sondern im Sinne einer hoffnungsvollen Ahnung.
Ich halte es für möglich, daß der (Alp-)Traum in Erfüllung geht. Ich tät‘ noch ein paar Attribute zwecks Präzision ergänzen: Dieses Offensivheer wird aus weitgehend kinderlosen, ressentimentgeladenen (vulgo: frustrierten) Frauen bestehen.
Wie komme ich darauf?
Ein paar Tage, nachdem das #metoo-Gewitter losgegangen war, fühlte ich mich schon behaglich. Großartige Wetterlage für eine Romantikerin meines Schlags, wenn zwei Gewitterfronten aufeinander zurollen: Überall wurde doch tüchtig und souverän dagegengedonnert!
Als ich mich etwas später, es gewitterte noch immer (und tut es grad noch), umschaute, merkte ich, daß ich mich in einer der berüchtigten Echokammern befand. Blitzgescheite Geschöpfe wie Nina Proll, Birgit Kelle oder Anabel Schunke haben vielleicht die Produktionsspitzen der Frau-als-Opfer-Industrie auf den Boden geholt. Aber die Maschine an sich ist ziemlich unempfindlich.
Ich hatte wirklich das Gefühl gehabt, daß die Heulsusenschar mit dieser Ich-bin-auch-schon-mal-anzüglich-angegrinst-worden-Masche den Bogen nun derart überstrapaziert hatte, daß man nur noch von Selbstentlarvung sprechen könnte.
Nun sah ich mich im weiteren Verlauf dieser Hysteriedebatte eines Besseren belehrt. Im Erziehungsfunk tun sie so, als müsse man diese bleierne Decke namens „Patriarchat“ endlich mal anheben. Als würde jetzt langsam deutlich, was Männer Frauen seit Jahrtausenden antun.
Daß der Begriff der „sexualisierten Gewalt“ äußerst (ich würde sagen: extrem) dehnbar ist, wurde mir durch eine „Talkrunde“ im Staatsfunk beigebracht, ausgerechnet von einem, der sich als Anwalt der Männer versteht.
Ich zitiere aus dem Gedächtnis. Der sensible Schriftsteller Ralf Bönt (Das entehrte Geschlecht. Ein notwendiges Manifest für den Mann) gab zu bedenken, daß es immer noch Männer seien, die am meisten unter Gewalt litten. Eine Studie habe ergeben, daß KfZ und Busse im Stadtverkehr fahrradfahrende Männer mit geringerem Abstand überholten als fahrradfahrende Frauen.
Der Moderator warf ein, das sei sicher schwer bedenklich, aber vielleicht nicht unter „sexualisierter“ Gewalt zu verstehen? Bönt beharrte, zumal dieser Sicherheitsabstand dezidiert zu fahrradfahrenden Männern kleiner sei, dürfe man diese Form von Gewalt durchaus als sexualisierte betrachten.
Auffällig in diesem Talg war für mich weiterhin, daß eine andere Podiumsgästin, eine Gender-studies-Professorin, in bezug auf sexuelle Belästigung strikt von TäterInnen sprach – immerhin konsequent!
Gut. Wir halten fest: Nach offiziösem Dafürhalten hat „sexualisierte Gewalt“ nicht notwendig etwas mit koitalem Begehren zu tun. Es sei ein „strukturelles Problem“: Männer wollen Macht ausüben über Frauen.
Eventuell üben also selbst jene Busfahrer Macht aus, indem sie mit ihrem Mega-Überholschwenk zugunsten fahrradfahrender Frauen nonverbal und paternalistisch signalisieren: „Schätzchen, dein Leben verdankst du meiner Achtsamkeit!“ Man muß die Sachlagen nur richtig deuten.
Michael Klonovsky unkte kürzlich: „In mindestens jedem zweiten Fall ist die Klage über Sexismus bloß eine Chiffre des Sichbegehrtfühlenwollens seitens derer, die nicht begehrenswert sind.“
Im ersten Moment dachte ich: wie?, im zweiten wußte ich, daß Klonovsky hier die VerschwörerInnen beim Schopf packt. Es geht um das, was Nietzsche in seiner Genealogie der Moral und in seiner Beschreibung des „Ressentiments“ als „Tartüfferie“ bezeichnet hat. Zu deutsch: Heuchelei.
Damit bin ich beim Heer der grauhaarigen Frauen und dem Stellvertreterkampf, den sie führen.
Das #metoo-Gezeter wäre dann nur vordergründig ein Kampf gegen „diese (macht)geilen Männer“. In Wahrheit wäre es ein Aufschrei der abgehängten Schichten. Im Genderfall sind dies nun diese bejahrten Frauen, nach denen kein Hahn (heißt: kein Mann, kein Enkelkind) kräht. In jedem Krieg gibt es Anstifter (meist ältere, erfahrene) und solche, die die Sache dann ausfechten.
In diesem Fall liefe es, frei nach Nietzsches Ressentimenttheorie, so: Die Alten ärgern sich, daß sie keine Rolle mehr spielen. Die Attraktivität der Jüngeren macht ihnen klar, daß ihnen definitiv das Abstellgleis zugedacht ist. Das darf nicht sein.
