mittels Strafrecht und Zensur die vom Staat gesetzten Grenzen der Meinungsfreiheit aufzeigen will, sieht der „Pöbel“ (Horst Kretzschmar, Dresdner Polizeipräsident) in Maas einen Erich Mielke 2.0, der das Löschen von kritischen Standpunkten auf Facebook angeordnet hat.
Der Ausrichter der Veranstaltung, das Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden, versucht erst gar nicht, zwischen diesen zwei Fronten zu vermitteln. Direkt vor Beginn des Vortrags von Maas über „Fake News und Hate Speech im Social Web – Was der Staat dagegen tun kann und muss“ in der Dresdner Ballsportarena, in die ca. 400 Zuhörer hereingelassen wurden, erklärt der Rektor der TU, Hans Müller-Steinhagen, daß ihm „jedes Verständnis“ für „intolerante Menschen“ fehle. PEGIDA und Co. seien weit weg, auch nur „einen Halbsatz zuzuhören“. Maas packe das Problem deshalb an der richtigen Stelle an, indem er „Haß und Intoleranz“ bekämpfe.
Der Kommunikationswissenschaftler Lutz Hagen schlägt danach in die gleiche Kerbe. Er warnt indirekt vor einem neuen 1933, da es schon damals einen „Mangel an Diskurskultur“ gegeben habe. Im Gegensatz zu seinen Vorrednern zeigt sich Maas danach betont gelassen. Er könne den Protest vor der Tür „aushalten“ und habe sich an die „Hau-ab“-Rufe inzwischen gewöhnt.
Ihm scheint bei diesen Worten klar zu sein, daß jeder sichtbare Krakeeler die Argumente für sein umstrittenes „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG) ständig aktualisiert. Maas braucht den „Pöbel“ zur Rechtfertigung seiner Politik. Er braucht die Bilder von den aufgebrachten Rentnern, die dann auch noch den anwesenden Journalisten erzählen, wie wenig Ahnung sie von Facebook haben, sich aber dennoch an die dunkelsten Zeiten erinnert fühlen.
Daß der vielfältige Protest von AfD, PEGIDA, “Ein Prozent”, Identitärer Bewegung und anderen sehr viel mehr zu bieten hat, als das medial transportierte „Volksverräter“-Gebrüll vermuten läßt, geht da fast unter. „Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen“, teilte etwa die IB über ein gut sichtbares Banner an einem Parkhaus mit.
Doch zurück zum Vortrag von Heiko Maas: Er meint, Haß und Hetze hätten „das Kommando“ in den sozialen Netzwerken übernommen. 22 Millionen deutsche Facebook-Nutzer seien dem ausgesetzt, wogegen es nur noch 12 Millionen Abonnenten von Zeitungen gibt. Konkrete Beispiele für Fake news und Hate speech kann er jedoch nicht nennen. Vielmehr bleibt er im Ungefähren, spricht vom manipulierten US-Wahlkampf und der Zwickauer SPD-Bürgermeisterin, die Anfeindungen ertragen müsse.
Schließlich artet der Vortrag komplett zu einer Werbeveranstaltung für das NetzDG aus. Von Wissenschaftlichkeit keine Spur. Statt dessen appelliert Maas an das Mitgefühl der Zuhörer, denn immer mehr Ehrenamtler würden sich zurückziehen aufgrund der Hetze, die sie tagtäglich erleben. Das Internet sorge zudem für eine Enthemmung. Erst radikalisierten sich die Worte, dann die Taten.
Niemand von den anwesenden Kommunikationswissenschaftlern weist jedoch darauf hin, wie alt und falsch diese Debatte ist. Schon bei den Gewaltdarstellungen des Fernsehens hieß es lange, diese würden zu steigender Kriminalität führen. Wenn überhaupt irgend etwas auf diesem Themenfeld empirisch nachweisbar ist, dann das glatte Gegenteil.
Durch die Massenmedien und sozialen Netzwerke werden die Menschen träge. Ihnen reicht die Gewalterfahrung vor dem Bildschirm zum Abreagieren. Nur bei den allerwenigsten verläuft die Radikalisierung also so, wie von Maas skizziert, wozu ein kurzer Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ausreicht. Die Gewalttaten von Deutschen nahmen in den letzten Jahren sukzessive ab. Was ansteigt, ist hingegen die Ausländerkriminalität, die der Minister unerwähnt ließ.
