Nachdem letzte Woche Kamerad Wegner den entscheidenden Hinweis für die Podiumsplatzierung gab, stellte sich die dieswöchige Sonntagsheldin ganz brav und anständig wieder bei mir persönlich vor. Das war am Montag. Da dachte ich eigentlich, daß zum G20-Gipfel schon alles gesagt worden sei.
Wolfgang Bosbach war zwar noch nicht wie ein verschimmelter Pfirsich mit Standesdünkel aus der Maischberger-Manege gewatschelt, aber immerhin hatte die Gruppe “Frei.Wild” – einst dümmlicher Hoffnungsschimmer all derer, denen Rechtsrock zu kraß, die Onkelz zu alt und Rammstein zu lasch waren, inzwischen allerdings die FDP unter den Rockbands – gerade ihre Kuschelhymne für Wohlfühlrebellen und FDGO-Hooligans mit weichem Kern veröffentlicht, und Meuthen bereitete vermutlich gerade seine “Getroffene-Hunde-bellen”-Rede zu einem Untersuchungsausschuß für Linksextremismus vor.
Jedenfalls: Der großen Diskussion um aufgebauschte Probleme, hanseatische Geschlechtskrankheiten (“Rote Flora”) und ausbleibende Haftbefehle fehlte einfach ein bißchen Sex. Das fand zumindest Elsa Koester von der sozialistischen Tageszeitung neues deutschland und schrieb einen Artikel mit der schlüpfrigen Überschrift “G20: Schaukelnde Eier und männliche Gewaltmasturbation”.
Kurz zur Autorin: Elsa Koester ist 33, “hat in Berlin unter anderem Soziologie, Politikwissenschaft und Germanistik studiert” (das steht wahrscheinlich in meiner Vita irgendwann auch so ähnlich), trägt eine schlaue Brille, putzige linke Löckchen und eines dieser seltsamen Unterlippenpiercings, die dafür sorgen, daß die Träger*in aussieht, als wäre sie als Kind mal besonders arg beim Inlineskaten auf den Bordstein geknallt.
Insgesamt also – rein phänotypisch – kein Unterschied zum Durchsatz der studierthabenwollenden Mädels, die einen auf jeder Studentenparty mit ihrem Geeier à la “Irgendwie bin ich voll garnicht deiner Meinung… Weiß auch nicht, das ist jedenfalls richtig kraß…” belasten.
Nichtsdestotrotz ist die gute Elsa eine Kollegin, mir in ihrem Verhältnis zu sozialen Fragen vielleicht näher als der Großteil der JA und insgesamt eigentlich nichts besonderes. Eine Sache hat die Gute mir allerdings voraus: Sie hat als mutige und behelmte Investigativjournalistin mitten in Steinhagel, Wasserwerferschauer und Tränengasnebel in den allertiefsten und allersinnlichsten Abgrund des menschlichmännlich Möglichen geschaut:
Es war die totale Eskalation. Das Eierschaukeln von Männern vor Wasserwerfern ist ja bekannt: Kaum ejakuliert eines der Polizeimonstren los, findet sich ein Vermummter, der sich breitbeinig und grölend in den Strahl stellt. Doch was ich in Hamburg beobachten konnte, ging über die üblichen Begleiterscheinungen politischen Protests hinaus. Die Polizei drehte völlig frei, Beamte brüllten herum und griffen wahllos Menschen an, darunter etliche Journalist*innen, Anwält*innen und Sanitäter*innen. Ich selbst wurde mehrfach als »scheiß Journalistenfotze« beschimpft. Ich sah aber auch eine politische Militanz, die in unkontrollierbare nihilistische Gewaltmasturbation umschlug. Die Brutalität der Polizeigewalt und die Massivität der Krawalle brachten die Luft zum Vibrieren – auch für Anwohner*innen und Schaulustige. Auf der Straße und in Cafés prügelten Anwohner sich mit Randalierern, Autonome mit Polizisten, Randalierer mit Autonomen. Mehrfach habe ich gesehen, wie Frauen angebrüllt und bedroht wurden.
