Elend und Ende des Deutschen Konservatismus

Die "Gesellschaft für deutsche Sprache" hat letztens "Jamaika-Aus" zum Wort des Jahres gekürt. Uns wird nicht dieser Umstand, sondern das politische Desaster dahinter in Erinnerung bleiben.

Bis zuletzt hat­te die Kanz­le­rin dar­um gekämpft, die Par­tei­en einer ihrer berüch­tig­ten gemein­sa­men Lösun­gen zuzu­füh­ren. Uner­war­tet kam, daß es dies­mal nicht klap­pen woll­te und so Ange­la Mer­kels Kanz­ler­schaft aus­ge­rech­net infol­ge der Bun­des­tags­wahl zu ver­en­den droht, in der nichts siche­rer erschien, außer der Fort­füh­rung eben­die­ser Kanzlerschaft.

Die Kri­sen­dia­gno­se der inhalt­lich aus­ge­höhl­ten und per­so­nell von allen auch nur halb­ge­fähr­li­chen Köp­fen gesäu­ber­ten Mer­kel-Uni­on ist frei­lich seit Jah­ren immer lau­ter gewor­den und so scheint nur das Uner­war­te­te, wenn auch nicht Über­ra­schen­de schließ­lich ein­ge­tre­ten zu sein. Wenn nicht die SPD doch wie­der in die Bre­sche springt …

Der deut­sche Kon­ser­va­tis­mus liegt in den letz­ten Zügen. Die Sub­stanz ist auf­ge­braucht. Kürz­lich fiel mir die Novem­ber­aus­ga­be der Club­zeit­schrift von Rota­ry in die Hän­de. Ver­faßt nach der Bun­des­tags­wahl, lau­tet das Titel­the­ma: „Herbst einer Volks­par­tei, Zur Kri­se der deut­schen Christdemokratie“.

Die Rota­ri­er, das muß der Neid ihnen las­sen, geben eine her­vor­ra­gen­de Zeit­schrift her­aus. Den Ver­eins­teil kann man ja über­le­sen, dann über­steigt die Qua­li­tät der The­men­bei­trä­ge deut­lich die des größ­ten Teils der am Kiosk erhält­li­chen Kon­kur­renz. Wenn man die Intel­li­genz der kon­ser­va­ti­ven bür­ger­li­chen Mit­te sucht, so fin­det man sie hier. Die durch die Auf­sät­ze hin­weg les­ba­re Ero­si­on des Ver­trau­ens ist mit Hän­den zu grei­fen, nicht nur in die C‑Parteien, son­dern in das gan­ze Kon­zept des deut­schen Kon­ser­va­tis­mus seit Beginn der Bundesrepublik.

Die Pro­blem­ana­ly­sen sind aus­gie­big und weit­ge­hend tref­fend, die weni­gen Lösungs- und Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge, wir­ken ein­sam, an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen, manch­mal gro­tesk. Ein Prof. Dr. Franz Wal­ter, bis vor kur­zem Lei­ter des Göt­tin­ger Zen­trums für Demo­kra­tie­for­schung, schlägt etwa vor, die Uni­on sol­le sich ein Vor­bild an der Win­zer­zunft nehmen:

Öko­lo­gie, Regio­nal­kul­tur, Geschich­te und dar­in ein­ge­bun­de­ne Inno­va­ti­ons­freu­de durch­aus eigen­sin­ni­ger wie expe­ri­men­tier­freu­di­ger Win­zer­fa­mi­li­en als kon­ser­va­ti­ven Erzähl­strang auf­zu­neh­men und in eine mine­ra­lisch fri­sche Über­zeu­gungs­spra­che zu überführen.

Mit die­ser Kaba­rett­num­mer endet ein auf­schluß­rei­cher Auf­satz über die Aus­wir­kun­gen der Milieu­ver­schie­bun­gen, die Deutsch­land seit den 50er Jah­ren erlebt hat und die zur mehr­fa­chen Spal­tung des bür­ger­li­chen Lagers führ­ten. Neben den tra­di­tio­nel­len Klein­bür­gern bil­de­te sich erst ein Links­bür­ger­tum im Gefol­ge der Wer­te­re­vo­lu­ti­on der 60er, dann „hoch­agi­le, oft nun religions‑, hei­mat- und fami­li­en­lo­se jun­ge Wirt­schafts­bür­ger“, zuletzt eine „neue Wut­bür­ger­lich­keit […] mit neo­na­tio­na­len Einstellungen“.

