Als ein Proletarier ins Wasser geht und Richtung Lebenspartnerin losquäkt, wie kalt es sei, gucken wir alle kurz auf. Das Gastkind hingegen durchzuckt es. Richtet sich auf, blinzelt nervös zu uns. Ob der das ernst meine? Ob das sein könne, „in echt?“
„Naja, findet der halt.“ Unser junger hochdeutscher Gast: Ob man – sprich: wir – nicht auch mal gucken wollten, ob wir was finden? „Hm? Ihr wart doch schon im Wasser!?“
Derweil nörgelt der Sachsen-Anhalter heldentönig weiter: „Boar, hior is gold!“
12.07.17 – In meiner letzten Kolumne hatte ich über das Elend der zeitgenössischen Lokalpresse geätzt. Viele Leser hatten mir sekundiert, darunter „Boriqua“:
Wenn der Abfall wenigstens kostenlos wäre, könnte ich noch drüber schmunzeln, aber er kostet so zwischen 300 und 400 € im Jahr.
Dazu muß ich fragen: Ist das Altstoffesammeln wohl ein Ossi-Relikt? Zumal, was Altpapier angeht? Dazu zwei kleine Anekdötchen. Erstens, bei uns sammeln sämtliche Kindergärten und Grundschulen Altpapier. Sie verkaufen es und schaffen aus dem Erlös nette Pausenhofspielzeuge für die Kleinen an. Daneben finanzieren sie davon Pokale, einen davon hat unsere Jüngste (490 kg Altpapier im Schuljahr 2016/17) eingeheimst:
Zweitens: Einmal sahen wir uns in den Ferien mit Bergen von Altpapier und geerbten Altbüchern konfrontiert. Das Zeug stand rum und nahm Platz weg. Kindergarten und Schule waren geschlossen. In der örtlichen Altpapiersammelstelle nahm ich für meine Autoladung um die 30 Euro ein. Das Tolle: Die beiden jungen Herren Sammelstellenleiter waren sogenannte Geschichtsfreaks und bekamen Stielaugen bei diesem und jenem Buch, was ich zur Wiederverwertung abgeben wollte. Namentlich waren es drei Werke, die im Titel den Namen Rudolf Heß trugen. „Könnse doch nicht wegschmeißen. Da gibt´s Lesebedarf!“ Na bitte. Schön, wenn alle glücklich sind.
13.07.2017 – Hin und wieder gab es die Idee, diesem Netztagebuch eine Leiste „Die anderen über uns“ hinzuzufügen. Es kommen hin und wieder Leserzuschriften, die uns auf Altbekanntes hinweisen („Haben Sie eigentlich schon bemerkt, daß sich nun selbst der Spiegel mit Ihnen befaßt hat?“), und andere, die Hinweise beinhalten, die uns glatt entgangen wären.
Auf den Report des Philosophie Magazins, ab heute am Kiosk, war ich mal ernsthaft gespannt. Es hatte unter uns Eheleuten einen kleinen Dissens gegeben über den Besuch des Prof. Dr. Felsch bei uns im Juni. Kurz gesagt, er (Kubitschek): „Völlig unter Niveau. Schrieb, er will den geisteswissenschaftlichen Hintergrund der Neuen Rechten erforschen. Und dann fragt er, wer bei uns den Abwasch macht und wie wir den Alltag handhaben.“ Diesen Unwillen hatte K. auch im Gespräch geäußert. Er habe gedacht, sagte er zu Felsch leicht verärgert, jetzt werde mal Tacheles geredet, zur Schmitt-Rezeption, zu Sieferle, sowas.
Ich, das Naiverle: „Och, wieso? Fand ihn nett. Das Ziegen-Kinder-Selbstversorger-Zeug gehört halt dazu. Kann er doch fragen. Logisch ist doch das Private politisch! Der wird es schon einordnen können. Und wenn er falsche Schubladen auftut bei seinem Ordnungmachen. Egal, die Dinge schlüpfen eh unter der Hand an ihren richtigen Platz.“
Mich persönlich stimmt eigentlich jede Form der Berichterstattung heiter. Felsch war mir sympathisch. Klar, Typ Schreibtischtäter, habituell verunsichert in puncto Lebenswirklichkeit. So sind sie. Kennt man. Heute haben wir die Druckausgabe zu Gesicht bekommen, naja. Photo von Kubitschek, als habe er Beschwerden mit der Leber. (Ist nicht so.)
Es gibt aber seit heute einen Klopper mit der Tendenz zum Dauerwitz innerhalb der Bürogemeinschaft: „Leute, denkt dran, in der Mittagspause ist wieder Edda-Lesung!“ War so: Kubitschek hatte den Prof. Dr. ins Wohnzimmer geführt und, hochironisch und mit Anspielung auf einen auf dem Professor bekannten FAZ-Bericht, auf die Bücherregale verwiesen: „Hier natürlich unser dürftiges Leib-und-Magen-Programm: Riefenstahl, Wehrsportgruppe Hoffmann und die Edda in doppelter Ausgabe!“
Daraus wurde nun im Druck, dixit Felsch: „Götz Kubitschek, rechter Verleger und Ideengeber der AfD, ist stolz darauf, dass er die ‘Edda’, den germanischen Sagenzyklus, in zwei Ausgaben besitzt.”
