Dabei ist ersteres, ich wiederhole es zigmal, keine “Reaktion” auf letzteres, wie Mangold behauptet, sondern hat eine völlig unabhängige Genese.
Er attestiert Sommerfeld und mir “einen scharfen Blick für die blinden Flecken der linksliberalen Öffentlichkeit”, meint aber, daß auch unser Buch viele dieser blinden Flecken habe. Er nennt zwei davon, und ich möchte im folgenden darauf antworten.
Mangold schreibt:
Dass Sommerfeld und Lichtmesz allerdings allen, die ihre Positionen zurückweisen und bekämpfen, das Etikett “links” anhängen, ist der Punkt, an dem sie es sich am entschiedensten zu einfach machen.
Das ist in dieser Form schlichtweg unzutreffend und wirft die Frage auf, wie sorgfältig Mangold denn unser Buch tatsächlich gelesen hat. Er bringt hier einen Einwand, den wir von Anfang an vorausgesehen und berücksichtigt haben.
In der Tat muß er hier mit einem Handschlag das komplette erste Kapitel überblättert haben, in dem wir uns ausführlich der Frage widmen, wer nun “die Linken” und die “Rechten” eigentlich seien, worauf wir nicht nur eine, sondern – je nach Perspektive oder Kontext – mehrere Antworten geben.
Unter anderem betonen wir, daß niemand gänzlich “links” oder “rechts” sei, daß wir alle mehr oder weniger eine “mixed economy” von Überzeugungen und Interessen sind.
Wir haben die These aufgestellt, daß die Bruchlinie der “Polarisierung” weniger zwischen “Rechten” und “Linken” als zwischen “Realisten” und “Utopisten” verläuft; hinzu kommen die Punkte “Vertrauen/Mißtrauen” in die Massenmedien und politischen Eliten sowie die Präferenz des Nationalstaats oder anderer “identitärer” politischer Einheiten gegenüber supranationalen Strukturen, dem Globalismus und dem damit eng verbundenen Multikulturalismus.
Vor allem beschreiben wir “die Linke” als ein Syndrom aus Vorstellungen, Sentiments und Begriffen, das in unserer Gesellschaft selbst die Köpfe und die Sprache (nicht immer das Leben und konkrete Verhalten) jener bestimmt, die sich selbst nicht als bewußt als “links” verorten.
Armin Nassehi schrieb: “Links oder wenigstens linksliberal zu sein, ist durchaus erwartbar – womöglich gar ein Normalfall des Argumentierens”. Unser Buch könnte also auch heißen: “Leben mit der linken Ideologie”, die wir im wesentlichen mit dem identifizieren, was Rolf Peter Sieferle als „humanitären Universalismus“ bezeichnete.
Wir schreiben dazu unter anderem:
Alle Welt argumentiert heute links oder linksliberal; dies ist der »Normalfall«. Wie oft sind uns Leute begegnet, die sich für mittig hielten und de facto knall-linke Überzeugungen vorbrachten! Darunter manche, die es allen Ernstes für abwegig hielten, die ZEIT als »linkes« Blatt zu bezeichnen.
Wenn sich etwa der scharf »gegen Rechts« engagierte Jurist Maximilian Steinbeis herausnimmt, zu sagen: »Wen ich für rechtsradikal halte, den darf ich auch rechtsradikal nennen« (verfassungsblog.de, 13. November 2012), dann sind wir so frei, den Spieß umzudrehen: »Links« ist für uns dann einfach jemand, der wie ein Linker redet, denkt, argumentiert, handelt, egal, wie er sich selbst bezeichnen mag.
Links ist, »Binnen‑I«s zu benutzen, egal ob sich diese ideologische Sprachvergewaltigung bis ins hinterletzte Provinznest durchgesetzt hat. Links ist die Parteinahme für die »Homo-Ehe«, egal was für sexualmoralische Ansichten man sonst noch hegt. Links argumentiert jeder, der Deutschland für ein Einwanderungsland hält und den Multikulturalismus unterstützt– egal, ob er nun Mitglied der Grünen oder der CDU ist.
