Die Fakten sind größtenteils bekannt, und der Rechtsstaat zeigt sich nicht unbedingt von seiner besten Seite. Aufschlußreich sind indes einige Sachverhalte, die direkten oder indirekten Bezug zur Thematik aufweisen.
Zum einen ist hervorzuheben, daß die größeren relevanten Organisationen und Zusammenschlüsse, die zu “Welcome to Hell” und ähnlichen Veranstaltungen aufriefen, bemerkenswert standhaft bleiben, was die Legitimierung ihrer eigenen Strukturen und Vorgehensweisen anbelangt. Bei den “postantideutschen” Antifas vom “… ums Ganze”-Bündnis war das zu erwarten, bei den Mainstream-Linksextremen der “Interventionistischen Linken” vorauszusetzen, bei den Steinzeit-Antiimps um “Roter Aufbau” und Konsorten selbsterklärend. Während dies die – groben – drei Strömungen der in Hamburg vertretenen bundesdeutschen “harten” Linksszene wiedergibt, die im Schanzenviertel die eigene Wohlfühlzone zerlegte (mit der Folge des temporären Liebesentzugs durch das ortsansäßige linksliberale Milieu), muß doch auch zum anderen konstatiert werden, daß die eher “weichen” linken Kreise dem in nichts nachstehen.
Damit ist freilich nicht Ralf Stegners peinlicher und bildungsferner Versuch gemeint, die linke Geistestradition ihrer – von Sorel, Lenin oder auch den 68ern gar nicht erst bestrittenen – Verzahnung mit punktueller oder systematischer Gewalt zu berauben. Hier ist auch nicht an Wagenknecht und Co. gedacht, die antifaschistischen Gewalttätern schlichtweg das Etikett “links” verweigerten. Gemeint ist vielmehr die lässige, vielleicht frecht anmutende, in jedem Falle aber souveräne Antwort etwa von Attac-Vertretern, die entspannt meinten, Distanzierung bringe eh nichts, führe nicht weiter – wozu das Ganze?
Bevor besonders bieder-konservative Gemüter nun ihre FAZ oder ihre Eintrittskarten für die Elbphilharmonie aus der Hand fallen lassen: Das ist keine Apologie der Gewalttaten (die zumindest von klügeren Linken bereits im Vorfeld befürchtet wurden), keine Apotheose eher gemäßigterer G20-Gegner aufgrund fehlender Distanzierung (zumal sie, auch das gehört zum Hamburger Wochenende, dem antifaschistischen Mob eine anonymisierende Rückzugs- und Aufmarschfläche boten), beileibe aber auch kein Plädoyer für den umgehend reaktivierten Law-and-Order-Fetisch der Etablierten, die sich so aus der Affäre ziehen wollen und zugleich – mit Rückendeckung der Boulevardpresse – längst vorbereitete Überwachungsvorhaben und ‑verschärfungen aus der Schublade holen.
Vielmehr muß konstatiert werden, welche Verhaltensmuster der gegenseitigen Schonung hier greifen, gleichwohl ein Attac-Linksbürgerlicher nicht besonders viel mit einem orthodoxen Antiimperialisten gemein hat, und dieser wiederum “… ums Ganze”-Aktive für bourgeoise Antideutsche hält, die – ihrerseits – alles andere als erpicht darauf sein dürften, mit maoistischen Kleingruppen in einer Einheitsfront zu stehen. Man distanziert sich nicht (nach außen), gibt sich keine Blöße (nach außen), läßt sich vom Gegner nicht die Agenda diktieren (nach außen). Dieses einschränkend wirkende “nach außen” ist jedoch hierbei der entscheidende Faktor.
Denn während die Linke in all ihren Schattierungen – einzelne panisch gewordene Sozialdemokraten wie die “Seeheimer” beiseitegeschoben – sich der Distanzierung auf Wunsch des Mainstreams oder gar der politischen Rechten verweigern, geht das Spiel im konservativen und rechten Feld munter weiter, ohne daß hier freilich auch nur ansatzweise Exzesse wie Hamburg als Katalysator vorlägen. Ein aktuelles Beispiel ist in Niedersachsen zu beobachten, ein anderes, um die Ost-West-Balance zu wahren, in Berlin.
Blicken wir zunächst nach Niedersachsen. Dort agiert mit dem AfD-Landesvorsitzenden Paul Hampel ein Akteur, der innerhalb der Partei, weshalb auch immer, als einigermaßen “rechts” gilt. Hampel gab nun der Lokalpresse den Hinweis, daß er die Zusammenarbeit mit der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Niedersachsen beenden wird. Der für die Jungalternativen organisatorisch und strategisch schmerzhafte Grund ist nicht, wie man nun annehmen könnte, daß die JA beispielsweise einzelne Mitglieder zu einer extremistischen Demo schickte, wo es zu Angriffen auf Polizisten kam, nicht, daß der Landesvorstand unverzeihliche politische Fehler begangen hätte, und auch nicht, daß der Landesverband oder zumindest der Vorstand andersweitig krimineller Machenschaften verdächtigt würden.
