Grenzen ziehen?

Wenn's so lang hell ist draußen, gibt's wenig, was mich ins Büro lockt. Schön, daß man noch zwei Stunden im Garten arbeiten kann, ...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

… wenn die mensch­li­chen Pflänz­chen alle im Bett lie­gen! In den letz­ten Tagen schrieb ich an einem län­ge­ren Knut-Ham­sun-Por­trät für die Sezes­si­on. Ham­sun, mein Lieb­lings­schrift­stel­ler, wür­de im August 150; nun lie­gen wie­der zwei, drei Wochen inten­si­ver Ham­sun-Lek­tü­re hin­ter mir, Roma­ne, Bio­gra­phien, Briefe.

Es gibt Lite­ra­tur, die – so anre­gend sie ist – einem ganz ver­track­te Kno­ten in der Hirn­sphä­re ver­ur­sacht. Bei Ham­sun (der für sein Segen der Erde den Nobel­preis erhielt) ist es ganz anders, man wird so – erdig halt. Wie Ham­sun es haß­te, als “Schrift­stel­ler” titu­liert zu wer­den! Wie er die poe­to­lo­gi­schen Dis­kur­se ver­ab­scheu­te, die lau­fend an ihn her­an­ge­tra­gen wur­den! Er sei Bau­er, nichts sonst, und im übri­gen sol­le man leben & Kin­der krie­gen und nicht glau­ben, daß Bücher “auch Leben” seien.

Mit­te Juni ist nun auch gärt­ne­ri­sche Hoch-Zeit. Daß wir hier in Schnell­ro­da wenn nicht schlech­te, so doch roman­ti­sche, ja uto­pi­sche Bau­ern sind, dar­auf brach­te mich das Bild des Tages Uto­pie (von Mathi­as Prechtl) unse­res tech­ni­schen Haus­meis­ters Har­ki. Daß sich Wolf und Schaf geschwis­ter­lich anein­an­der­schmieg­ten – welch Irr­glau­be! Wir hier sind davon kaum zu hei­len, so scheint’s.

Bei­spiel Acker: Ich ken­ne den deut­schen Mus­ter­gar­ten und woll­te das nie. Alles brav in Reih und Glied, Salz aufs Unkraut, Dün­ger ans Gemü­se. Bei mir nicht! Kei­ne Che­mie, nur diver­se Kräu­ter­brü­hen. Alles bleibt ste­hen, was schön ist und bei Nach­bars tüch­tig aus­ge­rupft oder sonst­wie getilgt wird. Ich erken­ne die hüb­schen Unkräu­ter im frü­hes­ten Sta­di­um und las­se sie ste­hen, wo sie wol­len, die wil­den Kamil­len, die Taub­nes­seln, die Rin­gel­blu­men (hun­dert­drei­und­vier­zig, wur­de mir heu­te vor­ge­zählt) und vor allem den roten und den lila Mohn. Über den Zaun kam heu­te die Fra­ge, ob wir viel­leicht eine Opium–Plantage plan­ten? Kubit­schek stand rau­chend ein paar Meter weiter.

Ja, mir täts leid, all die hüb­schen Pflänz­chen zu eli­mi­nie­ren! Die Fol­ge: Die Gur­ken wach­sen (viel­mehr: küm­mern dahin) im Schat­ten von gigan­ti­schen Knob­lauch­rau­ken, die Toma­ten wer­den vom wun­der­hübsch-mythi­schen Lab­kraut bedrängt (nur ein Unmensch kann das roden!) , und am Ende wer­den uns die mit­lei­di­gen Nach­barn wie­der einen Teil ihrer Ern­te rüber­rei­chen, weil sie ahnen, daß das bei uns „nüscht wird“. (Was so gar nicht stimmt. Die Leu­te kapie­ren nicht, daß Man­gold und Rau­ke nicht nur als Gän­se­fraß, son­dern für herr­lichs­te Gerich­te taugen.)

Schlim­mer aller­dings zahlt sich unser Gut­men­schen­tum in der Tier­hal­tung aus. Wir mei­den das erzwun­ge­ne Ein­sper­ren, das Anlei­nen etc. Wenn wir Hasen hat­ten, durf­ten die im gan­zen Gar­ten toben. Das ging mona­te­lang gut, heu­te haben wir kei­ne mehr. Unse­re haus­ge­züch­te­ten Hüh­ner sind ähn­lich frei­heits­lie­bend. Bei Nach­bars dackeln die von allein vor der Däm­me­rung in den Stall, bei uns nie. Kubit­schek pflückt sie Abend für Abend von den Bäu­men und bringt sie zu Bett, außer, wenn sie auf dün­nen Ästen weit oben sit­zen. So frei­heits­lie­bend ist unse­re Brut! Am Ende habens die wage­mu­tigs­ten immer mit dem Tod bezahlt (weil auch Fuchs­wel­pen und Mar­der­jun­ge leben wol­len) , dann trug das Rit­ter­gut Trauer.

Das jüngs­te Gele­ge wur­de nun mit Draht ein­ge­zäunt, und die Nach­barn lach­ten wie­der: „Beton oder Sta­chel­draht“ lau­te­te ihre Paro­le. Nicht mit uns, wo kämen wir hin! Heu­te schlug der eige­ne – jüngst zuge­lau­fe­ne Hund – die Hälf­te der klei­nen Enten. Wir woll­ten ihn nicht in einen Zwin­ger zwin­gen. Und nun: ein Schlacht­feld. Wir Gut­men­schen! Was wäre die Leh­re? Kla­re Gren­zen zie­hen, hygie­nisch wirt­schaf­ten? Man lernt halt nie aus.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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