Zwar sprechen wir von “Linken” aus Gründen der Griffigkeit oft verknappt und polemisch, aber unser Begriff der Linken ist durchaus ein analytischer. Vereinfacht gesagt: Daß wir, die Autoren, Rechte sind, ist allen klar, und wir machen es der “linksliberalen Öffentlichkeit” auch einfach, weil wir uns selbst so nennen (obwohl wir uns darunter oft etwas anderes vorstellen als diese Öffentlichkeit).
Aber daß Millionen von Menschen, die sich für sonstwas halten, de facto linken Denkmustern, Klischees, Deutungsrahmen, Prämissen, Reflexen folgen, das muß man erst herausarbeiten, und das haben wir versucht. Wir zeigen auf, was genau die Denkmuster/Dispositive der Macht/Ideologeme sind, die für ein bestimmtes Denken, Sprechen und Handeln wesentlich sind (z.B. eben Gleichheit, Utopismus, Radikaluniversalismus, “Antifaschismus”, NS-Fixierung, Vertrauen in die Massenmedien, Globalismus).
Und diese nennen wir “links”, nicht nur aufgrund einer ideengeschichtlichen Herleitung, sondern weil sie oppositionell (binärer Code) zu unseren genau gegenteiligen Denkmustern usw. sind. Das hat notabene auch damit zu tun, daß wir auf der anderen Seite den Begriff “rechts” (positiv) erweitern und ihm dieselbe Spannweite geben wollen, wie sie heute dem Begriff “links” zugedacht wird.
Es verhält sich eben nicht so, wie Mangold unterstellt: daß wir die Welt in Freund und Feind einteilen, ohne das große und vielfältige Mittelfeld und all die anderen Positionen quer dazu (z.B. Liberale, Libertäre, Querfrontler, Linksnationalisten, Unpolitische) erkennen zu können.
Es gibt aber, wenn man so analysiert wie wir, in der heutigen politischen Welt allenthalben (also eben auch in diesem “Mittelfeld” und den vielen Liberalismusspielarten) deutlich erkennbare und dominante Elemente von linker Ideologie. Auch westlich-kulturelle Werte wie »Egalitarismus, Grundrechte, Sozialstaat« (Slavoj Žižek) oder die Ideologie der Menschenrechte
sind vorwiegend linker Herkunft (und wir lehnen wohlgemerkt nicht pauschal alles ab, was von “links” kommt, sondern akzeptieren vieles davon als legitim).
Dadurch hat die Linke innerhalb unseres politischen Wert- und Koordinatensystems einen starken Feldvorteil. (Heute erleben wir jedoch, wie sich der Universalismus dieser Werte in ungebundener und radikalisierter Form gegen den Westen selbst wendet und seine Substanz aufzehrt.)
Linke z.B. wollen keine Globalisten sein, und Globalisten keine Linken – aber sie sind es nun mal und ziehen an ein und demselben Strang (S. 71–74)! Und da liegt das Ärgerliche, vielleicht Provozierende, aber durchaus Präzise, unserer Idee.
Wir stellen außerdem fest, daß die Begriffe “links” und “rechts” im herrschenden Diskurs nicht paritätisch verwendet werden, sondern meistens in einer wertenden/abwertenden Weise. Was “rechts” ist, wird im herrschenden Diskurs nicht von den Rechten (also jenen, die sich auch selbst so nennen) selbst definiert, sondern in der Regel von weit links.
Auch eher bürgerlich-liberale Intellektuelle wie Mangold übernehmen häufig blind und unbesehen, was ihnen von interessierter linksextremer Seite vorgekaut wird (ein Übermaß an moralisierender politischer Korrektheit ging allerdings auch ihm auf den Keks).
Das Wort “rechts” wird als Stigma oder Bannwort verwendet, sobald man bestimmte Meinungen vertritt, Sprachregelungen verletzt oder auch nur Teile des dominanten linksliberal-globalistischen Narrativs in Frage stellt. Die “politische Korrektheit” als Bannzone und Herrschaftsinstrument existiert realiter mit oft erheblichen Folgen für alle, die gegen sie verstoßen; sie entstammt allerdings der linken Ideologiekiste, und man muß sich fragen, warum gerade sie so eine Macht in unserer Gesellschaft erlangt hat.
“Rechte” (oder gar “Nazis”) werden von ihr am laufenden Band per Fremddefinition erzeugt, was eine knallharte Machtfrage ist: Wer “rechts” genannt wird, soll moralisch diskreditiert und in letzter Instanz vom Diskurs ausgeschlossen werden.
