So sprach unser Sonntagsheld vor 102 Jahren am Grab des irischen Widerstandskämpfers Jeremiah O’Donovan Rossa, ein Jahr später sollte er seinen Worten Taten folgen lassen. Wer ist der Mann, der 1916 in Dublin die irische Republik ausrief und mit seinem Tod den letzten Pinselstrich unter ein Kunstwerk setzte, das bis heute fortwirkt?
Pádraig Henry Pearse, irisch Pádraig Anraí Mac Piarais, wurde am 10. November 1879 als Sohn einer Irin und eines Briten in der Dubliner Great Brunswick Street geboren. Heute, fast auf den Tag genau 138 Jahre später trägt die Straße seinen Namen. Um zu verstehen, wie sich Pearse diese Ehre verdiente, hilft ein rascher Blick in die Zeit seines Wirkens:
Im Jahr 1900, zu der Zeit als Pearse seinen Abschluss an der Royal University of England machte, hatten sich die Iren innerhalb eines bitteren Jahrhunderts einige wenige Freiheitsrechte gegenüber dem britischen Hegemon bekämpft: Die Herrschaft britischer Landlords über die von ihnen abhängigen irischen Bauern war im Rückgang, die nationalistischen Kräfte in Irland begannen, unterstützt von finanzstarken Exilanten in den Vereinigten Staaten, sich nach mehreren gescheiterten Rebellionen und parlamentarischen Vorstößen erneut zu konsolidieren und mit der immer lauter werdenden Forderung nach dem sogenannten Home Rule Act bewegten sich diese Erfolge langsam aber sicher in Richtung konkreter politischer Entscheidungen.
Die irische Widerstandsbewegung dieser Zeit war jedoch nicht nur eine Freiheitsbewegung im politischen Sinne, sie hatte sich tatsächlich überhaupt erst im Windschatten kultureller und metapolitischer Organisationen wie der 1893 gegründeten Gaelic League firmieren können.
Während in den großen Metropolen des Westens die Dichter des Fin de Siècle ihre Entfremdung in die Welt hinausschrieben, waren große Teile Irlands nicht etwa durch Industrialisierung und das Heraufdämmern der Moderne aus ihrer eigenen Kultur und Geschichte herausgespült worden, sondern standen unter einem regelrechten Identitätsverbot. Durch eine Reihe von Repressionsmaßnahmen und nicht unwesentlich auch durch die massive Bevölkerungsdezimierung infolge der Great Famine genannten Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts war die irische Sprache, das Gälische, fast vollständig ausgestorben.
Auch, wenn die Dramatik dieser Entwicklung gelegentlich übertrieben wird, steht fest, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts ein Großteil der öffentlichen Angelegenheiten auf Englisch verhandelt wurden und die irische Sprache ein massive Marginalisierung erfahren hatte.
Das Gefühl dieses Verlustes und die Erkenntnis des revolutionären Potenzials, das in diesem Gefühl lag, war es, das irische Nationalisten veranlasste, ihre Arbeit auf die Wiederentdeckung der irischen Kultur, Geschichte und Traditionen zu fokussieren. Dabei schafften sie es, die Strahlkraft der vorchristlichen Mythen aus Irlands heroischem Zeitalter neu zu entfachen, ohne dabei die immer noch starke katholische Identität der Iren ernsthaft anzugreifen. Stattdessen stand am Ende dieser Entwicklung eine fruchtbare Synthese dieser beiden Traditionsstränge. Pearse war vielleicht nicht der wichtigste, sicher jedoch der bekannteste Kopf dieser Bewegung und während in Deutschland die Jugendbewegung zaghafte Versuche identitärer Erneuerung wagte, wurde in Irland Kulturrevolution gemacht.
Bereits 1908 gründete Pearse mit der St. Enda‘s School eine Lehranstalt, an der irische Jungen eine zweisprachige Erziehung genießen sollten. Unterrichtet wurde – neben den üblichen Fächern – irische Geschichte, auch versuchte Pearse in seinen Schülern dieselbe Begeisterung für die Sagen der irischen Vorgeschichte zu wecken, die ihn bereits in jungen Jahren angetrieben hatte. Das Projekt war ein Erfolg: Als Pearse am Ostermorgen 1916 gemeinsam mit seinen Kameraden das General Post Office in Dublin stürmte, kämpften 15 Schüler von St. Enda‘s an seiner Seite.
In seinem ganzen politischen und literarischen Wirken hatte Pearse stets die Notwendigkeit des Opfers betont. Mit einer fast überirdischen Begeisterung und einer regelrechten Frömmigkeit hatte er sein ganzes Leben lang auf den Tag hingearbeitet und hingeschrieben, an dem er fröhlichen vor sich hinpfeifend durch die Gänge des Kilmainham Jail zu seiner Hinrichtung schritt.
Damit hat er nicht nur bei seinen Befürwortern und Nachfolgern einen bleibenden Eindruck hinterlassen:
Charles Blackader, der Vorsitzende des Kriegsgerichtes, das Pearse zum Tod verurteilte, notierte später:
„I have just done one of the hardest tasks I have ever had to do. I have had to condemn to death one of the finest characters I have ever come across. There must be something very wrong in the state of things that makes a man like that a rebel. I don’t wonder that his pupils adored him.“
Franz Bettinger
Die Strahlkraft der vorchristlichen Mythen? "The Crock of Gold" heißt ein Büchlein von James Stephens, geschrieben 1912. Ich habe noch nie was gelesen, das mich von der ersten bis zur letzten Seite dermaßen fesselte. Ich las es in der Hütte eines Freundes in einer einzigen Nacht auf der Coromandel Halbinsel und zwar meiner Frau vor, die Vorlesen normalerweise nicht ausstehen kann, aber diesmal sprachlos und aufmerksam blieb. Ein irisches Märchen über die verdrießliche Verwobenheit und andauernde Beschäftigung des Menschen mit der Welt seiner Gedanken. Logik und Gerechtigkeit? Das seien Irrtümer der Schöpfung, der Natur oder der Evolution. Die Dominanz dessen, was einige Vernunft nennen, über die Intuition versklave die Menschheit. Weisheit sei die Sorglosigkeit eines Pan und die Furchtlosigkeit des furchtlosen Denkers oder auch die kindliche Freude beim Spiel. Für mich eine große Augen-öffnende humorige Story, brillant und auch auf Englisch gut verständlich geschrieben; gefährlich für die zivilisierte Welt und deshalb wahrscheinlich (fast) vergessen.