ja fast unerwartbar. Aber das nicht nur in Deutschland. Auch im Ausland wird immer dann der „Nazi-Joker“ gezogen, wenn die sachliche Auseinandersetzung eine gewisse Emotionalität erreicht hat und das rationale Denken einen akuten Mangel an Argumenten anmeldet.
So ist es bisweilen absurd, wenn in den USA oder in Großbritannien, die als Alliierte gegen Hitler ins Feld zogen von „Nazis“ innerhalb der eigenen Bevölkerung gesprochen wird. Aber auch in Schweden, Frankreich und vielen anderen Ländern hat die Nazikeule ihren Einzug gehalten. So betitelt die Antifa in Kanada selbst Juden als „Nazis“.
Eine Vermengung zweier offensichtlich nicht vereinbarer Begrifflichkeiten, wenn man von einer omnipräsent angeführten Trennung von Tätern und Opfern ausgeht. Ergo: Wenn die Nazikeule selbst über den Nachfahren der Opfer geschwungen wird, so kann mit Sicherheit von keiner „Schuld“ die Rede sein.
Aber wenn es nicht um Schuld geht, um was geht es dann? Die Antwort ist schlicht und ergreifend: Macht. Die Gegenseite soll zum Schweigen gebracht werden. Die Dynamik hierbei will ich hier kurz erörtern, um einen möglichen Umgang damit zu skizzieren.
Interessanterweise zeigen bundesdeutsche Politiker mit ihren Äußerungen zur deutschen Vergangenheit auf der Zeitachse der letzten 50 Jahre, daß für sie die Uhren stehen geblieben sind: Es gibt mehr oder weniger keine signifikanten Veränderungen in den „Schuld“-Bekenntnissen, es ist immer dasselbe und wirkt wie eine Kopie einer Kopie einer Kopie einer …
Genau an diesem Punkt werfen Rechte nun begründetermaßen ein, daß eine „Erb-Schuld“ in den Bereich des Religiösen gehöre und im Weltlichen nichts zu suchen habe. Schuld könne nicht vererbt werden, alles andere sei schließlich Sippenhaft und demnach besonders für den „ethischen Kodex“ der BRD unzulänglich, da diese sich den „Auschwitz-Mythos“ als Gründungsphantasie auserkoren habe. Ebenso könne man ja auch keinem Schweden vorwerfen, daß er dafür verantwortlich sei, daß sein Volk im Dreißigjährigen Krieg im heutigen Mitteldeutschland geplündert und gemordet habe.
Wozu auch?
Und genau hier beginnt der Dreh- und Angelpunkt dysfunktionaler Kommunikation. Es werden zwei Komponenten durcheinandergebracht: die Sachebene und die Sozialebene.
Da „Schuldkult“ die Existenz von (offensichtlich nichtvorhandener) Schuld voraussetzt, dem Empfänger der Botschaft der logische Widerspruch auffällt und er diesen mit rationalen Argumenten zu widerlegen versucht, entsteht eine Auseinandersetzung, bei der ein Part seine Nicht-Schuld herbeizuargumentieren versucht (… wirkt übrigens für Außenstehende wie bei einem Ertappten, der seine Schuld „wegreden“ will) und einem zweiten Part, der immer wieder zwei Komponenten auf der sozialen Ebene ins Spiel bringt: Ohnmacht.
a.) Ich kann dich so oft herabsetzen wie ich will und du kannst nichts dagegen tun.
b.) Ich verhindere die Sachdebatte, denn die darf nicht stattfinden.
Und die Debatte soll am besten auch gar nicht stattfinden, denn:
- Rechte argumentieren aktuell hauptsächlich auf der Sachebene, Linke hingegen auf der Moralebene. Moral schlägt immer Sachlichkeit (Ben Shapiro), da Emotionen tiefer sitzen als der Verstand. Von daher erklärt sich die Diskurs-Herrschaft der Linken, die einen Teufel tun werden, sich korrekt auf eine Sachdebatte einzulassen, sie würden nur verlieren: sowohl Macht riskieren als auch Ansehen in den eigenen Reihen potentiell einbüßen.
- Es wäre Energie-Verschwendung für die linke Seite. Von der kognitiven Dissonanz mal abgesehen, würde immer wieder die Un-Sachlichkeit der Linken hervortreten, was in der Öffentlichkeit dann noch mehr zur Ernüchterung bei „Unentschlossenen“ über die Weltfremdheit der Multikulturalisten führen könnte.
Es geht also nicht um Schuld, sonst wäre dieses Phänomen konkret begrenzt. Denn Schuld bezieht sich immer auf etwas, was man getan hat, und besser nicht hätte tun sollen oder aber etwas, das man nicht getan hat und hätte besser tun sollen. Es gibt also ein klar definiertes Defizit bzw. Delikt, welches jemandem konkret zurechenbar ist.
Warum eine Differenzierung von Schuld und Scham?
Will man psychologische Dynamiken betrachten bzw. begreifen, so ist es notwendig zu verstehen, welche Emotionen zu welchen Handlungen (= Lösungsversuchen) führen. So ergibt sich aus Schuld die Wiedergutmachung bzw. die Vergebung, falls die Schuld nicht ausgeglichen werden kann und es zu keiner Satisfaktion kommt.
Scham hingegen beinhaltet eine depressive Grundideologie, die Lösung liegt in der Reflektion und selbstbehauptenden Vertretung des Selbst. Es ergeben sich also völlig unterschiedliche Herangehensweisen und Schlußfolgerungen an zwei sich ähnelnde Phänomene.