Auf den Seiten 47–50 unseres Buches haben wir einen ausführlichen Katalog von Positionen angelegt, die heute als »rechts« gelten, die mithin auch dann so eingeordnet werden, wenn diejenigen, die sie vertreten, sich selbst durchaus nicht als Rechte sehen.
Es geht hier also keineswegs um das Sonderinteresse von, sagen wir, “Neuen Rechten” im Verhältnis zu ihren Gegnern, sondern um einen viel fundamentaleren Dissens um die Wirklichkeit und Zukunft unserer Nationen, ja letzten Endes der gesamten westlichen Zivilisation überhaupt.
Wenn nun Mangold behauptet, “Lichtmesz’ und Sommerfelds Buch lebt von der Feindfixierung”, dann hat er nichts davon verstanden, dann hat er noch nicht einmal verstanden, was diese “Spaltung” oder “Polarisierung” bedeutet, von der heute überall die Rede ist.
Man kann nicht über nur eine Seite des Konfliktes sagen: »Wenn es sie nicht gäbe, wären wir nicht gespalten”, oder so tun, als ob “Feindbilder” eine Einbahnstraße wären. Zu einer “Polarisierung” gehören eben zwei Pole, die einander bedingen und hervorbringen.
Wir sagen es bereits im Vorwort: Linke Ideen bringen rechte Ideen hervor und vice versa. Mangold scheint völlig zu übersehen, daß unser Buch vor allem eine Defensiv- und Abwehranleitung ist, und zwar gegen reale, aktive politische Gegner und Feinde – und nicht bloß “Feind”-Bilder (gleich zu Beginn nennen wir Heiko Maas und die von ihm initierten Maßnahmen “gegen Rechts”.)
Wie wir an unzähligen Beispielen zeigen, verhält sich die linke Ideologie aggressiv und ist stark abhängig vom Feindbild des “Rechten”, den sie immer wieder von neuem beschwören und entstellen muß, um sich zu rechtfertigen.
Im Vorwort schrieben wir:
Den generell selbstreflektionsschwachen Linken fehlt dafür [die polarisierende Wirkung ihrer Politik] notorischerweise das Bewußtsein, sie betrachten Opposition gegen ihre schönen Ideologien und Taten, die sie für selbstverständlich halten, als unerklärliche Niedertracht. Zugleich bedürfen sie der »Rechten« (oder dem Strohmann, den sie sich gebastelt haben), um sich selbst eine Legitimation, einen Sinn, einen Gegensatz zu geben.
So gesehen werden die Linken uns schon allein deshalb nicht los, weil sie am laufenden Band Rechte produzieren, nominell durch ihre sich stets erweiternden ideologischen Definitionen ebenso wie faktisch-praktisch durch ihre Gleichschaltungsanmaßungen und die Folgen ihrer Politik.
Abgesehen davon, daß man nie eine Idee ohne ihren Gegenentwurf betrachten kann, ist es eine genaue Umkehr der Tatsachen, wenn Mangold schreibt, “das rechte Denken braucht das linke Feindbild, sonst geht ihm sehr schnell die Luft aus”.
Dafür sollte auch nur eine marginale Kenntnis der heutigen linken Literatur genügen, die sich wie besessen um echte oder imaginierte “Rechte” und angeblich “faschistische” Gefahren dreht. Man sollte sich auch ansehen, wodurch denn eigentlich die multikulturalistische wie auch globalistische Agenda begründet und legitimiert wird - nämlich mit dem Projekt der endgültigen Überwindung von Nationalsozialismus, Faschismus, Nationalismus, “Rassismus” und anderen reaktionären Gespenstern durch eine Art Menschheitsdemokratie.
Unser einsames rechtes Gegenbuch, das erste seiner Art, zu einem großen Teil aus der Notwehr gegen die Zumutungen und Übergriffe des “antifaschistischen” Framings geboren, fällt da nur gering in die Waagschale. Es sagt aber indes ebenso viel über uns, über die Lage, über gewisse Tatsachen wie über die Linke.
