Das war’s. Diesmal mit: Monatsende, Weltende, alles Sense

23.6.2017 -- Wir hatten mal wieder unsere Lokalzeitung, die „Mitteldeutsche“, zur Probe. Was für ein Elend!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

In mei­nem Eltern­haus galt: Anstän­di­ge Leu­te hal­ten sich die ört­li­che Tages­zei­tung. Wie will man sonst mit­re­den? Nach­barn, die sich statt der Offen­bach-Post etwa die Frank­fur­ter Rund­schau oder die FAZ hiel­ten, gal­ten als lin­ke Spin­ner oder „über­kan­di­delt“. Als Kind konn­te ich das direkt nach­voll­zie­hen. So war’s ja!

Dar­um hab ich seit 2002 meh­re­re Ver­su­che unter­nom­men, mich an die ört­li­che Mit­tel­deut­sche Zei­tung zu gewöh­nen. Stets aber die­ses ungu­te Schwan­ken: Zwi­schen äußers­ter Belus­ti­gung (Die­se Stil­blü­ten! Die­ser Haus­frau­en- bzw. Gara­gen­ho­cker­ton!) und Hor­ror (Haben die alle ihren Deutsch­un­ter­richt nach der sieb­ten Klas­se abge­bro­chen? Ist das also Sach­sen-Anhalt?). Nee, es ging nicht.

Nun war der Wer­be­mensch mit sei­nem MZ-Stand am real-Super­markt so nett: Na gut. Eine (wei­te­re) Chan­ce bekommt jeder (immer).

Tat­säch­lich berei­cher­te das Blätt­chen unser Früh­stück: Lese-Fund­stü­cke wur­den hin und her geru­fen, eine schrä­ge Meta­pher jag­te die nächs­te; eigent­lich war‘s eine Gaudi.

Am Mitt­woch dann unter der Rubrik „Mit­tel­deutsch­land“ ein Groß­ar­ti­kel unter der Über­schrift „Die rech­ten Mis­sio­na­re“, auch „neue Natio­na­lis­ten“ genannt.

Klar: wir. Es geht um uns.

Über die Stil­blü­ten gehe ich mal hin­weg. Fazit: Die­se schlim­men, schreck­li­chen Typen (wir also: „rechts­au­tori­tär“ – muß ich mir mer­ken!) sind nach Sach­sen-Anhalt gezo­gen, weil es hier „kaum Aus­län­der“ gäbe und „noch ein deut­scher Geist“ herr­sche. Logo, exakt unse­re Denk- und Rede­wei­se! Unser Haus: „gelb getüncht“.

Insi­nu­ie­ren­de Zwi­schen­fra­ge: „Kippt da etwas in Rich­tung Gewalt?“ Man will es nicht beschwö­ren, selbst nach Befra­gung lin­ker Auto­ri­tä­ten nicht, aber man fühlt sich doch irgend­wie unheilsschwanger.

Na gut. Kennt man ja unge­fähr. Am nächs­ten Tag geht es im glei­chen gro­ßen For­mat, in der­sel­ben MZ-Rubrik um ein paar der 43 ding­fest gemach­ten afri­ka­ni­schen Dea­ler, die in Hal­le ihr Unwe­sen trie­ben. Denen wird gera­de der Pro­zeß gemacht. 

Wie anders ist die Spra­che hier, wo es nicht um „brand­ge­fähr­li­che“ (in Wahr­heit ziem­lich geset­zes­treue) Neu­rech­te geht, son­dern um arme Men­schen, die kei­nen ande­ren Aus­weg aus ihrem Unglück fan­den, als ins Dro­gen­ge­schäft ein­zu­stei­gen! Rund um den Ver­kehrs­kno­ten in Bahn­hofs­nä­he wur­den im Jahr 2015 294 Betäu­bungs­mit­tel­de­lik­te (BTM) regis­triert, im letz­ten Jahr schon 399.

Schüch­tern schaut der klei­ne Mann zum Rich­ter­tisch. Baca­di D. wirkt ver­un­si­chert. Was pas­siert hier? Und was pas­siert mit mir?, scheint der 22-Jäh­ri­ge zu fra­gen. Lang­sam beugt sich Dol­met­scher Bar­ry Mama­dou hin­über und über­setzt. Baca­di D. ist erst ein Jahr in Deutsch­land, er spricht kein Wort Deutsch. Als Rich­te­rin Kath­le­en Asch­mann nach sei­nem Geburts­da­tum fragt, ver­steht er auch die Über­set­zung nicht. 26. Febru­ar 1999, gibt er an. Als Asch­mann aus der Akte den 11. Janu­ar 1995 zitiert, nickt er. „Das stimmt“, über­setzt Mama­dou in D.s Spra­che Mandinka.

