Heute (Tag des Herrn, ich weiß) bearbeite ich Bestellungen. Muß sein, gerade wenn es solidarisch dermaßen rattert! Ich rede vom KontraKultur-Kalender 2018. Von jedem verkauften Stück gehen fünf Euro an das Hausprojekt.
Kubitschek hatte gestern bei der PEGIDA fünf jener Pflastersteine, die zuletzt gegen das EinProzent-Haus in Halle flogen, versteigert, ein hübscher Erlös. Man könnte sagen, mit jedem Stein, der gegen unsere Leute fliegt, wächst unsere Kraft. Daß die Rechten in puncto Solidarität von den Linken lernen müßten, will ich nicht mehr hören.
Echt, wir inszenierten uns als Opfer? Ich lese es andauernd! Wo denn, wie denn? Ich habe komplett das Gegenteilgefühl.
Gut, die paar Drohungen. Elektronisch generiertes Getue: „Kubitschek, Deine Kinder werden bald Waisen sein.“ Ausgemalte Utopien, wo dannmals der aufgespießte Kopf von Kubitschek zu finden sein werde. Naja, all diese haßerfüllten Leute, die sich als Gestörte inszenieren.
Gestern soll es erneut eine Demo gegen das EinProzent-Haus in Halle gegeben haben. Und was grölte dieser Demotrupp aus einem Mund? „Kubitschek, aus der Traum, bald liegst Du im Kofferraum!“
Naiv, wie ich bin, frag ich mich: Wieso? Was sollte er ausgerechnet dort tun? Wer sollte ihn dorthin zwingen, und wie?
30. 10. 17 – Bekanntlich inszenieren wir uns ja nicht bloß als Opfer, sondern wir (besonders unsere Familie) inszenieren uns vor allem als Inszenierung. (Ich verlinke hier nichts; wer will, kann mal „Kubitschek“ und „inszeniert“ in die Suchmaschine eingeben – ich komme auf 33.300 Treffer.)
Das liest man so: Für einen Zeitungsartikel inszenieren wir selbstgemachten Käse. Für einen Radiobeitrag eine Bücherwand. Für eine TV-Reportage eigenen Apfelwein und Brot aus selbstgemahlenem Getreide. Für alle inszenieren wir Ziegenmist! All dieser Home-made-Aufwand nur für die lieben Reporter!
Nachdem wir heute wie meistens den Tag vor der Glotze und mit Ballerspielchen verbrachten und mittags bei McDonald’s einkehrten, mußten abends wieder zwei überaus anstrengende Stunden inszeniert werden.
Heißt: Heu. Ergänze: ‑len. Oh, da hätt mal eine Kamera dabei sein müssen, wie wir total inhuman unsere klagenden Kinder antrieben! Das Problem war, daß exakt mit der Heuballenlieferung sämtliche großen Kinder sich verabschieden mußten. Es blieben also die Kleinen als Hilfe. Und sie mußten ran! Das ist ein bißchen anders als ein Säckchen Äpfel aufsammeln.
Zwei Stunden lang Heu und Luzerne in die Scheune verbringen (also mit der Heugabel hochhieven, entgegennehmen und in die Ecken des Scheunenbodens stopfen) ist vermutlich gleichzusetzen mit zwei Stunden Fitneßstudio. Blut, Schweiß und Tränen! Eine Stunde mit Gezeter, eine Stunde tapferes Ranklotzen. Am Ende waren alle stolz – so ein paar wuchtige Heuballen muß man erst mal inszenieren!
Es gab Zeiten, da haben all unsere Kinder gleichzeitig in unsere immense Holzbadewanne gepaßt. Vorbei, das Ding ist geschrumpft. Wir inszenieren ein Badefeuerchen mit Lavendelöl, und keiner muß mehr weinen. Alles Helden!
31. 10. 17 – Ein oktroyierter Feiertag. Als Sachsen-Anhalter sind wir‘s ja gewohnt. Ich sag nur: 2,2 Millionen Einwohner, 200 evangelische Taufen im Jahr. Toll, wie das Fähnchen flattert.
Süßes-oder-Saures-Klingeleien gibt es bei uns nicht mehr, seitdem wir vor Jahren Saures gaben in Gestalt eines Eimers Wasser (warmes Wasser, wir mögen Kinder) aus dem ersten Stock. Heute dichteten unsere Kinder zwei, drei Handvoll Limericks auf das Reimwort „Luther“. Da ich keine religiösen Gefühle verletzen will, gebe ich hier keinen wieder.
Als das Stichwort „Familienspaziergang“ fiel, geriet unsere Jüngste ins Tuscheln mit mir. Ahh, gute Idee!
Es wurde ein langer Gang. Gratis, aber leider auch umsonst. Nein, an jenem ganz versteckt liegenden üppigen Busch im übernächsten Dorf hingen dieses Jahr nicht massenhaft süße (und keineswegs olle, vergessene) Johannisbeeren. Keine einzige. Flüstert die Tochter: „Aber es war doch im November letztes Jahr!! Vielleicht gucken wir nächste Woche nochmal?“ Ja, vielleicht.
1. 11. 17 – Familiäres Outing.
Ich besorgt zur minutenlang in sich versunken dasitzenden Kleinen: „Na, bist du traurig?“ – „Nein. Ich denke nach.“ – „Worüber eigentlich?“ – „Na, ob skeptisch eher eine gute oder eine schlechte Eigenschaft ist.“ – „Hm, wozu tendierst du denn?“ – „Das ist es ja. Ich glaube, ich bin meistens einfach skeptisch.“ Sie ist in Ordnung.
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Gustav Grambauer
"Naiv, wie ich bin, frag ich mich: Wieso? Was sollte er ausgerechnet dort tun?"
Liebe Ellen Kositza, kann Ihnen den Stich ins Herz beim Lesen des Folgenden nicht ersparen: https://www.welt.de/print-wams/article99409/Im-Kofferraum-eines-Audi-fand-man-Hanns-Martin-Schleyers-Leiche.html. Derselbe Sumpf steht, in drastischem Kontrast zu 1977, ich bring`s noch mal, https://www.youtube.com/watch?v=aMxJ0Kn1r6o im Jahre 2017 unter Polizeischutz und Polizeieskorte. Black Box BRD: https://lexetius.com/StGB/111