Und sonst so? „Für Kubitschek ist es selbstverständlich, daß seine Frau die Aufgaben erledigt, die ihr ‘im Haushalt zufallen’, während er am Schreibtisch sitzt.“ (Ergänze: Für Prof. Dr. Felsch ist es selbstverständlich, daß er solche Fragen nicht an die Frau richtet, die kurz nach dieser Frage am Gesprächstisch Platz nahm.)
Und weiter? Ach komm. Da saß einer, ein netter, und wußte kaum wohin mit seinen Gedanken. Wir sind „die Kelly Familiy der neuen Rechten“, die mit den „großen rechten Fantasien“. Paßt schon alles. Auch das von fremder Hand Passendgemachte. Auch tüchtige Menschen, die bei unserem Lokalblatt Mitteldeutsche in Lohn & Brot stehen, haben das Philosophie Magazin bereits gelesen. Man berichtet heute über die Lektüre und hat dabei eigene Erlebnisse zu bieten:
Wenn es tatsächlich Götz Kubitschek war, der vor ein paar Monaten im Puschkino in Halle saß, während ihm draußen ein Trupp gewaltbereiter Leute, „Linke“ wohl, auflauerte, dann ist der [namentlich nicht genannte Verfasser dieses Textes dem rechten Verleger aus dem Saalekreis schon begegnet.
Was mag ihn an dem Film „Die Blumen von gestern“ interessiert haben? [ja, das ist wahrlich ein großes Rätsel, E.K.] Dass darin die Juden, der Holocaust und die Verantwortung der Deutschen ein Thema sind? Oder geht er einfach gern ins Kino? In jener Regennacht roch es in Halle jedenfalls nach den letzten Tagen der Weimarer Republik, als Nazis und Kommunisten aufeinanderprallten.
Gerade fand ich im Regal gar keine von unseren beiden ominösen Edda-Prachtausgaben (hab nicht unter Kubitscheks mir seit Jahren allzu opulent erscheinendem Kopfkissen nachgeschaut, zugegeben) und mußte mich mit Googelei abfinden, um einen treffenden Edda-Spruch zum Tage zu finden. Wie wär´s mit dem:
Freu dich über Übles nie und tu Gutes gern.
Oder dem:
Ein unkluger Mann meint sich alle hold, die ihn nur anlachen. Kommt er zum Ting, so erkennt er bald, daß er nur wenige Helfer hat.
Oder dem?
Eigen Haus, ob eng, geht vor, daheim bist du Herr. Zwei Ziegen nur und aus Zweigen ein Dach ist besser als Betteln.
Ach, unsere Edda!
14.07.2017 – ZEIT-Lektüre. Rubrik „Ich hätte da gern mal ein Problem“, Folge 634: Überschrift „Google und die Frau am Herd“. Es geht darum, daß die „künstliche Intelligenz“ „voller Tücken“ stecke und anfällig sei für Rassismus und Sexismus. Man will es nicht glauben: „Wer zum Beispiel bei Google nach Fotos zu dem Begriff ‚Hände´ sucht, erhält vor allem Bilder von weißen Händen“. Abscheulich!
Folge 635 findet statt im beliebten, seit langem diese Zeitung dominierenden Subgenre „Die fiesen Maschen der Rechtspopulisten“. Der in Harvard lehrende Politologe Yascha „Findefuchs“ Mounk beklagt, daß die „pseudointellektuelle“ Neue Rechte „etablierte Institutionen bewusst imitiere: Wenn sich der Name des privaten, rechtsradikalen Instituts für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda allzu leicht [!] mit dem Namen des staatlichen Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) in München und Potsdam verwechseln läßt, ist dies kein Zufall.“
Oho! Ein Sonderproblem! Auch dazu möchte ich gern unsere beiden Edda befragen, lande aber doch nur bei Google: „Die zappelnde Zunge, die kein Zaun verhält, ergellt sich selten Gutes.“ Frage mich bitte keiner nach der Bedeutung von „ergellen“, aber wie man nach der ZEIT-Lektüre ahnt, kann dahinter nur ein sexistischer/rassistischer Algorithmus stecken.
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Ellen Kositzas gesammelte Wochenrückblicke der Jahre 2014–2016 sind in Buchform erhältlich! Ellen Kositza: Das war’s. Diesmal mit: Kindern, Küche, Kritik, Schnellroda 2017. Hier einsehen und bestellen!
Schattenfels
Das erinnert mich an eine Geschichte der Digedags, als sie Reporter beim "New Orleans Magazine" waren. Sie hatten in ihrem Blatt doch tatsächlich verkündet, das Colonel Horatio Springfield vom Pferd gefallen und in einen Tümpel getürzt war. Der aufgebrachte Colonell stürmte mit geladenen Revolvern die Redaktion. Es stellte sich heraus, dass dem ehrenwerten Mann nur sein Hut beim Reiten weggeflogen waren. Zur Ehrenrettung der Digedags muss gesagt werden, dass sie als findige Reporter einfach nur eine Geschichte erzählen wollten, die doch so gut ins Bild passt. Ich wollte sie damit übrigens auf keinen Fall zu geladenen Revolvern ermutigen!