Der eben­falls ange­klag­te Adou­la­ya A. „spricht nur eine Spra­che, die Bam­ba­ra heißt. Dol­met­scher Idris­sa Kei­ta ist aus Ber­lin ange­reist“. Bei der MZ schüt­telt man nicht unwil­lig den Kopf, son­dern legt ihn mit­lei­dig schief:

Jeder ein­zel­ne Pro­zess ent­schei­det ein Schick­sal. Jun­ge Män­ner wie D. und A. sit­zen plötz­lich in küh­len Gerichtssälen.

Man kennt das: Wo Empa­thie ange­sagt ist, spre­chen sie von „jun­gen Männern“. 

„Sie müs­sen nicht aus­sa­gen“, erläu­tert Rich­ter Peter Weber. „Aber wenn Sie es tun, wäre das gut für Sie.“ 16 Zeu­gen könn­ten aus­ge­la­den wer­den, die Sache wäre vom Tisch. Abdou­laye T. nickt. Bar­ry Mama­dou über­setzt: „Er fragt, ob er sei­ne Han­dys zurück­be­kom­men kann.“

Das ist fast nied­lich, fin­det die MZ:

Es sind kei­ne Groß­dea­ler, die hier sit­zen, stumm und schüch­tern, son­dern die Amei­sen­händ­ler der Stra­ßen­sze­ne, klei­ne Fische, die in die­sen Wochen wie eine end­lo­se Para­de Geschei­ter­ter in den Ver­hand­lungs­sä­len an der Thü­rin­ger Stra­ße Platz nehmen.

Stel­le fest: Für die­se Zei­tung gibt es „neue Natio­na­lis­ten“, mies drauf und schlimm ver­netzt, und ande­rer­seits arme, schüch­ter­ne, schwar­ze Män­ner, die doch nur ihr Glück suchen. Die einen ver­tei­di­gen das, was vor 25 Jah­ren als Nor­ma­li­tät galt, die ande­ren ver­die­nen an der Sucht der Aller­ärms­ten. Die einen sind Fein­de, die ande­ren bemitleidenswert.

26.6.2017 – Heu­te erst übern Tisch gereicht bekom­men: die ZEIT. Gleich zwei Finis-Ger­ma­nia-Eke­lei­en dar­in. Stich­wort „Schaum vorm Maul“. Aus der kür­ze­ren der bei­den Ein­las­sun­gen will ich aus­zugs­wei­se zitieren.

Es han­delt sich um das Ela­bo­rat eines vom Schreib­stil her geschätzt 22jährigen Autors (kurz vorm Bache­lor-Abschluß ste­hend?), dem hier Raum zuge­stan­den wird für das Aus­spei­en von Gift und Gal­le (sagt man: Hate speech?): „sub­ter­res­tri­sches Büch­lein“, „Sie­fer­les völ­ki­sches Gerau­ne“, „sei­ne anti­se­mi­ti­schen Sug­ges­tio­nen“, „rechts­ran­di­ger Ver­lag“, „völ­ki­sche Zelo­ten“, eine Schrift „gegen die Juden“ (Sie­fer­le), die uns den „Mythos Ausch­witz (Sie­fer­le) oktroy­iert haben.“ Puh.

Der län­ge­re Arti­kel stammt aus der Feder von Tho­mas Ass­heu­er, Alter schützt vor Tor­heit nicht; hier dar­um auch nur Fet­zen: Sie­fer­les Schrift sei ein „rechts­ra­di­ka­les Buch“; erst im letz­ten Teil des Buches wis­se man, „war­um Finis Ger­ma­nia in Schnell­ro­da lan­den muss­te, in den Hän­den rechts­ra­di­ka­ler Büch­sen­span­ner. Die­ser Teil des Buches ist von aus­ge­such­ter Obs­zö­ni­tät “, naja, Ass­heu­er muß es wissen.