Ange­sichts der so ent­stan­de­nen Hete­ro­ge­ni­tä­ten aber scheut die CDU ent­schei­dungs­ori­en­tier­te Dis­kus­sio­nen über die kon­sti­tu­ti­ven und hoch­um­strit­te­nen Wert­fra­gen von Poli­tik und Gesell­schaft. Sie fürch­tet die Spreng­kraft, wenn sich Kon­ser­va­ti­ve und Libe­ra­le, Tra­di­tio­na­lis­ten und Moder­ni­sie­rer, Glo­ba­li­sie­rer und Hei­mat­men­schen, Ver­lie­rer und Gewin­ner im Klein- und Groß­bür­ger­tum über Nor­men und Ethi­ken des künf­ti­gen Zusam­men­le­bens, also gleich­sam auf ein Sinn­me­nü eini­gen müssten.

Die Kern­fäu­le des deut­schen Kon­ser­va­tis­mus läßt sich am Ein­dring­lichs­ten am Bei­spiel des Bei­trags von Prof. Dr. Andre­as Röd­der, Pro­fes­sor für Neu­es­te Geschich­te zu Mainz, auf­zei­gen. Sei­ne Kri­sen­dia­gno­se ist auf den ers­ten Blick voll­kom­men rich­tig. Als die Uni­on sich unter Mer­kel an die vom aka­de­mi­schen post­mo­der­nen Dekon­struk­ti­vis­mus aus­ge­hen­de „Kul­tur des Regen­bo­gens“ anpaß­te, ver­lor sie die Fähig­keit zur inhalt­li­chen Debat­ten­füh­rung. Die Reak­ti­on auf die­se Regen­bo­gen­kul­tur trifft sie nun völ­lig unvorbereitet. 

Nur wenn man sei­nen Text genau­er liest – und vor allem liest was dort nicht geschrie­ben steht! – dann fällt einem auf, daß Röd­der die Ideo­lo­gie des „any­thing goes“ soweit inter­na­li­siert hat, daß ihm poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Trends nichts als Moden sind, die irgend­wel­che gesell­schaft­li­chen Wün­sche aus­drü­cken, aber ohne grö­ße­re Kon­se­quen­zen blei­ben. „Die Kul­tur des Regen­bo­gens“ kann für ihn nega­ti­ve Fol­gen haben, etwa wenn eine „kin­der­lo­se Unter­neh­mer­toch­ter aus Mün­chen-Bogen­hau­sen“ auf­grund der Frau­en­quo­te bei der Beset­zung von Auf­sichts­rä­ten einem „vier­fa­chen Fami­li­en­va­ter aus einer Ein­wan­de­rer­fa­mi­lie in Ber­lin-Neu­kölln“ vor­ge­zo­gen wird. 

Und frei­lich kann sie eine Gegen­be­we­gung pro­vo­zie­ren, die sich auf die The­men­fel­der stellt, „auf denen der post­mo­der­ne Dekon­struk­ti­vis­mus die kul­tu­rel­le Hege­mo­nie des Regen­bo­gens berei­tet hat“. Es liegt jedoch außer­halb des Vor­stel­lungs­ver­mö­gens Herrn Prof. Dr. Röd­ders, daß die Kul­tur des Regen­bo­gens dem deut­schen Staat und Volk an die Sub­stanz gehen könn­te. Sein Vor­wurf an die Mer­kel-Uni­on lau­tet eigent­lich auch nicht Anpas­se­rei, son­dern, daß sie sich so weit an den Regen­bo­gen ange­paßt habe, daß sie zur Anpas­sung in die ande­re Rich­tung nicht mehr fähig sei.

Dahin­ter steht jener Kon­ser­va­tis­mus, der poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung gemäß dem Sprich­wort auf­faßt: „Ruhe ist die ers­te Bür­ger­pflicht.“ Es kommt hier gar nicht auf die Inhal­te poli­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen an, son­dern nur dar­auf, daß das Ergeb­nis ord­nungs­ge­mäß und ohne zu abrup­te Ver­schie­bun­gen umge­setzt wird. 

