Heute wehte mir ein neues Fundstückchen auf den Bildschirm, und weil heute um elf Uhr elf AUFTAKT!!! SESSION!! ist (gemäß Plakat am Straßenrand, ich hatte kurz „Sezession“ gelesen), will ich gern ein paar Narreteien zum Besten geben.
Es geht um eine Studie, die wunderschön „Die Natur des rechtsextremistischen Lebensstils“ titelt. Um „uns“ geht es hier mal nicht. Es geht im Wesentlichen um Bomberjackenträger, Skinheads, die NS-Geschichte von Hugo Boss, die „Identiären“ [sic] und die Zeitschrift Umwelt & Aktiv.
Verfaßt hat das hübsch durcheinandere Pamphlet ein „Nils Franke, Wissenschaftliches [huch!] Büro Leipzig“. Eben vorgestellt wurde es von der rheinland-pfälzischen Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Frau Höfken. Frau Höfken lobt vorab zwei ältere Publikationen, die unter ihrer Ägide mit ähnlich famosen Titeln („Naturschutz gegen Rechtsextremismus“ und „Klartext gegen rechtsextreme Ökosprüche“) entstanden und „bundesweit ‘angekommen’“ seien.
Relativ übergangslos fährt Frau Höfken fort:
Wir stellen fest: Outfit, Musik und Symbole rechtsextremistischer Akteurinnen und Akteure [holla, da fehlt was, gell? Diverses?] zeigen nicht zufällig den Bezug zu Natur. [sic] Er wird gesucht. [sic]
Gut, steigen wir ein ins Werk des ministeriell bezahlten Nils Franke. Motto: „Gib uns Schmankerl!“ Herr Franke wirft die Kamellen wild nach allen Seiten – ganz wie die Funkenmariechen. Hier mal eines, das wir aufheben wollen:
„Blut und Boden“ ist ein Schlagwort, das die Nationalsozialisten vertraten, die heute in klassischer Form [sic] kaum noch auftreten. Auch in rechtsextremistischen Kreisen wird der Ausdruck wenig benutzt. Doch der Inhalt ist tatsächlich noch in vielen Bereichen vorhanden und äußert sich auch in verschiedenen Ausdrucksformen des rechtsextremistischen Lebensstils. Diese Ausdrucksformen sind wahrnehmbar. Ähnlich wie bei James Bond und seinen unvermeidlichen Attributen wie schnelle Autos oder „Handlungsfeldern“, denen er gerne Aufmerksamkeit widmet, wie schönen Frauen, so finden sich bei Rechtsextremisten immer wiederkehrende Objekte, Aktions- oder Themenfelder, die sie interessieren und die sie aus ihrer Ideologie heraus gestalten. Sie bilden die rechtsextremistische Lebenswelt.
Okay. Wie schlagen wir jetzt den Bogen zum Umweltministerium? So:
Natur wird dabei zu einem Ort der eigenen körperlichen Ertüchtigung z. B. durch Boxtraining, des gemeinsamen Erlebens zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls in Zeltlagern (…). Zusammengefasst: Der Lebensstilbegriff im Kontext mit dem Naturbegriff eignet sich sehr gut für die Analyse der rechtsextremen Lebenswelt. Erst diese Verbindung macht Idee und Ausdrucksformen dieser Ideologie verständlich. Natur war ein Schlüsselbegriff im Nationalsozialismus und ist es in der rechtsextremistischen Weltanschauung heute geblieben.
Wie geht ein Tusch zur Büttenrede in Mainz? Duff-dä?
Duff-dä, duff-dä!
Herr Franke schreibt noch einiges über James Bond und dessen „Stilmerkmale“ und baut dann in seinem eigenen unvergleichlichen Schreibstil ein Brückchen:
Auch Rechtsextremisten besitzen [!] einen Lebensstil und haben sehr konkrete Vorstellungen, wie sie ihr Leben führen wollen. Die dahinter stehende Idee heißt: Menschen sind ungleichwertig.
Zum Lebensstil der strikt naturverbundenen Rechtsextremisten gehören laut Wissenschaftlichem Büro Franke nicht nur Springerstiefel und Bomberjacken, sondern unbedingt die Farbe Schwarz:
Schwarz herrscht als Szenefarbe eindeutig vor. Das kann als Hinweis auf die schwarzen Uniformen der SS gedeutet werden, aber auch nur vom linken „Schwarzen Block“ entliehen sein bzw. auch ganz praktische Gründe in Bezug auf Nachtaktionen haben.
