Ihren ersten Roman The Sign Holder, der sich mit den Ereignissen des russischen Bürgerkriegs befaßt, schrieb die Moskauerin im Alter von 22 Jahren. Sie vertrat bereits zu diesem Zeitpunkt eine antikommunistische Position.
Den Durchbruch bescherte ihr der 2005 in Rußland erschienene Roman Die Moschee Notre-Dame. Anno 2048, der rasch zum Bestseller avancierte. Der Roman spielt in Frankreich und porträtiert ein totalitäres islamisches Regime, das weite Teile Europas unterjocht. Christliche Kathedralen werden in Moscheen verwandelt und wer sich weigert, sich zum Islam zu bekehren, wird in Ghettos deportiert.
Der Roman wurde Mittelpunkt einer Kontroverse, da ihm einerseits die Affirmation von Rassismus, Islamophobie und katholischen Fundamentalismus nachgesagt wird, er andererseits für seinen Mut gelobt wird, das auszusprechen, was viele Menschen nur zu denken wagen. Seit seiner Veröffentlichung wurde der Roman ins Französische, Serbische, Bulgarische, Türkische (nicht autorisiert), Englische und Norwegische übersetzt. Im September 2017 erschien die deutsche Ausgabe der warnenden Europadystopie im Renovamen-Verlag. Beim Verlag Antaios ist der Titel sofort lieferbar (hier bestellen). Jasmin Waldner traf die Schriftstellerin nahe Moskau.
Waldner: Ihr Roman wurde sehr kontrovers rezipiert. Wie haben Sie die unterschiedlichen Stimmen in den Medien wahrgenommen?
Tschudinowa: Wir leben in einer Welt der triumphierenden Toleranz. „Toleranz“ ist ein neues Wort in der russischen Sprache. Wir haben immer andere vernünftige Begriffe verwendet. Woher kommt der Begriff? Er wurde wahrscheinlich aus der medizinischen Terminologie abgeleitet. Aber was bedeutet dieses Wort in der Medizin? Es bedeutet „Senkung der Immunität“. Wir leben in einer Welt, in der Europa seine soziale Immunität verloren hat und sich nicht schützen kann. Mein Buch wurde von einem liberalen Lager brutal angegriffen, das, wie allgemein bekannt ist, von den Regeln der Toleranz geleitet wird und in allen Ländern die muslimische Expansion nach Europa unterstützt.
Nach der Veröffentlichung des Buches schrieb Sergei Mitrokhin, einer der Frontmänner der liberalen Partei Yabloko, eine öffentliche Verleumdung gegen mich. Die Konsequenzen konnten für mich sehr schwerwiegend sein. Zugleich gab Herr Mitrokhin beim Radiosender Ekho Moskvy jedoch zu, daß er das Buch nicht gelesen hatte. Das ist typisch für unsere Liberalen. Derzeit bekommt die Yabloko-Partei eine große Anzahl Stimmen bei den Stadtratswahlen in Moskau. Es ist wahrscheinlich, daß dies für mich weitere Schikanen zufolge haben wird.
Waldner: Ihr Roman spielt in Paris und es ist offensichtlich, daß Sie grundlegende Kenntnisse von Frankreich, Paris und seinen Menschen haben. In einem früheren Interview sagten Sie, daß nicht Sie Frankreich gewählt haben, aber daß Frankreich sich für Sie entschieden habe. Würde Frankreich aber jemanden wählen, der keine Affinität zu ihm hat und sein Schicksal in die Hände dieses Fremden legen? Warum hat Frankreich Sie gewählt? Welche Verbindung haben Sie zu Frankreich?
Tschudinowa: Wie könnte ich das beantworten? In Frankreich werden derzeit viele Bücher über die zukünftige Ausbreitung des radikalen Islam veröffentlicht. Keiner dieser Schriftsteller, die auf Französisch schreiben, würde zugeben, daß er mit meinem Buch vertraut ist. Mittlerweile wiederholen Michel Houellebecq und Boualem Sansal meine Methode, sie nennen das genaue Datum der Erweiterung. Und ich habe großen Dank von den Franzosen erhalten. Französische Leser betrachten mich als „ihre“ Schriftstellerin, das ist eine Tatsache.
