und dabei manchmal auch ihre eigene Sympathisantenbasis vor den Kopf zu stoßen. Das Verständnis dieser Dialektik ist besonders wichtig, bedeutet es doch auch das Begreifen des Unterschieds von Partei und Bewegung.
Dazu erst einmal eine Metapher: Die Bewegung hat die Funktion der Axt, die Partei die des Pfluges. Die Bewegung erschließt metapolitisches Land und macht es urbar. Sie wühlt auf und ist disruptiv. Die Partei beackert und bearbeitet das erschlossene Gebiet. Während sie sich stets im Rahmen des Möglichen und Gangbaren bewegt und durch geschickte „Triangulation“ die anschlußfähigste Position sucht, muß die Bewegung den Rahmen selbst aufbrechen und erweitern.
Die primäre Aufgabe der Partei ist die Gewinnung realpolitischer Macht durch die Maximierung von Stimmen. (Es sei denn, sie ist eine „taktische Bewegungs-Partei“, die als radikale Flanke für die eigentlich entscheidende Partei dienen will.) Ihr Erfolg mißt sich zuletzt am Wahltag in einer quantitativ bemessbaren Stimmenzahl, für die sie ihre Forderungen so anschlußfähig wie möglich positionieren muß. Das Werkzeug der Provokation sollte von ihr, wenn, eher zur Gewinnung von Aufmerksamkeit angewandt werden.
Die metapolitische Bewegung – und deswegen ist sie für eine Partei unerläßlich – bearbeitet den Rahmen der „Normalität“, in welchem die Partei nach Anschlußfähigkeit sucht. Um ihn zu erweitern, muß sie regelmäßig, gezielt und kontrolliert die Grenze des Sagbaren überschreiten.
Ihr Element ist die Provokation. Doch diese ist nur wirksam, wenn sie eine Masse an Sympathisanten erreicht. Die Bewegung muß eine ausreichende Masse an Aktivisten und Sympathisanten sammeln, um langfristige Strategien des zivilen Ungehorsams und Kampagnen gegen die Pillars of support (Gene Sharp) der herrschenden Ideologie zu fahren.
In diesen Unternehmungen, und um den Rahmen zu erweitern, muß die Bewegung notwendig polarisieren und Aktionen vorlegen, die das Schweigen brechen. Auch wenn viele ihrer Meinung sind, gibt es in der Mitte der Gesellschaft und insbesondere rechts von ihr eine prinzipielle Gegnerschaft zu politischem Aktivismus. Das bedeutet, daß die Bewegung, je mehr sie provoziert und polarisiert, auch an Anschlußfähigkeit verliert und ihre Sympathiebasis verjüngt, die sie zur metapolitischen Wirksamkeit benötigt. Damit ist das Paradoxon auf den Punkt gebracht. In ihm zeichnen sich zwei verschiedene Aufgabenbereiche ab.
Es handelt sich dabei um das mittlerweile vielzitierte Overton window. Es ist der Raum des Sagbaren, an dessen Mitte sich seine betriebsblinden Insassen orientieren. In unserem hypermoralischen, totalitären Sozialstaat bedeutet die Kontrolle dieses Raums auch die Deutungshoheit über die zu „Grundwerten“ mutierten Grundrechte und damit die absolute Macht. Souverän ist heute, wer über den Rahmen der Political correctness bestimmt. Auch die rechtspopulistischen Parteien müssen sich in ihrer Aufgabe der Stimmenmaximierung diesem Souverän beugen.
Leider „naturalisieren“ viele diese pragmatische Notwendigkeit zur politischen Tugend. Sie verdrängen, daß das gesamte Bezugssystem seit Jahrzehnten nach links gerückt ist. Deswegen ist Lenins Kritik am „Opportunismus“ auch heute noch treffend: „Gegenwärtig machen wir Opposition, und NACH Eroberung der Macht werden wir weiter sehen. DIE REVOLUTION VERSCHWINDET! Das war gerade das, was die Opportunisten brauchten.“
Die Revolution, das ist in unserem metapolitischen Konflikt der Aufstand gegen die Political correctness und die Talfahrt in den links-universalistischen Wahnsinn, auf der sich das Overton window seit Jahrzehnten befindet. Jeder, der diese großen Zusammenhänge nicht sieht und sich „mittig“ orientieren und am „Massengeschmack“ anpassen will, OHNE diesen abzuholen, zu bilden und in die Gegenrichtung zu ziehen, macht sich zum Handlager der Gegner.
