann immer gespannt sein, wer als nächster Held gekürt wird.

siegfried

12. Juni 2017 20:36

Meine Güte, da passiert es ein einziges Mal, dass sich ein Europäer gegen Fremde Angreifer wehrt, und hier gibt es elendes Geschwafel und Gejammer. Genau deshalb stoßen mich diese hypergebildeten "Konservativen" zeit Lebens so dermaßen ab. Erinnern mich immer an die schottischen Edelleute aus Braveheart, die vor der Schlacht feige davonreiten.

Maiordomus

12. Juni 2017 21:14

Der hier aus aktuellem Anlass zuletzt genannte Sieferle, @sophia_, war kein Sonntagsheld, sondern wenn schon, ausser für sich selber, a Man for all seasons, wie Thomas Morus mal gekennzeichnet wurde.

Stil-Blüte

12. Juni 2017 22:26

@ Frieda Helbig

Besten Dank für die Aufklärung.

Besser noch, hätte der Autor sich selbst gemeldet oder wäre bereit gewesen, sich zu erklären.  Hätte Dynamo Dresden ebensoviel Heldentum hergegeben?

@ Andreas Vonderach

'Die Autoren sollten sich Mühe geben, auch für (Noch-)Nicht-Insider zu schreiben.'

Ich denke wie Sie.  Da jeden Sonntag ein neuer hoffnungsvoller Sonntags-Held, gestiefelt und gespornt, auftritt, dürfen wir vielleicht einen frischen Rekruten ohne 'Cheers and Oi! von der Themse' , vielleicht aber mit dem Schillerschen Schlachtruf:

Wohlan, Kameraden, auf's Pferd, auf's Pferd/ in die Freiheit gezogen...

erwarten. 

Ich hab' Schwierigkeiten mit dem Sonntags-Helden. Am Montag ist alles vorbei. Kein Sonntagsbraten, keine Sonntagsfahrer, keine Sonntagsruhe. Nur Sonntagskinder scheinen unanfechtbar zu sein. 

 

 

 

 

Locke

12. Juni 2017 22:30

Sicher ist die Hooligan Kultur nicht geeignet um unsere gesellschaftlichen Probleme zu lösen, aber die Standhaltigkeit dieser Subkultur kann Vorbild sein. 

Der Schlachtruf des FC Millwall lautet: 

No one likes us, no one likes us
No one likes us, we don't care!

We are Millwall, super Millwall
We are Millwall from The Den!

Man mag uns Rechte in diesem "besten aller Deutschlands" auch nicht. Aber das sollte uns egal sein. Wir verbiegen uns nicht. Und wir biedern uns nicht an. 

Der Gehenkte

13. Juni 2017 00:21

@ Hartwig aus LG8

"Es liegt mir fern, Sie zu Offenbarungen zu bewegen"

Ich habe meine Schlachten mit BFC-Fans u.a. geschlagen, ob sie es glauben oder nicht, in schwarz-gelb. Ein Fehler ...

Hartwig aus LG8

13. Juni 2017 00:49

@ Gehenkter

Im allgemeinen mag ich Ihre Kommentare. Aber hier verrennen Sie sich. Und Ihr Abheben auf "Eliteeinheit" verdeutlicht das besonders, denn im normalen Alltag begegnen sich nicht Elitesoldaten.

Es gibt ihn, den braven Bürger, der durch eine Erschütterung zum Berserker wird und ohne Kontrolle und Rücksicht auf sich selbst und andere um sich schlägt. Es ist der eine unter tausend. Die extreme Ausnahme, von der ich nicht rede.

Wer aber, wie der Hooligan Larner, sich drei bewaffneten Angreifern stellt, der muss Gewalt außerhalb des Kontextes "Spiel" und "Training" erlebt haben. Der muss vor allem schon erfahren haben, wie es sich anfühlt, vermöbelt worden zu sein  - ernsthaft und ohne geschriebene Regeln. Er muss seine Nehmerqualitäten kennen, seinen eigenen Mut und dessen Grenzen kennen; schlicht: er muss sich als Kämpfer unter entsprechenden Umständen schon kennengelernt haben. Und "entsprechende Umstände" waren bei Larner wohl diese: sich drei entschlossenen Typen gegenüber zu sehen, und den Kampf zu wagen. Wer von uns kann das schon von sich behaupten, geschweige denn als Mehrfach-Erfahrung?

Nicht, dass ich Ahnung vortäuschen will. Meine Erfahrungen stammen aus Jugendjahren, in denen ich mich als Leichtgewicht in DDR-Oberliga-Fußballstadien rumtrieb. Und da gab es Momente, wo es hieß: laufen oder stehen. Messer waren nie im Spiel. Aber im Extremfall: man entschied sich für Stehen und konnte danach nicht mehr laufen, nicht einmal mehr kriechen.  Das alles ist längst vorbei. Und doch ein bissel Wehmut nach der Zeit, als die "Wirtshausschlägerei" noch kein Fall für Anzeigen, Anwälte und Gerichte, geschweige denn für empörte Berichterstattung war.  "Köln" wäre damals nicht zu denken gewesen.