Wei­ter im „Bruch“ (so heißt bei uns „Aus­ge­kotz­tes“): „sin­gu­lär wider­lich“, „scham­lo­ser Sub­text“, „rech­te Begriff-Zom­bies“. Ach! Man könn­te Bücher schrei­ben über Ass­heu­ers Sicht auf „rech­te Anfüh­rer“, „psy­cho­so­zia­le Ängs­te“, das angeb­li­che Pro­fi­tie­ren von „Über­for­de­rungs­ge­füh­len der Bür­ger“, die „Fas­zi­na­ti­on am Welt­un­ter­gang“. Ich nen­ne Ass­heu­ers Edele­kel­kot­ze­rei „Gerau­ne“, so ein­fach kann man den Spieß näm­lich umdrehen.

Was ja kaum einer bemerkt hat: Sie­fer­le hat die Mecha­nis­men des Skan­dals, den sein post­hum erschie­ne­nes Büch­lein ent­facht hat, bereits in eben­die­ser Schrift vorweggenommen!

28.6.2017 – Es ist eine hin­rei­ßen­de Abwechs­lung, mal über Tage stun­den­lang nur Rech­nun­gen zu schrei­ben, Brief­mar­ken zu kle­ben und Bücher ein­zu­tü­ten. Macht auch Spaß, dabei über Namen und Adres­sen zu sin­nie­ren. Frau­en sind, gemes­sen am sons­ti­gen Kun­den­stamm, über­durch­schnitt­lich an Sie­fer­le inter­es­siert. Mir scheint wei­ter­hin, halb Mün­chen und halb Ham­burg haben Finis Ger­ma­nia bestellt. Über­deut­lich weni­ger Buch­kun­den aus Köln und Frank­furt. Wor­an liegt’s wohl?

Und, das springt völ­lig ins Auge: Auf zehn Wes­sis kommt ein mit­tel­deut­scher Bestel­ler. Nor­mal herrscht in unse­rem Kun­den­kreis eher das umge­kehr­te Ver­hält­nis. Beson­ders schö­ne Namen oder Adres­sen rufen wir uns zu.

End­ju­ni­lau­ne, alle müs­sen dau­ernd lachen. Die Kin­der erhal­ten für ihre Packe­rei, Fal­te­rei und Stem­pe­lei Stun­den­lohn in unter­schied­li­cher Höhe. Bei der Jüngs­ten reicht es heu­te theo­re­tisch für sie­ben Kugeln Eis.

30.6.2017 – Lese gera­de einen Kom­men­tar zum Lutz-Mey­er-Arti­kel von „Klaus D.“:

Unse­re ers­te Rei­se nach dem Fall der Mau­er führ­te uns nach Lüchow/Wendland. Gleich neben dem Haus, in dem mei­ne Tan­te wohn­te, haus­te eine Grup­pe Spät­hip­pies. Sowas kann­ten wir gar nicht. Alles unge­pflegt, das Gras meter­hoch, ein Ärger­nis für alle Nachbarn.

Ich sehe davon ab, unse­re Nach­barn zu fra­gen, ob sie ver­är­gert sind. Bewußt­wer­dung dar­über, daß sie es theo­re­tisch sein könn­ten. Spre­che mit Kubit­schek dar­über. Der ist nun gera­de sen­sen gegan­gen. Hüb­sche Bewe­gung, die­ses Sen­sen. Muß übri­gens nach­her mit ihm noch über „Kubit­scheks Fai­ble für die Ade­nau­er-CDU“ (ande­rer Kom­men­ta­tor) spre­chen. War mir so auch noch nicht klar. Fai­bles müs­sen bit­te mit mir abge­stimmt werden!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (25)

Wahrheitssucher

5. Juli 2017 13:44

Ellen, Sie sind einfach nur "klasse"! Entschuldigen Sie, daß ich Sie mit Vornamen anrede, aber es ist ein Bedürfnis nach einem Zeichen geistiger Verbundenheit.

RMH

5. Juli 2017 13:59

"Als Richterin Kathleen ...". Na immerhin hat Mitteldeutschland jetzt seine eigenen Gewächse auf der Richterbank sitzen und nicht mehr nur Westimporte ... (ob es damit wirklich besser geworden ist?).