Er glaubt, zur Mitte und zur „Normalität“ zu streben, geht aber objektiv in Richtung des linken Extrems, das uns heute als „neue Mitte“ verkauft wird. Die Beispiele sind Legion. Daß es auf einmal „völkisch und rassistisch“ ist, ein ethnisch und kulturell homogenes Land zu wollen, daß Geburtenförderung automatisch unter „Lebensborn“-Verdacht steht, daß wir den Bevölkerungsaustausch und den Status als „Einwanderungsland“ als Normalität hinnehmen müssen, daß Kriegerdenkmäler entfernt und die Genderideologie im Lehrplan immer früher angesetzt wird – all das ist Ergebnis der linken Verschiebung des Overton windows.
Wie können Partei und Bewegung dagegenhalten? Wie verschiebt man dieses Fenster, wenn man keine Deutungshoheit innehat? Das Mittel ist die planmäßige, anschlußfähige Provokation. Die Normalitäten, die derzeit noch als „zu extrem“ gelten, müssen regelmäßig, sichtbar und provokant im Diskurs platziert werden. Der Grenzgang über den Rand des Fensters muß von einer Avantgarde regelmäßig durchgeführt, wiederholt und etabliert werden, bis sie kleine metapolitische Außenposten errichtet. Diese Aktionen schleifen sich in den Diskurs ein und verändern ihn.
Sofern sie die zentralen Ressourcen Aufmerksamkeit und Zuspruch der Masse erhält, führt diese Wiederholung zu Normalisierung und Etablierung. Das, was als „zu extrem“ gilt, wird neu verhandelt, und das politische Fenster rückt in die Gegenrichtung. Drei Schritte vor und zwei zurück – das war die Taktik der linksradikalen Fundis und linksmoderaten Realos. Zwischen gezielten Schocks und konzilianter Gemütlichkeit zwangen sie die metapolitische Landschaft Deutschlands nach links. Die notwendige und überfällige Antwort kann und muß sich derselben Mittel bedienen.
Forderungen nach Grenzschließung und Remigration, dem Erhalt unserer ethnokulturellen Identität und einem Ende der Zensur müssen so lange wiederholt werden, bis das Overton window wieder in eine gesunde Mitte gerückt ist. Dabei gilt: Die vielen kleinen Stiche und Vorstöße über seine gut bewachte Grenze sind nur effektiv, wenn sie eine große Gruppe aus dem oppositionellen Lager „mitreißen“. Wenn sie keine Sympathisanten mit über die Grenze ziehen, sind sie sinnlos. Sie „bespielen“ nur das Bestehende, was zwar einen Mann (oder eine ganze Redaktion) ernähren, aber nicht die notwendige Lageänderung herbeiführen kann.
Die „anschlußfähige Provokation“ ist der Weg aus dem Polarisierungs-Paradox. Sie erfordert zum ersten eine provokante Gelassenheit der aktivistischen Bewegung. Unser Ziel kann gar nicht sein, allen und jedem zu gefallen. Frances Fox Pivon schreibt in ihrem Buch Challenging Authority: „Konflikt ist der Herzschlag sozialer Bewegungen.“ Die Polarisierung „zwingt die Menschen, sich zu fragen, wo sie in bezug zu Themen stehen“. „Protestbewegungen drohen, die Mehrheitskoalitionen, die Politiker emsig zusammenhalten wollen, zu spalten. Um die folgenden Abgänger zu verhindern oder die Abgänger aufzuhalten, initiieren Politiker neue öffentliche Standpunkte.“ Genau so ist die Übernahme der AfD- und FPÖ-Forderungen durch CDU und ÖVP zu verstehen. Sie ist kein Grund zur Verzweiflung, aber auch kein Grund zum Feiern, sondern zum gestärkten Vorstoß gegen das linkslastige Overton window.
