hat sie bereits erlebt: Debatten zwischen Verschwörungstheoretikern und Antiverschwörungstheoretikern.
Debatten, keine Diskussionen! Selbst im seltenen Falle größter Höflichkeit der Kontrahenten stellt sich stets das gleiche Ergebnis ein: Kopfschütteln über die Verbohrtheit des anderen. Für politische Vereinigungen können diese Debatten gerade während der Aufbauphase zerstörerisch sein. Dabei teilen der Aluhut und der sich sonst etwas auf seinen vermeintlich klaren Verstand einbildende Antiverschwörungstheoretiker, von dem ersteren gerne „Schlafschaf“ genannt, eine Gemeinsamkeit: Sie sind beide ein Produkt geistiger Überforderung mit der Komplexität der Welt.
Wenn man dann allerdings neben ihnen sitzt und hören kann, wie ihr Gezanke dem ganzen Tisch auch noch den letzten Nerv raubt, dann ist es oft gar nicht so leicht, einzugreifen. Irgendwie versteht man, daß beide schon von den Grundlagen her daneben liegen, nur fällt einem dann doch nichts ein, was man sagen könnte. Deshalb hier eine kleine Hilfestellung:
Vor einiger Zeit versprach ich auf diesem Blog, einmal zu erklären, was der Streit um Verschwörungstheorien mit Machiavelli zu tun hat. Machiavelli war der erste abendländische Denker, der sich wissenschaftlich mit dem Phänomen der Verschwörung befaßte (vor allem im 6. Kapitel des III. Buches der Discorsi).
Der Staatsmann und Schriftsteller der späten Renaissance war keineswegs der Ansicht, daß Verschwörungen nur in der Einbildung von Spinnern existieren. Seine Zeit hatte sie reihenweise gesehen. Durch ihre schiere Anzahl erschienen sie ihm sogar als eine der größten Gefahren für jeden Fürsten. Vor allem Tyrannen, denen es gelungen ist, sich allgemein verhaßt zu machen, sterben selten eines friedlichen Todes.
Doch hier liegt die Falle. Unter einer Verschwörung versteht Machiavelli die Vorbereitung und Durchführung eines Staatsstreiches, in erster Linie den Fürstenmord mit anschließender Machtübernahme. Aus dieser impliziten Grundannahme folgt für Machiavelli bereits als Selbstverständlichkeit (die er deshalb gar nicht groß thematisiert), daß die Verschwörer fast immer verloren seien, wenn die Existenz der Verschwörung nur irgendwie nach außen dränge. Der Herrscher werde sie dann aus reiner Selbsterhaltung mit den ihm zu Gebote stehenden Gewaltmitteln vernichten.
Damit ergibt sich jedoch für den angehenden Verschwörer ein Problem, das Machiavelli mehr als alles andere dafür verantwortlich macht, daß die meisten Verschwörungen scheitern: Einer allein kann allenfalls unter Opferung des eigenen Lebens zum Mordanschlag schreiten. Für eine Verschwörung braucht es mehr als einen Verschwörer. Je mehr Verschwörer es gibt, desto wahrscheinlicher werden jedoch Verrat und Entdeckung. Darin liegt das Dilemma. Man kann kaum die notwendige Zahlenstärke erreichen, ohne das Entdeckungsrisiko untragbar zu erhöhen.
Diese Überlegung Machiavellis ist vollkommen richtig, sofern man bei seiner Grundannahme bleibt. Das heißt: solange man als „Verschwörung“ nur Gruppenaktivitäten bezeichnet, die die Beseitigung aller Beteiligten durch die herrschende Gewalt zur Folge hätten, wenn diese Gewalt auch nur den kleinsten Hinweis auf ihr Vorhandensein erhielte.
Das typische Schlafschaf macht jedoch folgendes: Es übernimmt das Argument Machiavellis (meist ohne zu wissen, woher es stammt) und überträgt es auf gänzlich andere Sachverhalte. Größere Verschwörungen sind unmöglich, so glaubt es, weil sie nicht vollständig geheimzuhalten sind. Als „Verschwörung“, an deren Existenz zu glauben es sich aus Dünkel über die eigene Intelligenz verbietet, zählen für es jedoch auch eine Reihe politischer Phänomene, die gar nicht der vollständigen Geheimhaltung bedürfen, weil die herrschende Gewalt nicht die Absicht hat, sie zu unterdrücken.
