Erstens: „Wir dürfen die Wähler nicht diffamieren!“ Zweitens: „Und wenn es weiter so passiert, dass die junge, gut ausgebildete Generation aus dem Osten in den Westen geht, werden die im Osten Verbleibenden noch bekloppter reagieren. […] Und ich darf Ihnen noch sagen: Ich glaube, es braucht ein informelles Zusammenstehen der anderen Parteien gegen die AfD, ohne dass damit ein Kartellgedanke entsteht.“
Oh je, Hirnriß live. Mittlerweile fehlt offenkundig der Anstand, solche Ausfälle einfach auszusortieren. (Ich hab nicht “entsorgen“ gesagt.)
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19. 9. 17 – Im Postfach eine Mail der lieben Tante: „Ich habe das hier mal vorsorglich an die mailadressen Eurer Kinder geschickt. Nur, falls Ihr je auf die Idee kommen solltet, die Asiaten zu loben.“ Haha. Hat sie in Wahrheit nicht getan, die Schlingelin.
Aber die Idee an sich – Gesprächsleitfaden für junge, aufgeregte Linke mit ziemlich normalen Eltern – ist soo niedlich, daß ich mir ganz kurz linke Kinder mit einem Dauertrigger im Hirn und der entsprechenden Kehlkopfstimmlage wünsche.
Nur, um so eine „Diskussion“ (wie gesagt, es geht darum, daß die Eltern „die Asiaten“ als fleißige Leute stereotypisieren) mal durchspielen zu können, als eine Art Schattenboxen. Die Illustrationen hier (gezeigt wird ein mit sich und den „rassistischen“ Eltern ringender Halbstarker) sind besonders goldig; ich verdrücke eine Träne.
Tip 1: „Kommuniziere deine Probleme mit ihrer Haltung“. (Toll, gerade weil „Haltung“ am Eßtisch bei uns Dauerthema seit 16 Jahren ist, allerdings „kommunizieren“ bei uns die Eltern ihre Probleme mit deren Körperhaltung.) Hier geht es aber um Elternhaltungen, und zwar geistige:
Vielleicht wissen sie einfach nicht besonders viel über fremde Kulturen. Das ist deine große Chance, um deine Eltern aufzuklären.
Aufklärung upside-down, ich kann mir das nur filmisch vorstellen, und es wär ein übler Klischeefilm. Ich sehe genau die Art Sohn und die Art Eltern vor mir. Kläger mit Just-out-of-bed-Frisur, unreiner Haut und abgeknibbelten Fingernägeln, Eltern mit Kittelschürze (w) und Blaumann (m). Kennt man noch die „Familie Heinz Becker“?
Unter „Tip 2“ wird die Seelenlandschaft der Heranwachsenden berücksichtigt:
Du solltest dich bemühen, gegenüber rassistischen Aussagen eine Null-Toleranz-Politik durchzusetzen, besonders, wenn dich die ständigen Diskussionen mit deinen Eltern emotional runterziehen. Wenn deine Eltern versuchen, dir eine Falle zu stellen und dich in einen Streit zu verwickeln, solltest du dich nicht darauf einlassen. Erkenne ihre Gefühle an, aber leite danach sofort auf ein anderes Thema über.
Hm, „Falle stellen“, nicht gut. Bin am Ende doch froh, daß unsere Kinder unsere Kinder sind.
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20. 9. 17 – Was ich an meiner Jüngsten besonders liebe, ist ihre Wißbegier. Typisch etwa auf Autofahrten: „Mama, erzähl mir was!“ – „Was denn?“ – „Thema suchst du dir aus. Oder nein, du darfst wählen: Spinnen, Extremsport, Buch, Geschichtsdatum oder Weltraum.“ „Weltraum“ wähle ich nie, „Datum“ mache ich am liebsten. Sie merkt sich alles. Ich schwöre, ich habe ihr nie von #DefendEurope erzählt. (Der Papa auch nicht.)