Ergänze: oder auf eine grundlos deprimierte Hauptstimmung hinweisen oder mit CDU/CSU oder gar mit Zauberern oder Tollkirschen in Verbindung stehen oder auch übrigens meistens gar nicht zutreffen. Duff-dä!
Es fällt Nils Franke in seiner Büttenrede bzw. Studie zunehmend schwer, eine Verbindung zur „Natur“ herzustellen, die er doch als Hauptkampfplatz der Feinde ausgemacht hat.
Er versucht‘s am Ende mal so: Nicht nur „in die Parlamente der Bundesrepublik Deutschland gewählten Parteien“, sondern sogar „internationale Großkonzerne“ und die „intensive Landwirtschaft“ gerieten den Rechten „ins Visir.“ [sic]
Wie arg, dieser Quark. Das sollen sie mal lesen, diese Bösen.
Narhalla lebt, helau!
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12. 11. 17 – Herz für Kinder! Küßchen für eine Spezielle!
Heute besuchen wir eine Hl. Messe auswärts. Ich hab den Kindern die Nachmessenkritik verboten. Das bringt ähnlich viel wie andere Verbote. Zumal, wenn die Eltern sich aufgrund eigener Empfindlichkeiten selbst nicht immer konsequent dran halten.
Es war schon schön würdig. Mittlerweile singe ich auch „Neues Geistliches Lied“ mit; manchmal wenigstens, und nur sehr leise. Heute: „Mein verlornes Zutraun, meine Ängstlichkeit // bringe ich vor dich. Wandle sie in Wärme, Herr, erbarme dich“ usw.
Kleinste Tochter mit Herz stößt mich an. Ich beuge mich runter. „Kitschig, gell“, flüstert sie. „Wieso?“ flüstere ich zurück (rhetorische Frage, klar). Antwort: „Merkt man doch schon an der Melodie.“
Hinterher gibt sie mir noch einen Trick preis: Unterm Lied stehe doch immer ein Jahr, ob ich das mal bemerkt habe? Sie habe herausgefunden, je älter, desto schöner. „Also meistens.“
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13. 11. 17 – Wir haben seit langem Begriffe für „Diskriminierung“ qua Hautfarbe (Rassismus), qua Geschlecht (Sexismus), qua Aussehen (Lookismus), usw. usf, aber was ist denen, die sich durch unangemessene Identifikation ihrer Stimme auf den Schlips getreten fühlen?
Ich lausche heute kurz und zufällig einem Radiotalk über das dritte, also Inter- oder Diverse-Geschlecht. Klar, als konservative Stimme ist der gute alte Dr. Norbert Geis von der CSU zu hören, den die Medienleute gern einladen, um wunderbar und fugenlos demonstrieren zu können, daß Nichtlinke intellektuell völlig unterbelichtet sind.
Mir fällt ein linker Gesprächsgast auf, der – ich denke: typisch männlich – extrem breit macht. Mann, ist der aufgeregt und wichtig! Und wie er dauernd anderen ins Wort fällt! Der Kerl redet sogar dann, wenn der Moderator dezidiert eine weitere Talkpartnerin anspricht. Wie penetrant der Typ ist!
Ha, am Ende krieg ich‘ s raus, dieser Herr ist in Wahrheit … ein Mensch. Heißt: Er klingt nur wie ein Mann, „er“ hat sich längst von solcher Zuschreibung verabschiedet. Nennt sich „Kim“.
Noch toller wird´s, als Christel mit einer Hörermeinung anruft. Christel (vermute, schreibt sich „Krystal“ oder so) hat einen extremen Brummbaß. Der hochgeschlechtersensible Moderator tappt ins akustische Fettnäpfchen und redet Christel, die ganz dezidiert nicht als Mann gelten will, wiederholt als „Herr B.“ an.
Herrlich! Die Bäume sind kahl mittlerweile, und doch ist alles soo schön bunt!
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Tacitus
Schwarz als Kleiderfarbe erinnert mich spontan an die Lützower Jäger - Befreiungskriege und so, also uralter Tobak - andersfarbige Kleidung ließ sich leichter in schwarz als in weiß umfärben. Diese Erklärung soll natürlich nur die wahren Absichten der Lützower verschleiern - als Avantgarde der SS aufzutreten. Sollte man dem guten Nils Franke mal stecken...