Der Gehenkte

13. Juni 2017 01:27

@ Hartwig aus LG8

"Bei allem Respekt @ Gehenkter, aber das ist absolut abwegig. Wann haben Sie ganz persönlich das letzte mal "notwendig" Gewalt angewendet; und zwar unter Einsatz Ihres Lebens?? Es liegt mir fern, Sie zu Offenbarungen zu bewegen ...."

Sorry, das trifft mich. Ich weiß wovon ich spreche. Ich stand BFC, Union, Chemie, Hansa, Rot-Weiß, FCK, Lok, Sachsenring, Wismut ... gegenüber. Ich habe gesehen, wie Leute zum Krüppel geschlagen wurden, ich stand einer Machete gegenüber, die ein Chemie-Fan unter dem Parka hervorzog, ich habe gesehen, wie neben mir jemand am eigenen Schal stranguliert wurde, ich habe in Karl-marx-Stadt die Flagge verteidigt und gegen Hansa mein Portemonnaie, ich habe im Pokalfinale 84 im Stadion der Weltjugend (2:1) zum ersten Mal die Aufrolltaktik des BFC (beeindruckend!) erlebt und dort fast einen Zahn verloren, ich weiß wo man in Zwickau oder Aue aufpassen muß und kann ihnen zu jeder Truppe was erzählen ... Union und Chemie waren die gefährlichsten, später der BFC, Skins, eine ganz neue Qualität ...

Im Gegensatz zu Larner habe ich mich davon aber emanzipiert. Daher nehme ich das Selbstbewußtsein, über diese Typen auch urteilen zu können. Später habe ich die Literatur über die englischen "firms" studiert und die Jungs auch in action gesehen, beim gemeinsamen pint aber auch anderswo (als Zeuge). Im Gegensatz zu Ihnen  kenne und erkenne ich Leute wie Larner - sie heißen Alan, Paul, Roy, Adam, Jason, Tony and so on.

Cacatum non est pictum

13. Juni 2017 03:44

@siegfried

Meine Güte, da passiert es ein einziges Mal, dass sich ein Europäer gegen Fremde Angreifer wehrt, und hier gibt es elendes Geschwafel und Gejammer. Genau deshalb stoßen mich diese hypergebildeten "Konservativen" zeit Lebens so dermaßen ab. Erinnern mich immer an die schottischen Edelleute aus Braveheart, die vor der Schlacht feige davonreiten.

Sie sprechen mir aus der Seele. Ich weiß nicht mehr, wer es war, aber irgendjemand soll gesagt haben, die Konservative Revolution könne man mit einem Absperrband aufhalten.

Bran

13. Juni 2017 10:16

Gehenkter: Ich danke für die wortreiche Aufklärung über den Begriff "Kritik". Falls ich das nächste Mal in einer Kneippe in die Situation kommen sollte, jemandem von einer anderen "Firm" eines mit der Bierflasche überziehen zu müssen, werde ich das unter Einbezug aller Kritik tun.

Dabeneben: Aus welchen Gründen Herr Larner zugeschlagen hat, ist mir zumindest so richtig von Herzen egal. Was Sie ansonsten über die Hooligan-Kultur so schreiben, scheint mir ein wenig arg verkürzt. Es ist das übliche Mischen von Klischees und Halbwahrheiten, die intellektuelle Rechte vom "rechten Bodensatz" so pflegen. Dass man von Mr. Larner die Zähne ausgeschlagen bekäme, weil man das falsche T-Shirt anhat, ist eher unwahrscheinlich. Dass man aber ein paar Zähne verlieren könnte, wenn man gewisse andere Kleidungscodes der Szene mit besagtem T-Shirt verbindet und sich auch sonst zu einer "Firm" zugehörig zeigt, ist hingegen hochwahrscheinlich.

Heute gibt es zum grössten Teil nur noch eine Mischform von Hooligans und Ultras, die in der öffentlichen Wahrnehmung auftauchen und das schöne Hobby des Hooliganismus geniesst einen unverdient schlechten Ruf. Ich habe noch nie begriffen, was dagegen sprechen sollte, dass sich Leute zu einer gepflegten Schlägerei treffen. Aber die Hochintellektuellen von Rechts wie Links pflegen ja eine gewisse Schreckhaftigkeit, wenn es mal ein wenig hoch her geht.