Das mit den Lokalzeitungen ist ein echtes Drama. Aus Kostengründen werden irgendwo zentral die sog. "Mäntel" hergestellt und die dortigen Redakteure haben - da aus Kostengründen eingespart - meist nur noch 1 Nachrichtenagentur zur Auswahl, zumeist dann eben dpa. Früher hatte fast jedes Provinzblatt zumindest noch weitere Agenturen dabei, aber das kostet ja zu viel. So bastelt der übliche Blattmacher dann eben aus dpa und Gegencheck bei Bild und Spiegel-Online seine Bögen, die dann für x- Lokalzeitungen verwendet werden. Und in der Kernkompetenz, den Lokalredaktionen, sitzen dann ebenfalls nur noch wenige, fest angestellte Redakteure und die Masse wird von "Freien" zugekauft. Dabei will man nach Möglichkeit sicher nirgends anecken, denn sonst bleiben die paar wenigen Werbeanzeigen auch noch aus (zu denen die Parteien und Kommunen auch in nicht geringem Umfang zählen). Ganz tragisches Berufsumfeld also - von daher bin ich milde gestimmt, ärgere mich aber schon über den noch vorhandenen, großen Einfluss, den diese Provinzschreiber gerade noch auf die ältere Generation haben, für die - wie von E.K. zutreffend beschrieben - die Tageszeitung irgendwie eben dazu gehört und die ihr recht unkritisch Glauben schenken.

Ein gebürtiger Hesse

5. Juli 2017 14:02

Zur MZ: Grausig und deprimierend, daß die kleinen, "versteckten" Lokalzeitungen vom links-doktrinären Ungeist mindestens ebenso durchsetzt sind wie die überregionalen Blätter. Nichts scheint unversaut zu bleiben. Die Sense (hier aber die ungute) ratscht über alles hinweg.

Der_Jürgen

5. Juli 2017 14:36

Ich lese Ellen Kositzas Beiträge normalerweise mit Vergnügen, aber diesmal kochte in mir der Groll hoch. Nicht über die Autorin, bewahre, denn sonst verhielte ich mich ja wie jener persische König, der den Überbringer einer Unglücksbotschaft flugs köpfen liess, sondern über die erbärmlichen Minusseelen, deren Ergüsse sie hier wiedergibt.  

Würde irgendein mir zutiefst unsympathischer Autor, Hermann Gremlitza etwa oder Rolf Hochhuth, vom Lichte scheiden, würde ich einfach schweigen. Ich wäre mir zu fein, dem Verstorbenen ein Fass Jauche ins Grab zu schütten. Mit seinem Tod schwände auch meine Abneigung gegen ihn. Aber Individuen wie T. Assheuer hassen über den Tod hinaus. Sie hassen Menschen wie Sieferle, weil sie genau wissen, dass sie ihnen nicht das Wasser reichen können und im Vergleich zu ihnen intellektuelle und moralische Nullen sind. Aus ihrem Gegeifer spricht das Ressentiment des Unbegabten gegen den Begabten, des Charakerlosen gegen den Charakterfesten. Mehr fällt mir zu den Assheuers nicht ein, aber einem Nietzsche oder einem Fackel-Kraus wäre zu denen sicher noch einiges mehr eingefallen.

Noch zu den afrikanischen "Flüchtlingen", die angeblich nur ihre Muttersprache - in diesem Fall Bambara oder Mandinka - beherrschen. Diese Leute sprechen, wir ich aus persönlicher Erfahrung bekräftigen kann, ausnahmslos alle auch die Sprache der früheren Kolonialmacht, in diesem Fall also Französisch (ansonsten Englisch oder Portugiesisch). Sie geben sich als einsprachig aus, um den Befragungsprozess und damit die Entscheidung über ihre Anträge zu erschweren und zu verlangsamen.  Ist ja eigentlich gar nicht nötig. Sie bleiben ja doch alle, ob ihre Anträge nun angenommen oder abgelehnt werden. 

Heinrich Löwe

5. Juli 2017 15:09

Ich muß mal eine Lanze brechen für die Lokalzeitungen; hier: für die Chemnitzer Freie Presse (nur über diese kann ich urteilen). In Jugendtagen, den 80ern aufgrund der beschriebenen altbackenen Biederkeit praktisch nicht lesbar. Wenn ich sie heute bei Besuchen im Elternhaus vorfinde muß ich sagen, für die heutigen Verhältnisse bei der Wahrheitspresse ziemlich gut.