Es geht um Scham. Anders als bei der Schuld bezieht sich das „Falsche“ nicht auf Handlungen, sondern vielmehr auf das Wesen selbst. Allein durch sein „So-sein“ ist es schon verkehrt, dabei ist völlig egal, was es tut, es ist immer schon falsch, schon allein nur weil es Ausdruck seiner selbst ist.
Allein die Existenz dieser „Fremdheit“, von der sich so zwangsneurotisch versucht wird abzugrenzen soll verdrängt, getilgt oder beseitigt werden – siehe Frankfurter Buchmesse. Man darf und will damit nichts gemein haben. Das Einstehen für die nationale Idenität (volkstümlich heruntergebrochen: „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“) soll in ein „Ich schäme mich Deutsche/r zu sein“ transformiert werden.
Das Deutsch-Sein und die eigene Identität sollen schon als solche schambehaftet assoziiert werden, damit sich dann entsprechenden Schamgefühle einstellen und sich möglichst viele Menschen zur Abwehr dieser Gefühle gar nicht erst mit in den Kreis der Patrioten stellen. Und wo ginge das besser als bei Menschen, die jahrzehntelang zum Nachtrotten erzogen wurden, indem man ihnen jeden Mut durch Angst versucht hat zu vergiften?
Grundsätzlich erscheinen Scham und Schuld als recht schwierig unterscheidbar, da sich bei Schuld (insofern man sich seines Unrechts bewußt ist) natürlich auch Scham einstellt. Liegt jedoch keine konkrete Schuld vor, so handelt es sich um Scham.
Hierzu ein Beispiel: Vor einiger Zeit fragte ich einen türkischen Nachbarn, wie er denn zur türkisch-armenischen Geschichte im 20. Jahrhundert stehe. Er antwortete in dem er mit den Schultern zuckte und rief: „Ist dumme Idee sich mit Türken anzulegen, müssen besser draus lernen.“
Hier war keine Spur von einem Schuldbewußtsein oder gar von Scham zu erkennen, im Gegenteil. Man zeigt sich stolz ob seiner Wehrhaftigkeit, der ethische Rahmen hat Dauer-Urlaub.
Das ethische Dilemma und wie es anders laufen kann
Daraus erklärt auch das ambivalente Dilemma, in dem sich viele Patrioten wiederfinden: Einerseits kann man grausame Verbrechen nicht gutheißen, gleichgültig, von wem sie begangen werden. Das unterscheidet die neurechte Bewegung eben auch von der Alten Rechten. Es ist Unsinn, schlechte Taten zu guten zu erklären, nur weil sie von den eigenen Vorfahren begangen wurden. So etwas kann man den Linken überlassen, wenn sie zur Intoleranz gegenüber angeblich Intoleranten aufrufen.
Andererseits will man zur eigenen historischen Identität stehen und auch stolz sein auf Überliefertes und auf die Zugehörigkeit zu einem sinnstiftenden Wir, frei von Scham. Dabei stellt sich schnell der Eindruck eines „Entweder-Oder“ ein, was aber Unfug ist. Die Antwort ist „Beides“: Ja zur eigenen ethnokulturellen Identität und Nein zum Totalitarismus.
Genau deswegen ist es der Presse auch so wichtig den „Nazi-Joker“ regelmäßig in Verbindung mit Patriotismus (wider besseren Wissens) zu zücken. Denn jeder, der ins patriotische Lager überwechselt, hat sich aus der Schamkultur verabschiedet, sprich sich dem Einflußbereich und der emotionalen Kontrolle des Establishments entzogen.
Fazit:
- Es handelt sich um einen Schamkult, da Schuld konkreten Personen handlungsbezogen zugewiesen werden kann.
- Es ist handelt sich um eine emotionale Manipulationsstrategie zur Verfestigung von Macht. Dabei sollen Schamgefühle für das eigene Sein und die eigene Identität erzeugt werden.
- Der beste Schutz davor ist eine eigene, differenzierte Haltung in einem klar erkennbaren ethischen Wertekanon sowie eine taktische Herangehensweise in Bezug auf emotionaler Manipulation.
Franz Bettinger
Die Sachdebatte wird nicht verhindert, wenn man das Schmähwort Nazi zum Schein für sich gelten lässt - was beim Gegenüber Empathie herstellt - dann aber dessen Bedeutung nicht akzeptiert. "Ja, kann sein, dass ich ein Nazi bin," könnte man antworten: "Es kommt halt darauf an, was Sie darunter verstehen." Und schon sitzt der Linke in der Falle. Er muss jetzt definieren und begründen, was ER i.d.R. nicht kann. Und wenn er es doch, etwa mit Worten wie Rassismus, versucht, kann man ihn nett auseinander nehmen und locker nachweisen, dass distinktiver Rassismus allgegenwärtig ist. Und so kann man von Wort zu Wort, bzw. von Hülse zu Hülse springen, bis die Luft ganz und gar aus dem Linken Ballon entwichen ist. Ich habe mit der Taktik eigentlich nie ein Problem.
An wahrer Schuld trägt man am schwersten, und auch an Scham. Beidem liegen wirkliche Vergehen zugrunde, die der Schuldige selbst und allein zu verantworten hat. Eine Lösung? Die gibt es nicht. Es sollte sie auch nicht geben. "Die Lösung liegt in der Reflexion?" Projektion vielleicht sogar? Psychologische Tricks? Mein Gott, nein! Schuld und Scham sind mit einem Dauerschmerz verbunden, der verdient ist und den es auszuhalten gilt, bis zum letzten Tag. Das ist okay. Früher nannte man es Sünde, und mit seinen Sünden trat man vor den letzten Richter, basta. Schau halt, dass es wenige sind. Danke, Herr Gastautor, dass Sie klargestellt haben, wieso es sich nicht um einen Schuldkult, sondern nur um einen Schamkult handeln kann, unter den man uns zwingen will.