Waldner: Religiöse, nationale, kulturelle und moralische Identität sind sehr wichtige Themen Ihres Romans, wie die kontinuierliche Bezugnahme auf und das Spiel mit Namen und dem äußeren Erscheinungsbild suggeriert. Können Sie Stellung zu dem Thema Identität in Ihrem Roman nehmen?
Tschudinowa: Mein Buch ist kein Buch des Hasses gegen den Islam. Es ist ein Buch der Liebe für die Europäer, das heißt für die christliche Zivilisation, deren Zukunft mich ängstlich stimmt. Für mich ist der kulturelle Code sehr wichtig – der europaweite kulturelle Code. Natürlich spiele ich mit Bedeutungen und Namen.
Waldner: Nochmal zum Thema der Identität: Ihr Roman spielt in einem breiten katholischen Kontext. Wie ist Ihre Sicht auf das Christentum im weitesten Sinne?
Tschudinowa: Das würde ich so nicht sagen. In Rußland haben sich Politikwissenschaftler, Journalisten und Politiker schon lange auf mein Buch bezogen. Der orthodoxe Klerus nahm es weitestgehend positiv auf. Und es ist kein Zufall, daß das Buch in zwei anderen orthodoxen Ländern – Serbien und Bulgarien – veröffentlicht wurde. Was mich betrifft: Ich bin eine Historikerin. Ich denke viel über die Zeit nach, als die Kirche noch vereinigt war und mit zwei Flügeln flog – dem Westen und dem Osten. Heute behindern dogmatische Meinungsverschiedenheiten eine neue Vereinigung der Kirchen. Aber für mich gehört die Zwietracht zwischen Katholizismus und Orthodoxie unwiderruflich der Vergangenheit an. Die Zeit ist für uns gekommen, sich angesichts einer gemeinsamen Gefahr zu vereinen.
Waldner: Ihr Roman umfasst eine Reihe von intertextuellen Referenzen und bezieht sich auf renommierte Schriftsteller und ihre Werke. Eine der offensichtlichsten Referenzen knüpft an den Roman Quatrevingt-treize. La Guerre civile [1793 – Das Jahr des Schreckens] vom französischen Schriftsteller Victor Hugo an. Desweiteren wurde angesprochen, daß George Orwells dystopischer Roman 1984 als Prätext für Ihren Roman verstanden werden könnte. Welche Bedeutung haben diese Romane und die erwähnten Jahre (1793, 1984), besonders in Hinblick auf das Jahr 2048, in dem Ihr Roman spielt?
Tschudinowa: Das Spiel mit dem Titel des Romans von Victor Hugo ist nur ein Appell an den kulturellen Code, über den ich gesprochen habe. Die Worte „(Kathedrale) Notre-Dame“ sind für einen Europäer jeder Nationalität bedeutsam, in gewissem Sinne ist dies unser gemeinsames Erbe, das durch Geschichte und Literatur zu einem Teil unseres Bewußtseins geworden ist. Im Titel gebe ich einen direkten Hinweis auf das Buch von Orwell. Ich möchte damit sagen: Die Gefahr des Kommunismus ist vorbei, aber sie wurde durch eine neue Gefahr für unsere Zivilisation ersetzt.
Waldner: Das Ende des Romans ist sehr dramatisch. Die Anführerin des Marquis Sophia Sévazmious und der Priester Lotaire entscheiden sich dazu, zusammen mit der Kathedrale Notre-Dame zu sterben, um diese vor einer zweiten islamischen Besetzung zu bewahren. Der Tod wird zum heldenhaften Symbol für das ewige Leben und der Leser des Romans erlebt eine Katharsis. Allerdings bleibt eine große Frage offen: Was passiert danach? Nachdem ich Ihr Buch gelesen hatte, verspürte ich den Drang zu erfahren, was mit den überlebenden Hauptfiguren passiert und ob – und wenn ja wie – sich ihr Widerstand fortsetzt. Können Ihre Leser eine Fortsetzung der Moschee Notre-Dame erwarten?
Tschudinowa: Verlage haben mich viele Male gebeten, eine Fortsetzung des Romans zu schreiben. Aber es sollte für jeden, der die Literatur versteht, vollkommen klar sein, daß das Buch auf einer so hohen Note endet, da jede Fortsetzung unmöglich ist. Wir sollten etwas Unbestimmtheit zulassen. Lassen Sie den Leser über die Zukunft der Figuren entscheiden.