Frauen wurden angebrüllt und bedroht. Und das von Polizisten, diesen riesigen, quasi aus den fiesesten Winkeln des Oktoberfestes ausgespuckten Vergewaltigungsmaschinen von Menschen, die – bewaffnet mit allerhand phallischen Folterwerkzeugen – Jagd auf unschuldige Journalist*innen, Aktivist*innen und Jungfrauen machten, um ihre kranken Männerbundgelüste zu befriedigen. Mitten hinein spritzt der Wasserwerfer, den die uniformierte Taharrush-Einheit in nicht allzuferner Zukunft womöglich sogar vor den Traualtar führen können, wenn es nach den Grünen ginge.
Doch nicht nur von der Polizei geht Gefahr aus, Mademoiselle Koester ist nirgendwo sicher: Als sie sich auf einen Tisch flieht, wird sie Opfer eines sexistischen Übergriffes:
Da setzen sich zwei Männer an den Tisch, meine Beine vor ihrer Nase. »Stört euch nicht, wenn ich hier stehe, oder?«, rufe ich hinunter, und, um die Situation aufzulockern: »Ich nehme an, ihr wollt hier nicht in Ruhe picknicken?« »Ganz und gar nicht, wann bekommt man denn sonst einen Table-Dance gratis?«, grölte der eine. »Nicht witzig, ich bin Journalistin, lass mich bitte in Ruhe arbeiten«, antworte ich. »Mäuschen, hast du keinen Humor? Wo bleibt die gute Laune? Tanz mal ein bisschen«, grölt er weiter. »Lass den sexistischen Scheiß«, sage ich ruhig, beschließe, dass das nicht funktioniert, und gehe an einen anderen Tisch. »Nu sei doch nicht so!«, ruft der Typ mir hinterher, »wir wollen doch alle Spaß haben, und deine Beine sind so schön!« Die vierte Durchsage der Polizei: »Verlassen Sie umgehend die Straße.« Die Demonstranten ziehen Absperrgitter auf die Straße. »Lass mich jetzt einfach in Ruhe«, rufe ich, und verliere selbst kurz die Nerven: »du sexistischer Wichser.«
Lange Rede, kurzer Sinn: Es folgt noch ein weiterer vulgärer Schlagabtausch, nach eingehender sozialistischer Selbstkritik entschuldigt sich der Mann bei Elsa, und diese ist eigentlich auch fast wieder beruhigt, als ihr ein Kollege zuruft:
»Dass du als Mädel hier bist, mit deinem Helm, schon krass«
Damit endet der Artikel. Ob das Awareness-Team die zusammengekauerte und ins Delirium getriggerte Elsa schon gefunden hat, ist uns zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
Mir bleibt nur, der guten Elsa einen prinzessinnenhaften Knicks zuzueignen und die bittere Erkenntnis anzunehmen, daß ich als Cis-Mann niemals eine so tiefe Einsicht in die Sinnlichkeit und Erotik linksextremer Randale und staatlicher Ordnungsmaßnahmen haben werde. Ejakulierende Räumfahrzeuge, eierschaukelnde Vermummte und männliche Gewaltonanie – all das wird mir, dem abgestumpften Triebtäter, auf ewig verborgen bleiben.
“Grob ausgedrückt: der Mann hat den Penis, aber die Vagina hat die Frau.” (Otto Weininger)
sophia_
Danke für diesen herr!lichen Artikel.
So soll ein Sonntag beginnen.
Paralleluniversen sind faszinierend noch besser wenn man nicht darin leben muß.
Frau Elsa hat sich den Auftritt als Sonntagsheldin redlich verdient - unter Aufbietung aller ihr bekannten einschlägigen saftigen Worthülsen bettelt sie quasi um Aufnahme.
Ich wünsche ihr Humor, mit diesem würde sich ihr cis-hetero-mann-dauergetriggertes Leben sofort um 100 % verbessern.