Das Ost-West-Gefälle bei den Sieferle-Bestellungen läßt sich womöglich leicht aufklären, verehrte Frau Kositza. Die relevanten Ossis hatten das Buch schon vor dem "Skandal" gekauft, weil sie halt helle sind. Mein Exemplar ist leider nur zweite Auflage, März 2017.

Lotta Vorbeck

5. Juli 2017 15:10

Als "Thüringer Tageblatt" firmierte in der DDR das in Weimar erscheinende "Organ der CDU* für die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl". Dieses schmalbrüstige, kleinformatige Blättchen war ein stets präsenter Begleiter durch Kindheit und Schulzeit. Die jeweils aktuelle Folge des täglich veröffentlichten Fortsetzungsromans, sowie die in loser Folge erscheinende Rubrik "Blick in die Natur" gehörten - in der Werkstatt des Vaters gelesen - zur obligatorischen Lektüre nach der Schule. Durch die nach 1990 erfolgten, sattsam bekannten Übernahmen und Zusammenlegungen wurden aus den Abonnenten des vormaligen "Thüringer Tageblattes" nunmehr Bezieher der zur Funke-Mediengruppe gehörenden "Thüringer Landeszeitung".

Was den "Hausfrauen- und Garagenhockerton" anbelangt, dürfte zwischen dieser Postille und dem Du Mont-Blatt "Mitteldeutsche Zeitung" allenfalls eine marginale Differenz bestehen. Die alten Eltern regen sich zwar regelmäßig über 'die Zeitung' auf, sind aber durch keine Macht der Welt dazu zu bewegen, das Abonnement endlich zu kündigen. Frühmorgens zwischen 06:00 und spätestens 07:00 liegt die "Thüringische Landeszeitung" im Hausflur. Vormittags plärrt aus dem Küchenradio "Antenne Thüringen" und ab abends um 07:00 gibt's das "MDR Thüringen Journal", um 08:00 folgt die "Tagesschau". Und so hangelt man sich, rundum medienbetreut, durch den Tag.

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Marco Gallina schrieb am 7. Juni 2017 auf seinem Löwenblog: Der Ton der alten Bundesrepublik

Eine sonderbare Form des Bedauerns stellt sich bei mir ein, wenn mit tödlicher Präzision um Punkt 20:00 Uhr eines jeden Tages der Gong der Tagesschau aus der Wohnung des Rentnerpärchens unter mir bis in meine Ohren klingt.

Biggeo

5. Juli 2017 16:30

Nein, Frau Kositza, weder mit der einen, noch mit der anderen örtlichen Tageszeitung, wir haben hier in unserer westdeutschen Großstadt sogar 2 örtliche Tageszeitungen, haben wir etwas zu schaffen. Nach über 30 Jahren Abo haben wir unsere örtliche Tageszeitung  schon im Januar  2015 gekündigt und wir halten das aus. An einem Werbestand einer dieser Zeitungen , kam ich ins Gespräch mit dem Werber, einem türkisch-stämmigen Mitbürger und  habe ihm im Herbst letzten Jahres unmissverständlich mitgeteilt, dass wir diese Zeitung auch nicht für einen Monat Probeabo umsonst mehr haben wollen.  Er musste ob meiner Argumente  ganz schön schlucken. Aber er ist ja auch nur ein armer Schlucker, der diesen Schund an den Mann bringen muss  um ein bischen was zu verdienen. Gerne gebe ich zu, dass ich  im Internet in diese Zeitung schaue und immer wieder froh bin, die Kündigungsentscheidung getroffen zu haben. Nicht einen Bezahlartikel wollte ich mir gönnen, schon die Überschriften  liesen vermuten, dass  ich mich über jeden Pfennig geärgert hätte.

Bei den Nachrichten im TV wird sofort umgeschaltet, wenn ein deutscher Politiker  spricht, Talkshows werden gar nicht mehr gesehen und bei den von mir geliebten Krimis, sehe ich vorher im Intenet nach, um was für ein Thema es geht. Das ist halt unsere Zensur und wir vermissen  nix!

herbstlicht

5. Juli 2017 16:53

@Der_Jürgen:

"hassen"

 vielleicht ist Aphorismus 173, Jenseits von Gut und Böse, doch nicht so bekannt:

Man hasst nicht, so lange man noch gering schätzt, sondern erst, wenn man gleich oder höher schätzt.

Hassen Sie die Mäuse oder Kleidermotten, welche Ihre Textilien zerstört haben? 

Monika L.

