aus der Hüfte Geschossenes, nix Halbes und nix Ganzes und schon gar nix auf die Goldwaage zu Legendes.
Sie hat mich gefragt, ob sie mich nennen dürfe, und ich hab zugesagt, weil ich großes Zutrauen zu diesem Forum habe und denke, man steht hier trotz aller Differenzen so zusammen, dass man auch mal Einblick ins Unfertige, Provisorische geben darf. Die Textstücke sind Ausschnitte aus einem viel größeren Zusammenhang und dienen als Beispiel und Aufhänger. Ich versuche, noch einmal klarer zu fassen, worum es zumindest mir geht.
In der Regel sind wir alle moralische Menschen, ganz unabhängig von unserer Position. In der Regel wollen wir gut sein. Es gibt wahrscheinlich nur wenige Leute, die gern schlechte Menschen sein wollen, oder denen es egal ist, oder die sich zum Übermenschen aufgeschwungen haben, über allen und jenseits von Gut und Böse stehen.
Moral bezieht sich aufs Gemeinwohl – auf der Linken beziehen sie sich auf die Menschheit, wir auf der Rechten beziehen uns aufs Volk. Unsere Moral besteht darin, dass wir Gutes für unser Volk anstreben.
Ich sehe zwei bedeutende Schwierigkeiten. Die erste: Wie kann man verhindern, dass die Moral, also unser Wille zum Guten, missbraucht wird? Ich nehme meinen linken Gesprächspartnern (sofern sie sich noch mit mir unterhalten) und Freunden ab, dass sie für etwas Gutes eintreten wollen.
Die Liebe zum Nächsten, auch zum Nächsten aus der Ferne, ist etwas Gutes. Aber dieser moralische Impuls wird nun politisch instrumentalisiert. Die Politik bemächtigt sich dieser Liebe und setzt sie ein, um eine Agenda zu erfüllen. Auf eine ähnliche reine, ungefärbte Liebe stößt man bei Pegida-Demonstrationen: die Liebe zur Heimat, zum eigenen Land und eigenen Volk – Patriotismus.
Immer, wenn Liebe politisch vernutzt wird, wird sie faul, bekommt die Sache einen bitteren Beigeschmack. Aufgrund vieler Erlebnisse (die ich nicht schildern möchte, sie sind zu vertraulich) fürchte ich, dass die Rechte hier nicht anders handeln wird als die Linke. Die Liebe, die sich im Patriotismus äußert, wird instrumentalisiert werden, um eine bestimmte politische Agenda durchzusetzen. Das Aufrechte wird krumm und schief.
„Das Wort ‚Patriotismus‘ ist verbrannt“, sagte mir ein Mitarbeiter der AfD im Magdeburger Landtag, „es ist genauso verbrannt wie ‚Fachkraft‘.“ Bestimmte Leute, die bestimmte Positionen nicht teilen, werden dann halt als „nicht patriotisch“ diskreditiert (obwohl sie ihr Land und ihr Volk ja nicht weniger lieben), und damit haben wir sie: die „Political Correctness“ von rechts. Gegen diesen Vernutzungsmechanismus muss man Einspruch erheben, damit der ursprüngliche Impuls das Gute, Wahre und Schöne bleibt und nicht zum Zweckmäßigen erniedrigt wird.
Ich habe persönlich gar keinen Grund, die Herren Gauland, Kubitschek oder Lichtmesz zu kritisieren. Jeder weiß, dass ich sie im Gegenteil hoch achte und schätze und für Leuchttürme halte. Alexander Gauland ist, da ich ja nun für die BT-Fraktion arbeite, mein oberster Chef, für den ich großen Respekt empfinde. Mit Götz Kubitschek verbindet mich nicht zuletzt wegen gemeinsam geteilter bitterer Erfahrungen eine echte Freundschaft.
Martin Lichtmesz kann ich gar nicht genug für seine Beiträge danken, die immer wieder Verständnis-Schneisen für mich schlagen, den Nebel im Kopf klären, zum folgerichtigen Denken erziehen. Sein Büchlein von der „Hierarchie der Opfer“ halte ich für eine der wichtigsten Publikationen des Antaios-Verlags, ich verschenke es gern und empfehle es zur Zeit und Unzeit. Leuchttürme – aber nehmen wir mal an, die Erscheinungsform des Patriotismus, für die Herr Höcke steht, setzte sich durch.
Andere Leute, z.B. die von der Alternativen Mitte, würden als „nicht patriotisch“ gekennzeichnet. (Und der „Flügel“ und die „Patriotische Plattform“ haben ja in der Tat eine Neigung, sich selbst für die reinste Ausprägung des Patriotismus zu halten, sich für das Wichtigste zu nehmen und auf andere naserümpfend herabzuschauen. Ich dagegen kenne manche dieser „anderen“ und halte ihre Heimatliebe für nicht weniger aufrichtig und wertvoll.)