Heute jedenfalls kam sie mit folgender Schulaufgabe nach Hause: ein DIN-A3-Plakat gestalten, Thema frei wählbar. „Die Frau J. [Klassenlehrerin] hat gefragt, ob einer schon weiß, welches Thema er nehmen will. Die anderen wußten es noch nicht. Ich schon.“
„Und?“ – „Natürlich die Sache von Martin Sellner und den anderen. Wie die mit einem Schiff auf dem Mittelmeer rumgefahren sind und Schlepperbooten nachstellten. Difent Jurop. [Ich vermute, so hätte sie es überschrieben.]“ – „Oh? Was weißt du denn davon? Und was hat die Frau J. dazu gesagt?“ – „Hm, ich bin gespannt, hat sie gesagt. Und warum ich das weiß… Naja! Es ist doch, sozusagen, berühmt?“
Die liebe Kleine hatte schon genaue Vorstellungen, was sie auf ihrem Plakat darstellen will, inklusive Sprechblaseninhalt (ausufernd). Habs ihr ausgeredet. Sie soll jetzt was über unsere Kaninchengroßfamilie machen. Sie ist einverstanden.
Gerade hab ich ein hervorragendes Buch ausgelesen, Die Roten, ein Roman von Carl Aderhold. Aderholds kindliches Leben ist ein einziger Indoktrinationsbetrieb. Schon in allerjüngsten Jahren lernt der Sohn eines flammenden Kommunisten, daß alles politisch sei: „Jedes Jahr freundete ich mich mit dem einzigen Schwarzen oder Nordafrikaner unserer Klasse an. Falls es gerade keinen gab, begnügte ich mich mit dem Sohn portugiesischer oder spanischer Einwanderer.“
Es wundert ihn sehr, daß seine kleinen Freunde solche Kategorien nicht kannten: „Manche wussten nicht, ob sie links oder rechts waren, nicht einmal, was diese Wörter bedeuteten.“ Herrje, darüber könnten auch unsere Kinder staunen. Und doch versichere ich: Indoktriniert wird bei uns nicht!
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21. 9. 17 – DLF-Presseschau: „Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG sieht es so: ‘Die AfD ist zweifellos eine Rechtsaußenpartei, die die Nazi-Vergangenheit verherrlicht…’.“ Wann, wer? Die Ludwigsburger Kreiszeitung ist zweifellos eine Zeitung, bei der Leute schreiben, die ganz offenbar einen Knall haben.
Bevor ich den Stecker zieh, höre ich Horst Seehofer eine „harte Linie gegen die AfD“ verkünden: “Wir bekämpfen solche rechten Dumpfbacken.”
Der bayrische Ministerpräsident anno 2014: “Im übrigen besteht diese Partei in der Mehrzahl nicht aus braunen Dumpfbacken, sondern durchaus auch aus intelligenten Menschen.” Muß mal googlen, was der Rhetorikmeister noch in petto hat als „Dumpfbacken“-Attribute. „Armleuchter“ soll ja eher unmodern sein.
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22. 9. 17 – Die Bundestagswahlen beschäftigen unsere Kinder grad mehr als uns. Vorgestern brachte ich zwei Briefwahlumschläge zur Post. Die Großen nehmen das ernst! Im näheren Umfeld hängen kaum AfD-Plakate. Kleinere Tochter hat Handball, ein paar Orte weiter. Da ist alles dick plakatiert, Wahnsinn. „Also, rein von den Plakaten her würd ich die ja nicht wählen.“ Warum? „So kitschig. Also, von den Farben her. Knallbunt. Ich mein, so was zieht sich doch kein Mensch an.“
Sie trägt heute ausschließlich schwarz. – Ich: „Naja, aber die sogenannten Schwarzen machen heute die Buntheitspolitik.“ – „Siehste, auf nichts ist mehr Verlaß.“
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Ellen Kositzas gesammelte Wochenrückblicke der Jahre 2014–2016 sind in Buchform erhältlich! Ellen Kositza: Das war’s. Diesmal mit: Kindern, Küche, Kritik, Schnellroda 2017. Hier einsehen und bestellen!
Gotlandfahrer
'Mit rassistischen Eltern richtig umgehen': Wenn das eintritt liegt vermutlich ein klassischer Fall von 'Normopathie' vor (J. Maaz): https://www.youtube.com/watch?v=-9uzHR2rYro