Nor­bert Lam­mert brach­te dies in der Wahl­nacht unfrei­wil­lig komisch zum Aus­druck. Den Ein­zug der AfD kom­men­tier­te er mit dem Satz: „Der Domes­ti­zie­rungs­ef­fekt des deut­schen Par­la­ments ist beacht­lich.“ Er habe schließ­lich auch den Grü­nen ein­mal zuge­ru­fen: „Am Ende hat der deut­sche Par­la­men­ta­ris­mus euch mehr ver­än­dert als ihr den deut­schen Parlamentarismus.“ 

Lam­mert zog 1980 in den Bun­des­tag ein und schied mit dem Ende der letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode aus. Die Grü­nen haben in die­ser Zeit, erst nur außer­par­la­men­ta­risch, dann aber auch aus den Par­la­men­ten und Minis­te­ri­en her­aus, die Repu­blik vor sich her­ge­trie­ben. Das ein­zi­ge womit sie dau­er­haft geschei­tert sind, ist die Reform der Geschäfts­ord­nung. Deren Erhalt und nichts anders hatte Lam­mert vor Augen, als der die „Erwe­ckungs­be­we­gun­gen“ ver­lach­te, die sich im Bun­des­tag als „lau­es Lüft­chen“ erwie­sen hatten. 

Es ist dem Kon­ser­va­ti­ven kaum begreif­lich zu machen, daß man nicht end­los jeder Nar­re­tei um zehn Jah­re hin­ter­her­he­cheln und das als Sta­bi­li­tät ver­kau­fen kann. 

 

Prof. Dr. Hans Mathi­as Kepp­lin­ger, Eme­ri­tus – wohl­ge­merkt Eme­ri­tus! – für Empi­ri­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­schung zu Mainz, hat dies weit bes­ser begrif­fen. Er schreibt über „Die Macht der mei­nungs­mäch­ti­gen Milieus“, so daß man ihn nahe­zu unver­än­dert in jedem neu­rech­ten Peri­odi­kum abdru­cken könn­te. Das fol­gen­de Zitat ist die prä­zi­ses­te mir bekann­te Kurz­ana­ly­se des Pro­blems der poli­ti­schen Korrektheit:

In Demo­kra­tien zäh­len alle Stim­men gleich viel. Das ist theo­re­tisch rich­tig und prak­tisch falsch, weil man­che Men­schen schon im Vor­feld von Wah­len eher bereit sind, ihre Mei­nung öffent­lich zu ver­tre­ten als ande­re – Stadt­be­woh­ner eher als Dorf­be­woh­ner, Aka­de­mi­ker eher als Hand­wer­ker, Jun­ge eher als Alte usw. Des­halb besit­zen eini­ge mehr Mei­nungs­macht als ande­re, und des­halb ent­ste­hen in allen Demo­kra­tien mei­nungs­mäch­ti­ge Milieus. Zu die­sen Milieus gehö­ren vor allem Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten sowie mit deut­lich gerin­ge­rem Ein­fluß Unter­neh­mer, Künst­ler und Wis­sen­schaft­ler. Das ist unpro­ble­ma­tisch, solan­ge sich die Milieus deut­lich von­ein­an­der unter­schei­den und solan­ge die Unter­schie­de zwi­schen ihnen und den poli­tisch nur weni­ger inter­es­sier­ten Men­schen gering sind. Pro­ble­ma­tisch wird es, wenn Wer­te und Zie­le der mei­nungs­mäch­ti­gen Milieus zu gro­ße Schnitt­men­gen auf­wei­sen und ihre Distanz zu Wer­ten und Zie­len der für sie rele­van­ten Tei­le der Bevöl­ke­rung zu groß wer­den. In einer sol­chen Kon­stel­la­ti­on müs­sen die erfolgs­ver­wöhn­ten Milieus eine offe­ne Dis­kus­si­on ihrer Über­zeu­gun­gen fürch­ten, weil ihr Ver­lauf unge­wiss ist.“

Soweit so gut. Kepp­lin­ger will dann aber, „den Teil der Bevöl­ke­rung, der sich anhand sei­ner Wahr­neh­mung der Rea­li­tät eine eige­ne Mei­nung gebil­det hat“ vom „Kern der Ideo­lo­gen tren­nen“. Dazu emp­fiehlt er „die Ent­mo­ra­li­sie­rung von Sach­fra­gen und eine ange­mes­se­ne Berück­sich­ti­gung von Kos­ten-Nut­zen-Über­le­gun­gen.“ Und wie stellt er sich das kon­kret vor? Wenn der Ver­lauf der offe­nen Dis­kus­si­on unge­wiß ist?

