Aber jetzt ist die Aufstellung fertig, die Dame fehlte noch, seit heute steht sie.
Mit diesem Bild illustrierten wir einem Journalisten vor vier Stunden ein historisches Ereignis: Die AfD ist mit über 13 Prozent in den Bundestag eingezogen, knapp 100 Abgeordnete und ein paar hundert Mitarbeiter werden in Berlin die Arbeit aufnehmen.
Der Journalist war für sein Nachrichtenmagazin angereist, um mit uns die letzten beiden Stunden eines denkwürdigen Wahltags zu begehen, buchstäblich sogar, denn er begleitete Kositza und mich zum Wahllokal am Sportplatz, wo vor gut einer Woche noch die Einsatzzentrale der Polizei stand, die unsere Sommerakademie gegen eine klägliche Antifademonstration abzusichern hatte.
Was, so fragte der Journalist, bedeutet es für unser politisches Milieu, daß es nun die drittstärkste Fraktion in den Bundestag entsenden kann? Und was bedeutet das für das politische Gefüge in unserem Land? Wir antworteten etwa Folgendes:
Seit wir politisch denken können und metapolitisch arbeiten, ist die Situation dieselbe: Eine Kraft von rechts ist nicht erwünscht und darf mit allen lauteren und unlauteren Mitteln bekämpft werden, selbst dann, wenn sie bürgerlich getragen wird. Ignorieren, isolieren, diffamieren, kriminalisieren, ob Republikaner, Bund freier Bürger, Schill, Pro, Freiheit – stets war das Ergebnis ein marginalisierter, von breiten Wählerschichten abgeschnittener Rest, der sich nicht aus seiner Isolation befreien konnte.
Der Erfolg der AfD auf Bundesebene ist das Scheitern der Isolationsstrategie. Die AfD hat diesen Erfolg gegen die Einheitsfront der Altparteien errungen, gegen die geballte Macht aus Altparteien und Vorfeldorganisationen, Bildungsträgern, Kirchen, Stiftungen, gegen die parteiische Einflußnahme öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, deren Neutralitätsethos nur noch Dreck unter den Stiefeln ist. Der Erfolg der AfD ist eine weitere, herbe Schlappe für diesen politisch-medialen Komplex und sein abgeschirmtes und damit realitätsfernes und ‑blindes Leben in seiner Berliner Filterblase.
Für die vielen AfD-Leute, die Bürgerinitiativen, Publizisten, Projekte, Bündnisse, Unterstützer, Wahlkämpfer und ‑beobachter ist der Erfolg der AfD hingegen ein Triumph. Sie alle sind ohne staatliche Mittel und ohne mediale Unterstützung in diese Auseinandersetzung gegangen und sind oft genug beschimpft und bedroht, angegriffen, verleumdet, behindert und kriminalisiert worden – und haben gewonnen.
Gestern abend noch: Gespräch mit einem Ehepaar, das geradezu planmäßig im Familien- und Freundeskreis um jede Stimme gekämpft hat, und zwar in einem Milieu, für das ein Wechsel weg von der CDU einer Ehescheidung nahe kommt. Für dieses Ehepaar, das niemanden auskommen ließ, ist das AfD-Ergebnis auch der Erfolg persönlicher Anstrengung, und wie ihnen wird es vielen gehen.
Es wird nun für viele vieles anders und leichter, für knapp 100 nicht: Der Fokus der Medien wird auf der Fraktion in Berlin liegen, man wird nach Rissen suchen, Keile treiben, jedes Eckchen ausleuchten und jeden Halbsatz auf sein historisches Kriminalisierungspotential abklopfen. Das war auch bisher so, aber für Erfurt, Magdeburg, Potsdam oder Stuttgart bedeutet Berlin nun: Entlastung. Die Brücke hat einen Mittelpfeiler bekommen.
Auch für uns bricht eine andere Zeit an: erneute Resonanzraumerweiterung; berufliche Auffangnetze für manchen, der sich vorwagte und keine der 200 Genderprofessuren abgreifen konnte – dafür jetzt aber den Posten eines Beraters, eines Büroleiters, eines wissenschaftlichen Mitarbeiters angeboten bekommt. Man wird Texter, Computerspezialisten, Filmleute, Sicherheitspersonal, Experten benötigen, es wird sehr viele sehr gut bezahlte Stellen geben, und mancher wird sein Leben als Lehrstuhlhure mit prekärem Vier-Jahres-Vertrag aufgeben und in gesittete geistige Verhältnisse wechseln können.
Im Grunde Schach: Wie wird unser Milieu eröffnen, jetzt, wo die Partie endlich beginnen kann? Die knapp 100 Abgeordneten: Sie wissen hoffentlich auch in sechs Monaten noch, wofür sie gewählt wurden. Sie haben eine Alternative zum Etablierten zu sein, oder – komplizierter ausgedrückt: Die Etablierung der Alternative darf nicht zu den Bedingungen des Establishments erfolgen. Das ist eine Herkulesaufgabe. Heute gehen wir sie nicht mehr an.
Nemo Obligatur
"Heute gehen wir sie nicht mehr an."
Ja. Gut Ding will Weile haben. Dann wird es auch gut. Heute ist jedenfalls ein Tag der Ermutigung.