Dieser gerät notwendig in Konflikt mit der habituellen Bequemlichkeit und Feigheit der „subjektiven Mitte“, die ungern an den Veränderungsbedarf der objektiven Lage erinnert wird. Das Phänomen, daß das oppositionelle Lager zwar mit den Ideen der Bewegung, weniger aber mit ihren Aktionsformen sympathisiert, ist so alt wie politischer Widerstand selbst. Man darf keine Angst davor haben, auch aus den eigenen Reihen Kritik zu ernten. Viele Aktionen der IB (wie etwa die Audimax-Störung) wurden von gemäßigten Fans bereits als „zu radikal“ bekrittelt.
Doch hier befinden wir uns in guter Gesellschaft. Auch die erfolgreichen Polarisierungsstrategien von Martin Luther King und Mahatma Gandhi wurden von befreundeten Zeitgenossen als kontraproduktiv betrachtet. So ging es King nach dem bekannten „Projekt C“, der gezielten Konfrontationstaktik in einer der Hochburgen der Apartheid, nämlich Birmingham. Massive Polizeigewalt und Festnahmen waren provoziert worden, und auch King selbst war in Haft, da er sich einem Versammlungsverbot widersetzt hatte.
Als er seinen bekannten „Gefängnisbrief“ schrieb, hagelte es Kritik von Seiten der liberalen, weißen Unterstützer. „Wir verstehen die Ungeduld der Menschen, die das Gefühl haben, daß ihre Hoffnungen nur langsam realisiert werden“, schrieb eine Gruppe von acht bekannten, liberalen Bürgerrechtlern aus Alabama, „aber wir sind überzeugt davon, daß diese Demonstrationen unklug und nicht zeitgerecht sind.“ Damit würde King die gesamte „Mitte der Gesellschaft“ verschrecken.
Auch Gandhis Widerstand wurde von den Opportunisten seiner Zeit als kontraproduktiv betrachtet. Doch er ist ebenso „kontraproduktiv“, wie der Konter im Fußball die eigene Abwehr schwächt – also kontraproduktiv aus den Augen des Tormanns. Der Blick des Trainers muß allerdings das Ganze im Auge behalten und erkennen, wo und wann Polarisierung und anschlußfähige Grenzüberschreitung geboten ist.
In ihrem Buch This Is an Uprising fassen das Mark und Paul Engler gut zusammen. Die politische Bewegung
benutzt Disruption, Opferbreitschaft und Eskalation, um Spannung aufzubauen und übersehene Themen ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu bringen. An ihrem Zenit will sie ‘Moments of the whirlwind’ erzeugen, in denen Ausbrüche dezentraler Aktionen weit über die institutionellen Grenzen ihrer Organisation hinausgehen. Sie ist bereit, die öffentliche Meinung zu polarisieren und die Kontroversen zu riskieren, aber behält eine gewaltlose Disziplin bei, um sicherzustellen, daß die breite Basis der Unterstützung nicht unterminiert wird. Und sie ist sich bewußt, daß sie mit anderen Organisationsformen zusammenarbeiten muß, um Erfolge zu institutionalisieren und eine Gegenkultur aufzubauen, die Widerstand über eine lange Zeit aufrechterhalten kann.
Das Paradox der politischen Identität und der Polarisierung zu verstehen und zu meistern, ist eine tägliche Aufgabe, mit der die „Köpfe“ der neuen patriotischen Bewegung meist recht alleine dastehen. In diesem Text wollte ich sie erstmals darlegen, um möglichst viele Mitglieder dieser Bewegung zum Mitdenken anzuregen. Zwischen allen Überlegungen und Abwägungen kristallisiert sich ein einziges, klares Gebot heraus: Struktur, Ordnung und Disziplin. Die verschiedenen Teile des Lagers können am besten funktionieren und zusammenwirken, wenn sie ihre verschiedenen Aufgaben im Ganzen verstehen und damit die Notwendigkeit einer klaren Trennung erkennen.