5. Juli 2017 17:04

Ich suchte den Assheuer Text in zeit-online und landete da:

https://www.zeit.de/2017/27/rolf-peter-sieferle-finis-germania-ruediger-safranski?page=3#comments

Der Autor ist nicht 22, sondern Jahrgang 75 - Schlag-Worte:

"völkisches Geraune", "Führerbunker-Melancholie", "bebende Schicksalsdramatik", " Völkische Nachtgedanken"

Da bin ich schon arg erschrocken. Sollte ich einem solch üblen Werk aufgesessen sein ? Das kann nicht sein. Ich greife instinktiv zu Theodor Haeckers "Tag- und Nachtbüchern" . Schlage auf und finde sofort:

" Wie arm wird in nicht langer Zeit der sein, dessen Seele nur Ohr dem Lärm dieser Tage war ! Man wird entdecken, daß er sie taub  gemacht hat für jedes vernünftige Wort." 

Frieda Helbig

5. Juli 2017 17:38

Das Geld fürs Abo der Lokalzeitung spare ich mir. Für das Geld gönne ich mir doch viel lieber ein Sezession, Tumult und Gegenlicht Abo. Gleiches Geld bei mehr Leistung :-)

Klaus D.

5. Juli 2017 19:28

Oh-oh- Entschuldigung, Herr Kubitschek, das habe ich nicht gewollt (das meterhohe Gras war im Lüchower Fall nicht das Eigentliche). Können Sie Hilfe gebrauchen? Sagen Sie bescheid, wohne ja gleich um die Ecke ... (ganz im Ernst).

@Ellen Kositza

Die MZ ist (leider) die einzige Zeitung mit Lokalteil, auf den ich aber nicht verzichten möchte. Den Rest (außer Kultur) am besten gleich in die blaue Tonne. Besonders auffallend dabei ist der fast tägliche Beschuß der AfD-Landtagsfraktion aus allen Rohren.

Gleich nach der Wende gab es für lokale Nachrichten den neuen Anhalter Anzeiger. Praktisch zeitgleich mit seiner Einstellung erschien der Anhalt Kurier als Beilage zur MZ.

@Heinrich Löwe

Ja, meine Sieferle-Bestellung ist vom 18.2.2017

Rosenkranz

5. Juli 2017 20:07

Es freut mich sehr, daß auf dem Rittergut Vollbeschäftigung herrscht und sogar auf Kinderarbeit nicht verzichtet werden kann. Ich hoffe Amnesty International schickt keine Kontrolleure......

Meine Lokalzeitung, das Hamburger Wochenblatt, wird mir mittwochs immer ungefragt in den Hausflur gelegt und ist kostenlos. Heute lächeln mich Hamburgs 1. Bürgermeister Olaf Scholz und Aydan Özoguz auf Seite 1 und 3 an. Auf die letzte Seite hat es Steffi Graf, mit ihrem Projekt für traumatisierte Flüchtlingskinder, geschafft. Dazwischen engagierte 50-jährige Frauen, etwas Sport und viele Anzeigen. So läuft das immer, aber diesmal fehlt der Polizeibericht. Ich brauche dann immer ein paar Wochen, um mich von dem Lesetrauma zu erholen.

Wer nie kriminell in Erscheinung getreten ist, einer anständigen Arbeit nachgeht, seine Kinder anständig erzieht, aber auf der falschen politischen Seite steht, wird dämonisiert. Der kriminelle Ausländer dagegen wird immer als Opfer der Umstände und der Gesellschaft dargestellt. Die kleinen lokalen Wurstblätter sind dabei oft noch schlimmer als die überregionalen Blätter. Durch die Nähe des Lesers zur Region wirken sie zudem glaubhafter und seriöser. Perfide.

BORIQUA

5. Juli 2017 20:34

Das mit der Sucht nach dem Lokalblatt kenn ich aus der eigenen Familie. Es ist eine furchtbare Angelegenheit. Egal wie fundiert man auf den dort zubereiteten Blödsinn hinweist, die Zeitung wird einfach nicht abbestellt. Die Mischung aus Agenturmeldung, die ab 20 Uhr sowieso in der Tagesschau wiederholt wird, und den allerdümmsten, absolut unwichtigen Lokalnachrichten ist ein Graus. Aber ich denke, dass ist wie mit der Internetsucht bei einigen jungen Leuten. Hauptsache, man ist irgendwie mit dem Leben verbunden und erfährt was, egal wie abgedreht und unglaubwürdig die Nachricht ist. Was dem einen die Katzenvideos, sind dem anderen die umgefallenen Eimer auf dem Nachbarhof. Wenn der Abfall wenigstens kostenlos wäre, könnte ich noch drüber schmunzeln, aber er kostet so zwischen 300 und 400 € im Jahr.

