Denn der Ball liegt nicht in unserem Spielfeld, sondern dort, wo Linke und Linksradikale und klassische Liberale und Cuckservatives eigentlich eine Mannschaft gegen uns stellen, sich aber seit einiger Zeit über die Aufstellung und die richtige Strategie streiten:
Mit den Rechten überhaupt reden? Oder nur über sie reden? Oder sie ignorieren? Könnte man sich nicht auf einen bestimmten Duktus einigen, in dem mit und über Rechte geredet werden sollte? Gibt es entlarvende Sprechweisen, mit deren Hilfe man rechten Selbstinszenierungen beikommen könnte?
Gibt es Hebel‑, wo nicht gar Katapultargumente gegen rechtes Reden? Und wenn schon geredet werden muß: Wer könnte das stellvertretend übernehmen? Denn daß nicht jeder in der Lage sei, angemessen mit Rechten und über Rechte zu reden, sollte Konsens sein. Oder doch nicht?
Ich habe mir diese Frage- und Problemstellungen nicht ausgedacht, sie sind vielmehr das Destillat aus Dutzenden Artikeln und Büchern, die im Verlauf alleine des letzten halben Jahres über uns und den richtigen Umgang mit uns verfaßt wurden.
Beschleunigung hat das Thema aufgrund des katastrophalen Verlaufs erhalten, den das Ausgrenzungsmanagement der Buchmessenleitung nahm – verdichtet vielleicht in jener Minute, als der Chefredakteur des Börsenblatts in einem ruhigen Hintergrundgespräch mit mir am Antaios-Stand saß, während der Chef des Börsenvereins samt Kollegen demonstrierend an unserem Stand vorbeizog.
Da tat man winken übern Zaun, da stellten sich zwei Umgangsformen einander vor, da gärte das Unausgegorene in Gang G. Mir war es egal.
Ich meine nämlich, daß wir die Fragen nach dem Wie, dem Wann und dem Ob-Überhaupt diejenigen unter sich ausmachen lassen sollten, die bis vorgestern dachten, das “mit Rechten reden” sei irgendwie eine zugleich lästige und lässige Sache – zumindest etwas, das nie im Benehmen der Rechten selbst läge, sondern am Ende immer eine Art Großzügigkeit, für die wir sowieso dankbar wären, würde sie endlich gewährt.
Zwischen zwei Buchdeckel gepreßt liegt ja nun sogar ein Gesprächsentwurf vor, eine Annäherung samt These, wie man uns packen könne, und Martin Lichtmesz hat sich an diesem Mit Rechten reden ja schon ausführlich abgearbeitet.
Von mir nur soviel: Meiner Einschätzung nach können die drei Autoren dieses Buches so bald gar nicht mit uns reden, denn sie dürften schwer beschäftigt damit sein, sich vor den Aufpassern aus dem riesigen Lager der Nicht-Rechten zu rechtfertigen. Und sich rechtfertigen zu müssen, ist für so viele etwas ganz Neues, und im selben Moment ist es vorbei mit der Lässigkeit und der Selbstgewißheit, man könne sich an die Diskursspitze eines Heeres aus Nicht-Rechten setzen.
Die Linke und die Liberalen, die Gesprächsbereiten und diejenigen, die andere Methoden bevorzugen, die professionellen Stalker und die Cuckservatives – zwischen alle diese Gruppen, die sich selbst für die “87 Prozent” halten, werden Keile getrieben, und ich schaue sehr gern dabei zu, ohne auch nur einen Finger zu rühren, es sei denn, es ginge darum, während des Spektakels ein Gläschen Wein an die Lippen zu führen.
Meine These: Das Gespräch kommt nicht zustande, weil sich die Nicht-Rechten völlig uneins sind und keinesfalls den homogenen Block bilden, den Freund und Feind dort vermuten.
Die Gesprächsbereiten müssen sich zum einen dafür rechtfertigen, uns die Tür wohin auch immer zu öffnen, und sind zum zweiten nach Auffassung der Gesprächsverweigerungsprofis nicht gut genug darauf vorbereitet, mit uns ins Gespräch zu treten.
Die Gesprächsverweigerer hingegen glotzen konsterniert jeden Tag in den Bildschirm, weil schon wieder jemand mit oder über uns redet, wo doch Beschweigen das beste wäre.
Denn das unvorbereitete Gespräch mit uns kann immer nur eines sein, bei dem die Nicht-Rechte uns Rechten auf den Leim kröche und uns zu einer Bedeutung verhülfe, die uns und unserer inhaltsleeren Selbstinszenierung überhaupt nicht zustünde.
Es ist gut, daß David Begrich (Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Magdeburg und einer von denen, die zu wissen vermeinen, wie mit uns umzuspringen sei) in einem Doppelinterview für die Süddeutsche Zeitung (28./29.X.) solche Gedankengänge einmal aussprach.
Der andere Interviewte war übrigens Thomas Wagner, Verfasser des Buchs Die Angstmacher, das ich persönlich für das bisher stärkste über uns halte – stark nicht, weil ich ihm zustimmte, sondern weil Wagner tatsächlich begriffen hat, wie wir vorgehen und daß wir auch inhaltlich viel mehr sind als das, was die Nicht-Rechten in ihrer Selbstgefälligkeit behaupten.