Die­ser Rat kann nur dem nicht als bil­li­ge Phra­se erschei­nen, der die kon­ser­va­ti­ve Grund­über­zeu­gung teilt, das Sach­lich­keit mit Harm­lo­sig­keit iden­tisch sei, die nicht Harm­lo­sen dem­nach den „Kern der Ideo­lo­gen“ ausmachen.

Es ist bezeich­nend, daß der ein­zi­ge scho­nungs­lo­se Lage­be­richt im Gewan­de der Außen­po­li­tik daher­kommt. Die äuße­re Gefahr, auch wenn sie sich im Vor­gar­ten breit­macht, berührt nicht die­sel­ben wun­den Punk­te, wie die Kon­zept­lo­sig­keit ange­sichts er eige­nen Bürger.

So darf Freund Mün­k­ler unter dem Titel „ Zer­fal­len­de Ord­nung, Über die schwin­den­den Trenn­li­ni­en zwi­schen Krieg, Bür­ger­krieg, Volks­auf­stän­den und Ter­ro­ris­mus“ eine Para­phra­se des völ­ker­recht­li­chen Werks Carl Schmitts samt Aus­blick auf die heu­ti­ge Situa­ti­on ver­fas­sen (ohne Namens­nen­nung des Leib­haf­ti­gen ver­steht sich, ein lin­ker Gelehr­ter hät­te ihn übri­gens genannt, allen­falls einen Ver­merk bei­gefügt von wegen hat sich in der NS-Zeit kom­pro­mit­tiert blablabla).

Schließ­lich gibt es da – neben der erfreu­li­chen Beschei­ni­gung des dem Rota­ryclub-Ber­lin-Bran­den­bur­ger Tor ange­hö­ri­gen Her­aus­ge­bers Johann Micha­el Möl­lers, daß die Ost­deut­schen AfD-Wäh­ler kei­ne anti­de­mo­kra­ti­schen Wen­de­ver­lie­rer aus dem Tal der Ahnungs­lo­sen sei­en – einen Bei­trag von Dr. Hen­ning von Vier­eg­ge, Autor eines Buches des Titels „Neu­start mit 60. Anstif­tung zum dyna­mi­schen Ruhestand“.

Er zeigt den ein­zi­gen Weg, der dem Kon­ser­va­tis­mus zumin­dest noch eine Gna­den­frist erkau­fen kann: Die Wie­der­be­le­bung des Begriffs der Hei­mat. Frei­lich so, daß man nicht „in die Wagen­burg-Fal­le tappt, die Hei­mat mit der Abwehr alles Neu­en und Frem­den gleichsetzt.“

Daß von Vier­eg­ge dabei auf Ernst Blochs Uto­pie vom „Umbau der Welt in Hei­mat“ bezug nimmt, dar­an könn­te man jetzt sports­mä­ßi­ge Ideo­lo­gie­kri­tik betrei­ben, wich­ti­ger ist, in wel­chen Dimen­sio­nen er Hei­mat denkt. Die Ant­wort lau­tet „Regi­on, Stadt und Kiez“. Volk, vor allem aber der poli­ti­sche Begriff der Nati­on, fehlen.

Den­noch kann die Ver­hei­mat­li­chung kon­ser­va­ti­ver Poli­tik die­se noch eine Wei­le vor dem Offen­ba­rungs­eid ret­ten. Es ist das alte Spiel mit dem Bedürf­nis nach Gebor­gen­heit, das auf­grund sei­ner Sen­ti­men­ta­li­tät vom Sicher­heits­be­dürf­nis wohl zu unter­schei­den ist und in der Poli­tik nichts ver­lo­ren hat. Mut­ti Mer­kel in ande­rem Kleid.

Nicht die Poli­ti­sie­rung, son­dern die blo­ße Pro­pa­gan­di­sie­rung von Hei­mat ist der letz­te Pfeil im Köcher des deut­schen Kon­ser­va­tis­mus – der frei­lich eben­so erfolg­reich von Gefühls­kon­ser­va­ti­ven, wie Win­fried Kret­sch­mann und Alex­an­der van der Bel­len gezo­gen wer­den kann.

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Kommentare (13)

Franz Bettinger

27. Dezember 2017 01:01

"... wenn nicht die SPD wieder in die Bresche springt." Das wird sie, aber anders als gedacht.