Hagen von Tronje

5. Juli 2017 20:40

Sehr geehrte Frau Kositza, 

es ist nicht meine Art zu kommentieren um zu die Autorin zu bestätigen. Dies wäre anbiedernd. Doch nun im Garten sitzend übermannt mich dennoch der  Wunsch Ihnen und der Sezession meinen Dank auszusprechen. Denn solch kluger Geist ist rar.

Herzlichst 

niekisch

5. Juli 2017 20:56

"Hübsche Bewegung, dieses Sensen"...aber Götz Kubitschek, liebe Frau Kositza, ist nicht der Sensenmann, allenfalls gegenüber bestmenschlichen Pflänzchen.

Der_Jürgen

5. Juli 2017 22:18

@Herbstlicht

Sie haben mich offenbar falsch verstanden. Ich unterstelle Nietzsche nicht, dass er solche Schmierfinken "gehasst" hätte. Ich nehme nur an, dass er ihren Hass auf ihnen moralisch und intellektuell turmhoch überlegene Menschen wie z. B. Sieferle mit dem Hass des Minderwertigen gegen den Höherwertigen erklärt hätte. Dazu passt der von Ihnen zitierte Aphorismus 173 sehr gut.

Nemo Obligatur

5. Juli 2017 23:25

Wunderbare Genrebilder - wer säße nicht gerne in Schnellroda mit an der Tafel?

Sieferle und kein Ende? Ich hätte beinahe die aktuelle Zeit erstanden und bin nun doch froh, denen nicht auch noch diese 4 Euro in den linksliberalen Rachen geworfen zu haben.

Was ich übrigens vermisse ist Kubitscheks "Schreibtisch, Küche, Garten" oder wie das hieß...

donna_alta

5. Juli 2017 23:27

Wer hat wohl mein Bücherpaket gepackt, über das ich mich gestern so gefreut habe? Grüßen Sie Ihre fleißigen und fröhlichen Kinder! Ein Extra-Eis(trink)geld ist auf dem Weg. 

DIE Überraschung für mich war der Beutel mit dem Spruch und antaios-Logo, welche heute einige U-Bahnmitfahrer auffällig registrierten. Mich hat's gefreut und sogar ein wenig stolz gemacht.

Vielen Dank dafür!

Olsenbande

5. Juli 2017 23:59

Vielen Dank für Ihren Beitrag! Wir beziehen auch immer noch die MZ (fremdbestimmt aus Köln).Sagte zur Frau: Lass uns die abbestellen! - Ja... aber wegen dem Lokalteil...Habe dort angefragt, ob ich nur den Lokalteil haben kann, Antwort: geht nicht!!J etzt vor kurzem war ich in einen Verkehrsunfall verwickelt, prompt stand ich am nächsten Tag in einer Polizeimeldung. Die Hälfte davon falsch!! Ob das bei denen, die noch nicht so lange da sind, auch passiert!!?? Da warten wir vergeblich!! Die Meldungen gibt es ja nicht!!

Schöne Grüße aus Nebra 

Solution

6. Juli 2017 02:50

Paddy Tarleton, der "rechte Bob Dylan", hat hier ein schönes Lied gesungen:

https://www.youtube.com/watch?v=CLuPE49zk2w

Nautilus

6. Juli 2017 04:10

@Biggeo

genau das was Sie schreiben sind auch meine Gedanken. Keine dieser Zeitungen kommt mir je ins Haus. Ich bin nicht bereit, einen einzigen Pfennig für diese Lügenpresse auszugeben, und mit diesen Begriff kommen sie noch gut davon.

marodeur

6. Juli 2017 12:01

Erstaunlich Ihre Art zu schreiben - alles wirkt so leicht und verbindlich, wie eine Plauderei mit einem wirklich guten Freund. Man möchte immer nicken und anknüpfen. Da ist so viel echtes Interesse für das Leben und die kleinen Details. So selten heute. Im Grunde ist das die Essenz der "Offenheit", die jeder einfordert, aber keiner wirklich lebt.