Insbesondere das Polarisierungs-Paradoxon ist eigentlich keines, sondern stellt aus einer höheren, strategischen Position verschiedene Aufgabenbereiche dar. Man kann nicht gleichzeitig Parteipolitiker und Aktivist einer Bewegung sein, ebensowenig wie man gleichzeitig Tormann und Stürmer sein kann. Die Provokation durch Überschreitung des Overton window und die Gewinnung der mittigen Masse schließen sich aus, müssen aber zusammenwirken. Keiner wird dem Tormann vorwerfen, daß er den Ball in die Hand nimmt, oder dem Stürmer vorhalten, daß er den Strafraum verläßt. Ebenso kann keiner der Bewegung vorwerfen, daß sie polarisiert, eine exklusive politische Identität und provokante Gegenkultur aufbaut, während die Partei die Aufgabe hat, in der so gelockerten politischen Landschaft neue Mehrheiten zu bilden und realpolitische Erfolge zu erzielen, was, wie Lenin ebenso weiß, nicht geht, ohne zu „lavieren, zu paktieren, im Zickzack vorzugehen, Rückzüge anzutreten und ähnliches mehr“.
Die Aufgabe der Parteien und mittig orientierten Zeitungen und Thinktanks ist es, bei ihrem notwendigen Abholen der Mitte nicht den Zielort zu vergessen. Sie müssen erkennen, wo und wann der Rahmen sich erweitert und das von der Bewegung erschlossene Gebiet rasch gesichert und „besiedelt“ werden muß. Je weniger sie institutionell mit dieser Bewegung vernetzt sind, desto erfolgreicher ist das möglich. Die klare Trennung und Arbeitsteilung ermöglicht erst ein metapolitisches Zusammenwirken und eine effektive Solidarität im Fall der Dämonisierung und Repression.
Lassen sich Partei und Co jedoch von dem Polarisierungs-Paradox ins Boxhorn jagen und nutzen die abschreckende Wirkung der Provokation als Grund, um sich rasch bei der Mitte anzubiedern, sind sie zu Agenten des Linksrucks geworden. Für die Arbeit an einem gemeinsamen Ziel ist ein zumindest indirekter, intellektueller Austausch notwendig. Meine Überzeugung ist, daß dieser um so besser funktioniert, je klarer sich jeder seiner Aufgabe und Funktion bewußt ist, kurz: je mehr der Tormann Tormann und der Stürmer Stürmer ist.
Die metapolitische Katastrophe wäre eine in ihrer eigenen sektiererischen Hyperidentität verschlossene, versprengte Bewegung, die sich weitab des Overton window als „Avantgarde“ wähnt, während sie längst den Kontakt zum Haupttroß verloren hat. Dieser wird indes von einem stil- und visionslosen Opportunistenklub namens „Partei“ unter vorauseilendem Distanzieren „zur Mitte“ geleitet. Beides sind Fluchtbewegungen ins Extrem, die sich einstellen, wenn ein strategisch-geistiges Zentrum fehlt.
Der Anarchismus war nicht selten eine Art Strafe für die opportunistischen Sünden der Arbeiterbewegung. Beide Auswüchse ergänzten einander. (Lenin)
Diese Katastrophe kann nur verhindert werden, wenn die kurzsichtigen Egoisten in beiden Lagern, die nur ihre Rolle, nicht aber das Spiel verstehen, nichts zu melden haben. Ordnung und Struktur müssen einkehren, um die neue patriotische Bewegung durch die Meerenge der politischen Paradoxien zu schiffen. Nur wenn sich in allen Gruppen, Parteien und Bewegungen eine neue, metapolitische Elite durchsetzt und jeweils die Opportunisten und Extremisten, Visionslosen und Anarchisten entmachtet, kann das große Werk gelingen.
PS: Um diesem Artikel zu höherer Aufmerksamkeit und der Sezession zu Klicks zu verhelfen, benenne ich als Vertreter der „mittig orientierten Zeitungen“ unter anderem Rainer Meyer aka Don Alphonso, Roger Köppel, Henrik Broder, Jan Fleischhauer, Christian Ortner, Michael Fleischhacker, Rüdiger Safranski, Robin Alexander und Alice Schwarzer. Mögen sie erkennen, daß ihre subjektive Mitte objektiv linksextrem und für die Herren des Diskurses die neurechte Bewegung letztlich nur ein Epiphänomen des liberalen, begrenzten Rechtsstaats und der Eigentumsfreiheit ist.
Abdiel
Der rechte Mann zur rechten Zeit. Sans pareil. DANKE!