Es läuft die GGG, die Ganz Große Gaunerei: Es wird eine von der SPD tolerierte Minderheits-Regierung aus CDU und CSU geben, wobei die SPD offiziell in der Opposition bleibt, heimlich aber mit im Regierungsboot sitzt und vielleicht sogar ihre Minister behält. Wieso keine GroKo? Weil ansonsten die AfD Oppositions-Führerin wäre mit vielen Sonderrechten, z.B. dem Recht, auf jede Rede als erste Fraktion antworten zu dürfen. Die AfD hätte eine größere Bühne. Dies und Partei-Taktik sind die Gründe, weshalb die SPD sich in die Opposition zu verziehen hat. 

Logisch und ganz natürlich wäre ein Rechts-Bündnis aus CDU-CSU, FDP und AFD - ohne Merkel. Das ist zum Tabu erklärt worden, wie einst Kooperationen der SPD mit den Linken. Die CDU / CSU sitzt nicht aus prinzipiell oder sachlich un-überbrückbaren, sondern aus rein partei-taktischen Gründen in der (von mir so genannten) Lafontaine- oder Ypsilanti- Falle. Es hat bis zum Herbst 2017 eine ungenutzte Linke Mehrheit gegeben. Ab diesem Zeitpunkt gibt es eine ungenutzte Rechte Mehrheit. Der Grund ist verletzter Stolz, einfach ein Teil von Dummheit.   

Cacatum non est pictum

27. Dezember 2017 04:15

Es sind dies die Merkmale des Konservativen unserer Tage, die mich so tiefe Abscheu vor ihm empfinden lassen - ergebenes Hackordnungsdenken, grenzenloser Opportunismus, erschlaffter Kampfeswille, permanente Kompromißbereitschaft, Harmlosigkeit durch und durch. Der perfekte ewige Kriegsverlierer, der sich befehlen läßt, in Sack und Asche zu gehen, solange er nur im Gegenzug der materiellen Befriedigung und des gesellschaftlichen Ansehens teilhaftig wird. Bei der Abwehr einer existentiellen Bedrohung möchte ich solche Leute nicht mal in meiner Nähe haben; ihnen steht der Verrat ins Gesicht geschrieben. Und je mehr ich von diesen traurigen Gestalten sehe, desto stärker wächst in mir die Überzeugung, daß ich als Konservative nur noch Erzkatholiken durchgehen lasse, die für die Herrschaft von Zepter und Krone eintreten.

Selbstdenker

27. Dezember 2017 11:55

Björn Höcke hat es auf der letzten Compact Konferenz auf dem Punkt gebracht. Er sagte... manche Konservative glauben immer noch, das sie zur politischen Elite gehören, merken aber nicht, dass sie der politische Gegner schon lange als Feind markiert hat. Genau so ist es.

Gespannt kann man wirklich sein,wie sich dieses Theater in Berlin entwickelt. Gäbe es eine GroKo, würde die AFD grösste Oppositionspartei sein ,und somit über Sonderrechte verfügen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Katrellparteien sitzen daher in der Falle. Man darf gespannt sein.

 

Monika L.

27. Dezember 2017 12:01

"Ökologie, Regionalkultur, Geschichte....als konservativen Erzählstrang aufzunehmen und in eine mineralisch frische Überzeugungssprache zu überführen....."

Das  wollte ich auch, als mir  Frühjahr bei einem Pfälzischen Dorffest das Magazin Slow Food ( Febr. Mörz 17) der gleichnamigen Bewegung in die Hände fiel. Mein Auge war angezogen vom Dossier ESSEN IST HEIMAT - Wie Ernährung Identität stiftet...

Die Lektüre war ernüchternd. Schon im Editorial wurde klargestellt, dass es " die deutsche Küche " gar nicht gibt. Im Inneren  des Heftes erfährt man dann von der Vorsitzenden der Slow Food Deutschland, Ursula Hudson, Kulturwissenschaftlerin, dass es noch nicht mal Heimat gibt, denn: " Heimat ist ein Projektionswort. Jeder kann darin sehen, was ihm beliebt". Der Begriff Heimat erlaubt nämlich " konstruktive Mehrdeutigkeit" . Das ist doch wunderbar, oder ? Ursula Hudson weiter: " Denn gerade rechte Ideologen haben schon immer versucht, den Heimatbegriff für sich zu vereinnahmen. In der Regel geht dies einher mit politischem Katastrophismus." " Die slow food Bewegung dagegen sieht sich  als Teil einer internationalen Gemeinschaft. Unsere Heimat heißt Vielfalt".