Mangold verschweigt all diese für unser Buch essentiellen Thesen, unterstellt uns aber gleichzeitig “blinde Flecken” und einen Mangel an “intellektueller Redlichkeit” (den habe ich bei ihm auch schon konstatiert; seine Attacke auf Akif Pirincci war nicht von Erkenntnisinteresse, sondern von einem Willen zur Diffamierung getrieben).
Mir scheint allerdings, daß der Planet, den er bewohnt (die Echokammer des linksliberalen, mit der Welt und sich selbst seltsam zufriedenen Mainstreamfeuilletons), so weit von uns wie von der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit dieses Land entfernt ist, daß er viele Dinge, die wir geschrieben haben, offenbar noch nicht einmal im Ansatz kapiert hat.
Indiz dafür ist sein Kommentar zu einer weiteren Liste in unserem Buch: “Womit man Linke ‘triggern’ kann”. Wunderlich ist, daß er behauptet, daß wir uns nur in diesem Kapitel “aus der Deckung” wagen würden.
Es gibt keine “Deckung”; unser Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite mit offenem Visier geschrieben (aber stellenweise aus dem einfachen Grund eher allgemein gehalten, weil wir für ein breites Spektrum von Rechten und nicht für uns persönlich sprechen.)
Mangold scheint die Ansichten auf unserer Trigger-Liste für unsere eigenen zu halten, was sie jedoch nur teilweise sind. Sie ist kein Bekenntnis unsererseits, sondern lediglich eine (erprobte) Beispielliste von Aussagen, die als “rechts” gelten und die bei Linken oft heftige Reaktionen auslösen.
Uns interessiert an dieser Stelle weniger, ob sie zutreffen oder nicht, wir wollen einfach ein paar Beispiele geben, worüber sich Linke ärgern.
Mangold verkennt nicht nur den eher augenzwinkernden und ironischen Charakter der Liste, er behandelt die Aussagen auch so, als hätte wir sie an dieser Stelle zur Debatte gestellt. Es ist etwas seltsam, daß er gerade hier einhakt, während er viel bedeutendere Punkte unseres Buches ignoriert. Also:
Ärgern könne man Linke, wenn man erkläre, dass Transsexuelle “seelisch krank” seien und “eher eine Therapie als eigene Toiletten” bräuchten. Aber woher wissen denn die angeblichen Freunde der Abweichung so genau, dass der Transsexuelle unter seiner geschlechtlichen Identität leidet?
Er verwechselt hier 1. “Abweichung” (im Sinne von sexueller Devianz) mit Nonkonformismus, den wir allerdings auch nicht um jeden Preis glorifizieren (S. 54–56), und was 2. die Frage betrifft, woher wir denn so genau wüßten, ob Transsexuelle unter ihrer geschlechtlichen Identität leiden, dann antworten wir:
Von ihnen selber, da sie ja den enormen Leidensdruck an ihrer biologischen Geschlechtsidentität als Begründung angeben, sich als das andere Geschlecht zu verkleiden oder sich gar die Genitalien amputieren oder verstümmeln zu lassen (was eine ziemlich extreme Maßnahme ist, oder?).
Davon abgesehen sind psychische Störungen unter Transsexuellen sehr häufig und die Selbstmordraten vor und nach der Umoperation sehr hoch. Aus all diesen Umständen könnte man vielleicht irgendwie zu der Ansicht gelangen, daß Transsexuelle “seelisch krank” seien (ich selber denke, daß dies auf die Mehrheit zutrifft, es allerdings womöglich seltene Ausnahmen gibt.)
Aber wie gesagt – das stellen wir alles im Buch gar nicht zur Debatte, ich antworte hier lediglich, weil Mangold danach fragt.
Mangold weiter:
Ärgern könne man Linke auch, “wenn man der Ansicht ist, dass Opa in Ordnung war”. Ein völlig leerer Satz: In Ordnung sind Individuen, nicht kollektive Gruppen.
Das war ein Witz, eine Anspielung, die er nicht verstanden hat.
Weiter: “Wenn man dezent darauf hinweist, dass der Kommunismus mindestens zehnmal mehr Menschenleben auf dem Gewissen hat als sämtliche faschistische Regimes zusammen.” Niemand in der Wissenschaft bestreitet dies.
Wer hat denn behauptet, daß das irgendjemand in der Wissenschaft bestreitet? Diese Tatsache hat sich allerdings insbesondere unter NS-fixierten, “antifaschistischen” Linken kaum herumgesprochen, und sie werden durch diese Aussage zuverlässig getriggert.