Der Grund heißt – neben kleineren, gewiß peinlichen bis dummen verbalen Fehltritten einer Handvoll JA-Mitglieder – vor allem Lars Steinke, seines Zeichen neuer Vorsitzender der JA Niedersachsen, und Hampels Motiv besteht darin, daß dieser Steinke, der in Göttingen bereits wiederholt Opfer militanter Linker wurde, Kontakte zur Identitären Bewegung (IB) pflegen würde. Es ist bedauerlicherweise gar nicht zu erwarten, daß Hampel sich hinter Steinke stellt und ihm die umfassende Solidarität der Mutterpartei angesichts der Übergriffe versichert (was zweifellos die einzige anständige Option gewesen wäre). Aber mindestens erwarten dürfte man schon, daß nicht ein ganzer Landesverband abgeschossen wird, nur weil sich Steinke nicht von Antifa und Geheimdienstverlautbarungen diktieren lassen will, mit welchen Menschen er verkehrt, welche Freundschaften oder auch nur lose Bekanntschaften er pflegt.
Das Berliner Beispiel ist ähnlich gelagert; auch hier ist die Identitäre Bewegung Streitpunkt. Wer eine Anstellung bei der AfD im Roten Rathaus möchte (aber auch der, der bereits über eine solche verfügt), muß unterzeichnen, so munkelt man längst nicht mehr nur, daß man mindestens ein Jahr kein direkten Kontakt zur IB hatte, daß man ihre Stammtische oder Demos nicht besuchte etc. pp. Auch hier regiert die Herrschaft des Verdachts. Der IB wird gerade nicht vorgeworfen, inhaltlich extremistische Thesen zu vertreten. Auch wird niemand der Berliner Verantwortlichen ernsthaft davon ausgehen, die IB goutierte Gewalt oder wende sie gar selbst an.
Es geht darum, daß dem Mainstream, für dessen Abschaffung man einst angetreten war, prophylaktisch Lämmer geopfert werden, so daß man Antifa-Aktivisten und der mit ihnen – besonders in Berlin – bisweilen verzahnten Journaille “beweisen” kann – hier gibt es kein Kuscheln mit IB und Konsorten, also glaubt uns doch: Wir wollen nur mitspielen, unser Widerspruch kennt Grenzen, den, so fair sind wir, ihr festlegen dürft. (Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet, anklagend darzulegen, daß bei Mandatsträgern der Linkspartei in Kommunen, Ländern und Bund selbstverständlich zahllose Mitarbeiter angestellt sind, die aus radikalen Zusammenhängen stammen, ja daß es speziell in Universitätsstädten einen fließenden Übergang von Antifa und Linksjugend in Richtung gut dotierter Stellen in Linksparteibüros gibt.)
Man sollte sich das vergegenwärtigen: Hier, bei willkürlich ausgesuchten, tagesaktuellen Beispielen für den Abgrenzungsfetisch im konservativen und rechten Beritt, geht es nicht um Gewalt, nicht um Militanz, nicht um die offensive Verzahnung “Neue Rechte”-IB-JA-AfD (die tatsächlich ausgesprochen unsinnig wäre, wie ich hier ausführte), sondern um vorauseilenden Gehorsam gegenüber einer ohnehin feindlichen linken Umwelt, die ein solch larmoyantes Verhalten niemals würdigen und wertschätzen wird, sondern erst recht als Ansporn betrachten dürfte, solcherart geleugnete (oder geradezu verbotene) Verbindungen offenzulegen und, hat man einen Übeltäter erwischt, zu skandalisieren. Das eigentlich Skandalöse sind jedoch der Akt der Distanzierung (nach außen), die gewährte Blöße (nach außen) und das gegnerische Diktieren der Agenda (logisch: von außen).
Ralf Beez Ofw d. R.
Einwandfreier Beitrag! Mir wurde auch die Mitgliedschaft in der AfD verweigert, wegen Nähe zur IB, obwohl ich ein Rechtschaffener Bürger bin, Sportschütze, Aktiver Reservist und Arbeit habe. Bei über cirka 12 AfD-Veranstaltungen, wo ich mit IB-Shirt aufgetreten bin, bin ich auf Symphatien und Zustimmung gestoßen und nicht nur ich frage mich, WAS für Leute wollen die in der AfD ?
Auch der Last Minute Ausschluß von Ellen K. und Götz K. spricht ja Bände! Die AfD ist die erste Partei in Deutschland, die reihenweise auf ihre größten Unterstützer und Symphatisanten verzichtet, wegen PC ! Es ist einfach unglaublich und unfassbar, welche Leute wollen die?