Der Appetit auf Slow foot verging mir ganz beim Beitrag von Anke Klitzing " Großmutters Kohlrouladen oder syrisches Gebäck" . Dort erfahre ich, dass " die Gebrüder Grimm die Idee von Heimat noch an einem tatsächlichen Ort festmachten, dort wo man geboren sei oder seinen bleibenden Aufenthalt habe." Heute dagegen ist es so, dass " Heimat doch dort ist, wo man sich sicher, geborgen und verstanden fühlt  - wo man dazugehört".

Und ich stelle fest, dass ich meine Heimat zunehmend verliere, denn: Ich fühle mich immer weniger sicher, geborgen und verstanden  - und dazu gehöre ich auch  nicht. Vielleicht verlege ich meinen bleibenden Aufenthaltsort doch in die Fremde, wo wenigstens die nationale Küche als Weltkulturerbe anerkannt ist:

https://lesekreis.org/2010/11/17/cuisine-francaise-franzosische-kuche-wird-weltkulturerbe/

Nach einer Flasche Pouilly-Fumé gehöre ich dann auch dazu.....Bonne année..das ist eine mineralisch frische Überzeugungssprache... ein Vaudésir Grand Cru ist mineralisch noch überzeugender...,

Franz Bettinger

27. Dezember 2017 12:44

@ Poensgen:  "Die 'Gesellschaft für deutsche Sprache' hat letztens 'Jamaika-Aus' zum Wort des Jahres gekürt."

Das Dumm- oder Un-Wort des Jahres für mich ist: "umstritten". Bsp: der umstrittene Verleger G. K., der nicht unumstrittene Journalist Peter Scholl-Latour. Was wäre das Gegenteil? 100% Schulz? Mainstream-Schwimmerin M. Slomka? Der immer korrekte Johannes B. Kerner? Also: ein dümmeres und nichts-sagenderes Wort als "umstritten" kenne ich nicht.

Lotta Vorbeck

27. Dezember 2017 14:27

@Monika L. - 27. Dezember 2017 - 11:01 AM

"... Und ich stelle fest, dass ich meine Heimat zunehmend verliere, denn: Ich fühle mich immer weniger sicher, geborgen und verstanden  - und dazu gehöre ich auch nicht. ..."

 

Das geht Ihnen beileibe nicht alleine so ...

... und womöglich wollen Sie ja auch garnicht zu dieser seltsamen, mineralisch-frisch überzeugten, vielfältig-einfältigen, syrisches Gebäck verzehrenden Schmierenkomödiantendekadenzstadlschauspieltruppe gehören.

Hesperiolus

27. Dezember 2017 16:07

@ cacatum non est pictum  Albrecht Erich Günther, dessen gesammelte Aufsätze vielleicht ein noch von antaios zu erhoffendes Desiderat wären, hat zwar das Konservative (naturrechtlich-universalistisch?) pointiert als " nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem was immer gilt", aber inzwischen wäre das wohl nur noch reaktionär auf der Zeitachse einzuholen. In der Tat sehe ich als unwiederbringliche legitime Bezugsgröße des Abendlandes nur den konstantinischen Äon, das Reich bis (1789-) 1803/1806 (-1918), heilig und römisch. Rotarierschriften, zweifellos interessant und aufschlußreich, würde ich unbedingt lesen, aber nur mit mentalen Handschuhen anfassen. Ist das metallene Zahnrad nicht ein antikonservatives Symbol schlechthin! Entschleunigung, katechontische Verlangsamung, letztlich techno-zivilisatorische Demobilisierung im Sinne auch Achim von Arnims "daß Deutschland nicht so verwirtschaftet werde, sei unser Bemühen" (nach Klages "Mensch und Erde"), halte ich für eines der im Grunde not-wendigsten, machtpolitisch aber nicht oder nur imperial umsetzbaren , wenn auch immer wieder mit innerer Empörung gegen die MINT-Eiferer in den rechten Reihen zu erinnerndes, Anliegen

Der_Jürgen

27. Dezember 2017 17:41

Erstaunlich, mit welcher Reife und Abgeklärtheit der junge Poensgen das Elend der Konservativen analysiert. Er trifft mit seiner Kritik an diesen voll ins Schwarze.