“Wenn man der Ansicht ist, dass es objektive Kriterien gibt, die gute von schlechter Kunst unterscheiden.” Leider teilen uns die Autoren diese “objektiven Kriterien” nicht mit, dabei wären wir sehr dankbar dafür, es würde manches vereinfachen […]. Die natürliche Ordnung, von der die Rechte träumt, kann von ihr nur beschworen, aber nicht begründet werden. So leicht kommt man lediglich mit großer Klappe aus dem Relativismus nämlich nicht heraus.
Hier hat Mangold nicht kapiert, daß der Akzent auf der Berufung auf objektive Kriterien liegt, wodurch sich Relativisten und Egalitaristen aller Couleur zuverlässig provoziert fühlen.
Es handelt sich hierbei in erster Linie um eine schlichte empirische Beobachtung: Manche leidenschaftliche Gleichheitsapostel hassen es mit besonderer Inbrunst, wenn man die Ansicht vertritt, daß es in der Kunst eine Rangordnung und Hierarchie gibt, Kriterien, die einen Velazquez über einen, sagen wir, Meese stellen.
Nun über das Thema selbst zu debattieren, wäre ein völlig anderes Faß, das unser Buch natürlich nicht aufmachen kann und will.
Was die Bemerkung über die “natürliche Ordnung, von der die Rechte träumt” betrifft, so scheint uns Mangold für reichlich naiv zu halten. Ich lade ihn ein, die große Klappe wieder zuzumachen und einen Blick in mein Buch “Kann nur ein Gott uns retten?” zu werfen, danach höre ich mir gern weitere Belehrungen an.
Der zweite “blinde Fleck”, den er uns attestiert, ja der “größte blinde Fleck im Denken der Rechten” überhaupt, sei in unserer Rede vom “Schuldkult” und “Nationalmasochismus” zu finden. Wir würden nicht sehen,
dass der Umgang der Deutschen mit ihrer historischen Schuld ein souveräner, reflektierter und deshalb selbstbewusster ist. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nennt man nicht Masochismus, sondern Geschichtsbewusstsein.
Nun, das ist kein “blinder Fleck” im eigentlichen Sinne, also einer, den man nicht sehen kann oder niemals gesehen hätte. Wir sind ebenso wie der Rest unserer Generation mit der offiziellen Prätention aufgewachsen, daß die “Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit”, wie sie in Deutschland und Österreich jahrzehntelang betrieben wurde, “Geschichtsbewußtsein” (oder “Verantwortung”) bedeute.
Wir sind allerdings zu dem Schluß gekommen, daß es sich hierbei eben doch um “Masochismus” und ein fatales nationalpsychologisches Syndrom handelt, das eine echte Historisierung und eine echtes, umfassenderes Geschichtsbewußtsein verhindert (niemand kann dies so vortrefflich analysieren wie Thorsten Hinz: hier und hier.)
Auch das haben wir in unserem Buch ausgeführt (S. 83–88). Die Behauptung, “daß der Umgang der Deutschen mit ihrer historischen Schuld ein souveräner, reflektierter und deshalb selbstbewußter” sei, erscheint uns angesichts der Praxis und der Folgen dieses “Umgangs” (der Züge einer Zivilreligion hat) als Teil des Syndroms selbst.
Mangolds Besprechung ist tendenziell wohlwollend, aber oberflächlich, wenn nicht sogar etwas denkfaul und voreilig in ihren positiven wie negativen Urteilen.
Ein paar Funksignale sind auf dem anderen Planeten angekommen, aber die Wellenlänge ist zu fremd, um eine kohärente Botschaft durchdringen zu lassen. Vielleicht ist aber auch einfach das Empfangsgerät noch nicht richtig justiert worden.
Wahrheitssucher
Sehr geehrter Herr Lichtmesz,
Sie bezeichnen ihr hervorragendes Werk als "unser einsames rechtes Gegenbuch". In diesem Zusammenhang sei auf den verstorbenen Norbert Borrmann verwiesen: "Warum Rechts? Vom Wagnis rechts zu sein. Eine Streitschrift".
ML: Ja, wir erwähnen es in MLL bei unseren Literaturverweisen.