In diesem Fall müsste man, so habe ich es gemeint, im Namen dieser echten, aufrichtigen Liebe sogar die Leuchttürme kritisieren – damit die Liebe nicht politisch vernutzt wird, damit der moralische Impuls aufrichtig bleiben kann und nicht zur Gesinnungsethik erniedrigt wird.
Die zweite Schwierigkeit: Wie kommt man zu einer verbindlichen Tugendlehre? Wir auf der Rechten schätzen die Tugenden eines Menschen höher als seine Meinung. Es geht uns nicht so sehr darum, ob jemand die „richtige Meinung“ vertritt, sondern aus was für einem Holz er ist.
Taugt er etwas? Kann man sich auf ihn verlassen? Steht er zu seinem Wort? Redet er bloß viel, oder handelt er? Hat er Mut? Usw. – jedenfalls sollte es unter uns so sein, dass wir Ansehen nicht von Ansichten abhängig machen, sondern von der Person.
Mag er oder sie irren, mag ich irren, jeder von uns hat das Recht zu irren, das müssen wir einander zugestehen und auch dem ärgsten Feind. Auf der Linken machen sie grad das Gegenteil: Da heißt es „ohne Ansehen der Person“, niemand darf von jemand anderem beurteilt werden („Diskriminierung“), jeder hat das Recht, zu sein wie er will und wer er will (vgl. auch Aleister Crowleys satanisches „Gesetz von Thelema“).
Es bleibt am Ende zur Urteilsbildung über eine Person nur deren Gesinnung, woraus ja diese ganze widerwärtige Gesinnungsschnüffelei und Hypermoralisiererei und Gutmenschentümelei resultiert. Wir dürfen nicht in diese Gesinnungsfalle tappen – aber wie können wir sie umgehen? Wie können wir begründen, dass die Tugend über der Gesinnung steht? Und wie können wir welche Tugenden als allgemein verbindlich begründen? – Glaubt bloß nicht, das seien Elfenbeinturm-Spielereien und ‑Spinnereien!
Es sind hoch notwendige, gesellschaftspraktische Überlegungen, die unbedingt Antworten erfordern, wenn es denn eine wirkliche konservative Wende geben soll und nicht bloß eine Vertauschung des Vorzeichens, wenn es wirklich eine alterative Gesellschaft geben soll, die die Bezeichnung alternativ verdient! – Und jetzt sind wir bei den Ereignissen der Buchmesse. Mein Unwohlsein ist keineswegs moralisch begründet, sondern ästhetisch.
Das ist nicht der Stil, den ich schätze. Und keinesfalls war es ein „moralischer Sieg“, als den Martin Sellner es darstellt: denn in moralischer Hinsicht waren die einen von den anderen nicht mehr zu unterscheiden. Es war dasselbe unter vertauschten Vorzeichen.
Die Vorzeichen sind politisch, hier die Parole „One World“, dort die Parole „Vaterland“. Für mich ein Beispiel dafür, wie der politisch-moralische Mechanismus durch den „eisernen Vorhang“ der Lagergrenzen diffundiert und von einer Seite auf die andere wechselt und dabei nur mal das Gewand vertauscht.
Für einen moralischen Sieg wäre ein Signal notwendig gewesen, das die Tugend über das Politisch-Parolenhafte stellt. Das Deutschlandlied zu singen, kraftvoll, aufrecht, edel, ritterlich, unbeeindruckt von den Großmäulern und Schreihälsen – das wäre vielleicht das beste Signal gewesen.
So war es ein gelungenes Beispiel für „stand your ground!“, nicht mehr und nicht weniger, und als solches zweifellos richtig und wichtig – aber ich habe die Ereignisse eben noch in einem anderen Zusammenhang gelesen.
Gott befohlen!
Tom Hell
Lieber Herr Wawerka,
sie sprechen mir mit so vielen Sätzen aus der Seele. Das liegt sicherlich auch daran, wenn ich z.B. mit linken Bekannten diskutiere immer der "Rechteste" bin und wenn ich mit rechten Bekannten diskutiere immer der "Linkeste" bin. ;-)
Was viele "Volkstod"-Linke nicht verstehen können oder wollen, ist das man dieses Land, seine Kultur und die Menschen schätzen kann ohne sich auf ein Podest zu stellen und andere Völker und Kulturen für minderwertig zu halten.
Ich habe auf jedenfall eben gerade mein Abo abgeschlossen. Weiter so und Danke an Schnellroda und seine Menschen.