Es liegt in der Natur des Konservativen, dass er vor radikalen Rezepten zurückschreckt und sich eine wirkliche Alternative zum heutigen System einfach nicht vorstellen kann. Er will die gröbsten Absurditäten und Ungerechtigkeiten der gegenwärtigen Ordnung beseitigen, diese selbst aber nicht antasten. In anderen Worten, er gibt sich mit kosmetischen Verbesserungen zufrieden.

Auch auf diesem Blog melden sich sehr häufig ehrbare, intelligente und gebildete konservative Menschen zu Wort, die den absonderlichsten Illusionen anhängen, etwa der, die CDU/CSU werde wieder zu den Werten von Alfred Dregger und Franz Josef Strauss zurückkehren (dass die Union nie ernsthaft versucht hat, deutsche Politik zu betreiben, sondern es lediglich geschickt verstand, nationale Deutsche mit patriotischen Parolen zu ködern, sehen sie nicht, oder sie wollen es nicht sehen). Sie reden einer Koalition zwischen einer entmerkelten CDU, der FDP und der AFD das Wort, ohne zu begreifen, dass die AFD, um mitregieren zu dürfen, dermassen grosse Abstriche an ihrem Programm machen müsste, dass sie dann eben keine "Alternative" mehr wäre.

"Jeder Schlufi nennt sich heute konservativ", schrieb der unvergessene Armin Mohler schon vor Jahrzehnten treffend. Deshalb fände ich es besser, wir würden uns nicht als "Konservative", sondern einfach als "Rechte" bezeichnen.

 

Lotta Vorbeck

28. Dezember 2017 09:41

@Franz Bettinger - 27. Dezember 2017 - 11:44 AM

Das Dumm- oder Un-Wort des Jahres für mich ist: "umstritten". Bsp: der umstrittene Verleger G. K., der nicht unumstrittene Journalist Peter Scholl-Latour. Was wäre das Gegenteil? 100% Schulz? Mainstream-Schwimmerin M. Slomka? Der immer korrekte Johannes B. Kerner? Also: ein dümmeres und nichts-sagenderes Wort als "umstritten" kenne ich nicht.

_______________________

Der "Ihr müßt mal Maddin rufen" Mr. Chultz ist selbstverständlich ebensowenig "umstritten", wie das stammelnde, längst abgehalfterte, einstige Tennis-Talent, welches eines seiner Kinder angeblich in der Besenkammer eines Londoner Luxushotels zeugte.

Leute, die in schönstem BRD-Dummsprech, medial bis in den hintersten Winkel des Landes transportiert als "umstritten" ettikettiert werden, befinden sich in einer Art Vorstadium des-endgültig-zum-Paria-erklärt-werdens.

Und es geht - wie immer - gar noch einen Tick dämlicher, nämlich unter Verwendung von "ein Stück weit".

Eine x-beliebige Fahrt mit dem ICE reicht aus, um hochkarätige, buntländische Sprachdiamanten, wie beispielsweise "der ein Stück weit umstrittene Abgeordnete Jan Timke" zu vernehmen ...

 

 

 

 

 

S.J.

28. Dezember 2017 11:38

Um die politische Rechte mache ich mir eigentlich keine Sorgen (auf die ist im Zweifelsfall Verlass) und frage mich, was diese Kategorisierungsversuche in „Rechte“, „Konservative“, „Mode-Konservative“ oder „Salon-Konservative“ letztlich bereitstellen sollen. Es werden doch wohl nicht Orden oder Titel verliehen? Kummer bereiten beispielsweise symptomatische Schlagzeilen wie die von heute auf „N24-Welt“, ich zitiere gleich von der ersten Internetseite am 28.12.2017 ganz oben um etwa 10 Uhr: „Wenn die Regeln erodieren, erodiert der Staat. Immer häufiger senden Kommunen Hilferrufe, weil sie mit kriminellen oder gewalttätigen Flüchtlingen nicht fertig werden.“ Ein Kommentar von Wolfgang Büscher; gleich darunter ein „Welt+“-Artikel von Adrian Arab (sic!): „‘Ich hasse Araber.‘ Gewalt unter Flüchtlingen“. Während sich also die politische Rechte wieder einmal mit sich selbst beschäftigt, bekommen es die Deutschen nicht hin, Ordnung im Staat zu halten und sich mehrheitlich für ein Prinzip auszusprechen: Alles, was einen Staat ausmacht und von Karl Albrecht Schachtschneider mit dem „Recht auf das Recht“ der eigentlich souveränen Bürger so einleuchtend zusammengefasst wurde (in meinen Augen viel besser als Carl Schmitt), geht gerade den Bach herunter. Das ist das Problem. Etwa 80% der Bürger haben – salopp formuliert – keinen Pepp mehr. Die Leute schleppen sich (wenn überhaupt) zur Wahlurne und werfen dort allen Ernstes ihre Stimme für dieses groteske „Ancien Régime“ ein. Der Verlust der Bürgerlichkeit und der Staatlichkeit im Sinne Schachtschneiders.