Das, was die Jüngeren zu bieten haben, sei demnach hohl und ausbeutbar. Darum müssen die nun begreifen, daß sie nur als Objekte männlicher Gier fungierten. Die Botschaft ist offenkundig angekommen.
Noch vor wenigen Jahren nämlich lautete die Klage der alten, weißen Frauen geradezu andersherum: „Keiner nimmt uns mehr wahr! Die Frau ab 40, spätestens 50, ist unsichtbar geworden!“
Ich erinnere an folgendes: 2014 veröffentlichte die ehemalige Chefredakteurin der taz, Bascha Mika, eine Klageschrift des Titels Mutprobe. Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden. Mika ärgerte sich darüber, daß Frauen in der Lebensmitte plötzlich „unsichtbar“ werden, sprich, kein Aufsehen per se erregen.
Es sei außerdem nicht so, „dass ältere Männer sich nur deshalb mit jüngeren Frauen zusammentun, weil sie wieder eine Familie möchten. [Mika ist kinderlos, E.K.] Die wollen von den jungen Frauen etwas ganz anderes.“
Daß Frauen mit deutlich jüngeren Männern hingegen selten ein Paar ergäben, läge allein am „gesellschaftlichen Tabu.“: „Es ist eine Frage der Macht, nicht der Biologie.“ Mika wolle „selbstverständlich“ nicht von einem jüngeren Mann verlangen, „dass er mich attraktiv findet. Aber: Was wir attraktiv finden, fällt nicht vom Himmel. Unser Begehren folgt einem Muster, das aktiv gesellschaftlich gestaltet wird.“
Im gleichen Jahr, 2014, klagte es in der Brigitte aus dem Mund einer Mittelalterlichen:
Auf der Straße lassen Männer den Blick gleichgültig über uns hinweggleiten, drängeln uns womöglich beiseite: ›Tschuldigung, hab Sie gar nicht gesehen.‹ In einer Runde am Tisch werden meist nur die jungen Frauen angesprochen und interessiert ausgefragt, von uns will keiner etwas wissen. Flirten? Doch nicht mit der Alten. Wir sind es leid.
Dazu, ebenfalls in der Brigitte, ein Leidensbericht einer weiteren Betroffenen (unter vielen):
Neulich war ich wieder mal in Rom, nach zehn Jahren das erste Mal. Saß stundenlang auf der Piazza, ging Schuhe shoppen, nett essen –und niemand guckte mich auch nur an. Fand ich doch irritierend. Ich habe mir plötzlich gewünscht, irgendein Italiener würde mir wenigstens einen heißblütigen Blick zuwerfen. Das, was mich früher genervt hat, fehlte mir plötzlich.
Oder dies:
Ich musste mich nie anstrengen, was Männer anging. Lief immer in lässigen T‑Shirts und Jeans rum und wickelte die Kerle trotzdem um den Finger. Irgendwie ist das vorbei. Die T‑Shirt-Nummer zieht nicht mehr. Lauter schicke Klamotten habe ich mir zugelegt, mit großen, auffälligen Mustern, und ein paar richtig tolle Designerstücke. Da gucken mir schon ein paar Männer hinterher, aber es sind so flüchtige Blicke. Das ärgert mich, weil ich das Gefühl habe: Jetzt hast du als Accessoires ein paar Falten im Gesicht, und schon passt ihnen das Gesamtbild nicht mehr. Und ich bin wütend auf mich selbst, weil ich mich extra anders anziehe, damit andere mich wieder wahrnehmen. Das sollte mir doch eigentlich nicht wichtig sein – aber es ist eben doch wichtig für mein Gefühl als Frau.
Oder schauen wir ganz weit zurück, nämlich in eine Spiegel-Ausgabe von 1984:
Ich bin unsichtbar geworden”, klagt eine attraktive und gebildete Hamburgerin. Wenn sie ein Restaurant betritt, dreht sich niemand mehr nach ihr um. Das herrschende Schönheitsideal, dem sie so lange gehuldigt haben, wird für diese Frauen zur Bedrohung: Sie fühlen sich über Nacht als Muster ohne Wert.
Oder zur ehemaligen „Sexbombe“ Brigitte Bardot, die schon vor Jahrzehnten Strandspaziergänge mit ihren Hunden tagsüber vermied, um die “scheußliche Darbietung von bonbonrosa Fleisch” nicht sehen zu müssen.
Oder blicken wir auf jüngere Klagen und nehmen wir das Buch von Monika Bittl und Silke Neumayer Ich hatte mich jünger in Erinnerung. Lesebotox für die Frau ab 40 zur Hand, das seit Monaten als Beststellerstapelware in den Buchhandlungen liegt: Darin nicht nur Sexphantasien mit einem Boy (unter anderen geschlechtlichen Vorzeichen kaum denkbar), sondern auch die gängige Klage: „auf dem Nachhauseweg pfeifen einem nicht einmal mehr die Bauarbeiter hinterher.“
Oder nehmen wir jene Lady, die unter dem erzkühnen Titel mama-arbeitet.de bloggt:
Es ist schockierend, aber wirklich so, dass ich seit 14 Jahren das Gefühl habe, dass mich die Männer nicht mehr sehen. Nun bin ich schon 4 Jahre getrennt und natürlich nicht mehr knackfrisch, aber ein Mann in meinem Alter hört ja auch nicht auf, zu flirten. Nur flirten die leider nicht mit mir.
