In der kommenden Woche werden hier Mitarbeiter von Sezession und Antaios ihre Lese- und Schenktips für Weihnachten präsentieren, nämlich in je drei Kategorien: Wahres, Schönes, Gutes. Ich mache heute den Anfang, Benedikt Kaiser, Siegfried Gerlich, Götz Kubitschek, Caroline Sommerfeld, Martin Lichtmesz sowie unsere Buchhändlerin Sigrid Wirzinger werden folgen.
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Wahr
Roger Devlin: Sex – Macht – Utopie. 303 S., gebunden, 22 €
Es gibt ungezählte Frauenbücher mit Titeln wie „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“, „Scheidung-nie, aber Mord“, „Männer sind wie Schuhe.“ Die von Männern verfaßten Gegenstücke sind entweder Flachlegratgeber oder heulsusige Mutmachliteratur. Der US-Amerikaner Devlin hingegen, ein promovierte Philosoph, wirft einen kühlen Blick auf die Geschlechterdebatte – vor allem darauf, wie Frauen ticken und warum. Wer Camille Paglia liebt, wird hier kluge Ergänzungen finden.
DAS Buch in Zeiten von #metoo, „Daterape“, Kopftuchbarbie und Geschlechtswechselspielen!
Schön
Jurek Haselhofer: Die Tanten des Adjutanten. Oder der gescheiterte Wiederaufbau des Palais de Saxe zu Dresden. Roman. 400 S., gebunden, 24 €
Wien zur Zeiten der sogenannten Migrationskrise. Manninger ist brutal umgebracht worden, ein wichtiger Mann im Hintergrund der SPÖ, Strippenzieher und Redenschreiber. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, und nebenbei kocht im Internet die Gerüchteküche, vor allem auf dem Rechtspopulistenblog Morgenröte für die Völker Europas – Forum für echte demokratische Erneuerung. Während auf den Straßen die Identitäre Bewegung für Abwechslung sorgt und ein FPÖ-naher Großmäzen reaktionäre Künstler in seiner Villa um sich sammelt, menschelt es innerhalb der Staatsanwaltschaft reichlich verzwickt. Haselhofers Charakterzeichnungen sind bezwingend! Es dodert gewaltig! Wie sehr lassen hier geheime Dienste ihre Puppen tanzen? Hat etwa der Teufel selbst seine Hände im Spiel? Bulgakows Meister und Margarita läßt grüßen!
Gut
Horst G. Herrmann: Im Moralapostolat. Die Geburt der westlichen Moral aus dem Geist der Reformation. 381 S., gebunden, 22.80 €
Darf’s zur „Lutherdekade“ auch mal was Kritisches sein? Ohne Fokus auf den berüchtigten Judenhaß und den Bauernverrat? Ich habe selten ein Buch gelesen, das intellektuelle Herangehensweise und Polemik auf derart scharfe Art verknüpft. Horst G. Herrmann weist nach, daß unsere hypermoralische Gesinnungsdiktatur, die vorgebliche „Alternativlosigkeit“ der politischen Agenda sowie unserer beinharte Erinnerungs- und Willkommenskultur säkulare Ableger eines purifizierten Glaubens sind, der mit Luther in die Welt kam. Tugendterror, erhobener und ausgestreckter Zeigefinger sowie absolute Ambivalenzfeindlichkeit: Danaergeschenke einer Reformation, die aus Angst entstanden ist.
Hesperiolus
Zu Luther immer noch gut und lesenswert sind daneben ältere Werke wie das dreibändige Opus von Hartmann Grisar und "der" Denifle, mit bemerkenswerten Feststellungen zur Veränderung des deutschen Nationalcharakters seit Luther (vor allem in: Luther und Luthertum, II. Band), sowie dazu die ersten Bände von Johannes Janssens "Geschichte des deutschen Volkes". Über die Kultur- und Daseinsswerte einer schöneren Barockwelt vor und ohne Protestantismus, Aufklärung und Kapitalismus Peter Hersches "Muße und Verschwendung". Ach, und daß der eine oder andere Kommentator häufiger zu Heideggers "Vorträgen und Aufsätzen" griffe: "Die Wissenschaft denkt nicht" !