 

 

 

Lotta Vorbeck

28. Dezember 2017 13:21

@S.J. - 28. Dezember 2017 - 10:38 AM

... Kummer bereiten beispielsweise symptomatische Schlagzeilen wie die von heute auf „N24-Welt“, ich zitiere gleich von der ersten Internetseite am 28.12.2017 ganz oben um etwa 10 Uhr: „Wenn die Regeln erodieren, erodiert der Staat. Immer häufiger senden Kommunen Hilferrufe, weil sie mit kriminellen oder gewalttätigen Flüchtlingen nicht fertig werden.“ 

... 

Während sich also die politische Rechte wieder einmal mit sich selbst beschäftigt, bekommen es die Deutschen nicht hin, Ordnung im Staat zu halten und sich mehrheitlich für ein Prinzip auszusprechen: Alles, was einen Staat ausmacht und von Karl Albrecht Schachtschneider mit dem „Recht auf das Recht“ der eigentlich souveränen Bürger so einleuchtend zusammengefasst wurde (in meinen Augen viel besser als Carl Schmitt), geht gerade den Bach herunter. Das ist das Problem. Etwa 80% der Bürger haben – salopp formuliert – keinen Pepp mehr. Die Leute schleppen sich (wenn überhaupt) zur Wahlurne und werfen dort allen Ernstes ihre Stimme für dieses groteske „Ancien Régime“ ein. Der Verlust der Bürgerlichkeit und der Staatlichkeit im Sinne Schachtschneiders.

...

____________________________

 

Wie Sie zutreffend feststellen: Bei 80% - womöglich gar noch ein paar Prozent mehr - der Buntlandinsassen ist schlichtweg die Luft raus. Die leben just ihr konformistisch-saturiertes BRDler-Leben weiter, obwohl die einstige Heimat partiell bereits lichterloh in Flammen steht.

All das, was Sie beschreiben, läßt sich in einem einzigen Wort subsumieren: ENDZEITSYMPTOME

Cacatum non est pictum

28. Dezember 2017 16:53

@S.J.

Die Fundamente unseres Staates bröckeln in der Tat. Den globalistischen Kräften kann das nur recht sein. Sie werden seine Überreste dem neuen eurozentralistischen Monstrum einverleiben wollen. In der aktuellen Ausgabe von Compact ist ein interessantes Interview mit dem jungen belgischen Historiker David Engels abgedruckt, der diesen Prozeß - analog zu den Ereignissen, die den Niedergang der Römischen Republik eingeleitet und zur Begründung einer zentralistisch-autoritären Staatsform, dem Kaiserreich, geführt haben - für unabwendbar hält. Hoffen wir, daß er sich irrt. Die von Ihnen beschriebene aktuelle Haltung der meisten Deutschen und Europäer scheint ihm allerdings recht zu geben.

Lotta Vorbeck

29. Dezember 2017 02:44

@Cacatum non est pictum - 28. Dezember 2017 - 03:53 PM

Die Fundamente unseres Staates bröckeln in der Tat. 

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Die meisten Deutschen würden schließlich nicht einmal für das Land kämpfen, in dem sie schon länger gut und gerne leben und in dem die Welt zu Gast bei Freunden ist. In einer Gallup-Umfrage anno 2015 erklärten nur 18 Prozent der befragten Krauts, dass sie bereit wären, ihr Land zu verteidigen (ein paar Vergleichszahlen: Marokkaner 94 Prozent, Pakistanis und Vietnamesen 89 Prozent, Finnen 74 Prozent, Türken 73 Prozent, Israelis 66 Prozent, Russen 59 Prozent, Amis 55 Prozent; nur Japaner und Niederländer zeigten sich noch verteidigungsunwilliger). 

Quelle: Klonovskys Acta diurna, Eintrag vom 25. Dezember 2017

 

 

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