Da ich mich für Männer meines Alters nicht interessiere (mein Ehemann war 8 Jahre jünger als ich), würde mir das auch nichts nützen, aber mich wundert, dass nicht einmal ältere Herren versuchen, mal ein wenig keck zu sein. Und sagt nicht, es liege daran, dass ich ja gar nicht offen sei und das auch so ausstrahle. Doch, ich habe Lust, zu flirten. Aber keiner spielt mit mir! Ich habe den ganz bösen Verdacht, dass das ein strukturelles Problem ist.
Merke: Affirmativ beachten – falsch. Nichtbeachten – auch falsch. Was wäre eigentlich richtig: Ein roboterartiger Dialog „auf Augenhöhe“ von Fachmensch zu Fachmensch?
Gerade kuratiert Sabine Fellner in Wien eine Ausstellung zur „Kraft des Alters“. Im Interview mit dem Bildungsfunk wendet sie sich „ausdrücklich gegen Jugendwahn, Anti-Aging und Forever Young“:
Das Problem unserer Gesellschaft liegt darin, dass Alter nicht als normaler Lebensabschnitt wahrgenommen wird, wie Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, sondern ausgeblendet wird. Und durch dieses Ausblenden fehlen unserer Gesellschaft kraftvolle Vorbilder, wie man Alter leben kann. Vor allem Frauen fehlen diese Vorbilder, weil Frauen ab 50 überhaupt aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden.
Zehnsekundenbrainstorming zum Thema „Frauen ab 50 in der öffentlichen Wahrnehmnung“, vollführt von einem Hirn, das hauptsächlich Mainstreammedien konsumiert: Angela Merkel, Christine Lagarde, Vivienne Westwood, Madonna, Jil Sander, Liz Mohn, Maria Furtwängler, Andrea Berg, Karin Göring-Eckard, Hillary Clinton…
Ich will nicht verschweigen, vor welchem Bild der Staatsfunkbeiträger und seine Interviewpartnerin dabei stehen. Es ist ein künstlerisch hochwertiges Ölgemälde von Aleah Chapin und zeigt gemäß männlich- jugendlicher Moderatorenstimme „ein Fest des Alters: Sieben nackte Frauen – kräftige, stolze, alte Frauen – liegen da verschlungen auf einer Wiese. Sie berühren einander, sie lachen, sie reißen neugierig die Augen auf – kurz: Sie feiern das Leben und ihre grauen Haare.“
Warum streckt die zugegeben gutundschöngealterte Frau in der Mitte wohl so phallusgleich-triumphierend in die Höhe? Ich kann’s nur raten. Sie hat #metoo gesagt, und nun kugeln sich die Damen vor Lachen.
Der Gehenkte
Gewöhnlich nerven mich diese schnellen Zuordnungen links-rechts, weil wir, wie Lichtmesz/Sommerfeld mehrfach betonen, eben Mischwesen sind und vermutlich mehr, als unserem Bewußtsein lieb sein kann.
Bei dieser sensiblen Materie schiebt sich die Dichotomie jedoch wie von selbst vor den analysierenden Verstand.
Ein wesentliches Signum des Konservativen ist doch, das Unabänderliche, das Natürliche, das Prozessuale, das Werden (wie es Deleuze etwa wunderbar beschrieben hat - gerade im Zshg. mit Nietzsche) anzuerkennen und es sogar zu affirmieren. Wer das kann, wem das aus dem inneren Kern vorreflexiv herausströmt, der ist rechts, ganz gleich, welche politische Ansicht er sich übergestülpt hat. Dagegen wollen die Linken einen status quo meist nicht anerkennen. Sie wehren sich auch gegen das Naturgesetzliche, sie wollen verändern udn verbessern, was nicht zu verbessern ist.
Freilich, auch mir (als Mann) gefallen die jungen Körper - aber man lernt doch auch die Schönheit des Vergehenden - das man ja schließlich an sich selbst beobachtet - zu schätzen. Auch optisch. Auch erotisch.
Ich habe mir schon früh angewöhnt, zu lauschen, wenn Frauen sprechen, weil bereits aus der weiblichen Stimme ein Mysterium herausklingt, das zu ergründen jedem Manne gut zu Gesicht stünde. Die Begrifflichkeit des Patriarchats halte ich durchaus für sinnvoll und ich sehe es auch als Wesensbestanteil der exterministischen Logik. Je älter die Frauen, je weiser (im günstigsten Fall) um so attraktiver werden sie. Ihre Stimmen wurde - wie ihre Körper - tatsächlich über Jahrtausende "von den Männern" unterdrückt. Die Frage ist, was dieses "von den Männern" bedeutet und wie es zustande kam.