Eine epische Sammlung von thematisch geordneten Aufsatzzitaten, die das “historische Analphabetentum” der zeitgenössischen 10- bis 20jährigen belegen soll.
Der Herausgeber, ein Herr Dieter Boßmann, betrachtet die zum Teil haarsträubenden Defizite (manche sind nichts weiter als kindliche Stilblüten und Phantasieproduktionen) als “Folgen eines Tabus”. Im Vorwort beklagt er das Scheitern bzw. Ausbleiben des “bewältigenden” Unterrichts. Diesen Sachverhalt hielt er für “hochexplosiv” und forderte geschichtspädagogische Reformen, die man heute wohl “politisch korrekt” nennen würde.
Dabei scheinen das damals ja noch verhältnismäßig vernünftige Zeiten gewesen zu sein. Boßmann ärgert sich z. B. darüber, daß in den meisten Geschichts- und Sozialkundebüchern der 8. Mai 1945 als “Zusammenbruch Deutschlands” beschrieben wird, und nicht als “Tag der Befreiung”; daß andere Bücher “wichtige” und “unwichtige” KZs unterscheiden; das Parteiprogramm der NSDAP mit dem der KPD vergleichend nebeneinander abdrucken; Bilder von deutschen Stadtruinen zeigen, die “suggerieren”, daß “die anderen auch nicht besser waren”; und Fragen stellen wie “Warum war die Sowjetunion der eigentliche Gewinner des Zweiten Weltkriegs?”.
Das Fazit des darob alarmierten Herausgebers:
Warum macht man beide Augen zu, wenn man doch allseits um die Gefahr weiß, daß aus Unwissen leicht neues Unheil entstehen kann?
Nun, seither haben er und ähnlich Motivierte sich durchgesetzt und die Schulbücher in ihrem geschichtsdidaktischen Sinne umgeschrieben. Heute weiß jedermann, daß Bombenkrieg und Vertreibung gar nicht so schlimm und beklagenswert waren, “weil wir den Krieg angefangen haben”, wie mir neulich ein 20jähriges korporiertes (ja, sowas gibts) Fräulein wörtlich erklärte.
Ich gehe mal jede Wette ein: wenn man heute eine solche Aufsatz-Stichprobe machen würde, auch unter Erwachsenen, käme trotz (oder wegen) aller täglichen Gehirnwäsche nicht weniger abstruses Zeug heraus. (Dani Levy hat das übrigens im Nachspann zu seinem Film Mein Führer amüsant demonstriert.)
Das 360 Seiten dicke Taschenbüchlein ist jedenfalls eine reichhaltige Quelle nicht enden wollender Erheiterung. Ein klarer Fall für die nächste Etappe. Hier nun also ein paar Perlen aus “Was ich über Adolf Hitler gehört habe”:
Ich weiß nichts. (Berufsschülerin Silke‑M., 17)
Geboren in Österreich (Böhmen), 1912. (Berufschüler Hans-Herrman, 15)
Er wollte die Deutschen als stärkste Truppe haben, obwohl er ein Ausländer war. Er war nämlich Österreicher. (Gymnasiastin Sabine, 16)
Er wollte ein rein “arisches” Volk, war aber selbst Österreicher. (Berufsschüler Bernd, 16)
Adolf Hitler war selbst auch ein Jude und wurde von allen Menschen verspottet. (Hauptschülerin Kirsten, 16)
Die Judenverfolgung und alles war ziemlich albern. (Realschülerin Sonja, 16)
Er war Kommunist und hat den 2. Weltkrieg angestiftet. (Realschüler Frank, 14)
Adolf Hitler hat den ersten und den zweiten Weltkrieg sozusagen angestiftet. (Realschülerin Kersten, 14)
Er verlor den Krieg weil 1. der Winter kam 2. weil die Amis ihre dreckigen Finger im Spiel haben müssen 3. weil er größenwahnsinnig war. (Realschüler Jürgen, 15)
Er hat die Mauer zwischen DDR und BRD bauen lassen. (Berufschülerin Annette, 17)
Nach dem 2. Weltkrieg wurde er auf die Insel Mainau verbannt. (Berufsschülerin Marion, 17)
In diesem Krieg hat er hundertausende Juden einfach umbringen lassen, ohne einen triftigen Grund zu haben. (Realschüler Michael, 16)
Er ließ die Nazis verprügeln. (Hauptschülerin Ruth, 14)
Man grüßte sich untereinander mit “Hey Hitler!” (Hauptschülerin Sabine, 14)
Wieso hat die linke Sau die schönen Juden umgebracht? (Hauptschüler Jan, 16)
Einmal wurde er zum Mann des Jahres gewählt, weil er der unbeliebteste Mann auf der Welt war. (Realschülerin Silke, 15)
Und das Schwein fuhr einen Mercedes. (Hauptschüler Detlef, 12)
Er trank viel Whisky und sang viele Lieder. (Sonderschülerin Inge, 12)
Einen Nachteil hatte die Nazizeit, die sinnlose Judenermordung. (Realschüler Rudolf, 15)
Seine Rasse sozusagen waren solche mit blauen Augen, blonden Haaren und einer Hakennase, diese nannte er richtige Deutsche. (Hauptschülerin Brigitte, 14)
Seine Lieblingsblume war die Gerbera, soviel ich weiß die orange. (Realschülerin Nicole, 13)
Ich weiß zwar nicht, was das heißt, aber er war ein Nazi. (Realschülerin Susanne, 14)
Er war hart und konnte doch ein sehr weiches Herz haben. (Realschüler Adolf, 16)
Sein Buch war eine Pleite. (Hauptschülerin Gabi, 16)
Hitler baute die erste Autobahn nach Frankreich. (Hauptschülerin Elke, 14)
Er hat die Autobahn erfunden. (Hauptschüler Thorsten, 14)
Hitler hat an der Autobahn Hagebuttenbüsche gepflanzt. (Realschülerin Elisabeth, 14)
Hitler hat auch eine Menge Gutes getan, denn ohne ihn hätten wir weniger Autobahnen und noch vieles mehr. (Hauptschüler Gottfried, 15)
Ich fand das meiste falsch, was er gemacht hat, außer die Todesstrafe. (Realschülerin Margitta, 15)