Waldner: Wie wichtig ist es Ihnen als politische Schriftstellerin, Lösungen für aktuelle politische Probleme – wie bspw. die drohende Islamisierung westeuropäischer Länder – zu bieten?
Tschudinowa: Überlassen Sie das politische Denken den Politikern. Ich bin eine Schriftstellerin. Meine Mission war es zu warnen. Ich kann lediglich sagen: Das letzte halbe Jahrhundert hat gezeigt, daß eine nichtreligiöse Gesellschaft nicht lebensfähig ist. Es gibt ein Sprichwort: Wer seine Armee nicht füttern will, wird die Armee eines anderen füttern. Ich würde daraufhin sagen: Diejenigen, die sich nicht an ihre Religion halten, werden sich einer merkwürdigen ergeben.
Waldner: Glauben Sie, ein Schriftsteller hat eine soziopolitische Verantwortung beim Schreiben? Wie weit geht diese Verantwortung und verlangt sie zusätzlich zum Schreiben auch ein Handeln?
Tschudinowa: Für mich ist die Literatur eine Handlung. Und die Frage nach der Verantwortung des Schriftstellers ist natürlich sehr wichtig. Aber meines Erachtens ist es zunächst nicht die politische, sondern die moralische Verantwortung, die wichtig ist. Der große russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn gab meiner Generation eine Maxime: nicht von Lügen zu leben. Für mich ist das das Wichtigste.
Waldner: Was sind Ihre Prognosen und Hoffnungen bezüglich der Rezeption der deutschen Ausgabe Ihres Romans in Deutschland?
Tschudinowa: Ich hoffe, daß mein Buch gehört wird. Aber ich bin mir nicht sicher. Niemand mag ängstliche Warnungen.
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Jelena Tschudinowa: Die Moschee Notre-Dame. Anno 2048, Bad Schmiedeberg: Renovamen Verlag 2017, 434 Seiten, gebunden mit Lesebändchen, mit einem Nachwort der Autorin.
Franz Bettinger
"Toleranz" heißt das neue Modewort. Wehrlosigkeit ist gemeint. Nicht aufmucken. Auch die andere Wange hinhalten, wenn ins Gesicht geschlagen wird. Mediziner sprechen von Toleranz, wenn sie eine Senkung der Immunität diagnostizieren. Nichts Gutes. Wir leben in einem Europa, welches das Eigene nicht mehr gegen Fremdes schützen kann. Tolerare (lat.) bedeutet "ertragen". Ich will aber nicht ertragen, dass 7400 Polizisten einen Politiker in Mainz beschützen müssen, damit er zum Tag der Einheit eine Rede vor dem protestierenden (und vielleicht mordbereiten) Volk halten kann. Ich will nicht, dass Wildfremde ohne Pass ins Land kommen, aber nie wieder hinaus geworfen werden können, weil wir unsere Gesetze nicht mehr durchsetzen können oder wollen. Weil wir zu human-dusselig geworden sind, zu weich in der Birne. Ich will diesen grün-versifften Staat nicht mehr, dessen Protagonisten uns auf eine Sklavenzeit vorbereiten. - Wo ist der Mut, der uns treibt, all den Scheiß nicht mehr ertragen zu wollen? 732, 1453, 1529, 1683, Karl Martell, Tours + Poitiers, Wien und nochmals Wien. Das waren Helden, die wussten, wofür sie kämpften. Und wir? Wir sind feige geworden. Die Deutschen von heute verhalten sich zu jenen von 1870 wie die heutigen Griechen zu denen der Antike. Wir kuschen vor Heiko, dem UJuDaZ (Unfähigster Justiz-Darsteller aller Zeiten) und seiner sprach-gestörten Gouvernante. Die GröKatz (Größte Kanzlerin aller Zeiten) denkt immer alles vom Arsch her. Oder wie war das? Vom Ende her? Na, bei ihr läuft es auf das Gleiche raus. Verzeiht die Derbheit. Sie ist angebracht. Nein, Pardon wird nicht gegeben. Ich will diese Typen nicht mehr tolerieren.