Wir haben diesen Hang zur Lokalzeitung auch erst sehr spät verstanden. Meine Eltern lesen die Sächsische Zeitung - ein übles linkes Kampfblatt. Das wird auch durchaus wahrgenommen und moniert. Aber man muss sich in eine Generation hinein vesetzen, die immer noch Probleme mit dem Internet hat. Der Zugang als solches ist da. Der Abruf von Nachrichten erscheint dieser Generation aber seltsamerweise mühsam und zeitintensiv. Es fehlt auch die ganz Habtik und der frische Geruch des Papiers. (dem Charme einer neuen Zeitung mit Kaffee am morgen kann ich mich auch nicht ganz entziehen) Gleichzeitig dienen die erbosten Leserbriefe als Ersatz für die Kommentarspalten im Netz. Gerade bei der SZ werden auch alle paar Wochen mal Artikel mit abweichender Meinung publiziert. Die werden dann für uns aufgehoben und verlesen, sozusagen als erste Zeichen des gesellschaftlichen Wandels. Es ist eine große Welt im Kleinen. Davon abgesehen, ist der Lokalteil wirklich ganz interessant - mit Mundart-Beiträgen und als komprimierte Information zu Ereignissen und interessanten Austellungen. Fazit an die ganzen Medienverweigerer: Macht es wie die "kleinen Leute". Zwischen den Zeilen liest man die Wahrheit.

Stil-Blüte

6. Juli 2017 15:29

@ Obligatur

'Was ich übrigens vermisse,  ist Kubitscheks "Schreibtisch, Küche, Garten" oder wie das hieß..'

Daran habe ich auch schon gedacht und es vermisst.  Es gab auch mal so was Ähnliches wie das 'Gedicht des Monats', ist doch 'Fortsetzung folgt (ff)  traditions-, stil-bildend, chsrakteristisch, letztendlich -  Treue zur Sache; neutral: Wiederholung, neudeutsch: Wiedererkennungsmerkmal (huch!)

'Sensen': So schwungvoll, leicht  es aussieht, ist wahrlich keine einfache Tätigkeit, es bedarf großen Könnens. Und dergestalt gehört es zum Gespann K&K.

Stil-Blüte

7. Juli 2017 15:20

Sensen statt Rasenmäher.

Wer kennt das nicht, kaum ist man auf dem Lande, auf seinem Grundsrück oder in Ferien, dröhnt von irgendwo her ein Rasenmäher. Kann mir jemand erklären, warum Männer, vor allem Männer, so gerne Rasen mähen. Oft geschieht das, auch in Parks, zu Zeiten, da kein Halm mehr grün ist. 

ich höre die Geräusche des Sensens seit meiner Kindheit: Zunächst das Dängeln, dann das Schleifen und dann das eigentümliche Geräusch des Mähens. Erhard Kästner ('Aufstand er Dinge') würde den Rasenmäher dazuzählen. Ich weiß nicht, ob sich die meisten bewußt sind, woher das kommt, statt Wiese Rasen zu haben. Ich vermute, in England geboren,; da taten es die Schafe vor dem Schloss. Das wollte man mit Eigenheim, Datsche auch haben - das Schloss als Imitation. Also der kahlgeschorene Rasen in der Mitte. Kamen die ersten Gänseblümchen durch, wurde der Rasenmäher eingesetzt; in Waldnähe Moos? Um Himmels willen. 

Daher finde ich das Mähen als schwungvolle Tätigkeit, die die Muckibude erspart, angenehme Geräusche erzeugt und in sich eine sinnvolle Tätigkeit ist. Und dann die Brennesseln noch trocknen (Brennnesselheu) zum Tee machen oder gegen Blattläuse einsetzen. Die Aufzählung von Kubitschek 'Haus, Garten...': Frau und Kind inmitten dessen, was man (gerne) hat.

Ernst-Fr. Siebert

8. Juli 2017 01:16

Liebe Frau Kositza,

Sie sind in der Gegend um Schnellroda noch nicht richtig itegriert: Man sagt dort nicht "Sensen", sondern "Hauen", in dem Falle Gras, oder wie ich las, auch: "Brennessen hauen."

Liebe Grüße aus Rastenburg auf dem Wege von der Nehrung nach Hause.

Ihr Ernst-Fr. Siebert

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