Ich fürchte nur, er wird sich daran gewöhnen müssen, daß seine Kolumne gelegentlicher Kaperung zum Opfer fällt.
Der Grund für meinen heutigen Akt der Piraterie ist, daß ich durch Zufall auf das weitere Schicksal eines Mannes gestoßen bin, von dem ich, wie der größte Teil der deutschen Öffentlichkeit, seit neun Jahren nichts mehr vernommen hatte: Michail Saakaschwili ehemaliger Präsident Georgiens.
Zum Hintergrund: Der Mann kam 2004 infolge der sogenannten Rosenrevolution an die Macht. Aufgrund seiner radikalen Korruptionsbekämpfung und seiner ebenso radikalen Westorientierung gingen die Meinungen über ihn rasch weit auseinander. In der Weltrangliste der NGO Transparency International stieg Georgien von Platz 133 im Jahr 2004 auf Platz 51 im Jahr 2012. Seine Gegner behaupten hingegen, er habe einfach die alte korrupte Elite durch seine neuen korrupten Freunde ausgetauscht.
Wie es sich damit auch verhalten mag, zu unserem Problem wurde er dadurch, daß er 2008 versuchte die, seit dem Zerfall der Sowjetunion, schwelende Frage Südossetiens militärisch zu lösen, in der Erwartung, der ganze Westen werde im Falle eines Falles deswegen in einen Krieg gegen Rußland stolpern.
So absurd war das nicht. George W. Bush wollte 2008, noch kurz vor Ende seiner Präsidentschaft, die georgische Natomitgliedschaft durchboxen, woraufhin Merkel und Sarkozy auf Stur schalteten und diese Osterweiterung auf den Sanktnimmerleinstag verschoben.
Saakaschwili holte sich im Krieg gegen Rußland eine blutige Nase, verlor 2012 seine Parlamentsmehrheit und konnte sich 2013, nach zweimaliger Amtszeit, nicht noch einmal zum Präsidenten wählen lassen. Jetzt selbst unter Vorwurf der Korruption des Amtsmißbrauchs und der in Auftrag Gebung eines Mordes, floh Saakaschwili in die Vereinigten Staaten, wo er bezahlte Vorträge hielt und zwei Lehraufträge als „Senior Statesman“ innehatte.
2015 zog es ihn als Berater des frisch an die Macht gekommenen Präsidenten Poroschenko in die Ukraine, deren Staatsbürgerschaft er am 29. Mai annahm um Tags darauf zum Gouverneur von Odessa ernannt zu werden. Dort entließ oder vergraulte er einen Großteil der örtlichen Polizei und ersetzte sie durch von den Amerikanern ausgebildetes Personal. Die Vereinigten Staaten bezahlten ebenso einen Teil seines Mitarbeiterstabes. Im Dezember des selben Jahres gründete er eine „Bewegung für Säuberung“, die sich der überparteilichen Korruptionsbekämpfung verschreiben hat.
Vielleicht währte das neue Glück deswegen nicht lange. Im November 2016 reichte Saakaschwili seinen Rücktritt ein um sich abermals in die USA abzusetzen. Die ukrainische Staatsbürgerschaft wurde ihm daraufhin von Poroschenko wieder entzogen. Seitdem ist Saakaschwili staatenlos.
Nur, der Mann ist nicht kleinzukriegen. Am 10. September 2017 überquerte er zusammen mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko und einigen ukrainischen, sowie polnischen Abgeordneten illegal die polnisch ukrainische Grenze.
Schon deswegen polizeilich gesucht, begann er eine Kampagne zur Amtsenthebung Poroschenkos (keiner weiß, woher das Geld dafür stammt) und schaffte es bis nach Kiew, wo er am 5. Dezember verhaftet wurde, während er drohte, sich wegen einer Wohnungsdurchsuchung vom Hausdach zu stürzen. Seine Anhänger befreiten ihn aus dem Polizeiwagen und noch mit einer Handschelle am Arm, startete er eine Demonstration zum Parlament, wo eine Handvoll seiner Anhänger, in der Hoffnung den Euromaidan zu wiederholen, seit Oktober ausharrt. Am 8. Dezember wurde er dann erneut verhaftet, inzwischen aber vom Gericht wieder freigelassen. Die Staatsanwaltschaft ficht diese Entscheidung an.
Am 18. Dezember kam es dann auf einer von ihm organisierten Demonstration zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Saakaschwilis Anhänger versuchten gewaltsam den früheren Oktoberpalast in Kiew zu stürmen. Gegen drei der Demonstranten wird ermittelt. Die Botschafter der Vereinigten Staaten und Großbritanniens haben die Gewalt der Demonstranten verurteilt.
Soweit Saakaschwili bisher: Weiterer Verlauf: Hochgradig ungewiß.
Ich muß sagen, der Mann flößt mir Respekt ein. Was immer man von seinen geopolitischen Bündnissen halten mag, zumindest verfügt er über aktivistische Energie. Den Kerl könnten wir brauchen! Nur, so jemanden kann man nicht an den Auslöser eines Mechanismus setzen, an dessen Ende ein Krieg gegen eine Atommacht steht.
Und so ist es nicht auszuschließen, daß unsere Matrone-in-Chief und der kurzgewachsene Filou damals, 2008, die Welt gerettet haben.
Wer sich noch gefragt hat, was das Clown-World-Meme soll. Das ist Clown-World.
Tuut! Tuuuut! Tuut! Tuuuut!
Thomas S.
Man sollte sich vor romantischen Gefühlen gegenüber dem durch und durch von der Organisierten Kriminalität durchdrungenen russischen Staat hüten. Staaten haben bekanntermaßen keine Freunde, sondern nur Interessen. Als Deutscher befindet man sich seit langem leider in einer schwachen Position zwischen mehreren wesentlich stärkeren Mächten und spielt aktuell nicht einmal mehr in der zweiten Liga der Nationen mit.