Mal ein paar Zeilen aus der Süddeutschen: Begrich findet es verwerflich, daß wir um unseren Raum im intellektuellen und politischen Leben kämpfen:
Es geht also nicht um einen herrschaftsfreien Diskurs in einem Seminar von Jürgen Habermas, sondern um Diskursherrschaft.
Wagner wundert sich sehr über die Phrase vom Habermasschen Diskurs und entgegnet:
Mir geht es um den harten Streit, bei dem man das Publikum überzeugen muß. Man kann darüber diskutieren, ob die Podien gut besetzt sind, aber es ist ein Ausweis von Schwäche, wenn eine liberale Instanz einen Rückzieher macht.
Er spielt damit auf die Absage einer Diskussion im Magdeburger Theater an, zu der ich als einer der Gesprächsteilnehmer geladen war. Begrich antwortet:
Wer ist denn in der Lage, die multiplen Quellen, aus denen sich der Strom der Rechten speist, in ihrer Heterogenität wahrzunehmen? Da sehe ich nur eine Handvoll Leute. […] Vor dem Streitgespräch bräuchte es einen inhaltlich-argumentativen Ertüchtigungsprozeß.
Und weiter unten:
Wir haben eine Rechte, die zugerüstet ist für diese Auseinandersetzung. […] Warum funktionieren momentan die Anschlüsse an all diese ideologischen Impfungen, die die Neue Rechte vorschlägt, bis tief in die Mitte hinein? Deshalb würde ich vor einem Verstärkereffekt durch solche Podien warnen, weil ich glaube, daß die Diskurspartner auf liberaler Seite darauf nicht vorbereitet sind.
Der linke Wagner aber nimmt den linksliberalen Begrich nicht in den Arm, um ihn über diese Hilflosigkeit hinwegzutrösten:
Man gewinnt natürlich keine Hegemonie, bloß weil man glaubt, eine bessere Moral zu vertreten, das ist ein narzisstischer Trugschluss.
Ich bin dafür, die Herren Begrich und Wagner, Leo und Zorn, Steinbeis, x, y und z allein zu lassen mit dieser Situation, die sie nicht kennen. Das Ergebnis wird entweder eine Einladung zu einem Gespräch sein (mit oder ohne vorherigem Begrich’schem Aufrüstungsseminar) oder eben keine Einladung.
Und sollte es zu einer Einladung kommen: Wer sagt denn, daß dann ein Gespräch zustande käme? Vielleicht paßt dann uns der Ort nicht oder das Thema oder die Auswahl der Gesprächsteilnehmer.
Ich muß mich ja schließlich auch rechtfertigen, wenn ich mich etwa mit Herrn Begrich an einen Tisch setzte, öffentlich, und zwar vor Raskolnikow.
Gotlandfahrer
Unbedeutender Torjubel von mir aus Rang C.
Noch etwas, was mir als Kommentar in den Sinn kommt: Komme gerade aus Vietnam zurück, einem offiziös kommunistischen Land. Ein Land, das vor netten, fröhlichen Menschen und Leben überschäumt. Ein Land kann also dunkle Zeiten überstehen, selbst wenn die Wolken sich nicht ganz verziehen. Ein örtlicher Reiseführer erzählte, wie früher in Dörfern, in denen Tratsch und fröhliches Gespräch den Alltag durchzogen, das Sprechen schlagartig mit dem Kommunismus erlosch. Zwischeneinander und mit 'denen'. Ein 'Miteinander sprechen' wurde intuitiv als nicht hilfreich angesehen. Soweit ist es hier noch nicht, erst recht nicht für Gespräche an denen 'die' nicht teilnehmen. Aber eine Indikation ist dieser Vietcong-Effekt schon: Welchen Sinn macht ein Gespräch mit Spießgesellen der Machthaber? Welches Gespräch soll der Bauer mit dem Kommissar vor Ort und seinen beflissenen Handlangern suchen zu Fragen, die die Integrität von deren Dienstherren betreffen? Das soll der KP dann doch selbst überlassen bleiben.
In Vietnam ist es aus meiner Perspektive heute so, dass die kommunistische Regierung nur noch so tut, als regierte sie das Land, und das Land so tut, als ließe es sich von ihr regieren, der gegenseitigen Ungestörtheit wegen. So kann das Parteienpersonal seinen Zugang zu den Schmiergeldern der boomenden Bauwirtschaft organisieren und das Volk sich durch Eigeninititive mit weniger Gängelung als bisher durch die Widrigkeiten des Alltags schlagen.
So könnte ich mir auch die Zukunft Deutschlands vorstellen: Man lebt sein Leben und lässt die Miesen im Glauben man respektiere ihre Macht. Mit der Zeit ist diese doppelte Simulation für beide eine stabile Konstellation. Der Vergleich hinkt natürlich, da die Bevölkerung Vietnams vergleichsweise homogen ist und sich dort nicht die in D bereits ausbreitenden Substanzverzehre durch Fremdkräfte einstellen. Aber was soll's, das Dinge dingt von ganz alleine, insoweit gern ein Glässchen, das hat sich das Team in S. mehr als verdient! Danke!