In der anschließenden Diskussion komme ich dann als erster zu Wort. Ich frage Maas, warum er bei Facebook löschen läßt, wo es doch genug extremistische Internetseiten mit Gewaltverherrlichung gibt wie Indymedia, deren Sperrung tatsächlich die Aufgabe des Staates ist, um die Vernetzung und Propaganda etwa der G20-Täter zu unterbinden. Technisch ist eine solche Sperrung jederzeit möglich. In bezug auf Indymedia teilte das sächsische Innenministerium dazu vor einem Jahr auf eine AfD-Anfrage mit: „Die Sperrung einzelner, strafbarer Inhalte in Zusammenarbeit mit den kanadischen Behörden [in Kanada steht der Indymedia-Server] oder auch durch deutsche Behörden ist rechtlich und technisch möglich.“
Maas hingegen erklärt, alle Internetseiten mit einer Reichweite unter zwei Millionen Nutzer seien für ihn irrelevant und „Neuland“, das noch erkundet werden müsse. Außerdem behauptet er, technisch sei die Sperrung einzelner Seiten nicht machbar. Im Visier habe er lediglich Facebook und Twitter, weil die nicht so gründlich löschen würden wie YouTube. Die Videoplattform bringe es bereits auf eine Entfernungsquote von 90 % aller strafbaren Inhalte, während Facebook bei 40 % und Twitter bei einem Prozent stehen.
Ein „Overblocking“ fürchtet der Minister auch nicht, weil die Netzwerke durch den erzielten „Traffic“ Geld verdienen. Ein Mitarbeiter der Social-Media-App Jodel widerspricht dieser Beschönigung allerdings prompt. In den Internetunternehmen müßten jetzt juristische Laien über Beschwerden entscheiden und dürften aufgrund der empfindlichen Strafandrohung von bis zu 50 Millionen Euro dazu neigen, lieber zuviel als zuwenig zu löschen.
Da Nachhaken bei der Diskussion nicht erlaubt war und Kommunikationsprofessor Hagen auch überhaupt keine Anstalten machte, um Maas einmal zu stellen, konnte sich dieser bei jedem geäußerten Einwand mit rhetorischen Tricks gut aus der Affäre ziehen. Als ein Zuhörer sein Gesetz treffend als „Hetzjagd gegen Toilettenschmierereien“ bezeichnet, kontert der Minister, ihm seien Toiletten mit 22 Millionen Nutzern nicht bekannt. Dabei ist dieses Argument völliger Blödsinn, weil ein strafbarer Kommentar auf Facebook niemals allen Nutzern angezeigt wird, sondern im Regelfall höchstens 50 oder 100 virtuellen „Freunden“.
Um seine Meinung ein paar mehr Leuten anzupreisen, muß man noch immer seine eigene Komfortzone verlassen und den Weg in die Öffentlichkeit suchen. Gemacht haben dies beim Vortrag von Heiko Maas einige Männer mit „Stasi‑2.0“-Mundschutz, deren Aktion inzwischen in etlichen Zeitungen abgedruckt wurde. Sie wählten den stillen Protest, während nach der Veranstaltung die abziehenden Zuhörer – die kritischen genauso wie die unpolitischen Studenten und SPD-Abgeordneten – von Teilen der dagebliebenen Demonstranten als „Abschaum“ beschimpft wurden.
Heiko Maas hat mit diesem Wort übrigens anscheinend keine Probleme. Jedenfalls ist kein Widerspruch von ihm überliefert, als Dunja Hayali in Heidenau in seiner Gegenwart vom „rechten Abschaum“ sprach.
Gustav Grambauer
"Freude schöner Götterfunken" hat es 45 Jahre nach Clockwork Orange zur Horst-Wessel-Hymne 2.0 beim Reichstagsbrand 2.0 geschafft,
https://www.youtube.com/watch?v=5RLT2sBXNI0
und Maas hält seine Reden in "Ballsporthallen".
https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Sportpalast
Schlaf schön weiter, lieber BRD-Bildungsonkel mit deiner sensibilisierten Geschichtsaufarbeitungskultur!
- G. G.