Ihre Existenz ist zumeist sogar unbestreitbar, oft offiziell, und auch wenn Details nicht immer einfach zu bekommen sind, so ist doch vieles prinzipiell dem Interessierten frei zugänglich. Diese Beschreibung umfaßt eine große Bandbreite an Phänomenen. Sie trifft auf die Stiftungen des George Soros und die transatlantischen Netzwerke ebenso zu wie auf viele Ungereimtheiten im Falle NSU sowie auf jeden beliebigen Geheimdienst.
In vielen Fällen ist hier Geheimhaltung nicht nötig oder bedeutet etwas gänzlich anderes als für die Verschwörungen, die Machiavelli behandelt. Nicht die bloße Verfügbarkeit von Informationen außerhalb des Kreises der Eingeweihten ist hier gefährlich, sondern es bedürfte der öffentlichkeitswirksamen Skandalisierung, um politische Folgen zum Schaden der sogenannten Verschwörer auszulösen. Damit kommen Medien und Öffentlichkeit ins Spiel. Das ändert die Regeln so vollständig, daß es nur zu größter Verwirrung führen kann, wenn auch hier der Begriff der „Verschwörung“ gebraucht wird.
An dieser Stelle liegt dann jedoch der Fehler derjenigen, die den Spitznamen „Aluhüte“ zurecht tragen. Der Aluhut ist in den meisten Fällen eine seltsame Mischung aus Unbestechlichkeit der Wahrnehmung und äußerstem Mangel an Urteilskraft. Er sieht, daß auf der politischen Bühne auch Kräfte wirksam sind, die es vorziehen, hinter den Kulissen zu bleiben oder zumindest nicht im Lichtkegel der Scheinwerfer zu stehen.
Da er aber nicht das geringste Gespür dafür hat, wie soziale Prozesse im allgemeinen und Politik im besonderen funktionieren – von diesbezüglichem wissenschaftlichen Hintergrund ganz zu schweigen –, kann er sich dies nur auf eine Weise erklären: Es muß eine zentrale Befehlsstelle geben, die alle diese Aktivitäten koordiniert und damit ermöglicht! Wie könnte es denn anders sein, daß all dies ungehindert geschieht?
Jüngst veröffentlichte “Project Veritas” ein mit versteckter Kamera aufgenommenes Video, auf dem ein CNN-Mitarbeiter erklärt, warum sein Nachrichtensender ständig über die angebliche Verbindung Präsident Trumps nach Rußland berichtet, obwohl dies weitestgehend „Bullshit“ sei. Die Antwort lautet: Erstens, sehr viele Mitarbeiter bei CNN hassen Trump. Zweitens, diese Geschichten treiben die Einschaltquoten nach oben.
Dieser und tausend ähnliche Fälle, in denen eine Mischung aus einer voreingenommenen Grundeinstellung und der Systemlogik eines Gesellschaftsbereiches die skurrilsten Blüten treiben, kommen im Weltbild des Aluhutes nicht vor. Daß sich solche Prozesse in der Gesellschaft gegenseitig verstärken können – weil die Medien über die „Rußland-Trump-Connection“ berichten, fordern Trumps Gegner in Washington ständig neue Untersuchungen; der Gedanke, daß die Medien brichteten, weil weil sie immer weiter untersuchen, ist ihm siriusfern. Der Satz Hamlets „Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt“ muß gerade denen gesagt werden, die so manches für möglich halten, das es ganz gewiß nicht ist.
Weil er sich komplexe Vorgänge nicht vorstellen kann, sucht der Aluhut stattdessen nach der Zentrale der Weltverschwörung und verschwendet keine Sekunde daran, zu überlegen, auf welche Weise sie ihre angebliche Allmacht denn überhaupt ausübe, also warum irgendwer, geschweige denn die Mächtigen dieser Welt, ihren Befehlen Folge leisten sollte.
Die Frage, wie genau die Bilderberger denn die Welt beherrschen, ist es dann auch, die den Aluhut entweder ins Stottern oder zu Wutanfällen bringt. Nur ist das selbstgefällige Schlafschaf keinen Deut klüger. Letztlich versteht weder der eine noch der andere, daß es auf der Welt nicht nur Herrschaft, sondern auch Einfluß gibt.
Einfluß zu messen, ihn quantifizierbar zu machen (und darauf kommt es eben an, niemand bestreitet die Existenz der Bilderberger!), ist eines der schwierigsten und vor allem unsichersten Felder der Politikwissenschaft. In vielen Fällen kann die Antwort nur lauten: Das können wir nicht so genau wissen, Einfluß haben die schon, aber wieviel, das können wir nur mutmaßen. Und die Mutmaßungen können weit auseinanderliegen, weil sie zum größten Teil auf anekdotischem Material beruhen.
