auf dem Festland nicht zu erkennen. Doch da liegt es dennoch vor mir ausgestreckt, Deutschland, das Land meiner Väter, mein Land, und das Land meiner Tochter und meiner Söhne. Verdammt soll ich sein, wenn ich nicht mein Letztes dafür geben werde.
Und schon bin ich gedanklich beim zweibändigen Roman Systemfehler von Rob Salzig. Beide Bücher habe ich bei Antaios gekauft und auf der Insel gelesen. Es ist sowohl eine Geschichte als auch eine Vision Deutschlands inmitten der Asylkrise 2016.
Hannover: Eine junge blonde Frau wird von drei Asylanten geschändet und ermordet. Angewidert, aber routiniert nehmen sich zwei Beamte der Mordkommission des Falles an, Lars Schmied und Volker Bäcker. Man fühlt sich bei deren Vorstellung unweigerlich an ein typisches Ermittlerduo aus Tatort-Krimis erinnert. Das ganze Brimborium mit Spurensicherung und ihrem Vorgesetzten, den sie zwar für eine Pfeife halten, der aber seinerseits unter dem Druck der Lokalpolitik und der Presse steht, untermauert den Eindruck, einem Fernsehkrimi beizuwohnen. Nur die Täter- und Opferkonstellation ist eine andere.
Ein schüchterner junger Verehrer der Ermordeten kann die Untat kaum fassen und schwört Rache. Er hält sich nicht damit auf, die drei Unbekannten ausfindig zu machen, sondern zu seinem Ziel werden stellvertretend alle Asylanten, woher und warum sie auch immer ins Land gekommen sein mögen. Der “Partisan”, so nennt er sich, macht sich ans Werk und zieht eine Spur von Morden durch Deutschland, welche das LKA auf den Plan ruft. Und mit dem LKA begegnet uns Guido Aschoff, ein unangenehmer Karrierist und Opportunist.
Aschoff, wenngleich eine Nebenrolle, ist eine recht gelungen geschilderte Figur, wobei damit gleich etwas über die anderen Figuren in Salzigs Roman gesagt sein soll. Es gelingt dem Autor kaum, einen Charakter zu zeichnen oder eine Stimmung erlebbar zu machen. Bis zum Ende des zweiten Bandes begegnet einem niemand, mit dem man mitfiebert und dessen Schicksal einem nahegeht. An nur sehr wenigen Stellen werden die Personen plastisch, und man fühlt sich ein wenig an den norwegischen Krimiautor Nesbø erinnert – bei Aschoff ist das der Fall, beim Partisan zuweilen auch.
Rob Salzig baut hin und wieder Lagebeschreibungen, Statements oder politische Kurzbetrachtungen in seinen Text ein, die einem Sezession-Leser gar zu selbstverständlich oder sogar abgedroschen vorkommen mögen, die aber durchaus tief schürfen und außerhalb der rechtsintellektuellen Leserschaft aufhorchen lassen können.
Das Chaos, so der Titel des ersten Bandes, breitet sich mehr und mehr in Deutschland aus. Eine junge Frau wird zur Polizistenmörderin und taucht im linksextremen Milieu ab. Schmied und Bäcker beackern nun auch diesen Fall, Aschoff fahndet nach dem Partisan, und die drei Vergewaltiger geraten fast in Vergessenheit.
Gegen Ende des ersten Bandes findet eine Großdemonstration gegen die Asylpolitik der Regierung in Berlin statt. Bis hierhin ist die erzählte Geschichte ein Abbild des Deutschlands im Jahre 2016 – Ausländerkriminalität, eingeschüchterte Einheimische, Krisengewinnler, Asyllobby, überlastete Polizei, Lügenpresse, Filz und verordnete Willkommenskultur. Die Großdemonstration in Berlin hat es real allerdings nie gegeben, und sie ist erst der Auftakt einer furiosen Vision des Widerstandes, die Salzig im zweiten Band entfesselt.
Unsere Kommissare werden persönlich von den Verwerfungen in Deutschland betroffen. Schmieds Frau kommt ums Leben, Bäckers Sohn wird zur Ikone des Widerstandes, sein zweiter Sohn wird von einer Bombe schwer verletzt. Die beiden quittieren zwar nicht offiziell den Dienst, aber sie steigen praktisch aus und vernachlässigen ihre Polizeiarbeit in Gänze.
Deutschland befindet sich weitgehend im Generalstreik gegen die Asylpolitik, und in Sachsen formieren sich Bürgerwehren zu einer schlagkräftigen Truppe, die im Erzgebirge ihre Basis hat und von freiwilligen Kämpfern aus aller Herren Länder unterstützt wird.
Salzig trägt ganz dick auf, peitscht die Handlung in einem Höllentempo voran. Man krallt sich bei der Lektüre am originellen Sujet fest, denn bei allem künstlerischen Dilettantismus bleibt die Geschichte dennoch spannend und man liest weiter und weiter und will wissen, wie sie ausgeht.
Wer die Bücher mit Spannung lesen will, sollte den folgenden Absatz überspringen.
Die Sympathien des Autors sind klar verteilt. So läßt er zwar die beiden Kommissare Schicksalsschläge erleiden, aber unversehrt durchkommen. Rob Salzig läßt den “Aufstand”, so der Titel des zweiten Bandes, entgegen aller Wahrscheinlichkeit gelingen. Die sächsische Untergrundarmee, geführt von alten NVA-Haudegen, schlägt einen EU-Kampfverband in die Flucht und metzelt danach eine gestählte Söldnertruppe ohne nennenswerte eigene Verluste dahin. Der Flughafen Dresden wird eingenommen, und die Kämpfer rücken auf die Stadt vor; die erste deutsche Großstadt, die als Fanal eingenommen werden soll. Und auch die drei marodierenden Vergewaltiger werden von Salzig nicht vergessen.
Rob Salzig hat ein Deutschland im Widerstand gegen seine Regierung und deren inländische und ausländische Hilfstruppen entworfen. Er hat viele zu beachtende Aspekte und Anregungen geliefert, an die man sich erinnern sollte, wenn es zum Äußersten kommt. Tote Internetserver, abgeschaltete Mobilfunknetze und leere Geldautomaten sollten einen jedenfalls am wenigsten überraschen.
Ich hätte mir gewünscht, Salzigs Fokus hätte auf dem Streik gelegen. Im Buch befindet sich Deutschland wochenlang im Generalstreik. Dieses Mittel des Widerstandes hätte eingehender beleuchtet werden können, denn ein streikendes Deutschland würde keine Bundesregierung und keine EU-Regierung überleben. Kämpfende sächsische Korps würde es wahrscheinlich gar nicht brauchen.
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Rob Salzig: Systemfehler, 2. Bde, Schnellroda 2016.
- Bd. 1: Das Chaos. 296 Seiten, 14 € – hier einsehen und bestellen.
- Bd. 2: Der Aufstand. 296 Seiten, 14 Euro – hier einsehen und bestellen.
- Beide Bände zum Vorzugspreis von 22 Euro – hier einsehen und bestellen.