Notwendige und nicht-notwendige Gewalt....nun, das ist ein weites Feld. Um am Ende in einer Kneipe auf ein paar Islamisten zustürmen zu können und ihnen was zu verpassen, muss man vorher schon ein wenig Übung in nicht-notwendiger Gewalt verinnerlicht haben, sonst geht das eher nicht. Und dann stellt sich letztlich wieder ganz simpel die Frage, ob diese Gewalt vorher wirklich nicht-notwendig war.

Jedenfalls würde ich lieber mit Herrn Larner ein Bier trinken gehen und einen Abend lang einfache aber spannende Geschichten austauschen als mit Ihnen (tschuldigung dafür) über den Begriff Kritik zu diskutieren und ob es nun praktischer ist, ein Wort in seiner Bedeutung von vor zweitausend Jahren zu benutzen oder den heute allgemein üblichen Bedeutungsinhalt zu meinen.

Frieda Helbig

13. Juni 2017 11:01

@alle mehr oder weniger emanzipierten ExHools:

Ich denke, daß das Donavans "Weg der Männer" so ziemlich viel von dem enthält, was hier gerade diskutiert wird. Müssen wir das hier nochmal ausdiskutieren?

Gegenseitiger Respekt auch vor dem unterlegenen Gegner war und ist ein wesentliches Element zumindest der europäischen Ausprägung der Hooligans. Wichtig war sich zumindest gerade gemacht zu haben. Für mich findet diese Grundhaltung seinen Ausdruck in folgendem wunderbaren Zitat: "Wer schon einmal verlassen von seinen Freunden im Gras gelegen hat, weiß den Wert guter Feinde zu schätzen."

Bran

13. Juni 2017 11:23

Gehenkter: Nun wurden auch noch Ihre Schlachtenerinnerungen freigeschaltet. Da nehme ich natürlich den Vorwurf der Schreckhaftigkeit an Ihre Adresse zurück. Was aber das "emanzipieren von..." und "ein Fehler..." anbelangt: Sehe ich nicht so. Männer müssen kämpfen.

Der Gehenkte

13. Juni 2017 14:07

Es geistern hier doch einige Klischees herum, die sich nur durch Unkenntnis der Realität aufbauen können.

Der Hooligan-Kampf ist kein sauberer Kampf. Es ist in der Regel ein schmutziger Krieg, der keine Hemmungen kennt, weder bei am-Boden-Liegenden, noch bei Unbeteiligten, Frauen, Kindern... Dieser viel gerühmte "Ehrencodex" ist eine urban legend , mir nie begegnet - man mag ihn bei einigen vorab organisierten "gepflegten Schlägereien" tatsächlich vorfinden, aber er ist nicht die Norm.

Auch kann ich versichern, daß der pädagogische Wert, von fünf, sechs Leuten notfallreif zusammengetreten zu werden - inklusive Kopfsprünge - vergleichsweise gering ist. Nichts mit Abhärtung und ähnlichen Mythen.

Wer kämpfen will - "Männer müssen kämpfen" - soll boxen gehen oder Schach spielen. Ich habe mich irgendwann für Letzteres entschieden und es nie bereut.

Bran

13. Juni 2017 14:39

Gehenkter: Mein Erleben war (meistens) ein Anderes. Natürlich gibts am Boden nochmal eins nachgetreten, aber es scheint, wir waren bei anderen Spielen oder dann, das kann gut sein, hatte ich einfach stets Glück, während Sie die ganze Bandbreite des Erlebbaren sahen.

Ihr Verhalten habe ich indes bei Ausflügen mit den Autonomen häufig erleben dürfen. Dort herrschte eine Hemmungslosigkeit und ein Vernichtungswille, der mir so beim Fussball nie unterkam.

Frieda Helbig

13. Juni 2017 21:28

Energischer Widerspruch:

Der Ehrenkodex unter Freunden der 3. Halbzeit ist sicher keine Legende.

Daß sich nicht alle daran halten bzw gehalten haben, stimmt sicherlich. Genauso wurde er oftmals aber auch eingehalten. Aber daß es ihn nie gab, ist falsch!

Stil-Blüte

13. Juni 2017 23:11

Ganz erstaunlich, was sich hier für männliche Hinter- bis Ab-Gründe bei gestandenen Foristen, die dennoch nur so etwas wie, wenn auch verschärft, Jugendsünden gewesen sind, auftun. Manches wächst sich einfach aus.

Bei Ringkämpfen von Jungs haben wir Mädchen dabeigestanden; zitternde Zuschauer. Doch das permanente Beinestellen, Anrempeln, Hinterrücksschlagen usw. gegen Schwächere mit gemeinem Feixen - an so etwas kann ich mich nicht erinnern. Auch war das Gröhlen der Fußballanhänger garantiert nicht so abgrundtief räudig.  

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.