Eine solche Antwort kommt natürlich jedem ungelegen, der eine einfache Gewißheit sucht, um sich darin einzurichten und auf die anderen als Aluhüte oder Schlafschafe herabzuschauen.
Der_Jürgen
Ein sehr guter Artikel. Da es leider selbst auf diesem Blog den einen oder anderen gibt, der gelegentlich mit der abgedroschenen Phrase von der "Verschwörungstheorie" hausiert, möchte ich einige Bemerkungen hinzufügen.
Eine Verschwörung lässt sich, darüber sind sich wohl alle einig, als eine vertrauliche Absprache von zwei oder mehr Personen zum Nachteil einer oder mehrerer anderer Personen definieren. In diesem Sinne ist sogar eine Absprache unter den führenden Mitgliedern eines Konzerns, von der nicht einmal das mittlere Kader der Firma, geschweige denn die Konkurrenz, erfährt, eine Verschwörung. Und was für die Wirtschaft gilt, gilt in erhöhtem Masse natürlich auch für die Politik.
Fragt man einen sich als "aufgeklärt" und "rational" gerierenden Kritiker der "Verschwörungstheoretiker", ob es die Verschwörungen, von denen wir in den Geschichtsbüchern lesen - das Mordkomplott gegen Julius Cäsar etwa oder die Offiziersverschwörung gegen Adolf Hitler, die im Attentat vom 20. Juli 1944 gipfelte - tatsächlich gegeben habe oder ob sie lediglich eine Ausgeburt überhitzter Historikerphantasie seien, wird er wohl oder übel einräumen müssen, dass diese Verschwörungen tatsächlich existiert haben. Man frage ihn als nächstes, ob heute in der Politik tatsächlich absolute Transparenz herrsche und Politiker heutzutage keine vertraulichen Absprachen zuungunsten anderer mehr träfen, kann der "aufgeklärte Kritiker" gar nicht anders, als mit nein zu antworten.
Einen sehr wesentlichen Punkt erwähnt Poensgen in seinem Beitrag selbst: Vieles, was die Mächtigen anstreben, ohne dass man davon in der Bildzeitung liest, ist gar keine "Verschwörung", weil es von vielen Angehörigen der führenden Kasten explizit bekanntgegeben wurde und man es, insbesondere im Zeitalter des Internets, mit etwas Recherche leicht ausfindig machen kann. Es gibt, um ein besonders aktuelles Thema zu erwähnen, jede Menge von Aussprüchen namhafter westlicher Politiker, die ausdrücklich für eine Völkervermischung werben. Ein gutes Beispiel waren die Ausführungen von Frans Timmermans über die Notwendigkeit der "Diversity", die Martin Lichtmesz zu einem Artikel anregten und auf diesem Blog eine der bisher lehbaftesten Diskussionen auslösten. X andere Zitate Prominenter wurden hier schon so oft erwähnt, dass man es sich wohl schenken kann, sie nochmals aufzuwärmen.
Das Argument: "Wenn so viele Menschen eingeweiht sind, wird der eine oder andere die Verschwörung bestimmt ausplaudern, und sie wird platzen" hört man oft im Zusammenhang mit dem 11. September 2001. Tatsache ist jedoch, dass sicherlich nur eine relativ geringe Zahl von Menschen weiss, was damals wirklich passierte. Gewiss, die Anzahl jener, die an der Inszenierung beteiligt waren, muss viele hundert betragen haben, aber von diesen kannte nur ein kleiner Teil den Gesamtplan, und viele wussten bestimmt nicht einmal, wozu sie damals Beihilfe leisteten.
Übrigens müssen 1944 etliche deutsche Offiziere vom Attentatsplan gewusst haben. Ausgeplaudert hat ihn aber keiner davon. Eine Verschwörung benötigt einen harten Kern von Hundertprozentigen, von denen man weiss, dass sie, ausser unter der Folter vielleicht, den Mund halten können und werden.
Zuletzt noch zu den Bilderbergern. Diese sind bestimmt nicht die geheime Weltregierung. Sie sind, militärisch gesprochen, die Obristen, Oberstleutnants und Majore der Neuen Weltordnung. Wer sind die Generäle? Ich habe hierzu meine Vermutung, die ich aber nicht beweisen kann und darum auch nicht äussere.